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Königin (AT)

(erstellt: Juli 2012)

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Neben Königen sind Königinnen – wenn auch sehr viel seltener – im gesamten Alten Orient belegt. Allerdings variiert ihr Vorkommen in unterschiedlichen Epochen. Als Königin kann 1) eine Regentin, 2) die → Königinmutter oder 3) die Frau des Königs bezeichnet werden. Damit ist auch der Machtbereich der „Königin“ sehr unterschiedlich.

1. Königinnen im Alten Orient

1.1. Ägypten

1.2. Mesopotamien

1.2.1. In Mesopotamien ist lediglich Kubaba als Königin und Herrscherin belegt. Sie regierte Kisch im 3. Jahrtausend (→ Sumer).

1.2.2. Andere Königinnen wurden prominent als Ehefrauen. Baranamtarra, die Frau von Lugalanda (in Lagasch, 24. Jh.), und Shag-Shag, die Frau von Urukagina (in Lagasch, 24. Jh.), sind in verschiedenen Tempelinschriften erwähnt. Die Frauen der Könige von Lagasch in der frühen dynastischen Periode sind in kultischer Funktion erwähnt.

Die Korrespondenz der Frauen-Briefe aus → Mari (vgl. Römer), aus der altbabylonischen Zeit, bieten außergewöhnliche Eindrücke in die Welt von Shiptu, der Königin von Mari (18. Jh. v. Chr.). Sie war die Tochter von Jarim-Lim von Jamchad und die Frau von Zimri-Lim von Mari. Sie vertrat ihn in seiner Abwesenheit. Schließlich werden ihre Aufgaben als Königin darin bestanden haben, den Königspalast und die Angestellten zu beaufsichtigen und in kultischen Angelegenheiten dabei zu sein sowie den König bei seinen repräsentativen Staatsangelegenheiten zu unterstützen (Schearing, 66f).

1.2.2. Aus dem neuassyrischen Reich sind zwei Frauen, Sammuramat, die Frau von Schamschi-Adad V. und Mutter von Adad-Nirari III., und Zakutu, die Frau von → Sanherib und Mutter von → Asarhaddon, als Königinmütter bekannt. Sammuramat war Regentin für ihren Sohn.

1.3. Sidon

In der Eschmunezer-Inschrift, die sich auf einem Sarkophag befindet, der in der Nekropole von → Sidon gefunden wurde, und die aus dem 5. Jh. stammt, wird die Mutter von Eschmunezer II., des Königs von Sidon, erwähnt: ’m‘štrt khnt ‘štrt „Amastart, Priesterin der Astarte“ (KAI 14, 14f; TUAT II/4, 590-593). Ihr und ihrem Sohn werden gemeinsame Tempelbauten für verschiedene Gottheiten – darunter vor allem Erscheinungsformen der Astarte – zugeschrieben.

Der Name ’m‘štrt lässt unterschiedliche Deutungen zu: Er setzt sich aus Astarte und entweder ’mt „Dienerin“ oder ’m bzw. ’mj „(meine) Mutter“ zusammen und bedeutet dann entweder Amotastart „Dienerin der Astarte“ (KAI II, 14) oder – wahrscheinlicher – Amastart „(meine) Mutter ist Astarte“.

Amastart war eine Halbschwester ihres Mannes Tabnit, die beide Eschmunezer I. zum Vater hatten. Obwohl die Könige in dieser Inschrift nicht den Titel Priester tragen, wird sie Priesterin genannt. Dies ist auffällig, da ihr Vater in seiner eigenen Inschrift sich und seinen Vater als Priester der Astarte bezeichnet. Vielleicht wurde der Priestertitel für die männlichen Mitglieder der Familie hier vermieden, da Eschmunezer II. nicht alt genug geworden war (er starb mit vierzehn), um selbst Priester zu werden; vielleicht wurden nur einige Könige Priester (Gibson, 112) oder es bekamen nur die tatsächlichen Regenten und Regentinnen diesen Titel, in diesem Fall seine Mutter Amastart. Hierfür spricht, dass sie während der Kindheit ihres Sohnes die tatsächliche Regentin und an allen Errungenschaften ihres Sohnes beteiligt war. Vielleicht galt ihre Regentinnenschaft bis zum frühen Tod ihres Sohnes. Ihre Rolle scheint mit der der גְּבִירָה gəvîrāhMaacha in Juda (1Kön 15,9ff) vergleichbar zu sein.

2. Königinnen im Alten Testament

2.1. Begriffe für Königinnen

Das deutsche Wort „Königin“ kann drei verschiedene hebräische Begriffe wiedergeben: מַלְכָּה malkāh, שֵׁגַל šegal und גְּבִירָה gəvîrāh.

2.1.1. Das Wort מַלְכָּה malkāh „Königin“ ist die feminine Form von מֶלֶךְ mælækh „König“. Es wird für die Königin von → Saba (1Kön 10 par. 2Chr 9), für die Königin Vasti, die Frau des persischen Königs Ahasveros (Est 1,9) und deren Nachfolgerin, die Königin → Ester, verwendet. Im Plural werden in Hhld 6,8f die sechzig Frauen des Königs als Königinnen bezeichnet. → Atalja wird zwar nicht Königin genannt, doch bezieht sich das feminine Partizip von מלך mlk Qal „Königsherrschaft ausüben“ auf ihre Regierung (2Kön 11,3; 2Chr 22,12). Neben Ausländerinnen können somit eine judäische Königin ausländischer Herkunft und eine persische Königin judäischer Herkunft als „Königin“ bezeichnet werden.

2.1.2. Das Wort שֵׁגַל šegal „Königsgemahlin“ ist im Alten Testament nur zweimal belegt. In Neh 2,6 bezieht sich שֵׁגַל šegal auf die Frau des Königs Artaxerxes von Persien und in Ps 45,10 steht die Braut bzw. Frau des Königs in Gold von Ofir gekleidet zur rechten Hand des Königs. Nach einer Konjektur soll in Ri 5,30 statt „Beute“ ursprünglich שֵׁגַל šegal gestanden und sich vermutlich auf die Mutter des kanaanäischen Feldherrn → Sisera bezogen haben.

2.1.3. Das Wort גְּבִירָה gəvîrāh bezeichnet überwiegend die Mutter des Königs (→ Königinmutter).

2.2. Ausländische Königinnen

Die vier fremden Königinnen, die in biblischen Erzähltexten erwähnt werden, spiegeln den unterschiedlichen Sprachgebrauch wider.

Koenigin 1

2.2.1. Die Königin von Saba (1Kön 10,1-13; 1Kön 10,1.4.10; 2Chr 9,1-12), die מַלְכָּה malkāh „Königin“ genannt wird, wird als souveräne Herrscherin und Regentin dargestellt. Sie erfährt von der Weisheit des Königs → Salomo, reist zu seinem Hof und schenkt ihm – überwältigt von dem, was sie sieht – Gold, Balsam, Edelsteine und Edelholz. Salomo bedankt sich großzügig.

Im Neuen Testament als „Königin des Südens“ bezeichnet, soll sie in der Endzeit erneut erscheinen, um die Abtrünnigen / Treulosen zu verurteilen (Mt 12,42; Lk 11,31).

2.2.2. Tachpenes von Ägypten.Tachpenes, die als גְּבִירָה gəvîrāh bezeichnet wird, ist die Gemahlin eines Pharao (1Kön 11,19-20; → Königinmutter 2.1.).

2.2.3. Vasti von Persien (Est 1-2) und Ester von Persien (Est 2-10) sind Gemahlinnen des Königs von Persien. Alle genannten Königinnen sind außerhalb der biblischen Texte nicht bezeugt und finden sich in fiktiven Erzählzusammenhängen, die ihre Historizität nicht unbedingt wahrscheinlich machen. Auch wenn es sich bei Vasti und Ester wahrscheinlich um fiktive Figuren handelt, so sind sie zwar als Gattinnen des Königs dargestellt, die sich ihm zu unterwerfen haben. Ihre Erzählungen zeigen aber die erstaunliche Macht, die ihnen zugeteilt bzw. zugesprochen wurde. Vasti wird abgesetzt, da ihr Ungehorsam gegenüber dem König dazu führen könnte, dass alle Frauen im Reich ungehorsam werden könnten, und Ester gelingt es in der Erzählung, die Juden vor der Ausrottung zu retten.

2.3. Israelitische und judäische Königinnen

Die Königin hatte als Frau des Königs einen Ehrenplatz an dessen rechter Seite (Ps 45,9.10). Ihr Ansehen und ihre Macht stieg, wenn ihr Sohn der nächste König wurde (→ Königinmutter). Dann konnte sie auch eine Krone tragen (Jer 13,18). Ihre Herrschaft hing auch an ihrer Herkunft sowie an ihrem persönlichen Geschick und ihrem Einfluss auf ihren Ehemann. In jedem Fall war ihre Macht als Hauptfrau des Königs größer als die anderer Frauen des Herrschers. → Michal konnte ihren königlichen Ehemann → David offiziell kritisieren, ohne eine Strafe fürchten zu müssen (2Sam 6,20-23). → Isebel wird so großer Einfluss nachgesagt, dass sie auch das Leben → Elias bedrohen (1Kön 19,1-3) und ihr die Intrige um → Nabots Weinberg nachgesagt werden konnte (1Kön 21,5-16).

2.3.1. Königliche Heiratspolitik

In erster Linie handelte es sich bei der Ehe, durch die aus einer jungen Frau eine Königin werden konnte, um eine diplomatische Heirat, die geschlossen wurde, um den Einfluss des Königs zu vergrößern, Allianzen herzustellen, politische Feinde auszuschalten und insgesamt die Beziehungen zwischen den involvierten Parteien zu verstärken (vgl. 2Kön 14,9). Die Ehe Davids mit Sauls Tochter → Michal wurde geschlossen, um die Allianz zwischen → Saul und David zu stärken, hatte aber keinen starken Einfluss, da sie kinderlos blieb. In der Regel heirateten die israelitischen und judäischen Könige aus diesem Grund Prinzessinnen aus anderen Ländern. Davids Heirat mit → Maacha, der Tochter von Talmai, dem König von → Geschur (2Sam 3,3), stellt eine Beziehung zu diesem Gebiet her.

Die Hochzeit Salomos mit der Tochter des Pharao wird dazu gedient haben, die diplomatische Beziehung zwischen Ägypten und Israel zu stärken (1Kön 3,1). Da die Tochter des Pharao besonders häufig erwähnt wird (1Kön 3,1; 1Kön 7,8; 1Kön 9,16.24; 1Kön 11,1; 2Chr 8,11), könnte es sich bei ihr um seine Hauptfrau handeln. Da der Thronfolger allerdings nicht von ihr stammt, ist es wahrscheinlicher, dass sie besonders erwähnt wird, weil sie – wie auch das von ihr bewohnte Haus – eine Besonderheit darstellt. Auch wenn die anderen Frauen Salomos nicht ausdrücklich als Königstöchter bezeichnet werden, lassen sie doch die salomonische Bündnispolitik erkennen. Politische Ziele verfolgt möglicherweise auch die Heirat Salomos mit Naama (1Kön 14,21). Ahabs Heirat mit → Isebel, der Tochter des Königs von → Tyrus, sollte die Allianz zwischen Israel und Phönizien festigen (1Kön 16,31). Die Heirat Jorams, des Königs von Juda, mit Atalja, die aus dem Königshaus Israels kam, diente dazu, die Jahre der Feindschaft zwischen Juda und Israel zu beenden (2Kön 8,18; → Königinmutter). Diese Königin repräsentiert wichtige diplomatische Beziehungen zwischen dem Land ihres Ehemanns und ihrem eigenen, dem Land ihrer Herkunft.

2.3.2. Haupt- und Nebenfrauen des Königs

Häufig wird, wenn von den Frauen und Nebenfrauen des Königs gesprochen wird, die Bezeichnung „Harem“ verwendet. Dieses Wort empfiehlt sich aus zweierlei Gründen nicht. Zum einen wird es in biblischen Texten nicht gebraucht. Allenfalls das Hapaxlegomenon הַרְמוֹן harmôn in Am 4,3 könnte als Hinweis auf einen Harem nach unserem Verständnis gelesen werden (zur Diskussion vgl. Kiesow, 78). Gewichtiger als dieses Argument ist, dass mit dem Wort „Harem“ Klischees und Vorurteile transportiert werden. Im Arabischen bezeichnet es lediglich den Teil des Hauses, der Frauen vorbehalten ist. Er darf nicht von Männern betreten werden. Im europäischen Sprachgebrauch können mit dem Wort Harem Ehefrauen in der Gefolgschaft eines Mannes mit leicht pejorativem Unterton bezeichnet werden. Vorstellungen vom orientalischen Harem wurden zum Klischee weiblicher Abhängigkeit bzw. Projektionsfläche männlicher europäischer und arabischer Wunschträume. Zur begrifflichen Klarheit muss deswegen unterschieden werden zwischen dem Frauentrakt, dem Haus oder Palast als räumlichem Ort (בֵּית הַנָּשִׁים bet hannašîm), und den Frauen des Königs (vgl. Kiesow, 74-78). Der erste Bericht über „die Frauen“ eines Königs findet sich in 1Kön 11,3. Dort werden die 700 Frauen und 300 Nebenfrauen Salomos erwähnt. Hier wird differenziert zwischen Frauen (נָשִׁים nāšîm), die als Ehefrauen im vollen rechtlichen Sinn gelten können und den Nebenfrauen (פִּלַגְשִׁים pilagəšîm), die einen geringeren sozialen Rang haben als die Hauptfrauen (vgl. auch Engelken, 74).

2.3.2.1. Nebenfrauen. Das Wort פִּילֶגֶשׁ pîlægæš „Neben- bzw. Co-Frau“ (nach Friedl, 166f) wird weder in Privatdokumenten noch in Rechtsdokumenten des Alten Testaments gebraucht, sondern hauptsächlich im Kontext königlicher Polygynie (Ri 8,31; 2Sam 3; 2Sam 7; 2Sam 21,11 [Saul]; 2Sam 5,13-16; 2Sam 15,16; 2Sam 16,21; 2Sam 19,6; 2Sam 20,3; 1Chr 3 [David]; 1Kön 11,3 [Salomo]; Hhld 6,8f [namenloser König]; Est 2,14 [Ahasveros]; 2Chr 11,21 [Rehabeam]). Die Kinder der Nebenfrauen Davids können keinen Anspruch auf das Amt des Königs erheben (Friedl, 240f).

2.3.2.2. Hauptfrauen. Die Hauptfrauen Salomos werden in 1Kön 11,3 als Fürstinnenfrauen (נָשִׁים שָׂרוֹת nāšîm śārôt) näher spezifiziert. Dies betont ihre überlegene Stellung gegenüber den Hauptfrauen.

Im Unterschied dazu scheint Sara – der Name bedeutet „Fürstin“ – als Stammesfürstin porträtiert worden zu sein (Gen 17,15-21; Gen 18,6-15; Gen 20,2.14-18; Gen 21,1-12; Gen 23,1f.19; Gen 24,36.67; Gen 25,10.12; Gen 49,31; Jes 51,2).

2.3.3. Die politische Bedeutung der Frauen im Haus des Königs

Politisch bedeutsam waren Frauen im Haus des Königs in mehrfacher Hinsicht. Zum ersten hatte, wer immer eine der Frauen aus dem Haus des Königs besaß, einen Zugang zum Thron. Zum zweiten konnten sie eine wichtige Rolle im Prozess um die Nachfolge spielen. Dies lässt sich aus den Erzählungen von der Thronfolge Davids schließen (1Kön 1-2). Zum dritten war für die jeweiligen Eroberer die Einnahme der Frauen, ihre „sexuelle Besitznahme“, ein wichtiges Mittel der Machtdemonstration und der völligen Unterwerfung. Als → Absalom gegen seinen Vater → David revoltierte, war David gezwungen, Jerusalem zu verlassen (2Sam 15). Nach → Ahitofels Rat übernahm Absalom öffentlich die Nebenfrauen, die David zurückgelassen hatte (2Sam 16,20-22). Die Einnahme der Stadt sowie die Einnahme der Frauen werden in der Erzählung von Davids → Thronnachfolge noch zweimal miteinander parallelisiert: → Abner schläft nach Sauls Tod mit → Rizpa, einer Frau Sauls, und darüber kommt es zum Bruch mit Sauls Sohn und Nachfolger → Eschbaal. → Adonja möchte nach Davids Tod dessen Dienerin → Abischag von Sunem (1Kön 2,13-25) haben, doch Salomo versteht dies als Wunsch nach der Königsherrschaft und lässt Adonja töten. In jedem Fall wird der Besitz oder der Wunsch nach der Frau eines Königs als Verlangen nach dem Thron interpretiert. Im Jeremiabuch wird deutlich, dass die völlige Niederlage sich nicht nur in der Zerstörung der Felder auswirkt, sondern auch in der Deportation der Frauen durch die Eroberer (Jer 8,10-12 für das Volk; Jer 43,6 die Töchter des Königs; wie Jer 38,22-23 alle Frauen des Hauses des Königs).

2.3.4. Der Typus der bösen Königin in Erzählungen

Von allen israelitischen und judäischen Königinnen wird vier Königinnen eine besondere Bedeutung gegeben: → Batseba, → Maacha, → Isebel und → Atalja. Von diesen vier Königinnen wird allein Batseba positiv dargestellt. Charakterisierungen der anderen drei Königinnen beinhalten erzählerische Elemente, die sie als einen bestimmten Typus charakterisieren, nämlich den der bösen, niederträchtigen Königin bzw. Königinmutter. Leser und Leserinnen werden gewarnt vor der gefährlichen Macht dieser Frauen. Eine Analyse der Erzählungen von Isebel und Atalja lässt fünf Elemente dieser Frauen erkennen: 1. Sie sind nicht judäisch; 2. politisch machtvoll; 3. aggressiv; 4. mit Aschera oder Baal verbunden; 5. ihren Ehemännern und Söhnen verpflichtet. Während die Punkte 1, 4 und 5 auch auf den Charaktertyp der fremden Frau, die im → Sprüchebuch begegnet, zutreffen, unterscheidet sich die böse Königin bzw. böse Königinmutter entscheidend dadurch, dass sie mehr Macht hat. Während die fremde Frau hauptsächlich auf ihre Verführungskünste vertrauen muss, um ihren Willen durchzusetzen, hat die böse Königin bzw. Königinmutter Macht und kann Gehorsam verlangen. Die Erzählung von Maacha ist kürzer. Sie enthält dennoch vier Elemente der bösen Königin bzw. Königinmutter: 1. sie ist eventuell eine Fremde; 2. sie unterstützt die Verehrung der → Aschera; 3. sie hat Macht; 4. sie muss entfernt werden.

2.3.5. Prinzessinnen

Die Königstöchter kommen vor allem dann, wenn es um die Heiratspolitik der Könige geht, in den Blick (s.o.). Obgleich 1Kön 1,1-8 in polemischer Absicht formuliert wurde, kann der Text als historischer Beleg dafür gesehen werden, dass die ausländischen Prinzessinnen ihre Göttinnen und Götter mitbrachten und – hatten sie Einfluss genug – diese in den Staatskult integrierten (vgl. 1Kön 16,33; 1Kön 18,19). Doch war dies wohl die Ausnahme.

Wie andere Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft gingen die Töchter des Königs bei ihrer Heirat von der Gewalt des Vaters in die Gewalt ihres Mannes über (Ps 45,10ff). Vielleicht werden die Töchter des Königs aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die Bündnispolitik des Königs in 2Sam 19,6 zwar nach den Söhnen, aber noch vor den Frauen Davids genannt. Als Mitglieder der königlichen Familie sind sie wie die Königinmutter und die Königssöhne an der politischen Macht beteiligt. Allerdings sind an vielen Stellen nur die Namen der Söhne erwähnenswert (2Sam 5,13ff; vgl. 2Chr 14,3ff).

Müllner (2009, 302) rückt die Bezeichnungen „Königinmutter“, „Söhne des Königs“ und „Töchter des Königs“ in die Nähe von Titeln von Beamten bzw. Beamtinnen. „Sohn des Königs“ und „Tochter des Königs“ sind zwischen dem 8. Jh. und dem 6. Jh. auf Siegeln belegt.

In Zeiten politischer Krisen konnte auch eine unverheiratete Königstochter aus Juda, Joscheba (2Kön 11,1-3), die erst in der Überlieferung der Chronik zur Priesterfrau gemacht wird (2Chr 22,11), vielleicht weil ihre Anwesenheit im Tempel nicht mehr als selbstverständlich galt, politischen Einfluss nehmen, indem sie ihren Neffen → Joasch vor einem Mordanschlag bewahrte. Sie konnte auch als Schwester neben den Töchtern im Haus des Königs leben.

Allein aus der Erzählung über → Tamar, einer Tochter Davids und einer aramäischen Prinzessin, die von ihrem Halbbruder → Amnon vergewaltigt wurde (2Sam 13,1-39), sind einige Hinweise über die Lebenssituation der Königstöchter zu erfahren. Die unverheiratete Tamar lebt in einem ganz anderen Bereich als der Prinz, nämlich im Frauenhaus, sodass es nicht zu näheren Kontakten – schon gar nicht zu solchen unter vier Augen – kommen kann. Doch kann der Tochter des Königs die Zubereitung der Krankenkost für einen kranken Prinzen abverlangt werden (2Sam 13,6f). Die unverheirateten Prinzessinnen tragen eine bestimmte Tracht (2Sam 13,19), die Tamar nach ihrer Vergewaltigung zerreißt. Sie kann nicht mehr ins Haus der unverheirateten Prinzessinnen zurück, sondern muss als Geschändete bei ihrem Bruder wohnen (2Sam 3,20). Die unterschiedliche Wertschätzung von Prinz und Prinzessin wird eklatant an Davids Verhalten deutlich: Während er nicht für Tamar, deren Vergewaltigung er mitverschuldet hat, als Richter eintritt, beklagt er den aus Rache für Tamars Vergewaltigung von ihrem Bruder → Absalom ermordeten Amnon drei Jahre lang (2Sam 13,38f).

Einzigartige Informationen über das Leben von Königstöchtern aus ihrer eigener Perspektive bieten die Frauenbriefe aus Mari (vgl. Römer; s.o. 1.2.).

2.3.6. Exkurs: Weibliches Hof- und Verwaltungspersonal

Zum Hof der Köngin gehörten neben den Frauen im Haus des Königs weibliche Bedienstete, die als Kinderfrau (2Sam 4,4; 2Kön 11,2 par. 2Chr 22,11), Salbenmischerin, Köchin oder Bäckerin (1Sam 8,13, vgl. Schottroff, 268-285) arbeiteten. Die Hofdamen (Engelken, 72) und Königstöchter (vgl. das Kindermotiv auf dem in das 7. Jh. datierten Siegel der Maadana, der Tochter des Königs, bei Avigad, 146-151; Kiesow, 84) betätigten sich auch als Sängerinnen und Musikerinnen. Dass verantwortungsvolle Aufgaben im Alten Orient üblich waren, zeigen neuassyrische Listen von weiblichem Hofpersonal, in dem neben Friseurin, Parfüm- und Salbenmischerin sowie Sängerin auch ein Stab von Schreiberinnen verschiedener geographischer Herkunft sowie Haushälterinnen aufgeführt werden (Landsberger, 203-204; Kiesow, 85).

Von der סֹכֶנֶת sokhænæt Abischag von Sunem wird in 1Kön 1,2 berichtet, dass sie schön gewesen sei, an der Seite Davids schlafen sollte, ihm diente, er sie aber nicht erkannte. Das hier verwendete Wort שָׁרַת šārat ist nicht für Sklavenarbeit als untergeordneter Arbeit verwendet worden, sondern bezeichnet die Tätigkeit der Frauen (zur Diskussion vgl. Kiesow, 85f). Eventuell war die סֹכֶנֶת sokhænæt auch mit Aufgaben in der Nähe der Staatsleitung befasst (vgl. Kiesow, 95).

3. Die Himmelskönigin

In Jer 7,17-18 und Jer 44,15-25 wird von einer Himmelskönigin gesprochen, deren Kult als nicht JHWH-gemäß heftig kritisiert wird. Bei der Himmelskönigin handelt es sich um eine Göttin mit universalen Zügen, die für alle Bereiche des Lebens, auch den der Politik, zuständig gewesen und gleichermaßen von Frauen und Männern verehrt worden ist. Der Kult der Himmelskönigin fand nach 2Kön 23,3-7 und Jer 44,15-25 seit dem 8. Jh. (vgl. Jost, 39-62) auch auf nationaler Ebene statt und wurde nur während der josianischen Reform unterbrochen. Auf lokaler Ebene und in der Familienreligion wurde er allerdings weitergeführt. Die unterschiedlichen Akzente, die sich in Jer 7 und Jer 44 beobachten lassen, sind auf die durch die Katastrophe von 587 v. Chr. nicht zuletzt auch in religiöser Hinsicht grundlegend veränderte Situation zurückzuführen (vgl. Jost, 213-234.238).

Aufgrund von religionsgeschichtlichem Material, nämlich biblischer und außerbiblischer Texte, Inschriften und bildlicher Darstellungen sowie sonstiger archäologischer Funde lässt sich zeigen, dass in Israel bzw. Juda seit der Frühzeit auf den unterschiedlichen Ebenen der Familien- und Lokalreligion drei Göttinnen verehrt wurden: → Astarte, → Aschera und nicht zuletzt – unter assyrischem Einfluss – auch → Ischtar. Sie verschmolzen mit ihren verschiedenen Aspekten – wobei Astarte die Kriegerin, Aschera die nährende und Ischtar vorwiegend die astrale Funktion verkörperte – zu einer Gestalt der Himmelskönigin. Vor der josianischen Reform (→ Josia) wurde sie neben JHWH am Jerusalemer Tempel als Nationalgöttin angerufen. Danach konnte sie ihren Einfluss auf der Ebene der Lokal- und Familienreligion beibehalten und so die Zerstörung des Tempels überdauern. Der Kult von Göttinnen mit dem Epitheton „Himmelskönigin“ ist nicht für Juda und Israel spezifisch, sondern begegnet von Mesopotamien über Ägypten (Isis) bis in die westliche Mittelmeerwelt während eines Zeitraums von mehr als zweieinhalb Jahrtausenden als synkretistisches Phänomen trotz aller Unterschiede mit den gleichen Merkmalen, wie sie aus dem Jeremiabuch erhoben werden können. Die Himmelskönigin war verantwortlich für Krieg bzw. war sie eine Göttin, die für Krieg und Frieden sowie das Wohl, die Ernährung, d.h. das Sattsein ihrer Verehrerinnen und Verehrer, sorgte (vgl. Jost, 39-100.236).

Vergleiche zur Rolle von Frauen und Männern im Ischtar-, Aschera-, Astarte- und Isiskult zeigen, dass der Wirkungsbereich der Himmelskönigin nicht auf die seit dem 19. Jh. als traditionell weibliche Sphäre angesehenen Bereiche begrenzt war. Dennoch lässt sich in verschiedener Hinsicht eine besondere Beziehung zu Frauen erkennen, die durchweg im Kult der Himmelskönigin die Rolle der Darstellerin der Göttin spielten. Frauen sind an der Spitze der Priesterhierarchie der betreffenden Göttin jedoch die Ausnahme und stammen aus der gesellschaftlichen Oberschicht, d.h. den Königshäusern. In Juda lässt sich eine besondere Beziehung zwischen der Königinmutter und der Verehrung der Aschera nachweisen (→ Atalja; → Königinmutter). Da Königinmutter und Königin die mächtigsten Frauen waren, ist möglich, dass eine von ihnen in darstellender Funktion die Rolle der Himmelskönigin übernehmen konnte bzw. ihre Repräsentantin auf Erden war (vgl. Jost, 72-100.236; allerdings betrachten andere Forscher diese Annahmen als zu weit gehend und verweisen darauf, dass der konkrete Begriff nur in Jer 37 vorkommt und dort ein familiärer Kult beschrieben wird).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • Dictionary of Judaism in the Biblical Period. 450 B.C.E. to 600 C.E., New York 1996
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Oxford 2001

2. Weitere Literatur

  • Avigad, N., The King’s Daughter and the Lyre, in: Israel Exploration Journal 28 (1978), 146-151
  • Benz, F.L., Personal Names in the Phoenician and Punic Inscriptions, Rom 1972
  • Engelken, K., Frauen im Alten Israel. Eine begriffsgeschichtliche und sozialrechtliche Studie zur Stellung der Frau im Alten Testament (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Folge 7, H. 10), Stuttgart 1990
  • Friedl, C., Polygynie in Mesopotamien und Israel. Sozialgeschichtliche Analysen Polygamer Beziehungen anhand rechtlicher Texte aus dem 2. und 1. Jahrtausend v. Chr. (AOAT 277), Münster 2000
  • Gibson, J.C.L., Textbook of Syrian Semitic Inscriptions, Volume III: Phoenician Inscriptions, Oxford 1982
  • Helck, W., Geschichte des Alten Ägypten, Handbuch der Orientalistik 1. Bd. (Ägyptologie), 3. Abschnitt, photomech. Nachdr. mit Berichtigungen und Erg., Leiden / Köln 1981
  • Jost, R., Frauen, Männer und die Himmelskönigin. Exegetische Studien, Gütersloh 1995
  • Kiesow, A., Löwinnen von Juda. Frauen als Subjekte politischer Macht in der judäischen Königszeit (Theologische Frauenforschung in Europa 4), Münster 2000
  • Landsberger, B., Akkadisch-hebräische Wortgleichungen, in: B. Hartmann u.a. (Hgg.), Hebräische Wortforschung (FS W. Baumgartner; VT.S 16), Leiden 1967
  • Müllner, I., Gewalt im Hause Davids. Die Erzählung von Tamar und Amnon (2Sam 13,1-22), Freiburg i.Br. 1997
  • Müllner, I. / Jochum-Bortfeld, C., Art. „Königtum“, in: C. Crüsemann u.a. (Hgg.), Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009, 301-306
  • Römer, W., Frauenbriefe über Religion, Politik und Privatleben in Mari. Untersuchungen zu G. Dossin, Archives Royales de Mari X (Paris 1967), Neukirchen-Vluyn 1971
  • Schearing, L.S., Models, monarchs and misconceptions. Athaliah and Joash of Judah, Atlanta 1992
  • Schottroff, W., Der Zugriff des Königs auf die Töchter. Zur Fronarbeit von Frauen im Alten Israel, Evangelische Theologie 49 (1989), 268-285
  • Seybold, K., Art. מֶלֶךְ III. Allgemeine Verwendungsweise der Wortgruppe mlk, ThWAT, Bd. IV (1984), Stuttgart, 935-947

Abbildungsverzeichnis

  • Die Königin von Saba in einem Kleid von Dior am Hauptportal des Kölner Doms, wo sie als fromme Ausländerin (Süden) mit der ihr gegenüber angebrachten Witwe von Zarpat (Norden; → Zarpat Abb. 3) auf die Hl. Drei Könige verweist. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2012).
  • Königin Ester (Andrea del Castagno; 15. Jh.).
  • Isebel stiftet die Ermordung Nabots an (Wenzelsbibel; 14. Jh.).

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