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Kobra / Natter

(erstellt: Juni 2008)

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1. Zoologisches

Natter 01

Zur Familie der Nattern gehören über 2000 Arten, die zumeist ungiftig sind bzw. deren Gift nur kleinen Beutetieren gefährlich werden kann. Die Kobra zählt jedoch zu der eigenen, nicht zu den Nattern gehörigen Familie der Giftnattern. Echte Kobras (Naja) können über zwei Meter lang werden. Ihre wichtigsten Kennzeichen sind der spreizbare Nackenschild, ihre runden Pupillen (tagaktiv) und ihre glatten Rückenschuppen. Die Kobra ist ein guter Schwimmer und kann auch Bäume erklimmen. Das Gift der Kobra befindet sich in der Gallenblase des Tiers (vgl. Hi 20,14) und wird normalerweise wie bei der Viper durch einen Biss injiziert. Die in Afrika heimische Speikobra kann ihre Opfer aber auch dadurch töten, dass sie ihnen ihr Gift in die Augen spritzt. Im Nahen Osten und Nordafrika ist die Uräusschlange (Naja haje) beheimatet, die bei Bedrohung in einen Zustand der Starre fallen kann. Das für den Menschen tödliche Gift dieser Schlange, das durch Aussaugen nicht unschädlich gemacht werden kann, greift das Nervensystem an und lähmt die Muskeln des Opfers.

2. Altes Testament

2.1. Kobra

Das Wort פֶּתֶן pætæn (vgl. ugaritisch btn; akkadisch bašmu) bezeichnet eine giftige Schlange. Vielleicht bezieht sich der Begriff auf die Kobra, dann am ehesten auf die Uräuskobra (Naha haje; Cerastes candidus; → Uräus; Riede, 2000, 231).

Natter 02

Indirekt zeigt sich die Gefahr, die vom Gift der Schlange ausgeht, in der Heilsprophezeiung Jes 11,8: Es gilt als ein Zeichen der Heilszeit, dass Säuglinge am Loch der Kobra (פֶּתֶן pætæn) und Kinder mit der Otter (אֶפְעֶה ’æf‘æh) ohne Gefahr spielen. Ps 91,13 verheißt dem Menschen, der sich völlig auf Gott verlässt, umfassenden Schutz. Ihm kommt das Privileg des Herrn der Tiere zu, indem ihm zugesprochen wird, Löwe (שַׁחַל šachal) und Junglöwe (כְּפִיר kəfîr) sowie Giftschlange (פֶּתֶן pætæn) und Chaosschlange (תַּנִּין tannîn) zu unterwerfen. Das im Alten Orient normalerweise Göttern und Königen vorbehaltene Schreiten über Tiere wird als Herrschaftssymbol dem schwachen und schutzsuchenden Frommen zugesprochen.

Das Gift der Kobra dient gern dem Vergleich mit den schädlichen Reden der Frevler und derjenigen, die Unrecht tun. So spricht Hi 20,14.16 davon, dass sich der reiche Gottlose selbst an seinem Reichtum und seiner Gottlosigkeit vergiftet wie an Kobra- (פֶּתֶן pætæn [v14.16]) und Viperngift (אֶפְעֶה ’æf‘æh [v16]; → Gift). Der griechische Text Sir 21,2 vergleicht die Gefährlichkeit der Sünde mit der der Schlange. Dtn 32,33 benutzt das Bild der giftigen Schlangen תַּנִּין tannîn und פְּתָנִים pətānîm, um die Todesverfallenheit des von Jahwe abgefallenen Volkes zu unterstreichen. Ps 58,5 vergleicht die Gottlosen mit der Kobra, deren Taubheit als Grund dafür gilt, dass sie ihrem Schlangenbeschwörer nicht gehorcht. Wenn der Psalm ausdrücklich davon spricht, dass die Kobra ihr Ohr verschließt, weiß er möglicherweise nicht, dass Schlangen von Natur aus taub sind. Schlangen werden nicht durch die Flöte des Schlangebeschwörers, sondern durch seine hypnotischen Bewegungen gebannt. Durch bestimmten Druck können sie auch dazu gebracht werden, starr zu werden wie ein Stock (→ Schlange 3.2. Tannin).

2.2. Pfeilnatter

Nach Jes 34,14f wird die in den Trümmern Edoms hausende → Lilit wohl von einem Raubvogel (דָּיּוֹת dājjôt) und der Pfeilnatter קִפּוֹז qippôz (coluber jugularis) begleitet. Allerdings ist die Übersetzung des Wortes קִפּוֹז qippôz unsicher. Die mit dem Begriff verbundenen Verben קנן qnn „nisten“ (wird sonst nur für Vögel gebraucht; vgl. Jer 48,28, Ez 31,6; Ps 104,17; metaphorisch in Jer 22,23), מלט mlṭ „retten / gebären / hervorbringen (?)“, בקע bq‘ „spalten / zerspalten“ (?) und דנר dnr „brüten / schlüpfen“ (?) bieten diverse Schwierigkeiten. Wenn die Übersetzung Pfeilnatter für קִפּוֹז qippôz richtig ist, lässt sich der hebräische Name unter Verweis auf arabisch qafaza „aufspringen“ von deren blitzschneller Bewegungen ableiten (vgl. GB 719; HALAT 1044; Riede, 2002, 182). Die Pfeilnattern, deren Biss zwar ungiftig, aber sehr schmerzhaft ist, sind im Vorderen Orient weit verbreitet und leben bevorzugt in offenen und trockenen Landschaften. Gern besiedeln sie auch Ruinen und verlassene Häuser, eine Eigenschaft, die Jes 34 aufnimmt. Gemeinsam mit dem Raubvogel – eigentlich einem natürlichen Feind der Pfeilnatter – steht sie in Jes 34 wohl für einen blitzschnellen, unerwarteten Angriff vom Boden her, der Raubvogel hingegen stößt vom Himmel auf sein Opfer herab.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006

2. Weitere Literatur

  • Feliks, J., 1962, The Animal World of the Bible, Tel Aviv
  • Frey-Anthes, H., 2007, Unheilsmächte und Schutzgenien, Antiwesen und Grenzgänger. Vorstellungen von „Dämonen“ im alten Israel (OBO 227), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
  • Görg, M., 2001, „Schreiten über Löwen und Otter“. Beobachtungen zur Bildsprache in Ps 91,13a, in: Frühwald-König, J. (Hg.), Steht nicht geschrieben? Studien zur Bibel und ihrer Wirkungsgeschichte (FS G. Schmuttermayr), Regensburg, 37-48
  • Janowski, B. u.a. (Hgg.), 1993, Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn
  • Keel, O., 1992, Das Recht der Bilder gesehen zu werden. Drei Fallstudien zur Methode der Interpretation altorientalischer Bilder (OBO 122), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
  • Keel, O., 1995, Corpus der Stempelsiegel-Amulette aus Palästina, Israel. Einleitung: Von den Anfängen bis zur Perserzeit (OBO.SA 10), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
  • Riede, P., 2000, Im Netz des Jägers. Studien zur Feindmetaphorik der Individualpsalmen (WMANT 85), Neukirchen-Vluyn
  • Riede, P., 2002, Im Spiegel der Tiere. Studien zum Verhältnis von Mensch und Tier im alten Israel (OBO 187), Freiburg (Schweiz) / Göttingen

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