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(erstellt: April 2013)

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1. Körperteil des Menschen

1.1. Bezeichnung

Das hebräische Wort für „Knie“ בֶּרֶךְ bærækh erscheint nur in Jes 45,23 im Singular, an allen anderen Belegstellen steht es im Dual בִּרְכָּיִם birkājim (Scharbert, 811). Es ist nie auf Gott bezogen. Manche Übersetzungen geben zudem auch an einigen Stellen חֵיק ḥêq als „Knie“ wieder, z.B. in Rut 4,16 (Viberg). Allerdings bezeichnet dieses wohl eher den Schoß. Auch בִּרְכָּיִם birkājim kann als Euphemismus für den Schoß verwendet werden.

1.2. Körperaspekt und Gesten

Die Knie werden im Rahmen unterschiedlichster, teils profaner, teils religiöser, Handlungen benutzt: Auf die Knie kann man sich hinknien, um aus einer Quelle zu trinken (Ri 7,5f). Ein Mann kann auf den Knien einer Frau einschlafen (Ri 16,19) und Kinder sitzen auf den Knien ihrer Eltern (z.B. Gen 48,12; 2Kön 4,20). In beiden Fällen würden wir im Deutschen eher vom Schoß sprechen. Sowohl „einschlafen auf“ als auch „auf die Knie nehmen“ drückt eine enge Verbundenheit aus. Eine ebenso liebevolle Handlung ist das Schaukeln auf den Knien (Jes 66,12).

Eine Geste der Demut und der Ehrfurcht sowie der Anerkennung einer Autorität ist das Niederknien vor jemanden, z.B. einer Person, an die man eine Bitte richtet (2Kön 1,13). An mehreren Stellen im Alten Testament wird außerdem davon berichtet, dass Menschen sich auf die Knie niederwerfen bzw. hinknien, um Gott anzubeten (1Kön 8,54; 2Chr 6,13; Ps 95,6; Esr 9,5). Teilweise werden dabei die Hände ausgebreitet (1Kön 8,54; 2Chr 6,13; Esr 9,5). Den Kopf zwischen die Knie zu legen, ist möglicherweise eine Steigerung dieser Gebetshaltung (1Kön 18,42). Das Beugen der Knie vor → Jahwe oder → Baal ist somit eine Geste der Anbetung und folglich auch der Anerkennung als Gott (1Kön 19,18; Jes 45,23).

2. Übertragene Bedeutung

2.1. Wankende Knie

Wer körperlich schwach ist, z.B. aufgrund langen Fastens, dem Wanken die Knie (Ps 109,24). Das Wanken der Knie im Alten Testament steht daher metaphorisch für Schwäche, Angst und Mutlosigkeit (Nah 2,11). Die wankenden Knie wieder fest machen“ bedeutet also, den Menschen wieder neue Hoffnung und Kraft geben (Jes 35,3; Hi 4,4).

2.2. Vor Wasser triefende Knie

Der Ausdruck „alle Knie triefen von Wasser“ (Ez 7,17; Ez 21,12) beschreibt sehr große Angst. Er findet sich in der Schilderung der Panik, der vom Gericht Gottes Betroffenen. Sie werden solche Angst haben, dass sie sogar den Urin nicht mehr halten können. Vielleicht sind die Knie deshalb hier genannt, weil die „Infantrie knielange Röcke trug“ (Greenberg 2001, 186) und der Urin dann ab den Knien sichtbar wäre. Es wäre aber auch möglich, dass Knie hier ein Euphemismus ist (Driver, 260). Die Wiedergabe des Ausdrucks mit „alle Knie zergehen wie Wasser“, die z.B. die Zürcher Bibel wählt, ist nahe an der Metapher der wankenden Knie (s. 2.1.).

2.3. Auf den Knien eines / einer anderen gebären

Umstritten ist die Bedeutung des Ausdrucks „auf den Knien eines / einer anderen gebären“ (Gen 30,3; Gen 50,23; → Geburt). In der 17. Auflage des Gesenius wird der Ausdruck durch den Geburtsvorgang bei den Hanâgû erklärt, von denen bekannt ist, dass die Mutter stehend gebiert, gestützt von zwei Frauen, und der vor ihr in der Hocke sitzende Mann somit das Kind auf den Knien empfängt (Gesenius, 118). Diese Parallele ist allerdings fragwürdig, da sie weit entfernt ist und nicht einfach übertragen werden kann.

Richter schlägt vor עַל ‘al mit „zugunsten von“ zu übersetzen und geht davon aus, dass Knie auch hier euphemistisch für Schoß steht. Somit wäre die angemessene Übersetzung nach Richter „anstelle / zugunsten des Schoßes einer anderen Person gebären“, d.h. die Kinder werden als Kinder der anderen Person gezählt. Vermutlich bedeutet der Ausdruck, dass die Kinder von der anderen Person als rechtmäßige Nachkommen angenommen / anerkannt werden. Aus hurritischer Literatur ist belegt, dass es die Gewohnheit gab, ein Kind nach der Geburt auf die Knie zu nehmen (vgl. Viberg, 166-176). Wahrscheinlich wurde ihm dabei ein Name gegeben und es wurde durch diese Geste offiziell in die Familie aufgenommen (Williams, 755). Der Ausdruck steht aber wohl nicht (mehr) für eine konkrete Handlung, sondern für die Annahme / Anerkennung des Nachkommen (Irsigler, 504).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Carley, K.W., 1974, The Book of the prophet Ezekiel (CNEB), Cambridge
  • Driver, G.R., 1953, Some Hebrew Medical Expressions, ZAW 65, 255-262
  • Gesenius, W., 1962, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. Bearb. von Frants Buhl, Berlin unveränd. Neudr. der 1915 ersch. 17. Aufl.
  • Greenberg, M., 1983, Ezekiel 1-20. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 22), Garden City
  • Greenberg, M., 2001, Ezechiel 1-20 (HThK.AT), Freiburg u.a.
  • Irsigler, H., 1995, Art. Knie, in: NBL II, Zürich u.a., 504
  • Richter, H.-F., 1979, „Auf den Knien eines anderen gebären“? (Zur Deutung von Gen 30a und 50,23), ZAW 91,3, 436-437
  • Scharbert, J., 1973, Art. ברך brk, in: ThWAT I, Stuttgart u.a., 808-841
  • Schlatter, Th., 1959, Art. Knie, in: CBL, Stuttgart, 728
  • Stade, B., 1886, „Auf Jemandes Knien gebären“, ZAW 6, 143-156
  • Toll, C., 1982, Ausdrücke für „Kraft“ im Alten Testament mit besonderer Rücksicht auf die Wurzel BRK, ZAW 94,1, 111-123
  • Viberg, A., 1992, Adoption, in: ders.: Symbols of Law (CB.OT 34), Stockholm, 166-176
  • Williams, W.C., 1997, Art.ברך, in: New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis 1, Grand Rapids, 755-757
  • Zimmerli, W., 1969, Ezechiel. 1.Teilband Ezechiel 1-24 (BK XIII/1), Neukirchen-Vluyn

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