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(erstellt: August 2006)

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qîr bedeutet „Mauer“ und auch „Stadt“. Im Moabitischen ist die Bedeutung „Stadt“ in der Mescha-Stele belegt (KAI 181,11.12.24.29; Text Westsemitische Inschriften; Text auch im Art. → Mescha-Stele). Kir-Moab (קִיר־מוֹאָב qîr mô’av) bedeutet wie → Ar Moab „Stadt Moabs“ und bezeichnet in Jes 15,1 eine Großstadt der → Moabiter.

1. Kir-Heres - ein anderer Name?

Bei den Namen קִיר־חֶרֶשׂ qîr-ḥæræś (Lutherbibel: Kir-Heres; Jes 16,11; Jer 48,31.36) und קִיר־חֲרֶשֶׂת qîr-ḥǎræśæt (Lutherbibel ebenfalls Kir-Heres; Jes 16,7; 2Kön 3,25) handelt es sich vielleicht um andere Bezeichnungen für Kir-Moab. Beide Namen kommen vermutlich von der Wurzel ḥrś, die mit arabisch ḥurš / ḥirš „Wald” zusammenhängen und „Stadt des Waldlandes” bedeuten mag. Bei einer Identifikation mit Kerak ist dieser Name angesichts des Vegetationsreichtums, der früher wohl um Kerak und im Wādī l-Kerak [Wadi l-Kerak] anzutreffen war, plausibel. Man kann die beiden Namen aber auch von ḥæræš „Scherben” ableiten, so dass der Ort „Stadt der Scherbenhaufen” – vielleicht ein Spottname – geheißen hätte. Andere vermuten einen Schreib- bzw. Lesefehler: Statt Formen der Wurzel ḥrš seien solche von ḥdš „neu“ zu lesen, so dass der Ort „neue Stadt / Neustadt” geheißen hätte. Für diese These führt man die griechische Übersetzung von Jes 16,11 an: τεῖχος ὃ ἐνεκαίνισας teíchos hó enekaínisas „Mauer, die du erneuert hast“. Neuere Vorschläge gehen auch dahin, die beiden Begriffe nicht als Stadtnamen, sondern als von „Scherben“ abzuleitende Substantive zu verstehen, als kollektive Bezeichnungen für alle moabitischen Städte, die der Zerstörung nicht entkommen (Jones 1996, 172-175).

2. Kir-Moab und Kir-Heres im Alten Testament

Von dem Ort bzw. den Orten ist vor allem in Fremdvölkersprüchen die Rede, die Moab schreckliches Unheil ankündigen (Jes 15,1; Jes 16,7.11; Jer 48,31.36). Dieses Unheil wird am Schicksal wichtiger Städte expliziert.

Nach 2Kön 3,4-27 wurde Kir-Heres um 850 v. Chr. von einer Koalition belagert, der König → Joram von Israel, → Joschafat von Juda und → Edom angehörten. In der ausweglosen Lage soll der moabitische König → Mescha seinen ältesten Sohn, also den Kronprinzen, auf der Stadtmauer als Brandopfer mit dem Erfolg dargebracht haben, dass die Angreifer abzogen.

3. Identifizierung von Kir-Moab und Kir-Heres

Kerak. Das alttestamentliche Kir-Moab wurde und wird meist mit der mitteljordanischen Stadt Kerak oder Karak (auch Kirak) identifiziert. Schon das Targum von Jes 15,1 nimmt diese Identifikation vor. Für sie spricht, dass sich Kerak zum Schutz und zur Kontrolle des westlichen Zugangs zum moabitischen Plateau anbietet, wie es die Erzählung 2Kön 3,4-27 voraussetzt. Die auf dem Tafelberg liegende Festung von Kerak ist nämlich die einzige bekannte Stadtanlage, die den wichtigen Aufgang durch das Wādī l-Kerak vom Toten Meer her kontrollieren konnte. Gegen eine Gleichsetzung Kir-Moabs mit Kerak könnte allerdings sprechen, dass die Stadt abseits der „Durchgangsstraße”, der „Straße der Könige”, liegt. Doch für die römisch-byzantinische Zeit zeigt das Madaba-Mosaik (s.u.), dass Kerak ein bedeutender Ort war, obwohl er abseits der Hauptdurchgangsstraße nach Edom und zum Roten Meer lag.

et-Tannije. Auch bei der ca. 6 km östlich von Kerak gelegenen, heute völlig überbauten Ruine von et-Tannije kann es sich sehr gut um das alte Kir-Moab handeln. Allerdings lassen sich über den Ort kaum noch archäologische Informationen einholen. Surveys (Miller 1991, 91 nr. 211) haben in der Vergangenheit immer von dem großen Scherbenreichtum der Ruine berichtet, auf der nahezu lückenlos alle Perioden von der Frühen Bronzezeit bis in die späte Eisenzeit der moabitischen Epoche repräsentiert sind. Man kann überlegen, ob et-Tannije das moabitische Kir war und später die Festung Kerak die „Neustadt” (zur Konjektur s.o.) geworden ist oder umgekehrt.

Zusammenfassung: Kir-Moab, qîr-ḥæræś und qîr-ḥǎræśæt lassen sich weder eindeutig miteinander identifizieren noch lokalisieren. Sicher ist lediglich, dass es sich um Orte handeln muss, die im Land Moab zwischen dem Sered (Wādī l-Ḥesā [Wadi l-Hesa]) und dem Arnon (Wādī l-Mōǧib [Wadi l-Mogib]) liegen. Es bietet sich jedoch an, Kir-Moab mit Kerak im südlichen bzw. mittleren Moab zu identifizieren und die in Jes 15,1 neben Kir-Moab genannte Stadt → Ar Moab mit der großen eisenzeitlichen moabitischen Stadtanlage von el-Bālū‘ [el-Balu] im Norden, nahe des Arnon.

4. Kerak

Koordinaten: 2170.0660; N 31° 10' 50'', E 35° 42' 04''

4.1. Der Name Kerak

Der moabitische Name der Stadt ist nicht bekannt. Kerak geht wohl auf aramäische krk „etwas umschließen / etwas umgeben”, später auch „ummauern / umringen” (Dalman 1938, 208) zurück und charakterisiert den Ort als Festung.

Man vermutet, dass die Stadt seit der persischen Zeit den Namen Karakmoba trug. Von der hellenistischen bis in römisch-byzantinische Zeit wird sie – belegt seit Claudius-Ptolemäus (ca. 150 n. Chr.) – als Charach-Moab oder Charak-Moab genannt.

4.2. Die Geschichte von Kerak

Moabitische Zeit. Eisenzeitliche Bauten sind in Kerak bislang nicht freigelegt worden. Ein proto-äolisches Kapitel, das man 1983 unterhalb der Festung beim Bau eines Restaurants und Swimmingpools gefunden hat, weist auf einen großen Anlagenkomplex in der Eisenzeit. Die Bedeutung der Stadt belegt ferner das Fragment einer Götter- oder Königsstatue mit einer teilweise erhaltenen dreizeiligen Inschrift, die Kemoschjat, den Vater des bekannten moabitischen Königs → Mescha, nennt (Text Westsemitische Inschriften):

k]mšjt.mlk.m’b.h… / …]t.kmš.lmb‘r.kj.’h… / … nh.whn.‘štj.’t…

„… Kemoschjat, König von Moab, der … / … Hau]s des Kemosch zum Opfer, denn ich l[iebe … / …]sein und siehe, ich machte den …“

Der Basaltstein wurde 1958 für nur $ 1,40 vom Museum in Amman von Beduinen erworben. Er stammt aus einem Aushub zum Bau eines Wohnhauses, wobei offenbar eine alte Mauer im Mubayyeddin-Viertel in Kerak zerstört wurde, an der man den Stein fand. Da er durch einige Hände gegangen war, bevor die Antikenverwaltung ihn schließlich kaufen konnte, bleibt die genaue Herkunft wegen widersprüchlicher Aussagen der Verkäufer im Dunkeln (Timm 1989, 269-275).

Hellenistisch-römische Zeit. Im 2. Jh. v. Chr. geriet Kerak in den Herrschaftsbereich der Nabatäer. Dann wurde der Ort wahrscheinlich von den jüdisch-hellenistischen Hasmonäern (Alexander Jannäus) genutzt. In römischer Zeit war Kerak Distrikt-Hauptstadt.

Kir Moab 2

Byzantinische Zeit. Die Byzantiner erhoben Kerak zum Bischofssitz mit der „Kirche von Nazareth” und einem Kloster. Eusebs Onomastikon ignoriert die Stadt zwar, aber die älteste Landkarte Palästinas in der St. Georgskirche von Madaba zeigt einen fragmentarischen Teil der byzantinischen Stadtanlage und bestätigt die Bedeutung der Stadt in der zentralen Moabitis.

Das Mosaik wurde 1884 in Madaba gefunden, als von Kerak ausgewanderte Christen die Fundamentmauern einer kleinen Kathedrale aus der Zeit Kaiser Junstinians (527-565 n. Chr.) aushoben. Der Fußboden der Kirche war mit einer Palästina-Karte aus Moasaiksteinchen geschmückt. Sie zeigt auch Kerak, doch ist die Darstellung nur zum Teil erhalten (Abb. 2).

Über das byzantinische Kerak weiß man wenig (Avi-Yonah 1954, 42; Zayadine 1999, 229). Deshalb ist die Deutung der Mosaikabbildung nur mit Vorbehalten zu betrachten. Deutlich zu sehen ist die Lage des Ortes auf einem großen Berg und die Stadtumwallung mit einem Stadttor, das von zwei Türmen flankiert ist. Diese lagen auf der Südseite Keraks. Vermutlich hatte die Stadt zwei mit Kolumnen gesäumte Durchgangsstraßen, die an einer großen Kirche vorbeiführten. Vor dem Stadttor und vor der kleinen Kirche wird mit braunen, weißen und schwarzen Steinchen ein Marktplatz (?) angedeutet. Oberhalb der Abbildung ist noch das Fragment eines Dorfes oder eines großen Gebäudes zu sehen, das sich aber nicht näher identifizieren lässt (Donner 1992, 40).

Unterhalb des Berges findet sich die Inschrift ΒΗΤΟΜΑΡCΕΑ Η Κ(αι) ΜΑΪΟΥΜΑC „Betomarsea oder auch Maioumas”. Die dazugehörige Abbildung zeigt einen domartigen Zentralbau, der von zwei Seitenflügeln flankiert wird. Pflanzen und ein Wasserlauf oder eine Quelle finden sich unterhalb des Gebäudes. Es besteht Einmütigkeit darüber, dass es sich hierbei um eine Anlage im wasserreichen Tal der Quelle von ‘Ēn Sara handeln muss (Donner 1992, 40-41). Bēto-marsea ist eine im Griechischen verstümmelte Form von hebräisch bêt „Haus” und marzeaḥ „Kultfeier / Kultgelage“ (vgl. Amos 6,7; Jer 16,5) und bedeutet demnach „Haus der Kultfeier”. Betont wird dies noch durch den erklärenden (?) Zusatz: Maioumas, was eine öffentliche lockere Vergnügungsfeier bezeichnet.

Mittelalter. Während der Zeit der Kreuzzüge erhielt Kerak seine imposante Burg, die sich majestätisch auf der Südseite des heute völlig überbauten Tafelberges erhebt. Die zum Teil gut erhaltenen, auch restaurierten Gebäuderuinen der Festung sind das Werk fränkischer und ayyubidisch-mamlukischer Baumeister.

Erbauer und erster Burgherr war der fränkische Gouverneur von Oultrejourdain, Payen le Bouteiler, der um 1142 die umfangreichen Bauten an dem Berg beendet hatte. Die Kreuzritter hatten somit von Jerusalem aus einen Brückenkopf nach Südostarabien geschaffen, denn das ganze Gebiet am Toten Meer ließ sich von Kerak aus kontrollieren und die Karawanen von Ägypten nach Damaskus konnten abgefangen werden.

Jedoch währte die Schlüsselstellung nicht lange. Die arabischen Stämme unter verschiedenen kraftvollen Führern hatten längst die strategische Bedeutung von Kerak für die Kreuzfahrer erkannt und versuchten nun, die Stadt für sich zu erobern. Von ca. 1170-1187 erlebte Kerak daher mehrere Belagerungen, zunächst durch Nur ed-Din (1170, 1173), dann, als herausragende Gestalt, durch Saladin (1173, 1183-84). Ihn hatte vor allem das blutrünstige und alles verachtende Wesen des Burgherrn R. de Chatillon gereizt, der jedes Maß an Mitmenschlichkeit und Freundlichkeit vermissen ließ. R. de Chatillon hatte z.B. seine Freude daran, Männer auf einer Planke weit über die Westseite der schroff abfallenden Burg laufen zu lassen, von wo aus sie dann einen etwa 600 m tiefen Fall durchlebten, bis ihre Körper in den Wadis an der Südwestseite des Tafelberges zerschellten. Kerak und die Burg fielen 1187 nach einigen zunächst vergeblichen Anläufen in Saladins Hände; R. de Chatillon wurde von Saladin persönlich umgebracht.

Unter Baibar aus der Mamlukendynastie wurde Kerak erneut erobert (1263), die christliche Kirche niedergerissen und die Befestigungen verstärkt. Die Nordbastion trägt heute noch den Namen Baibars.

Neuzeit. In der Neuzeit erlebte Kerak eine sehr wechselhafte Geschichte.

Ab 1518 gehörte Kerak zum Osmanenreich. Die Türken gewannen jedoch trotz eines türkischen Sultans in Kerak wenig Einfluss im Land. Später gehörte Kerak zum Osmanenreich (ab 1518). Die Geschichte verlief von da an recht wechselhaft. Denn die Türken gewannen trotz eines türkischen Sultans in Kerak wenig Einfluss im Lande, wahrscheinlich auch deshalb, weil Jordanien generell ins Abseits geriet. Europa war für das Osmanenreich interessanter geworden.

In der Folgezeit machten Beduinenstämme und ihre lokalen Stammesfürsten Zentraljordanien bis zum Gegenschlag durch Ibrahim Pascha (1840) sehr unsicher. Aber auch danach blieb Kerak ein gefährliches Pflaster, wie erste europäische Reisende des 19. Jh.s bestätigen. Viele Christen verließen die Stadt um 1880 und siedelten sich in Madaba und Main an. Die Stämme um Kerak blieben für sich und beteiligten sich auch nicht am Araberaufstand unter Führung von T.E. Lawrence. In den zwanziger Jahren des 20. Jh.s schlossen sie sich dann dem neuen Haschemitenreich an und bilden nun das Rückgrat der königlichen Armee Jordaniens.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Abel, F.M., Géographie de la Palestine, vol II. Paris 1938.
  • Avi-Yonah, M., The Madaba Mosaic Map, Jerusalem 1954.
  • Dalman, G., Aramäisch-Neuhebräisches Wörterbuch zu Targum, Talmud und Midrasch. Frankfurt 3. Aufl. 1938 (Nachdr. 1987).
  • Donner, H. / Cüppers, H., Die Moasaikkarte von Madaba. Tafelband, Wiesbaden 1977.
  • Donner, H., The Mosaic Map of Madaba. An Introductory Guide, Kampen 1992.
  • Glueck, N., Exploration in Eastern Palestione II (AASOR 15), New Haven 1934.
  • Jones, B.C., Howling over Moab. Irony and Rhetoric in Isaiah 15-16 (SBL.DS 157), Atlanta 1996.
  • Miller, J.M. (Hg.), Archaeological Survey of the Kerak Plateau: Conducted During 1978-1982 under the Direction of J. Maxwell Miller and Jack M. Pinkerton (ASOR.Archaeological Reports 1), Atlanta 1991.
  • Musil, A., Arabia Petraea, Band 1. Moab, Topographischer Reisebericht, Wien 1907.
  • Timm, St., Moab zwischen den Mächten. Studien zu historischen Denkmälern und Texten (ÄAT 17), Wiesbaden 1989.
  • Weippert, M., Ar und Kir in Jesaja 15,1 - Mit Erwägungen zur historischen Geographie Moabs, ZAW 110 (1998), 547-555.
  • Worschech, U. / Knauf, E.A., Alte Straßen in der nordwestlichen Ard el-Kerak, ZDPV 101 (1985), 128-133.
  • Worschech, U. Das Land jenseits des Jordan. Biblische Archäologie in Jordanien, Giessen / Basel 2004.
  • Zayadine, F., „The Karak District in the Madaba Map”, in: The madaba Map Centenrary 1897-1997, Jerusalem 1999.

Abbildungsverzeichnis

  • Karte zu Kir-Moab und Ar Moab. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Kerak auf der Madebakarte (6. Jh.).
  • Die Festung von Kerak. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 1984)

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