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Kauf / Kaufbrief

(erstellt: August 2012)

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1. Kaufvorgänge im Alten Testament

Kauf ist eine spezifische Form geschäftlicher Transaktion und zielt auf die Übertragung des Eigentums oder besser des Vollrechts an der Sache vom Verkäufer auf den Käufer gegen Entgelt. Es handelt sich um ein reines Austauschgeschäft. Inhaber der verkauften Güter wird durch den Kauf der Geldgeber, also entweder der Käufer selbst oder – im Fall eines Kaufs mit geliehenem Geld – der Darlehensgeber. Bei den Kaufobjekten kann es sich um Sachwerte, Immobilien, Tiere und auch Menschen (Sklavinnen und Sklaven; → Sklaverei) handeln. Der Kleinhandel mit Waren und mit Darlehen vollzog sich auf Märkten (im Tor), eventuell auch auf speziellen Basaren oder beim Erzeuger (→ Handel) entweder als Naturalientausch (Gen 33,19; Gen 38,17; Jos 24,32; Spr 27,26; Hi 42,11) oder als Barkauf, bei dem vor dem Aufkommen von Münzgeld in der spätpersischen Zeit gehacktes Silber abgewogen wurde (Gen 23,15f; 1Kön 6,25; Jer 32,9 u.ö.). Zu Angaben über Warenpreise vgl. 2Kön 7,1.16 (Gerste, Feinmehl), Lev 5,15 (Widder), 1Kön 10,29 (Pferd und Streitwagen), Lev 27,16; Gen 23,17; Jer 32,9 (Grundstücke); Ex 21,32; Lev 27,3-7 (Sklaven). Als Tage der Marktruhe galten → Sabbat und → Neumond (Am 8,5; Jer 17,19ff). Die Möglichkeiten zum Betrug beim Kaufvorgang waren zahlreich, was die Bedeutung von Zeugen beim Geschäft erhöht und die zahlreichen biblischen Warnungen vor Handelsbetrug erklärt (→ Handel; → Sozialkritik).

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Betrügen konnte der Händler u.a. durch Austausch oder Manipulation der Gewichtssteine, durch Veränderung der Hohlmaße, durch Krümmung des Balkens der Waage oder durch Umrechnung regional nicht üblicher Gewichte oder Maße und bei Darlehensgeschäften durch überhöhte Zinsforderungen (→ Zins) und die Ausnutzung von Zwangslagen.

Auch Sklaven konnte man verkaufen oder tauschen, allerdings wohl keine Schuldsklaven, die dem Eigner nur für eine bestimmte Nutzungsfrist zur Verfügung standen (Lev 25,39). Dennoch klagt Am 2,6: „Sie verkaufen den Aufrechten für Geld“ und prangert fehlgeleitete Formen der Schuldknechtschaft an, eventuell auch die Übereignung von Schuldsklaven an Dritte. P-Texte unterscheiden zwischen im Haus geborenen und um Geld gekauften Sklaven (Gen 17,27; Ex 12,44). Preisvorstellungen vermitteln Lev 27,3-7, Gen 37,28; Ex 21,32; 2Makk 8,11; Sach 11,12. Die Samaria-Papyri (DJD XXVIII, 2001, 1-116) enthalten jüdische Kaufverträge aus dem 4. Jh. v. Chr., in denen offenbar jüdische Sklaven als Dauersklaven endgültig verkauft werden (Kessler), während die Tora jedoch ihre Freilassung nach einer Reihe von Jahren vorsieht (Ex 21,26f; Dtn 21,10-14).

2. Terminologie

2.1. Kauf. Das in den semitischen Sprachen breit belegte Verb קנה qnh bedeutet in einem weiteren Sinn „in Besitz nehmen“, in einem engeren Sinn „kaufen / erwerben“ durch Tausch oder mit Hilfe von Zahlungsmitteln (komplementär zu מכר mkr „übertragen / verkaufen“). Bis in frühjüdische Zeit wird das Verb überwiegend im geschäftlich konkreten Sinn verwendet: für den Kauf von Immobilien (Feld, Weinberg, Grundstück, Haus), für den „Freikauf“ aus der Schuldknechtschaft (Neh 5,8), den Kauf von Sklaven (Gen 39,1; Gen 47,19f.22f u.ö.), von Vieh (2Sam 12,3; 2Sam 24,24; Jes 1,3; Sach 11,5), Bauholz und Bruchsteinen (2Kön 12,13; 2Kön 22,6), Gürtel (Jer 13,1.4) oder Gewürzen (Jes 43,24).

2.2. Verkauf. Im Hinblick auf die Terminologie des Verkaufs ist die Sache komplizierter, denn hebr. מכר mkr bedeutet in einem weiteren Sinn die Übergabe und Übertragung von Gütern, die nicht immer ein Verkauf sein muss, sondern auch die zeitweise Übertragung von Nutzungsrechten meinen kann (Lipinski, 1984, 869ff). Um zeitweise Übertragung von Nutzungsrechten handelt es sich vor allem bei Formen der Pfändung und Schuldentilgung. Die Übergabe von Haus, Land, eigener Arbeitskraft und derjenigen von Angehörigen (Schuldknechtschaft) sind streng genommen keine Verkaufsvorgänge, obwohl sie mit מכר mkr gebildet werden. Das Verb begegnet auch bei der Eheschließung (Gen 31,15; Ex 21,7f) und hat auch hier nichts mit Verkaufen und endgültiger Besitzübertragung zu tun, sondern mit der Übergabe der Braut in die Familie des Bräutigams. Man wird sich bei dem in deutschen Bibeln oft mit „verkaufen“ übersetzten Verb מכר mkr die Vielfalt denkbarer Transfervorgänge offen halten müssen. Nach Lipinski hat מכר mkr nur mit einer finanziellen Zusatzbestimmung („für Silber“ o.ä. vgl. Gen 37,12; Dtn 21,14; Am 2,6; Lev 27,27) sicher die Konnotation des Verkaufs.

3. Jeremias Ackerkauf und Kaufbrief (Jer 32)

Bei kostbaren Kaufobjekten wurde durch die Ausstellung einer Kaufurkunde (Kaufbrief) die vom Verkäufer erbrachte Leistung beschrieben und der Empfang des Kaufpreises bestätigt. Jer 32,10f schildert einen Grundstückskauf Jeremias „gemäß Gesetz und Vorschrift“ (V.10). Es gab also im Jerusalem des 7. Jh.s v. Chr. feste Regeln für den Immobilienverkauf. Käufer und Verkäufer einigten sich auf den Kaufpreis. Jeremia als Käufer schrieb eine Kaufurkunde in zwei Fassungen, die zusätzlich von Zeugen unterschrieben wurde, oder es wurden die Zeugen namentlich aufgeführt. Die eine Fassung der Urkunde wurde versiegelt, die andere blieb zur Einsichtnahme offen. Dann wog der Käufer den Kaufpreis vor Zeugen in gehacktem Silber (17 Schekel) ab, gab ihn dem Verkäufer und übergab beide Kaufurkunden einem Zeugen (Baruch), der eventuell ein öffentliches Amt bekleidete, damit dieser beide Urkunden zusammen in einem Tongefäß für lange Zeit sicher aufbewahren konnte. Die versiegelte Fassung der Urkunde verhinderte eine spätere Manipulation an der Kaufurkunde. Bei Rechtsstreitigkeiten konnte so das versiegelte Exemplar aufgebrochen und mit der vorgelegten Kaufurkunde verglichen werden. Während in Mesopotamien eine auf einer Tontafel geschriebene Kaufurkunde von einem weiteren Tonumschlag vollständig umschlossen und versiegelt wurde, wurden in Palästina Kaufbriefe auf Papyrus oder Leder geschrieben, eingerollt und mit einem Strick versehen, auf dessen Knoten ein weicher Tonklumpen befestigt und gesiegelt wurde. Zahlreiche Bullen (gesiegelte Tonklumpen) mit den Spuren von Papyrus und Schnüren auf der Rückseite in Israel und den Umweltkulturen legen nahe, dass Kaufgeschäfte häufiger durch die Ausfertigung solcher Kaufurkunden wie in Jer 32 abgesichert wurden.

4. Kaufverhandlungen (Feilschen)

Abrahams Kauf eines Begräbnisplatzes (Gen 23 [→ Priesterschrift], 400 Schekel) geschieht inmitten einer Versammlung rechtsfähiger Männer im Stadttor (Verkäufer, Käufer, Zeugen), kommt aber ohne Schriftstück aus. Dieser Text zeigt aber einige Momente typischer Kaufverhandlungen, denn Fixpreise gibt es nicht und Preise müssen ausgehandelt werden. Das im Orient bis heute übliche Feilschen galt schon im Alten Orient als selbstverständlich, was Spr 20,14 sehr schön zum Ausdruck bringt. Jede Seite setzt dabei ihre Mittel ein. Der Verkäufer setzt den Preis überhöht an, der Käufer muss Zeit und Geschick aufbringen, um den Preis zu drücken. Er macht z.B. die Ware, an der er Interesse hat, schlecht. Gelingt ihm das Herunterhandeln des Preises, lobt er sich seiner Cleverness, während der Verkäufer sich über den dennoch erzielten Gewinn wohl ebenfalls freut.

5. Übertragene Bedeutungen

Die semantische Offenheit von קנה qnh bietet auch die Möglichkeit der Übertragung auf nichtkommerzielle Bedeutungsebenen in der poetischen und weisheitlichen Literatur, die sich auch in frühjüdischen und neutestamentlichen Schriften finden. Die Spruchweisheit stellt vielfach den Erwerb von Weisheit, Einsicht, Zeit, Freunde u.a. als ein gutes Geschäft dar (Spr 1,5; Spr 4,5.7; Spr 15,32; Spr 16,16 u.ö.). In poetischen Texten kann auch betont werden, dass sich Gott sein Volk Israel zum Eigentum erworben hat (Ex 15,16; Jes 11,11; Ps 74,2; Ps 78,54). Der Kauf wird hier zur Metapher der Erwählung. Die Vorstellung vom Loskauf aus der Abhängigkeit nutzt zwar andere Begriffe (auslösen, erlösen; → Löser / Loskauf), überträgt aber ebenso geschäftliches Verhalten auf die Ebene von Gottes befreiendem und erlösendem Handeln. Aber auch Schöpfungsvorstellungen können mit der Kaufmetapher verdeutlicht werden (Gen 4,1; Dtn 32,6; Ps 78,54; Ps 139,13; Spr 8,22), ohne dass man eine zweite Verbalwurzel קנה qānāh II „erschaffen / zeugen“ annehmen müsste (Lipinski, 1993, 63-71).

Literaturverzeichnis

Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., München / Zürich 2004
  • Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009

Weitere Literatur

  • Hecker, K., Zur Beurkundung von Kauf und Verkauf im Altassyrischen, WO 11 (1980), 64-75
  • Jursa, M. (Hg.), Aspects of the Economic History of Babylonia in the First Millennium BC, Veröffentlichungen zur Wirtschaftsgeschichte Babyloniens im 1. Jahrtausend v. Chr, Bd. 4 (AOAT 377), Münster 2010
  • Kessler, R., Samaria-Papyri und Sklaverei in Israel, in: J.F. Diehl u.a. (Hgg.), „Einen Altar von Erde mache mir …“ (FS D. Conrad; KAANT 4/5), Waltrop 2003, 169-181
  • Lipinski, E., Art. מכר mkr, in: ThWAT IV, Stuttgart 1984, 869-875
  • Lipinski, E., Art. קָנָה qānāh, in: ThWAT VII, Stuttgart 1993, 63-71
  • Migsch, H., Jeremias Ackerkauf. Eine Untersuchung von Jeremia 32 (Österreichische biblische Studien 15), Frankfurt u.a. 1996

Abbildungsverzeichnis

  • Kaufurkunden auf Papyrus oder Leder wurden eingerollt und mit einem Band versehen, an dessen Knoten ein Tonklumpen mit Siegel befestigt wurde. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Beschriftete Gewichtssteine. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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