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Jubiläenbuch

(erstellt: August 2007)

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1. Ursprung und Textüberlieferung

Das Jubiläenbuch, seit Hieronymus auch als die „Kleine Genesis“ bezeichnet, ist eine antik-jüdische Schrift, die um 150 v. Chr. auf Hebräisch abgefasst wurde. Der ursprüngliche Titel, unter dem das Jubiläenbuch bereits in der Damaskusschrift (CD XVI 3) zitiert wird, lautet „Buch über die Einteilungen der Zeiten“ (סֵפֶר מַחְלְקוֹת הָעִתִּים). Er hat sich in der äthiopischen Textüberlieferung erhalten, wo das Jubiläenbuch als maṣḥafa kufāle („Buch der Einteilungen“) bekannt ist.

Fragmente von 14 Handschriften der hebräischen Urfassung wurden in Qumran gefunden, wo das Jubiläenbuch bereits einen hohen Stellenwert gehabt haben muss. Der hebräische Text bildete die Grundlage einer syrischen und einer griechischen Übersetzung, die jedoch nur indirekt bezeugt sind. Bereits auf der Basis eines griechischen Textes wurde das Jubiläenbuch ins Lateinische und Äthiopische übersetzt.

Der vollständige Text des Jubiläenbuchs ist allein in der äthiopischen Übersetzung erhalten, deren älteste bekannte Textzeugen aus dem 14. und 15. Jh. stammen. Das Jubiläenbuch gehört bis heute zum Kanon der äthiopischen Kirche.

2. Zentrale Inhalte

Das Jubiläenbuch bietet eine Neuerzählung des Buches → Genesis und von Teilen des Buches → Exodus, die sich eng an die Erzählsequenz des biblischen Textes anlehnt, dabei aber deutlich eigene Akzente setzt. Das Buch präsentiert sich als eine himmlische Offenbarung, die Mose auf dem Sinai durch einen Engel übermittelt wird (Jub 1; vgl. Ex 24). Gegenstand dieser Offenbarung ist eine präzise Chronologie der Ereignisse von der Schöpfung bis in die Gegenwart Moses, wobei das Jubiläenbuch besonders betont, dass zentrale Vorschriften der Tora bereits den Erzvätern offenbart und von ihnen beachtet wurden. Geschichtslauf wie göttliches Gebot gelten im Jubiläenbuch als seit der Schöpfung auf den himmlischen Tafeln festgeschrieben und in einem sukzessiven Offenbarungsprozess erschlossen. Dieser Prozess erreicht seinen Zielpunkt mit der Sinaioffenbarung, unter die für den Verfasser sowohl das Jubiläenbuch selbst als auch die mosaische Tora fallen. Das Jubiläenbuch ist somit kein Gegenentwurf zur Tora, sondern will als deren autoritative Leseanleitung verstanden werden.

Nicht nur die von Israel zu observierenden Gebote, sondern auch die Existenz des Gottesvolkes Israel gilt im Jubiläenbuch als in der Schöpfung verankert. Beide Gedanken konvergieren im zentralen Sabbatgebot, zu dessen Befolgung Israel am sechsten Schöpfungstag von Gott erwählt wird (Jub 2,19f). Die Existenz Israels ist folglich seit jeher untrennbar mit der Befolgung des göttlichen Gebotes verbunden. Für den vermutlich aus priesterlichen Kreisen stammenden Verfasser (vgl. Jub 30-32) ergibt sich aus dieser Konzeption Israels eine scharfe Absage an jegliche Anpassung an den Hellenismus, wie etwa die Polemik gegen das Vermeiden der Beschneidung (Jub 15,11-14) oder gegen öffentliche Nacktheit (Jub 3,30f) zeigen.

3. Chronologie

Alle Zeiträume sind im Jubiläenbuch nach dem Muster der Siebenzahl strukturiert und erweisen sich mithin als stringente Entfaltung der in der Schöpfungswoche etablierten chronologischen Basiseinheit von sieben Tagen. Nach Jub 6,29-32 besteht jedes Jahr aus exakt 52 Wochen oder 364 Tagen. Sieben Jahre bilden eine Jahrwoche (שָׁבוּעַ) und sieben Jahrwochen ergeben ein Jubiläum (יוֹבֵל meint einen Zeitraum von 49 Jahren). Durch Angabe von Jubiläum, Jahrwoche und Jahr lassen sich alle Ereignisse präzise datieren (z.B. Jub 4,31: Kain stirbt im siebten Jahr der siebten Jahrwoche des 19. Jubiläums, also im Jahr 931 nach der Schöpfung).

Die theologischen Implikationen des chronologischen Systems sind allerdings nicht allein über seine Ableitung aus der Schöpfungswoche gegeben, sondern erschließen sich in ihrem Vollsinn erst vor dem Hintergrund der biblischen Bestimmungen zum Jobeljahr. Aus der in Lev 25 vorgesehenen Sklavenfreilassung im 50. Jahr ist im Jubiläenbuch das 50. Jubiläum geworden, in dem ganz Israel das ägyptische Sklavenhaus verlässt und an dessen Ende die Landnahme steht (Jub 48,1; 50,4). Das 50. Jubiläum markiert den Zielpunkt des im Jubiläenbuch entfalteten göttlichen Geschichtsplanes und demonstriert, dass der Lauf der Weltgeschichte seit der Schöpfung ganz auf Israel ausgerichtet ist.

Literaturverzeichnis

Textausgaben und Übersetzungen

  • Berger, K., 1981, Das Buch der Jubiläen (JSHRZ III/3), Gütersloh
  • VanderKam, J.C., 1989, The Book of Jubilees. A Critical Text (CSCO 510), Leuven
  • VanderKam, J.C., 1989, The Book of Jubilees (CSCO 511), Leuven

Weitere Literatur

  • Arbeitshilfen für das Studium der Pseudepigraphen
  • Albani, M. / Frey, J. / Lange, A. (Hgg.), 1997, Studies in the Book of Jubilees (TSAJ 65), Tübingen
  • Berner, Chr., 2006, Jahre, Jahrwochen und Jubiläen. Heptadische Geschichtskonzeptionen im Antiken Judentum (BZAW 363), Berlin / New York
  • Endres, J., 1987, Biblical Interpretation in the Book of Jubilees (CBQ.MS 18), Washington (DC)
  • Najman, H., 2003, Seconding Sinai. The Development of Mosaic Discourse in Second Temple Judaism (JSJ.S 77), Leiden / Boston
  • Ruiten, J. van, 2000, Primaeval History Interpreted. The Rewriting of Genesis 1-11 in the Book of Jubilees (JSJ.S 66), Leiden / Boston

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