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(erstellt: Januar 2009)

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Ein Jobeljahr ist nach Lev 25 jedes 50. Jahr, nämlich die Zeit nach sieben mal sieben Sabbatjahren (→ Brache / Brachjahr; → Erlassjahr).

1. Begriff

Das Jobeljahr hat seinen alttestamentlichen Namen von dem Widderhorn (hebr. jôbel), durch dessen Blasen es eröffnet wurde. Im Lateinischen wurde daraus neben der unübersetzten Form iobeleus (so die Vulgata) später das ähnlich klingende Wort iubilaeus, das an iubilare „jubeln“ denken lässt. Davon sind dann „Jubiläum“ und „Jubeljahr“ abgeleitet. Luther, der wieder auf den „Hall“ der – wie er übersetzte – „Posaune“ zurückgeht, nannte das Jobeljahr „Halljahr“.

2. Die Bestimmung von Lev 25

Das Jobeljahr gehört im Alten Testament ausschließlich dem priesterlichen Schrifttum an (→ Priesterschrift). In Lev 25 wird es eingeführt, in Lev 27,16-25 spielt es eine Rolle bei der Berechnung des Werts von Grundstücken, nach Num 36,4 würde Erbbesitz im Jobeljahr an einen anderen Stamm fallen, wenn Frauen dorthin heirateten.

Die Grundausrichtung des Jobeljahres besteht nach Lev 25,10 darin, dass in ihm „Freilassung ausgerufen“ wird, wozu der schon aus dem Akkadischen bekannte Ausdruck dərôr verwendet wird (gr. áphesis, lat. remissio). Damit gehört das Jobeljahr zu den Institutionen, die die Verfügungsgewalt Fremder über Grundstücke und Personen beendigen (→ Erlassjahr).

Die Jobeljahrbestimmung in Lev 25 steht in einer langen Tradition. Schon aus dem alten Mesopotamien sind unregelmäßige „Freilassungen“ bekannt, bei denen Schuldurkunden auf königlichen Befehl zerstört werden müssen. In Jer 34,8-22 und Neh 5,1-13 begegnen auch in Juda derartige Akte aus besonderem Anlass. Die Sklavengesetze (→ Sklaverei) in Ex 21,2-11 und Dtn 15,12-18 mit der Freilassung von Schuldsklaven im siebten Jahr und das Erlassjahrgesetz Dtn 15,1-11 bringen Regelmäßigkeit und Berechenbarkeit in das Geschehen. Dieses Motiv greift Lev 25 auf, allerdings mit erheblichen Veränderungen. Durch die siebenfache Verlängerung des Zeitraums wird die Freilassung von versklavten Personen (Lev 25,39-55) je nach Beginn der Versklavung zu einem unerreichbaren Ziel. Die Aufforderung zum Freikauf derer, die bei Nicht-Juden versklavt sind, durch ihre Verwandten versucht dem entgegenzusteuern. Ob die vorgesehene Statusänderung bei innerjüdischer Versklavung vom Sklaven- zum Tagelöhner- oder Beisassenstatus (Lev 25,39f) wirklich eine Verbesserung darstellt, kann bezweifelt werden. Ganz neu an Lev 25 ist die ausgefeilte Berücksichtigung von Gründstückstransaktionen (Lev 25,13-34). Sie sieht, allgemein gesprochen, die Restitution eines Urzustands gerechter Verteilung alle fünfzig Jahre vor. Vorausgesetzt ist dabei, dass es eine solche gerechte Verteilung seit der → Landnahme, also nach dem (fiktiven) Erlass des Gesetzes am → Sinai, gab. Sollte das Gesetz aber, wie mit guten Gründen vermutet wird, im → Exil entstanden sein, könnte es auch die Rückgabeansprüche der Exilierten gegenüber den im Land gebliebenen ärmeren Bevölkerungsteilen legitimieren wollen, die sich die Güter der exilierten Reichen angeeignet hatten.

3. Das Jobeljahr als literarische Fiktion

Anders als das siebenjährliche Brach- und Erlassjahr spielt das Jobeljahr in der jüdischen Sozialgeschichte der persischen, hellenistischen und römischen Zeit keine praktische Rolle. Wichtiger werden wirkungsgeschichtlich seine theologischen Grundintentionen. Dazu gehört neben der Vorstellung periodischer Wiederherstellung eines gerechten Urzustandes der wirtschaftsethische Spitzensatz, dass Grund und Boden deshalb nicht für immer verkauft werden dürften, weil der Gott Israels ihr eigentlicher Eigentümer ist (Lev 25,23). Das Motiv, dass im Jobeljahr „Freilassung ausgerufen“ wird (Lev 25,10), macht es zum Modell für Freilassung überhaupt. So kann man in der prophetischen Ankündigung von Jes 61,1f, „Freilassung“ und „ein Jahr des Wohlgefallens für JHWH auszurufen“, einen ins → Eschatologische gewendeten Anklang an die Jobeljahrvorstellung hören. Nach Lk 4,18f macht sich Jesus diese Botschaft in seiner Predigt in der Synagoge von Nazaret zu eigen.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009

2. Weitere Literatur

  • Albertz, R., 1995, Die Tora Gottes gegen die wirtschaftlichen Sachzwänge. Die Sabbat- und Jobeljahrgesetzgebung Lev 25 in ihrer Geschichte, ÖR 44, 290-310
  • Crüsemann, M. / Crüsemann, F., 2000, Das Jahr, das Gott gefällt, BiKi 55, 19-25.
  • Fager, J.A., 1993, Land Tenure and the Biblical Jubilee. Uncovering Hebrew Ethics through the Sociology of Knowledge (JSOT.S 155), Sheffield
  • Fried, L.S. / Freedman, D.N., 2001, Was the Jubilee Year Observed in Preexilic Judah?, in: Milgrom, Jacob, Leviticus 23-27. A New Translation with Introduction and Commentary, (AncB 3B), New York u.a., 2257-2270.
  • Groß, W., 2000, Die alttestamentlichen Gesetze zu Brache-, Sabbat-, Erlaß- und Jubeljahr und das Zinsverbot, ThQ 180, 1-15
  • Lefebvre, J.-F., 2003, Le jubilé biblique. Lv 25 – exégèse et théologie (OBO 194), Fribourg Suisse / Göttingen
  • Lemche, N.P., 1976, The Manumission of Slaves – The Fallow Year – The Sabbatical Year – The Jobel Year, VT 26, 35-59
  • Meyer, E.E., 2005, The Jubilee in Leviticus 25: A Theological Ethical Interpretation from a South African Perspective (exuz 15), Münster
  • North S.J., R., 1954, Sociology of Biblical Jubilee (AnBib 4), Rom
  • North S.J., R., 2000, The Biblical Jubilee … after fifty years (AnBib 145), Rom
  • Robinson, G., 1991, Das Jobel-Jahr. Die Lösung einer sozial-ökonomischen Krise des Volkes Gottes, in: D.R. Daniels u.a. (Hg.), Ernten, was man sät (FS K. Koch), Neukirchen-Vluyn, 471-494
  • Wacholder, Ben Zion, 1973, The Calendar of Sabbatical Cycles During the Second Temple and the Early Rabbinic Period, HUCA 44, 153-196

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