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Jeremia, Brief des

(erstellt: November 2007)

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Zu den angegebenen Stellen im Brief Jeremias: In manchen Bibelausgaben wird die Überschrift als eigener Vers gezählt (z.B. Lutherbibel), so dass sich die Verszählung entsprechend verschiebt (Bar 6,1 => Bar 6,2).

1. Überlieferung

Der Brief Jeremias, der aufgrund der lateinischen Bezeichnung Epistula Jeremiae „EpJer“ abgekürzt wird, zählt zu den → Apokryphen. In der → Septuaginta bildet die Schrift ein eigenes Buch, in der → Vetus Latina sowie der → Vulgata wird sie jedoch als 6. Kapitel des → Baruch-Buches überliefert, und dem folgen die deutschen Bibelausgaben (Bar 6,1f.; → Kanon).

Der Brief steht in engem Zusammenhang mit dem jeremianischen Schrifttum der Bibel (→ Jeremia, → Baruch, → Klagelieder). Er entwickelt in den kanonischen Schriften angelegte Motive der Jeremia-Überlieferung weiter, so dass das Werk ein Paradebeispiel einer „relecture“ der kanonischen Jeremia-Traditionen darstellt.

Ausgangspunkt des Werkes ist ein (fiktiver) Brief, den der Prophet Jeremia an die Exulanten in Babylonien geschrieben haben soll. Mit der Form wird aus Jer 29,1f. die Überlieferung, dass Jeremia Briefe an die Exilsgemeinde geschrieben hat, aufgenommen, um das Werk zu legitimieren und ihm die Autorität des Propheten zu verleihen. Tatsächlich handelt es sich bei der Schrift jedoch nicht um einen Brief im eigentlichen Sinn, sondern um eine Mahn- und Trostschrift mit dem Ziel, die Nichtigkeit der babylonischen Götter und Götterbilder zu beweisen. Der Verfasser sieht – wie bereits in der hebräischen Bibel und im antiken Judentum häufig belegt – in den fremden Göttern von Menschen gemachte Werke und polemisiert – z.T. mit viel Ironie – gegen die bildliche Verehrung der Götter, wie sie in seinem babylonischen Umfeld praktiziert wurde.

2. Inhalt und Aufbau

Der Nachweis, dass es sich bei den babylonischen Göttern um hölzerne, silberne und goldene Götter handelt, die keine Götter, sondern von Menschenhand gemachte Werke sind, ist das Hauptthema und die Kernintention des Briefes. Daher sollen sich – so betont die Schrift mehrfach – die Verbannten nicht vor den Göttern fürchten. In seiner → Götterpolemik greift der Verfasser auf Jes 44,9-20 und Jer 10,1-16 zurück.

Nach einer allgemeinen Einleitung (Bar 6,1-6) folgen zehn kehrreimartige Abschnitte (Bar 6,7-14; Bar 6,15-22; Bar 6,23-28; Bar 6,29-39; Bar 6,40-44; Bar 6,45-51; Bar 6,52-56; Bar 6,57-64; Bar 6,65-68; Bar 6,69-72), die jeweils mit der Formel schließen: „Daher fürchtet euch nicht vor ihnen (sc. den babylonischen Göttern)“. Die Götzenpolemik hebt insbesondere auf die Verzierung und Bekleidung der babylonischen Götterbilder (Bar 6,8.10f.32.71) und auf ihr Alter (Bar 6,16.19f.71) ab. Sodann kritisiert der Verfasser die kultischen Prozessionen und die Götterzeremonien der Babylonier.

3. Verfasserschaft und Datierung

Genauere Hintergründe zur Verfasserschaft und zur Datierung der Schrift lassen sich angesichts der Kürze und der fehlenden expliziten Hinweise nur schwer ermitteln. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der Verfasser des Werkes in Babylonien lebte und den Götterkult aus seiner unmittelbaren Umwelt kannte. Dafür spricht – neben dem „Setting“ einer an die babylonischen Juden gerichteten Schrift – seine gute Kenntnis des babylonischen Kultes. Allerdings wird die Identifizierung von Göttern und → Götterbildern dem babylonischen Götterglauben sicherlich nicht gerecht. Sie lässt sich vielmehr aus der speziellen Situation erklären: Offensichtlich war der babylonische Kult mit seiner Prachtentfaltung für die Juden in Babylonien durchaus attraktiv. Dagegen stellt der Verfasser die Nichtigkeit des babylonischen Götterglaubens heraus und will die Juden ermutigen, sich nicht von dem Götterkult beeindrucken zu lassen.

Dass – wie in der Forschung manchmal postuliert – Heiden die tatsächlichen Adressaten des Briefes sind, ist aus verschiedenen Gründen unwahrscheinlich. Erstens spricht dagegen, dass heidnische Leser und Leserinnen die polemische Gleichsetzung von Göttern und Götterbildern kaum beeindruckt hätte; zweitens fehlt der Schrift eine positive Akzentuierung israelitisch-jüdischen Glaubens, wie man es bei nicht-jüdischen Adressaten erwarten würde. Auch textimmanente Hinweise sprechen gegen eine jüdische Propagandaschrift. Explizit wird auf die Bestimmungen der Tora, die durch den fremden Glauben verletzt werden, Bezug genommen. Ein weiteres Indiz für den jüdischen Ursprung ist, dass die erhaltene griechische Fassung des Jeremia-Briefes offensichtlich auf eine hebräische oder aramäische Vorlage zurückgeht (Kellermann).

Obwohl der Text in Bar 6,2 vom Zeitpunkt des babylonischen Exils 587/586 v. Chr. an 7 Generationen, also rund 7 mal 40 Jahre, voraussetzt, ist eine Datierung um 300 v. Chr. nicht wahrscheinlich. Die Wiederbelebung des babylonischen Kults passt eher in die hellenistische Zeit, so dass die Schrift vermutlich um 250-200 v. Chr. entstanden ist. 2Makk 2,1-8 könnte die Schrift voraussetzen, da hier Jeremia als Verspotter des Götzendienstes angesehen wird.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979 (Jeremia, Brief des)
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007 (Jeremiaschriften I. Jeremiabrief)

2. Weitere Literatur

  • Kellermann, D., 1979, Apokryphes Obst. Bemerkungen zur Epistula Jeremiae (Baruch Kap. 6), insbesondere zu Vers 42, ZDMG 129, 23ff
  • Kottsieper, I. / Kratz, R.G. / Steck, O.H., 1998, Das Buch Baruch – Der Brief des Jeremia – Zusätze zu Ester und Daniel (ATD.Apokryphen 5), Göttingen
  • Naumann, W., 1913, Untersuchungen über den apokryphen Jeremiabrief (BZAW 25), Gießen

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