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Jenseitsreise (Himmelfahrt, Höllenfahrt)

(erstellt: Oktober 2019)

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1. Zum Begriff

Jenseitsreise ist ein Oberbegriff, der sowohl im ersten Glied („Jenseits“) als auch im zweiten („Reise“) mehrere Unterkategorien umfasst (Colpe, 491-494). Was den Begriff des „Jenseits“ betrifft, ist auf das biblische → Weltbild zu rekurrieren. Dieses – und bis zu einem gewissen Grad auch jenes der umliegenden altorientalischen und griechisch-römischen Kulturkreise – kann vergröbernd als dreigliedrig (Himmel – Erde – Unterwelt, vgl. Ex 20,4) gefasst werden. Über der menschlichen Lebenswelt liegt demnach der himmlische bzw. göttliche Bereich, darunter dagegen die Unterwelt (שְׁאוֹל šə’ôl, ᾇδης hades), d.h. der Aufenthaltsort der Toten (→ Jenseitsvorstellungen (AT)). Der Begriff des Jenseits umfasst beide abseitige, dem Menschen grundsätzlich unzugängliche Bereiche (Himmel und Unterwelt).

In ähnlicher Weise umgreift das zweite Glied im Begriff der Jenseitsreise eine Mehrzahl von Unterkategorien, namentlich (Himmel- / Höllen-)Reise im engeren Sinn sowie → Entrückung (in den himmlischen / göttlichen Bereich): Während die Jenseitsreise im engeren Sinn typischerweise dadurch charakterisiert ist, dass sie die Erlebnisse des Auffahrenden selbst beschreibt, die zudem oft mit Gefahren verbunden sind und auch Zwischenstationen umfassen können, steht bei der Entrückung typischerweise die Sicht von am Geschehen beteiligten Zeugen im Vordergrund; zudem ist bei Letzterer der ganze Mensch involviert, bei Ersterer dagegen meist nur die Seele (Sand, 156-157).

Betrifft die Differenzierung zwischen „Reise“ und „Entrückung“ die Art der Versetzung ins Jenseits, so lassen sich die mit dem Begriff der Jenseitsreise bezeichneten Erlebnisschilderungen und Motive auch hinsichtlich des Zielortes der räumlichen Bewegung unterscheiden. Demnach lässt sich der Begriff der „Himmelfahrt“ als Sammelbezeichnung für die Jenseitsreisen in den göttlichen Bereich, „Höllenfahrt“ dagegen für jene in die Unterwelt verstehen.

Schließlich können sowohl die Himmel- als auch die Höllenfahrtsschilderungen hinsichtlich ihrer Funktion unterschieden werden (Tabor, 91-94). So erfolgen Himmelfahrten entweder als postmortales endgültiges Eingehen in die himmlische Sphäre (Himmelfahrt im engeren Sinn) oder als vorübergehende Reise oder Entrückung in der Lebenszeit des Protagonisten, wobei hierbei nochmals zu differenzieren ist zwischen Schilderungen, bei denen die Offenbarung himmlischer Wirklichkeiten oder göttlicher Geheimnisse im Vordergrund steht, und solchen, die vorranging auf die einstige ewige Herrlichkeit des Protagonisten in der Himmelsphäre vorausweisen. In ähnlicher Weise können Höllenfahrten vornehmlich der Rettung von ins Totenreich Eingegangenen oder aber der Offenbarung des Schicksal der Verstorbenen – und im Besonderen der zu erwartenden postmortalen Strafen für bestimmte Vergehen – dienen.

2. Biblischer Befund

In den biblischen Schriften ist im Allgemeinen eine Zurückhaltung festzustellen bezüglich der Schilderung von Jenseitsreisen. Der Befund beschränkt sich sowohl im AT als auch im NT zumeist auf einzelne, oft kurze Passagen. Es scheint, dass – zumal über weite Teile des AT – die Grenze zwischen dem Lebensbereich des Menschen und den jenseitigen Sphären (Himmel und שְׁאוֹל šə’ôl) klar gezogen ist, wie etwa in der rhetorischen Frage in Spr 30,4a („Wer stieg zum Himmel hinauf und kam wieder herab?“, vgl. Dtn 30,12) oder in Ps 115,16-17 („Der Himmel ist der Himmel des Herrn, die Erde aber gab er den Menschen. Nicht die Toten loben den Herrn, keiner, der ins Schweigen hinabfuhr.“) zum Ausdruck kommt.

2.1. Altes Testament

Im Hinblick auf Jenseitsreisen in die göttliche Sphäre (Himmelfahrtsschilderungen) umfasst der alttestamentliche Textbefund im Wesentlichen zwei narrative Passagen: die kurze Notiz zu Henoch (Gen 5,21-24) sowie die Entrückung Elijas (2Kön 2,1-18). Der Abschnitt zu Henoch, dem Siebten in der mit Adam beginnenden Genealogie, hebt sich dadurch vom Kontext ab, dass anstelle von seinem Tod davon die Rede ist, dass Gott ihn „wegnahm“ (Gen 5,24, hebr. לקח lqḥ). Eine Entrückung Henochs in die himmlische Welt scheint damit angedeutet, doch fehlen nähere Angaben über die Art und Weise und den Zielort der „Wegnahme“. Auch die drei deuterokanonischen Erwähnungen Henochs (Weish, 4,10-11; Sir 44,16; Sir 49,14) fallen sehr knapp aus und gehen nicht über Gen 5,24 hinaus. Dessen ungeachtet wird die Henochfigur in der Apokalyptik (→ Henochliteratur) zu einem zentralen Ausgangspunkt für die frühjüdische und -christliche Entfaltung der Motivik der Jenseitsreisen (vgl. unten Kap. 5).

Auch bei der Erzählung von der Entrückung Elijas (2Kön 2,1-18) kommt dasselbe Verb „wegnehmen“ (לקח lqḥ 2Kön 2,3.5.9.10) vor, doch wird darüber hinaus der „Himmel“ als Zielort genannt; zudem ist vom „Aufsteigen“ sowie von einem „Feuerwagen“, „feurigen Pferden“ und „Sturmwind“ die Rede (2Kön 2,11), mittels derer Elija entrückt wird. Wiederum sind drei deuterokanonische Stellen (1Makk 2,58; Sir 48,9.12) zu nennen, welche die Aussage von 2Kön 2,11 wiederholen. Zudem spiegelt sich die Entrückung Elijas in der eschatologischen Erwartung seiner Wiederkunft (Mal 3,23-24; vgl. Mk 9,11-13; Mk 15,35-36 par.)

Darüber hinaus klingt in zwei Stellen im Psalter eine Aufnahme in die himmlische Sphäre nach dem Tod an. Beide Male findet wiederum das hebräische Verb לקח (lqḥ „wegnehmen“) Verwendung:

„Doch Gott wird mich auslösen aus der Unterwelt, ja er nimmt mich auf [/weg]“ (Ps 49,16).

„Du leitest mich nach deinem Ratschluss, danach nimmst du mich auf [/weg] in Herrlichkeit“ (Ps 73,24).

Die beiden Psalmverse geben der Gewissheit Ausdruck, dass sich Gottes Verfügungsgewalt auch über die Unterwelt erstreckt, und äußern davon ausgehend die Hoffnung, dass Gott die Frommen nicht in der Gottferne der Unterwelt belässt. Die knappen Formulierungen vermeiden aber jegliche nähere Beschreibung, wie sich diese „Wegnahme“ aus dem Totenreich vollzieht. Immerhin deutet sich aber im Motiv der „Herrlichkeit“ (Ps 73,24b) ein postmortales Eingehen in den göttlichen Bereich an.

Schließlich sind alttestamentliche Passagen zu erwähnen, die von einer Schau der göttlichen Thronherrlichkeit berichten (Ex 24,9-11: Mose und Aaron mit den siebzig Ältesten auf dem Berg Sinai; 1Kön 22,19: Micha, der Sohn Jimlas; Jes 6,1-3: Vision Jesajas im Tempel; Ez 1,26-28: Thronwagenvision Ezechiels; Dan 7,9-10: Vision Daniels), einem typischen Element in Himmelfahrtsschilderungen. Jedoch fehlt in diesen kurzen Passagen ein Hinweis auf einen Aufstieg in die göttliche Sphäre, vielmehr steht die Beglaubigung des jeweiligen Offenbarungsvorgangs bzw. seines Vermittlers im Vordergrund. Die knappen Schilderungen erweisen sich indes als einflussreich hinsichtlich späterer Entwicklungen (vgl. etwa die Rezeption von Ez 1 in der frühjüdischen Hekhalot-Literatur und Merkaba-Mystik).

Belege für Jenseitsreisen in die Unterwelt fehlen im AT gänzlich. In den erwähnten beiden Psalmstellen (Ps 49,16 und Ps 73,24) deutet sich indes eine Errettung aus dem Totenreich an. In allgemeiner Weise sprechen einige alttestamentliche Passagen Gott explizit die Macht auch über den Tod zu („Ich bin es, der tötet und der lebendig macht“, Dtn 32,29, vgl. 1Sam 2,6a) und daher auch die Fähigkeit, Menschen aus dem Tod zu erretten („er führt zum Totenreich hinab und führt auch herauf“ 1Sam 2,6b; vgl. Tob 13,2; Weish 16,3 sowie Jon 2,7).

2.2. Neues Testament

Im Bereich der ntl. Schriften stehen die beiden Berichte von der → Himmelfahrt Jesu Christi in Lk 24,50-53 und Apg 1,3-12 im Vordergrund. Die beiden Erzählungen weichen teilweise voneinander ab (etwa bezüglich des Zeitpunkts des Geschehens am Ostertag [Lk] oder vierzig Tage danach [Apg]), stimmen aber in den Grundzügen überein und weisen typische Elemente einer Entrückung auf, wie an einem Vergleich mit frühjüdisch-apokalyptischen Texten (AssMos 10,2; syrBar 76), vor allem aber mit der Entrückung Elijas (2Kön 2,1-18) erkennbar wird. Andere neutestamentliche Stellen – mit Ausnahme der von Lk abhängigen Erwähnung in Mk 16,19 – bezeugen die Erhöhung Jesu (Eph 4,8-10; Phil 2,9; 1Tim 3,16; 1Petr 1,20-21; 1Petr 3,18-19.21-22; Hebr 4,14; Apk 12,5), ohne sein Aufsteigen in die himmlische Sphäre ausdrücklich zu erwähnen, oder verweisen darauf nur indirekt (Joh 3,13; Joh 6,62; Joh 20,17).

Während die Himmelfahrt Jesu als postmortale Entrückung zu idenfitizieren ist, berichtet Paulus in 2Kor 12,2-4 von einer (vorübergehenden) Himmelsreise. Die knappe Schilderung eines vierzehn Jahre zurückliegenden Erlebnisses des Apostels bleibt in mehrfacher Hinsicht vermutlich bewusst vage und hebt sich darin ab von vergleichbaren Schilderungen in der apokalyptischen Literatur. So bleibt unter anderem unklar, ob sich das Paradies in dem von Paulus genannten „dritten Himmel“ (2Kor 12,2) befindet. Es geht denn auch in dem kurzen Bericht nicht um die Vermittlung eines Offenbarungsereignisses, da ja Paulus berichtet, er habe „unsagbare Worte“ gehört, „die ein Mensch nicht aussprechen kann“ (2Kor 12,4). Vielmehr steht die Beglaubigung von Paulus als Apostel im Hintergrund, wobei zugleich die Bedeutung solcher Erlebnisse hinsichtlich der Autorisierung als Apostel relativiert wird (Benz, 13-23).

Schließlich trägt auch die umfangreiche Visionsschilderung in der Johannes-Apokalypse Züge einer Himmelsreise, da der Visionär davon berichtet, wie er, vom Geist ergriffen (Apk 1,10), zum Himmel aufsteigt und durch die sich öffnende Tür eintritt, um so vor den Thron Gottes zu gelangen (Apk 4,1-2). Der Visionsbericht steht denn auch in der Funktion der Offenbarung göttlicher Geheimnisse betreffend künftiger Ereignisse.

Berichte von Höllenfahrten bleiben im NT aus. Die ab dem frühen 2. Jh. greifbare Vorstellung von der → Höllenfahrt Christi findet in den neutestamentlichen Schriften keine substantielle Grundlage, da weder die Passions- und Osterberichte der Evangelien noch andere neutestamentliche Passagen die Lücke zwischen der Grablegung Jesu und der Verkündigung seiner Auferstehung am Ostermorgen auffüllen. Die Schriftstellen, die seit frühchristlicher Zeit als Grundlage für das Theologumenon von der Höllenfahrt Christi angeführt werden (Mt 27,52-53; 1Petr 3,19-20; 1Petr 4,6; Eph 4,8-10; Apg 2,24; Röm 10,7; Kol 1,18; Hebr 13,20; Apk 1,18) bezeugen indes den Glauben, dass das in der Auferweckung Jesu offenbarte Heilswirken Gottes die Überwindung der Todesmacht umfasst. Davon ausgehend entfalten frühchristliche Autoren (IgnMagn 9,2; Iren.haer. 4,27,2; Melito: Peri Pascha 101-103; Clemens v.A.: Stromata 6,6,45-47 u.a.) die soteriologische Bedeutung des zeitweiligen Todseins Jesu im Hinblick auf die vorchristlichen Heiligen. Gleichzeitig erfährt die Anschauung von der Höllenfahrt Christi in apokryphen Schriften eine narrative Ausgestaltung als Sieg Christi über die Mächte der Unterwelt (Tod und Satan) und Rettung der dort weilenden Gerechten (vgl. OdSal 42,13-26; NikEv 17-27).

3. Alter Orient

Jenseitsreisen (Himmel- und Höllenfahrten) sind im Alten Orient in verschiedenen Gestaltungsformen literarisch breit bezeugt. Dabei sind oft motivische Übereinstimmungen festzustellen, was literarischen Abhängigkeiten vermuten lässt, die aber nur selten eindeutig zu belegen sind.

3.1. Mesopotamien

Aus der Vielzahl von Erzählungen, die eine Jenseitsreise zum Thema haben oder mit beinhalten, ist zunächst der sumerische Mythos „Innanas Gang zur Unterwelt“ (TUAT III/1, 458-495) hervorzuheben, der auch in akkadischer Fassung (als Höllenfahrt der Ištar, TUAT III/1, 760-766) vorliegt. Innana, Göttin des Himmels, trachtet danach, Ereškigal, der Göttin der Unterwelt, ihr Herrschaftsgebiet zu entreißen. An den sieben Toren der Unterwelt ihrer Machtsymbole beraubt, bleibt sie aber in der Unterwelt gefangen und kann nur durch eine List Enkis befreit werden – allerdings erst, nachdem sie einen Ersatz für sich in der Unterwelt gestellt hat, ihren Gatten Dumuzi. Der aus dem syrischen Mitannireich stammende Mythos „Nergal und Ereškigal“ dagegen erzählt vom Gang des Gottes Nergal in die Unterwelt, der dort die Göttin Ereškigal überwindet, schließlich aber bei ihr in der Unterwelt bleibt.

Auf der in sumerischer Sprache erhaltenen Tafel XII des Gilgamesch-Epos findet sich die Erzählung „Gilgamesch, Enkidu und die Unterwelt“ (TUAT III/1, 739-744). Sie berichtet vom Abstieg Enkidus in die Unterwelt, von wo er Gilgameschs Trommel zurückholen will, aber nur durch die Hilfe Enkis wieder heraufgeholt werden kann. Zurück bei seinem Freund Gilgamesch überhäuft ihn dieser mit Fragen zur Unterwelt, die er der Reihe nach beantwortet.

Unter den Schilderungen von Himmelsreisen sind die nur fragmentarisch erhaltenen Mythen „Etanas Himmelsflug“ (TUAT III/2, 34-51) und „Adapa und der Südwind“ (TUAT III/2, 51-55) zu nennen. Der sumerische König Etana will auf den Flügeln eines Adlers zum Himmel fliegen, um dort ein Heilmittel für seine kinderlose Frau zu beschaffen, stürzt aber ab. Adapa, Sohn und Diener des Gottes Ea, wird wegen eines Vergehens vor den Himmelsgott Anu zitiert, weist dort aber das ihm gereichte Brot und Wasser des Lebens zurück und muss darauf den Himmel wieder verlassen und zur Erde zurückkehren.

3.2. Ägypten

Elemente von Jenseitsreisen klingen im Mythos des Sonnengottes Re an, der jede Nacht die Unterwelt durchquert und beim Wiederaufstieg mit Hilfe von Seth die Schlangengottheit Apophi überwinden muss, sowie in jenem von Isis und Osiris, da Letzerer, nachdem er von seinem Bruder Seth erschlagen worden ist, von seiner Gattin Isis wieder zum Leben erweckt und schließlich zum Herrscher der Unterwelt wird.

Die Schilderung einer eigentlichen Jenseitsreise liegt in der fragmentarisch erhaltenen Erzählung von „Mi’jare’ in der Unterwelt“ (TUAT III/2, 973-990) vor, die etwa auf des Ende des 6. v.Chr. zu datieren ist. Der Schreiber / Priester Mi’jare’ soll in die Unterwelt hinabsteigen, um dort für seinen Herrn, den (fiktionalen) Pharao Sisobek, beim Großen Lebendigen Gott Fürsprache einzulegen. Nach Erfüllung des Auftrags wird ihm aber die Rückkehr ins Diesseits verwehrt. Die (von Herodot überlieferte) Anekdote von „Rhampsinit’s Abstieg in den Hades“ (historiae 2,122) dagegen berichtet vom Abstieg des Pharao Rhampsinitos (Ramses III.?) in die Unterwelt, wo er beim Würfelspiel mit Demeter deren goldenes Kopftuch gewinnt, das er ins Diesseits zurückbringt. Die volkstümliche Erzählung von Setne und seinem Sohn Si-Osire schließlich, überliefert in einer Fassung aus dem 1.Jh. n.Chr., handelt von einem Rundgang der beiden durch die Unterwelt, wo der Sohn seinem Vater unter anderem die Orte der Belohnung für Arme und der Strafe für Reiche zeigt; es lassen sich Parallelen zur Parabel von dem Reichen und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31) erkennen.

Was Himmelfahrtsschilderungen betrifft, finden sich in den Pyramidentexten des Alten Reiches Berichte über den postmortalen Aufstieg des bestatteten Königs in die himmlische Sphäre, wobei die Himmelfahrt oft mit einem Vogelflug verglichen oder als ein Emporsteigen des verstorbenen Königs auf einer Himmelsleiter beschrieben wird. Eine Inschrift am Amuntempel in Karnak berichtet dagegen von einer zeitweiligen Entrückung von Thutmosis III. in den Himmel, wo er von der Gottheit zum Pharao eingesetzt wird.

4. Hellenistisch-römische Welt

Höllenfahrten kommen einerseits in Göttermythen vor, etwa im homerischen Hymnus an Demeter, bei dem Persephone von → Hades in die Unterwelt entführt und dann von ihrer Mutter Demeter vergeblich gesucht wird, oder im Mythos von Adonis, der ein Drittel jeden Jahres bei Persephone in der Unterwelt zu verbringen hat. Andererseits sind Abstiege in den Hades Teil von Heldenmythen, wobei es oft um die Rettung von Verstorbenen aus der Unterwelt geht. So steigt Orpheus in die Unterwelt ab, um seine Frau Eurydike heraufzuholen, scheitert aber, da er zu ihr zurückschaut. Ebenso scheitern Theseus und Peirithoos beim Versuch, Persephone aus dem Hades zu entführen, werden aber schließlich ihrerseits von Herakles gerettet. Andere Abstiege von Helden in die Unterwelt erfolgen, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. So besteht die zwölfte und letzte Aufgabe des Herakles darin, den Höllenhund Kerberos aus dem Hades heraufzuholen, Psyche dagegen muss einen Korb voller Schönheit der Persephone in der Unterwelt beschaffen. Odysseus schließlich holt sich im Hades Rat beim weisen Teiresias im Hinblick auf seine weitere Fahrt (Hom.Od. 11,565-627). Eine nicht-mythologische Form von Höllenfahrten bilden dagegen Berichte über das Wiederaufleben von bereits Verstorbenen, die dann ihren Aufenthalt in der Unterwelt schildern, so etwa bei Plinius dem Älteren (naturalis historia 7,177-178).

Züge einer Himmelfahrt trägt dagegen das Proömium des Philosophen Parmenides von Elea, der Offenbarungen schildet, die ihm durch eine Göttin jenseits des Tores, das zum Tageslicht führt, vermittelt werden. Eher satirischen Charakter hat Lukians Werk Ikaromenippos, das von einer Reise in den Himmel und durch die Götterwelt erzählt. Einflussreich in der römischen Antike und darüber hinaus war der von Cicero verfasste Bericht vom Traum des Scipio Africanus (Cic.rep. 6,9-29), bei dem seine vom Leib getrennte Seele bis zur neunten und obersten, göttlichen Sphäre gelangt

5. Apokalyptik

Die jüdische ebenso wie die christliche apokalyptische Literatur, die zu jener weitgehend in Kontinuität steht, zeigt ein starkes Interesse an der Frage nach dem Geschick der Verstorbenen. In der Schilderung von Jenseitsreisen, bei der oft biblische Figuren (Henoch, Elija, Mose u.a.) als Protagonisten fungieren, nimmt daher neben der Schilderung der himmlischen Geografie die Darstellung der postmortalen Straforte eine gewichtige Funktion ein.

Eine sehr bedeutende Rolle hinsichtlich der späteren Entwicklung kommt dem ersten Teil des Henochbuchs, dem „Buch der Wächter“ (äthHen 1-36), zu (→ Henoch). Es schildert drei Himmelsreisen Henochs, bei denen er unter anderem den gefallenen Engeln bzw. Wächtern (vgl. Gen 6,1-4) ihre göttliche Strafe verkündet und ihren Gerichtsort sieht.

Die nur in einem lateinischen Fragment erhaltene Elija-Apokalypse, die etwa auf das 1. Jh. v.Chr. zurückgeht und vermutlich jüdischen Ursprungs ist, aber christlich rezipiert wurde, schildert den Strafort der Verstorbenen und Arten ihrer Bestrafung in Entsprechung zu ihren Vergehen. Weitere apokryphe Schriften aus dem 3.-5. Jh. n.Chr., wie etwa die Apokalypse des Zephanja oder die Apokalypse des Paulus, schildern Jenseitsreisen, die Himmel, Unterwelt und die Enden der Erde umfassen, aber dabei vor allem die Orte vom postmortalen Gericht, der Strafe für die Frevler und der Belohnung der Gerechten beschreiben. Einige dieser Texte blieben bis weit in das Mittelalter hinein einflussreich, wie sich etwa in Dantes „Divina Commedia“ abbildet.

Die ursprünglich jüdische, aber nur in christlicher Fassung erhaltene Schrift von der „Himmelfahrt des Jesaja“ (AscJes) berichtet hingegen von der postmortalen Aufnahme des Propheten Jesaja in die himmlische Sphäre. Ebenfalls aus der Apokalyptik erwächst die jüdische Merkaba-Mystik des 3. bis 10. Jh. n.Chr., die ausgehend von der Thronwagenvison Ezechiels (Ez 1) einen mystischen Aufstieg zur göttlichen Thronwelt anstrebt.

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