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(erstellt: Januar 2019)

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Jahaz ist ein Ort im Ostjordanland.

1. Name

Die Bedeutung des Namens Jahaz (יַהַץ jahaṣ, z.B. Jes 15,4, bzw. יָהְצָה jāhəṣāh, z.B. Ri 11,20) ist unbekannt (Borée, 25, verweist auf arab. wahṣat „Landstück“).

2. Jahaz im Alten Testament

Jahaz 01

Nach Num 21,23-24 hat der sagenhafte König → Sihon den Israeliten, als sie auf ihrer → Wüstenwanderung ins Ostjordanland gekommen waren und friedlich durch sein Gebiet ziehen wollten, verboten, sein Land zu betreten, und sie bei Jahaz angegriffen. Die Israeliten sollen ihn jedoch besiegt und sein Gebiet erobert haben. In Dtn 2,24-37 wird diese Erzählung in einer deuteronomistisch geprägten (→ Deuteronomismus) → Abschiedsrede des → Mose, die die Ereignisse der Wüstenwanderung Revue passieren lässt, aufgegriffen. Der Verfasser hebt dabei nicht nur die friedliche Absicht der Israeliten hervor, sondern auch, dass es Jahwe war, der den Israeliten bei Jahaz den Sieg geschenkt hat. Eine ganz ähnliche Tendenz verfolgt die ebenfalls von einem deuteronomistischen Verfasser formulierte Botschaft, die der Richter → Jeftah nach Ri 11,15-29 dem König der → Ammoniter geschickt hat. Mit einem Blick auf die Vergangenheit, insbesondere die Schlacht von Jahaz (Ri 11,20), will der Text im Blick auf die Gegenwart – die Jeftahs wie die der Leser – zeigen, dass Israel friedlich ist, dass Jahwe ihm aber, wenn es denn zum Kampf gezwungen wird, den Sieg schenkt. Die Ausführungen zu einer Schlacht bei Jahaz in vorstaatlicher Zeit lassen sich kaum als historischer Bericht verstehen; die Lokalisierung der Kampfhandlungen bei Jahaz dürfte eher auf Auseinandersetzungen zurückgehen, die dort im 9. Jh. zwischen Israel und → Moab ausgetragen worden sind (s.u.; vgl. Noth, 417).

Jos 13,18 listet Jahaz unter den Orten auf, die der Stamm → Ruben im Ostjordanland erhalten hat. Nach Jos 21,36 (Par. 1Chr 6,63) gehörte Jahaz zu den Orten, die der Stamm Ruben den → Leviten zur Verfügung gestellt hat. Auf jeden Fall gilt Jahaz hier als Stadt Israels.

Im Kontext von Fremdvölkersprüchen (→ Prophetische Redeformen) gegen das ostjordanische Land Moab erscheint Jahaz im → Jesaja- und im → Jeremiabuch. Jer 48,21 kündigt Jahaz Unheil an. Jes 15,4 und Jer 48,34 kündigen an, dass man das Klagen von Heschbon (und Elale) bis nach Jahaz hören werde, das demnach nicht in unmittelbarer Nähe von Heschbon gelegen haben kann. In diesen Texten wird Jahaz als moabitische Stadt betrachtet.

3. Jahaz auf der Mescha-Stele

Jahaz 02

Auch die sog. Mescha-Stele, auf der sich der moabitische König Mescha rühmt, Israel ostjordanische Gebiete abgenommen zu haben – vermutlich weil Israel seinerzeit im Norden von Aram bedrängt wurde und deswegen an der Südgrenze geschwächt war –, erwähnt Jahaz (Text: → Mescha; 2. Hälfte des 9. Jh.s v. Chr.). Den Bau bzw. Ausbau, d.h. die Befestigung der Stadt schreibt Mescha dem König von Israel zu, bei dem es sich um den zuvor genannten → Omri oder seinen Sohn → Ahab handeln muss. Er hatte Jahaz wohl zur Grenzfestung ausgebaut. Mescha konnte Israels Joch allerdings abschütteln und sich rühmen, die Stadt mit Hilfe seines Gottes → Kemosch vermutlich friedlich – von Kampfhandlungen ist jedenfalls anders als im Fall von → Atarot keine Rede – eingenommen und dem Gebiet von → Dibon zugeschlagen zu haben (Z. 19-20). Ab Mitte des 9. Jh.s v. Chr. gehörte Jahaz demnach zu Moab.

4. Zur Identifizierung von Jahaz

Die Lage von Jahaz ist umstritten (vgl. Kallai, 440-441; Gaß 2005, 488-492). Der Ort ist nach der Mescha-Stele im Grenzgebiet von Israel und Moab im Umland von Dibon / Ḏībān (Koordinaten: 2380.1012; N 31° 30' 07'', E 35° 46' 35'') zu suchen, und zwar an einer strategisch relevanten Stelle. Als Grenzort war er auch nach den Angaben des Alten Testaments bekannt, die darauf zielen, Jahaz als Besitz Israels zu legitimieren. Der Ort dürfte somit bei einer Grenze – als solche kommen vor allem natürliche Grenzen wie → Wadis in Frage – gelegen haben. Num 21,23 setzt zudem voraus, dass er am Rande der Wüste, also am Ostrand des Kulturlandes gelegen hat. Nach → Euseb (Onomastikon 104.9-12, Eusebs Onomastikon; Timm, Nr. 527) lag er zwischen Madeba und Dibon. Nach all dem ist er nordöstlich von Dibon zu suchen.

K.-H. Bernhardt (154-158) hat Chirbet Iskander (Koordinaten: 2233.1072; N 31° 33' 24'', E 35° 46' 17'') am Nordufer des Wādī l-Wālā vorgeschlagen, das vermutlich einst die Grenze zwischen Israel und Moab bildete. Der Ort liegt 6 km nördlich von Dibon an der Stelle, wo die Königstraße das Wadi überquerte. Gegen diese Identifizierung spricht jedoch, dass die Ortslage zu weit westlich liegt und dass sie keine nennenswerten Spuren der Eisenzeit aufweist. Die Reste einer befestigten Stadt, die man dort gefunden hat, stammen aus der Frühen Bronzezeit.

J.A. Dearman (1984, 124-125; 1997, 209) spricht sich demgegenüber für eine Identifizierung mit Chirbet el-Mudējine (Koordinaten: 2362.1109; N 31° 35' 20'', E 35° 54' 28'') aus. Dieser Ort liegt 15,8 km nordöstlich von Dibon am Südufer des Wādī eṯ-Ṯemed, das als östlicher Zufluss des Wādī l-Wālā wahrscheinlich den östlichen Teil der Grenze zwischen Israel und Moab bildete. In der Eisenzeit hat es auf dem flachen Hügel wohl eine 140 x 80 m große befestigte Stadt mit einem Sechskammertor, dem zwei Türme vorgelagert waren, und einer Kasemattenmauer gegeben, die von einem auffälligen Graben umgeben war, wie er auch in → Atarot gefunden wurde. Finkelstein (127-128; Finkelstein / Lipschits, 34-35) hält diese und weitere Architekturelemente (zu kultischen Funden vgl. Gaß 2009, 288-291; Jericke, 104-106.134) für typisch omridisch und sieht in Jahaz sowie dem 23 km westlich gelegenen Atarot, das ebenfalls omridische Architektur aufweist, eine östliche und eine westliche Grenzfestung Israels gegenüber Moab. Gegen die Identifizierung wird angeführt, dass Chirbet el-Mudējine als Grenzposten strategisch nicht bedeutsam gewesen sein kann, da der Ort (619 ü. NN) im Wadital liegt und von höheren Hügeln (630-650 ü. NN) umgeben ist, so dass man nicht sehr weit sehen kann.

E.A. Knauf (175) und E. Gaß (2005, 488-492; 2009, 187) identifizieren Jahaz mit Chirbet er-Rumēl (Koordinaten: 2331.1097; N 31° 34' 35'', E 35° 52' 27''), 12,4 km nordöstlich von Dibon. Der Ort liegt ebenfalls am Südufer des Wādī eṯ-Ṯemed, jedoch 3,4 km westsüdwestlich von Chirbet el-Mudējine. In der → Eisenzeit II gab es hier eine noch heute gut erkennbare Festung mit einem Turm im Zentrum sowie einer Kasemattenmauer, einer großen Toranlage samt flankierenden Türmen und einem vorgelagerten Graben, der nicht nur der Verteidigung diente, sondern aus dem darüber hinaus Wasser in Zisternen abgeleitet wurde. Obgleich man auch von Chirbet er-Rumēl (625 ü. NN) keine besonders gute Fernsicht hat – insbesondere nicht nach Süden – mag der Ort strategisch und verkehrsgeographisch günstiger gelegen sein.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Archaeological Encyclopedia of the Holy Land, New York / London 2001
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006
  • Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin / New York / Boston 2009ff

2. Weitere Literatur

  • Bernhardt, K.-H., Beobachtungen zur Identifizierung moabitischer Ortslagen, ZDPV 76 (1960), 136-158
  • Borée, W., Die alten Ortsnamen Palästinas, 2. Aufl., Leipzig 1930 (Nachdruck: Hildesheim 1968)
  • Daviau, P.M.M., Ḫirbet el-Mudēyine in its Landscape. Iron Age Towns, Forts, and Shrines, ZDPV 122 (2006), 14-30
  • Dearman, J.A., The Location of Jahaz, ZDPV 100 (1984), 122-125
  • Dearman, J.A., Roads and Settlements in Moab, BA 60 (1997), 205-213
  • Finkelstein, I., Omride Architecture, ZDPV 116 (2000), 114-138
  • Finkelstein, I. / Lipschits, O., Omride Architecture in Moab: Jahaz and Ataroth, ZDPV 126 (2010), 29-42
  • Gaß, E., Die Ortsnamen des Richterbuchs in historischer und redaktioneller Perspektive (ADPV 35), Wiesbaden 2005
  • Gaß, E., Die Moabiter – Geschichte und Kultur eines ostjordanischen Volkes im 1. Jahrtausend v. Chr. (ADPV 38), Wiesbaden 2009
  • Jericke, D., Regionaler Kult und lokaler Kult. Studien zur Kult- und Religionsgeschichte Israels und Judas im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr. (ADPV 39), Wiesbaden 2010
  • Kallai, Z., Historical Geography of the Bible. The Tribal Territories of Israel, Jerusalem / Leiden 1986
  • Knauf, E.A., Rezension zu: Smelik, Klaas A.D., Historische Dokumente aus dem Alten Israel, Göttingen 1987, ZDPV 104 (1988), 174-176
  • Lipiński, E., On the Skirts of Canaan in the Iron Age: Historical and Topographical Researches (OLA 153), Leuven 2006
  • Noth, M., Israelitische Stämme zwischen Ammon und Moab, ZAW 60 (1944), 11-57; auch in: ders., Aufsätze zur biblischen Landes- und Altertumskunde, Neukirchen-Vluyn 1971, 391-433

Abbildungsverzeichnis

  • Karte zur Lage von Jahaz. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Die Stele des moabitischen Königs Mescha. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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