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Ilgen, Karl David

(1763-1834)

(erstellt: November 2015)

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1. Leben

Karl David Ilgen wurde am 26. Februar 1763 in Seena bei Eckartsberga (heute Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt) als Sohn des Lehrers Johann David Ilgen und der Anna Rosina Krippendorf geboren. Er studierte 1783-1787 an der Universität Leipzig Theologie, Philosophie und Orientalistik. Seine Lehrer waren u.a. der Orientalist Johann August Dathe (1731-1791) und der Philologe Christian Daniel Beck (1757-1832). Nach einer Tätigkeit als Privatlehrer in Leipzig wurde er 1789 Rektor der Stadtschule in Naumburg. Von dort wurde er an die Universität Jena berufen, wo er als Professor für Orientalische Literatur (1794-1802) und als ordentlicher Honorarprofessor für Theologie (1799-1802) lehrte. Im Jahre 1802 übernahm er das Rektorat der angesehenen Evangelischen Landesschule (ab 1815 Preußisches Gymnasium) Pforta (heute: Bad Kösen, Naumburg, Sachsen-Anhalt), das er bis 1830 versah. In dieser Zeit veröffentlichte Ilgen keine exegetischen Arbeiten mehr. Ilgen war verheiratet mit Johanna Ernestine Christiane Gutjahr (1776-1849), Tochter des Hofmedicus Johann Gutjahr aus Kahla. Sie hatten 7 Kinder, von denen nur Ernst Constantin Ilgen (1803-1837), Gymnasialprofessor in Berlin, den Vater um wenige Jahre überlebte. Karl David Ilgen starb am 17. September 1834 in Berlin.

2. Bedeutung

Ilgen gilt heute als einer der Begründer der modernen Pentateuchkritik (→ Pentateuchforschung). Mit → Jean Astruc (1684-1766) und → Johann Gottfried Eichhorn (1752-1827) entwickelte er die sogenannte „Ältere Urkundenhypothese“ für die Entstehung des Pentateuch. Sein Hauptwerk befasst sich mit dem ersten Buch der Bibel; in nachgelassenen Notizen richtet er seinen Blick auf den ganzen Pentateuch und die Bücher Josua und Richter (vgl. Seidel 1993). Der Begründer der „Neueren Urkundenhypothese“, Hermann Hupfeld (1796-1866), führte Ilgens Erkenntnisse weiter (vgl. Hupfeld 1853, S. viii-xi).

3. Ältere Urkundenhypothese zum Buch Genesis

Ilgen wird in seiner Schrift „Die Urkunden des ersten Buches von Moses in ihrer Urgestalt“ (1798) von einem historischen Interesse geleitet (Urkunden 1798, v-xv; vgl. Seidel 1993, 102-106). Für die Literaturwerdung entscheidend ist das nachexilische ‚Jerusalemer Tempelarchiv‘ (vgl. Seidel 1993, 106-113; und für die Vorstellung eines solchen Archivs Richard Simon [1638-1712] und → Georg Lorenz Bauer [1755-1806]). Dort wurde das biblische Buch aus 17 älteren, z.T. unvollständig erhaltenen Urkunden zusammengestellt, die von zwei Elohisten und einem Jahwisten verfasst wurden (→ Elohist; → Priesterschrift; → Jahwist), aber noch keine durchlaufenden Erzählfäden bilden:

„Nach einer sorgfältigen Untersuchung der Texte der Genesis, wobey ich der Spur, die die Inschriften, die öftern Wiederholungen, die Verschiedenheit der Sprache, die Verschiedenheit des Charakters, der verschiedene und ganz widersprechende Inhalt vorzeichnen, getreu nachgegangen bin, hat sich gefunden, daß die Urkunden, die der Sammler vor sich hatte, und zusammen stellte, drey verschiedenen Verfassern angehören, davon zwey von Gott den Nahmen Elohim, und der dritte den Nahmen Jehovah gebrauchen.“ (Urkunden, 1798, 425; vgl. Seidel 1993, 224.243f.).

4. Studien zu den Büchern Hiob und Tobit

Außer seinem bekannten Werk zur Pentateuchkritik legte Ilgen auch Studien zu Hiob (1789) und Tobit (1800) vor: Das Buch → Hiob, ein episches Gedicht, wurde demnach von einem Nachkommen Elihus in „Idumäa“, d.h. im edomitisch-midianitischen Gebiet, verfasst, zwei Jahrhunderte nachdem der historische Hiob (noch vor der Zeit des Mose) im Ghuta-Tal nahe bei Damaskus (so schon Johann David Michaelis [1717-1791]) gelebt hatte. Erst nach dem → Exil fand das Werk Aufnahme in die Sammlung der jüdischen „Schriften“. Die Elihureden (Hi 32-37; → Elihu) bieten eine Weiterführung der Argumentation der Freunde und bereiten die Gottesrede vor, sind somit genuiner Bestandteil des Buches.

In der historisch-kritischen Erforschung des → Tobitbuchs steht Ilgen am Anfang. Er nimmt drei selbständige literarische Werke an (Tob 1,1-3,6; Tob 3,7-12 + Tob 14; Tob 13), die zwischen dem 7. und dem 3. Jh. v. Chr. in Palästina auf Hebräisch verfasst, in makkabäischer Zeit miteinander verbunden und anschließend mehrfach ins Griechische übertragen wurden. Ilgen versucht, das Verhältnis aller ihm bekannten Textformen des Tobitbuches zueinander zu bestimmen.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, Leipzig 1818-1889
  • Allgemeine Deutsche Biographie, Leipzig 1875-1912
  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Encyclopaedia Judaica, 2. Aufl., Detroit u.a. 2007
  • Encyclopaedia of the Bible and Its Reception, Berlin Boston 2009ff.
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet: http://www.bautz.de/bbkl/)

2. Werke (in Auswahl)

(vgl. die vollständige Bibliographie bei Kraft 1837, 270-272)

  • Iobi antiquissimi carminis hebraici natura atque virtutes, Leipzig (J.B.G. Fleischer) 1789
  • Opuscula varia philologica, 2 Bd., Erfurt (W. Hennings) 1797
  • Die Urkunden des Jerusalemischen Tempelarchivs in ihrer Urgestalt als Beytrag zur Berichtigung der Geschichte der Religion und Politik, 1. Theil Die Urkunden des ersten Buches von Moses in ihrer Urgestalt zum bessern Verständniß und richtigern Gebrauch in ihrer gegenwärtigen Form aus dem Hebräischen mit kritischen und erklärenden Anmerkungen auch mancherley dazu gehörigen Abhandlungen, Halle (Hemmerde u. Schwetschke) 1798
  • Die Geschichte Tobi’s nach drey verschiedenen Originalen dem Griechischen dem Lateinischen des Hieronymus und einem Syrischen übersetzt und mit Anmerkungen exegetischen und kritischen Inhalts auch einer Einleitung versehen, Jena (J.C.G. Göpferdt) 1800

3. Sekundärliteratur

  • Houtman, C., Der Pentateuch. Die Geschichte seiner Erforschung neben einer Auswertung (CBET 9), Kampen 1994
  • Hupfeld, H., Die Quellen der Genesis und die Art ihrer Zusammensetzung. Von neuem untersucht, Berlin 1853
  • Kirchner, C., Die Landesschule Pforta in ihrer geschichtlichen Entwickelung seit dem Anfange des XIX. Jahrhunderts bis auf die Gegenwart, Naumburg 1843
  • Kraft, F.C., Vita Caroli Davidis Ilgenii, Altenburg 1837
  • Kraus, H.-J., Geschichte der historisch-kritischen Erforschung des Alten Testaments, 2. Aufl. Neukirchen-Vluyn 1969
  • Römer, Th., „Higher Criticism“: The Historical and Literary-critical Approach – with Special Reference to the Pentateuch, in: M. Sæbø (Hg.), Hebrew Bible / Old Testament. The History of Its Interpretation, Bd. 3 From Modernism to Post-Modernism, Teil 1 The Nineteenth Century, Göttingen 2013, 393-423
  • Rogerson, J., Old Testament Criticism in the Nineteenth Century. England and Germany, London 1984
  • Schmieder, H.E., Zur Characteristik des Rector, Consistorialrath Dr. Karl David Ilgen, + 17. Sept. 1834 in Berlin, in: Ders., Erinnerungs-Blätter. Zur dritten Jubelfeier der Königlich-Preußischen Landes-Schule Pforte, Leipzig 1843, 187-208
  • Seidel, B., Karl David Ilgen und die Pentateuchforschung im Umkreis der sogenannten älteren Urkundenhypothese. Studien zur Geschichte der exegetischen Hermeneutik in der Späten Aufklärung (BZAW 213), Berlin u.a. 1993
  • Seidel, B., Aufklärung und Bibelwissenschaft in Jena. Erörterung an Hand des Werkes zweier Jenenser Theologen. Oder: Warum und wie betreibt man in der Späten Aufklärung historische Bibelkritik?, in: F. Strack (Hg.), Evolution des Geistes: Jena um 1800 (Deutscher Idealismus 17), Stuttgart 1994, 443-459
  • Ska, J.-L., The Study of the Book of Genesis: The Beginning of Critical Reading, in: C.A. Evans u.a. (Hg.), The Book of Genesis. Composition, Reception, and Interpretation (VTS 152), Leiden / Boston 2012, 3-26
  • Weidner, D., Bibel und Literatur um 1800 (Trajekte), Paderborn 2011
  • Witte, M., Die literarische Gattung des Buches Hiob: Robert Lowth und seine Erben, in: J. Jarick (Hg.), Sacred Conjectures: The Context and Legacy of Robert Lowth and Jean Astruc (LHB.OTS 457), New York / London 2007, 93-123

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