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Humor (AT)

(erstellt: Juli 2009)

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1. Einleitung

Humor und Komik in ihren verschiedenen Facetten sind ein häufiges Stilmittel in alttestamentlichen Texten, besonders den Erzähltexten, und lassen Rückschlüsse auf eine ebenso humorvolle Haltung ihrer Verfasserinnen und Verfasser zu. Dies mag zunächst befremdlich klingen, scheinen sich doch Ernst und Bedeutung biblischer Texte und Humor geradezu auszuschließen. Zwar wurde immer wieder auf einzelne durchaus witzige Passagen, wie etwa die wundersame Rettung eines → Jona ausgerechnet im Bauch eines Fisches oder die Eselin des → Bileam, die ihren Herrn in ihren seherischen Fähigkeiten übertrumpft und außerdem noch sprechen kann, hingewiesen. Es gibt geistreiche und in diesem Sinn witzige Wortspiele, wenn z.B. in Gen 3,1 mit der zweifachen Bedeutung von ערם ‘rm gespielt wird, wonach die Schlange sowohl „listig“ und „klug“ (vgl. 1Sam 23,22), als auch „nackt“ (vgl. Gen 2,25) ist. Offenkundig sind auch charakterisierende Namen, die in ihrer Direktheit voller Komik stecken. → Abigail erklärt in 1Sam 25,25 das Verhalten ihres Mannes → Nabal damit, dass sein Name schließlich auch „Narr“ sei. Bileams Name wird volksetymologisch als bāla‘ ‘am „er verschlang das Volk“ gedeutet, was ihn, der über die Macht des Wortes verfügt, in ein dem Erzählduktus entsprechendes schlechtes Licht rückt.

Damit soll nicht behauptet werden, dass die Bibel eine Witzsammlung sei, aber die im Folgenden aufgeführten Beispiele komischer Elemente im Ersten Testament sollen verdeutlichen, dass es sich um kein Randphänomen, sondern um ein Charakteristikum handelt, das häufig auf der sprachlichen Ebene entdeckt werden kann. Zwei hermeneutische Vorüberlegungen sind dafür wichtig.

1.1. Intention oder Rezeption

Humor und Komik und alle damit verwandten Phänomene sind zeit-, kultur-, personen- und sprachabhängig. Worüber man vor vielen Hunderten von Jahren schallend gelacht haben mag, könnte heute nur ein müdes Lächeln hervorlocken, wenn überhaupt. Werden Mittel der Komik in den Texten bewusst eingesetzt, liegen sie auf der Ebene der Intention der Verfasserschaft, wir aber haben Zugang zu dieser Intention nur über die Texte selbst. Es liegt also an der Rezeption, ob und in welcher Form Komik in diesen Texten entdeckt wird. Wird von vornhinein Komik in den Texten ausgeschlossen, kann sie folglich auch nicht erschlossen werden. Nach zwei Seiten sind hier Missverständnisse möglich: zum einen eine Rezeption, die die Spuren des Komischen heute nicht mehr erkennen kann oder erkennen will – und über viele Jahrhunderte hinweg war Humor in der Exegese überhaupt kein Thema; zum anderen eine Rezeption, die aus heutiger Sicht Komisches in den Texten wahrnimmt, wo es gar nicht intendiert ist.

Komik existiert auf der intentionalen Ebene in den Texten. Sie kann erschlossen werden über die literarischen Mittel, die Kompositionsweisen der Texte und die Charakterisierung der Heldinnen und Helden. Der Endtext wird bei diesem Vorgehen als integrale Textgestalt gefasst, der genau in dieser vorliegenden Form rezipiert werden will. Literarische Mittel sind u.a. Übertreibung und Untertreibung, Verzögerung und Beschleunigung, Umkehrung, das Spiel mit Sprichwörtern oder Binsenweisheiten, die Benennung von Anstößigem, eine Erwartung aufzubauen und diese dann zu enttäuschen und mit einer anderen Fortführung zu überraschen, Verfremdung von Inhalten, Verdoppelungen oder Anhäufungen, Wiederholungen (z.B. klangliche), Kontrastierungen, Widersprüche, Paradoxien, Wort- und Namensspiele, Spiel mit Wortbedeutungen, hinkende Vergleiche, Stilisierung einzelner Charaktere als närrische Gestalten. Keines dieser Mittel allerdings verweist zwingend auf Komik. Nicht jede Übertreibung ist komisch. Sie kann auch als Ausdruck von Pathos oder lediglich als Bekräftigung gelesen werden. Um sie eventuell doch als Ausdruck der Komik lesen zu können, bedarf es seitens der Rezipierenden der Bereitschaft, sich in eine Art Erzählgemeinschaft hineinnehmen zu lassen und sich die Erzählungen plastisch vor Augen zu führen, ganz so, als würde man eines Films oder einer ausgeführten Szene ansichtig. Erst in dieser Konkretion, die sozialgeschichtliche Zusammenhänge mit in den Blick nimmt, werden inhaltliche Merkwürdigkeiten und auffällige Darstellungsweisen entdeckt, die Reaktionen der Komik hervorrufen. Das kann ein Lachen oder ein Lächeln sein, und mitunter kann einem das Lachen dabei auch im Hals steckenbleiben.

1.2. Komik, Humor, Spaß, Spott, Witz … Begriffe und Funktionen

Komik wird hier als Überbegriff über ein weites Feld verschiedener Spielarten des Komischen verstanden. Komik wird in den verschiedenen Theorien fast durchgängig auf einen Kontrast oder eine Inkongruenz zurückgeführt, sei es die zwischen Erhabenem und Lächerlichem (Jean Paul), zwischen Notwendigkeit und Freiheit (Schelling), zwischen Abstraktem und Anschaulichem (Arthur Schopenhauer) zwischen Mechanischem und Lebendigem (Henri Bergson), zwischen Verdrängung und Entbindung (Sigmund Freud), zwischen Transzendenz und Immanenz (Peter L. Berger) usw. Eine übergreifende Definition dessen, was komisch ist, gibt es nicht.

Oft findet man einen synonymen Gebrauch von Humor und Komik, oder Humor wird als Überbegriff verstanden, worunter dann auch Formen des Schwarzen Humors, Galgenhumors etc. subsumiert werden. Die folgende Zuordnung hat den Vorteil, nach Haltungen, die mit dem jeweiligen Begriff verbunden sind, zu unterscheiden und Humor z.B. klar von Spott abgrenzen zu können.

1.2.1. Komik und ihre Spielarten

Während mit Humor eine humanistische Gesinnung, die heitere Gelassenheit im Umgang mit schwierigen Situationen („Humor ist, wenn man trotzdem lacht“), mithin ein „Lachen mit“ gemeint ist, intendiert der Spott eine Herabsetzung anderer, sei es höher- oder niedrigrangiger Personen, ein „Lachen über“. Humor kann demnach mit einer liebevollen Zugewandtheit verbunden werden, während Spott mit einer Haltung der Verachtung einhergeht. In dieses Wortfeld gehören auch die Begriffe Zynismus, Sarkasmus und Satire. Ironie gilt als eine Form von Spott, bei der unter dem Anschein von Ernsthaftigkeit oder gar des Lobes das Gegenteil vom Gemeinten ausgedrückt wird. Die Karikatur überzeichnet und verzerrt einen Charakter, um Verhaltensweisen oder Zustände kritisch aufzudecken. Das kann in wohlwollender oder auch in spöttischer Absicht geschehen.

In der vertikalen Ausrichtung dieses Schemas steht der Witz für eine verstandesmäßige Fähigkeit zur sprachlichen Gestaltung von Scherzen. Witze lüften – bei aller Vielfalt ihrer Inhalte und Bezugsgrößen – in ihrer Pointe das tertium comparationis zweier verschiedener Sinnhorizonte. Hier klingt die alte Wortbedeutung von „Verstand“ und „Klugheit“, die bis ins 18. Jh. gültig war, noch durch. Spaß dagegen am anderen Ende bezieht sich auf die Kräfte der Vitalsphäre und ist körperlicher zu verstehen.

Nimmt man die obige Anordnung von Spott und Humor an den beiden horizontalen Enden des Wortfeldes als Waage, so schlägt das Pendel in den biblischen Texten eindeutig in Richtung Spott aus. Der Spott über Feinde und Ungläubige nimmt mitunter gar gewaltsame Züge an. Verhaltensweisen werden mit Mitteln wie der Parodie und der Karikatur abgewertet. Die Anwendung von stilistischen Mitteln der Komik in den alttestamentlichen Texten kann allerdings unterschiedliche Funktionen haben. Sie werden unten (Kap. 2-3) an konkreten Texten exemplifiziert.

1.2.2. Die soziale Dimension von Komik

Gemeinsames Lachen schafft Gemeinschaften von Gleichgesinnten. Gelacht wird in hierarchisch organisierten sozialen Strukturen in der Regel über Nicht-Mitglieder dieser Gemeinschaft oder über Niedrigrangige innerhalb derselben, wobei für den Moment Rangunterschiede auch gemindert werden, vorhandene Feindseligkeiten ausgedrückt, aber im Rahmen gehalten werden können. Männer und Frauen lachen über unterschiedliche Dinge und mit unterschiedlichen Intentionen: zum einen eher kompetitiv, zum andern um Nähe und Verbundenheit herzustellen. In gemischtgeschlechtlichen Gruppen sind Frauen tendenziell eher die Mitlachenden und Zielscheibe von Witzen (Kotthoff). Komik dient so zur Stabilisierung von Zugehörigkeit und Herrschaft. Wird dies als ein Lachen sozusagen von oben nach unten bewirkt, so gibt es umgekehrt auch ein Lachen von unten nach oben, mit dem Minderheiten oder unterdrückte Bevölkerungsgruppen feinen bis offenkundigen Widerstand signalisieren. In der Komik dieser Art „steckt Souveränität, subjektive Schöpferkraft, der eigenwillige Blick auf die Welt“ (Kotthoff 2007, 243). Ob er Herrschaftsverhältnisse unterlaufen oder gar aufheben kann, hängt davon ab, ob neue Mehrheitsverhältnisse möglich sind. Oft dient diese Art von Komik auch wiederum zur Stabilisierung bestehender Verhältnisse. Spott, Satire und Ironie von unten nach oben kommt in den alttestamentlichen Texten als Auflehnung gegen Herrschaft und Unterdrückung sehr häufig vor.

1.2.3. Die sozialkritische Dimension von Komik

Humor und Komik haben die Funktion, hinter Fassaden zu blicken und Missstände, Überheblichkeiten, Verdrängtes, Widersprüchliches ans Tageslicht zu befördern. Herrschende Regeln des Zusammenlebens und Verhaltensnormierungen werden dadurch auf die Probe gestellt. Mit den Mitteln der Komik dürfen auch Tabugrenzen überschritten werden, Frechheiten sind erlaubt und heikle Dinge dürfen benannt werden.

1.2.4. Die psychische Dimension von Komik

Eine weitere Funktion von Komik besteht darin, unterdrücktem Begehren und eigenen Aggressionen ein Ventil zu geben und sie sozialverträglich zu kanalisieren. Komik wirkt in diesem Sinn meist kompensatorisch und systemstabilisierend. Es ist im Übrigen dasselbe System im Gehirn, von dem sowohl Lachen als auch Wut und Aggression ausgehen (Tietze).

1.2.5. Die didaktische Funktion von Komik

Die verschiedenen Mittel der Komik werden auch zu didaktischen Zwecken eingesetzt. Zum einen sollen sie für eine entspannte Lernsituation und nachhaltigeres Lernen sorgen, zum andern kann durch sie vermeintlich sicheres Wissen in Frage gestellt und das Selbstlernen aktiviert werden (Siebert). Komik ist in diesem Sinne mit Provokation verbunden.

1.2.6. Die kreative Dimension von Komik

Komik verlangt auf der kommunikativen Ebene Kreativität, eine schnelle Auffassungsgabe, schnelle Kombinationen, gelungene Anspielungen, eine feine Analyse und Durchdringung der Wirklichkeit. Sie erfordert außerdem einen kreativen Umgang mit sprachlichen Mitteln.

1.2.7. Die theologische Sicht auf Komik

Die Inkongruenz von vorfindlicher Wirklichkeit und Verheißung, von „noch nicht“ und „schon jetzt“ ist Thema der Komik aus theologischer Perspektive (Berger). Visionen von Frieden und Gerechtigkeit, die sich küssen (Ps 85,11), und Wölfen, die bei den Lämmern wohnen (Jes 11,6), muten in der Perspektive damaliger und gegenwärtiger Erfahrungen als Witze an. Nur in der Perspektive des Glaubens geraten sie zu einem trotzigen Vertrauen auf die unmöglichen Möglichkeiten Gottes.

Aus der Wahrnehmung dieser Spannung zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit gelingt Distanz sowohl zu sich selbst, als auch zu den Verhältnissen. Besonders der Humor spielt mit dem Überschuss an menschlichen und göttlichen Möglichkeiten und nimmt bereits vorweg, was noch im Charakter der Verheißung ist (Matthiae).

Glaubensaussagen ist daher der Charakter des Komischen immer bereits inhärent. Darin liegt auch der Grund, warum Erzählungen über Gotteserfahrungen meist gar nicht ohne die Anwendung von Mitteln der Komik auskommen.

2. „Und Sara lachte…“ – Abraham auch

Als → Sara über die drei Besucher in Mamre (→ Hebron) erfährt, dass sie Mutter werden soll, lacht sie ein herzhaftes, skeptisches Lachen: „Nachdem ich verbraucht bin, soll ich Liebeslust bekommen? Und auch mein Herr ist alt.“ (Gen 18,12). צחק ṣchq „lachen“ wird an einigen Stellen auch mit „Sex haben“ oder „schmusen“ übersetzt, da sich die Bedeutung aus der Situation nahelegt (vgl. Gen 26,8; Gen 39,14.17). Dieses Lachen (Wurzel des Verbes צחק ṣchq) dient zugleich zur ätiologischen Deutung des Namens → „Isaak“ (יִצְחָק jiṣchāq). Und so jubelt denn auch Sara nach der Geburt ihres Sohnes: „Ein Juchzen (צחק ṣəchoq) hat Gott mir bereitet. Alle, die es hören, werden über mich juchzen.“ (Gen 21,6). Offen bleibt, ob die anderen sich über sie lustig machen werden oder sich herzlich mit ihr freuen. Beides ist möglich.

In der hier beschriebenen Komik kommt das Erstaunen angesichts des Zusammentreffens von göttlichen Möglichkeiten und menschlichen Gegebenheiten zum Ausdruck. „The humour emanates from a sense of bafflement caused by a clash of implicit and explicit messages.“ (Landy 106ff.). Weniger bekannt ist meist, dass auch → Abraham in Anbetracht der Unwahrscheinlichkeit dieser Verheißung – an ihn ergeht sie noch vor dem Besuch der drei Besucher – vor lauter Lachen sogar auf dem Boden liegt. „Da fiel Abraham auf sein Angesicht, lachte und dachte in seinem Herzen: Soll etwa ein 100-jähriger Kinder machen? Oder soll Sarah, eine 90-jährige, gebären?“ (Gen 17,17).

Neben ṣchq mit seinen arabischen, syrischen und ugaritischen Parallelen, das eher in frühen Text vorkommt (15 Mal), kommt śchq mit der Wortbedeutung „spielen“ und „tanzen“ sowohl in frühen Texten, aber hauptsächlich in Texten aus der Exilszeit und in weisheitlichen Texten, insgesamt häufiger, nämlich 52 Mal vor und hat eine größere Zahl von Derivaten. Beide Begriffe werden sowohl für Lachen im Sinne von Heiterkeit und Freude, als auch im Sinne von Spott, verletzender Ironie und grausamem Spaß eingesetzt, mit einem deutlichen Übergewicht des zweiten Pols. Wie entscheidend die Deutung jeweils ist, zeigt eine alttestamentliche Passage selbst. Was ein harmloses Spiel unter Jungen sein mag, kann auch als aggressives Verhalten gedeutet werden: „Da sah Sara, wie der Sohn Hagars, der Ägypterin, den diese dem Abraham geboren hatte, herumjuchzte“ bzw. „spottete.“ (Gen 21,9). Beide Übersetzungen sind möglich.

Das Lachen bleibt also mehrdeutig, und zwar sowohl auf der rein sprachlichen, als auch auf der theologischen Ebene. Da dies auch in den ganzen folgenden Textpassagen der Fall ist, in denen verschiedene Mittel der Komik dargestellt werden, sollen die Leserinnen und Leser durch nacherzählendes Einfühlen in den Erzählfluss hineingenommen werden.

3. Handlungsbögen, Stilmittel und Charaktere – die drei Ebenen biblischer Komik

In ihrem Buch zu Tragödie und Komödie in der Bibel verorten die Alttestamentlerin J. Cheryl Exum und der Alttestamentler J. William Whedbee Komik auf drei verschiedenen Ebenen: 1. im Plot oder dem großen Handlungsbogen einer Erzählung, 2. im Stil einer Erzählung und 3. in den Protagonistinnen und Protagonisten.

In den meisten Erzählungen greifen die drei Ebenen ineinander. Eine Erzählung, die einem typischen U-Bogen folgt, bei dem auf ein tragisches Tief ein gutes Ende folgt, besteht meist aus Stilmitteln der Komik wie Wortspiele, Wiederholungen, Übertreibung etc. (s.o.1.1.). Ihre „Helden“ sind nicht selten menschliche, allzu menschliche Gestalten, die gerade deshalb Gottes Wohlgefallen genießen oder es sind scheinbar große Persönlichkeiten, deren Überheblichkeit mit Mitteln der Komik untergraben wird. In der folgenden Auflistung wird trotz ihres Ineinandergreifens nach diesen drei Ebenen unterschieden, je nachdem, wo in dem Text ein Schwerpunkt auszumachen ist.

3.1. Alttestamentliche Komödien: Ende gut, alles gut?

3.1.1. Isaak: lächerlich und liebenswert zugleich

Durch die Namensgebung → Isaaks („Er lacht“) ist das Lachen zwar zu einem integralen Bestandteil der Geschichte Israels geworden. Doch Isaak selbst erfährt in seinem Leben allzu Vieles, was eher tragisch ist, aber mitunter auf komische Weise dargestellt wird. Er ist der Typus eines passiven Opfers, aber eines überlebenden: geboren von überalterten Eltern; beschützt vor den angeblichen Rivalitäten seines Stiefbruders → Ismael; nur knapp der Opferung durch seinen Vater entkommen; zuhause abwartend, während ihm der Sklave seines Vaters eine Frau sucht und bringt – die dann prompt vom Kamel fällt, als sie ihn von Weitem sieht (Gen 24,64); von eben dieser Ehefrau wird er später an der Nase herumgeführt, wenn sie ihrem jüngeren Sohn dazu verhilft, den Segen des Erstgeborenen zu erschleichen; und obwohl er bei dieser Szene bereits auf dem Totenbett liegt, lebt er noch einmal 20 Jahre lang und wird schließlich doch von beiden Söhnen begraben. Selbstständig handelt er nur bei dem Philisterkönig → Abimelech, indem er die Geschichte seines Vaters wiederholt, sich aber dabei erwischen lässt, doch nicht mit der Schwester, sondern mit der eigenen Ehefrau unterwegs zu sein. In Gen 26,8 wird in dem Verb ṣchq lachen, schmusen wieder das Wortspiel mit seinem Namen aufgenommen.

Von größter Komik ist sicherlich – und spätestens seit → Hermann Gunkel und Thomas Mann anerkannt – die Verwechslungskomödie am Totenbett (Gen 27). Hier wird ganz plastisch, anschaulich und nahezu sinnlich wahrnehmbar geschildert, wie Isaak hinters Licht geführt wird. Er selbst liefert die Steilvorlage mit seiner Vorliebe für schmackhaftes Essen, besonders Wildbrett. Das gibt den Stoff für die Handlung der beiden ungleichen Brüder. Der unbehaarte → Jakob schlüpft in Ziegenfelle und in die Kleider seines Bruders, damit er auch nach ihm riecht, was der Vater beides testet. Die Idee dazu und das zubereitete Essen stammen von der Mutter. Isaak wundert sich noch, dass es so schnell ging, aber sein Test überzeugt ihn – wenn er auch fehlschlägt. Der Falsche erhält den Segen, und das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Gott selbst ist in der ganzen Szene abwesend.

Exum und Whedbee kommen mit einem englischen Wortspiel zu dem Schluss, dass Isaak, gerade weil er so menschlich schwächelt, zugleich lächerlich, aber auch liebenswert ist: “a half-comic, half-pathetic figure who incarnates and mirrors the human, all too human, and (…) therefore all the more laughable and lovable“. (Exum / Whedbee, 19)

3.1.2. Das Buch Hiob: Tragödie oder Komödie

Hiob gilt als der Größte (Hi 1,3) und als der Gewissenhafteste, worauf seine Brandopfergaben auch für den Fall unwissentlicher Sünde hinweisen (Hi 1,5). Entsprechend groß ist sogleich der Fall. Hiob wird Opfer eines göttlich-satanischen Tests, den er trotz der völligen Zerstörung seines Besitzes und der Auslöschung der Familien seiner Kinder überlebt. Der Schlag könnte nicht größer sein, aber die Reaktion Hiobs gibt dem Satan Unrecht. Er ist nicht fromm, weil es ihm sowieso gut geht und Frommsein keiner Anstrengung bedarf. Er bleibt es auch jetzt: „Niemand als der Ewige ist’s, der gegeben hat, niemand als der Ewige ist’s, der genommen hat, gesegnet sei sein Name: der Ewige!“ (Hi 1,21). Damit wäre die Geschichte eigentlich schon am Ende, wenn jetzt nicht kapitelweise Dialoge folgen würden. Besonders vor dem Hintergrund aber, dass die Geschichte bereits entschieden ist, geraten die Dialoge mit ihren endlosen Wiederholungen ähnlicher Argumente lächerlich.

Aber sie zeigen auch das Ringen um die Frage nach Gottes Gerechtigkeit. Wenn es tatsächlich Untadelige und Verbrecherische treffen kann (Hi 9,22), deutet das nicht doch auf einen willkürlichen Gott hin? Die Geschichte räumt jedenfalls mit dem Mythos auf, dass jedes Schicksal aus Gottes Hand hinzunehmen sei, und bleibt in ihrem Lösungsvorschlag anstößig.

Infragestellungen und Kontraste bilden auch im Weiteren ein Strukturmerkmal. Während er im Prolog als der Segnende dargestellt wird, verflucht Hiob gleich in seiner ersten Rede den Tag seiner Geburt (Hi 3,1). Die ganze weitere Rede liest sich wie eine direkte Umkehrung der gesamten Schöpfungsgeschichte. Ein weiteres Umkehrmotiv besteht darin, dass Hiob den Tod dem Leben vorzieht (Hi 3,13.22) und damit den üblichen Vorrang des Lebens vor dem Tod im Judentum parodiert.

Es folgen die Reden der Freunde, die im Prolog als einfühlsam und mitleidsvoll geschildert werden. Diese Schilderung kontrastiert allerdings mit der Art und Weise, wie sie selbst als Karikaturen von weisen Männern dargestellt werden. So wünscht sich Hiob nach einigem Zuhören nur noch spöttisch, dass sie schweigen mögen: „Wer gäbe es, dass ihr endlich den Mund hieltet und dass das eure Weisheit wäre!“ (Hi 13,5). Elifas eröffnet den Reigen mit weisheitlichen Sprichwörtern, für die er sich sogar auf eine Furcht einflößende Vision in der Nacht beruft (Hi 4,13-16). Seine langatmigen, allgemeinen Reden treffen jedoch nicht das ganz konkrete Schicksal Hiobs. Bildad betont die Autorität der Väter, während Zofar auf das unergründliche Wesen Gottes verweist. Alle aber bleiben bei der Behauptung einer Korrelation von Leiden und Sünde und raten Hiob daher zu bereuen und auf Gott zu vertrauen (vgl. Hi 8,5-7; Hi 10,13ff.). In ihren weiteren Reden bleiben die Freunde bei ihrer Art der Argumentation, die in ihrer bloßen Wiederholung freilich nicht überzeugender wird. Vielmehr steckt genau darin und in der übertriebenen Ausführlichkeit ein weiteres stilistisches, komisches Mittel, das der Autor gekonnt und bewusst einsetzt. Dazu kommt, dass sich die Situation, von außen betrachtet, nicht geändert hat. Die Freunde erscheinen mehr und mehr als dogmatische Pedanten, die eine falsche Lösung für ein falsches Problem und für eine falsche Person anpreisen (Whedbee, 227). Jede Art von Pedanterie birgt selbst schon Komik in sich, und so erweisen sich die Weisen als Narren und schließlich sogar als Gegner Gottes (Hi 42,7).

Entsprechend sarkastisch und ironisch sind Hiobs Zurückweisungen: „Wahrhaft, ihr seid mir Leute – mit euch stürbe die Weisheit aus!“ (Hi 12,2). Sogar mit Tieren vergleicht er sie: „Aber frage doch das Vieh, dass es sich unterweise, und die Vögel des Himmels, dass sie’s dir erzählten!“ (Hi 12,7). Tröster, die Mühsal bereiten, seien sie, und haben gut reden, denn sie stecken schließlich nicht in Hiobs Haut (Hi 16,2ff.). Voller Ironie ist die Replik auf Bildad: „Wie hast du doch beigestanden dem Kraftlosen und geholfen dem Ohnmächtigen! Wie hast du doch Rat gegeben dem ohne Weisheit und hast ihm Wissen in Fülle kundgetan!“ (Hi 26,2f.). Vernichtend ist sein Urteil über den Nutzen ihrer Reden: „Eure Merksätze sind Schutthaufensprüche, ja tönerne Sockel sind eure Sockel.“ (Hi 13,12).

Weitere erzählerische Mittel der Komik sind zum Beispiel die verspätete Reaktion Hiobs auf die Argumente seiner Freunde (vgl. Hi 9,2 auf Hi 4,17) oder der Wechsel seiner Adressaten mitten in der Rede. Sind es zunächst die Freunde, dann wendet er sich im nächsten Satz an Gott selbst (vgl. Hi 7; Hi 13,20ff.; Hi 17,3f.). Daraus wird deutlich, wie aus den einstigen Freunden Feinde werden (Hi 6,14ff.; Hi 19,19) und Gott als Freund erkannt werden will, derselbe Gott, von dem Hiob annehmen muss, er sei sein Feind. Das Umkehrmotiv wird noch einmal in Bezug auf den Test eingesetzt, indem immer deutlicher wird, dass es inzwischen Hiob ist, der Gott testet, und nicht mehr umgekehrt. Er fordert Gott immer schärfer heraus und klagt ihn an. „Gott selbst befeindete mich, knirschte mit den Zähnen gegen mich.“ (Hi 16,9). Doch es bleibt ein Kampf unter Ungleichen und Hiob fragt vorwurfsvoll, ob er denn das Seeungeheuer sei, das Gott im Schach halte (Hi 7,12). Hiob führt Gott vor, indem er die Schöpfung selbst parodiert. „Was sind die Menschen, dass du sie groß achtest…, sie Morgen für Morgen zur Verantwortung ziehst, sie immerfort auf die Probe stellst?“ Hi 7,17f. ist ein umgekehrtes direktes Zitat von Ps 8,5. Besonders in Kapitel 9 macht er sich über die „gute“ Schöpfung lustig, eine Schöpfung, der nicht zu trauen ist. Gott erscheint hier als ein Gott, der eher Freude an der Zerstörung als an der Erschaffung hat: „Gott braucht der Sonne nur etwas zu sagen und sie geht nicht auf… Gott vermag Berge zu verrücken, ohne dass sie’s merken…“ (Hi 9,3ff.). Dennoch beharrt Hiob darauf, dass eben dieser Gott lebt und ihn auslösen wird (Hi 19,25), und er vertraut auf ein gerechtes Gericht, direkt mit Gott und ohne Vermittler (Hi 9,32f.; Hi 16,19). Das stellt eine weitere kontrastreiche Spannung in diesem Buch dar.

Ein weiteres komisches Element liegt in dem plötzlichen Auftauchen des Elihu (Hi 32) und seinem ebenso plötzlichen Verschwinden (Hi 37), ohne dass je vorher und nachher von ihm gehört worden wäre. Whedbee sieht Elihu als „Johnny-come-lately“-Typ charakterisiert, als typischen „angry young man“ (Whedbee, 234). Er maßt sich an, für Gott zu sprechen und damit die Freunde übertreffen zu können. Doch tatsächlich bestehen seine Reden fast nur aus floskelhaften Einführungen. Die wenigen Inhalte, die dann folgen, stellen nichts Neues im Vergleich zu den anderen Reden dar und verbleiben in einem allgemeinen Bereich ohne Bezug zu der konkreten Problematik. Mit der Einführung dieser Figur wird die Lächerlichkeit der Reden noch weiter unterstrichen.

Die Reden Gottes selbst entbehren allerdings auch nicht der Komik, sie gelten als gespickt mit Ironie, wie etwa hier: „Schmück dich doch mit Hoheit und Erhabenheit, Pracht und Glanz zieh an!“ (Hi 40,10). Auffällig in ihnen ist auch der „Karneval der Tiere“ (Whedbee, 242) und die Steigerung der Ironie von der ersten zur zweiten Rede. In diesen Reden findet allerdings auch eine bemerkenswerte Verschiebung statt, weg vom Thema des gerechten Ausgleichs zwischen Tun und Ergehen und hin zu göttlichem Recht (mišpāṭ, Hi 40,8). Hiob scheint bei seiner Schau Gottes in Hi 42,5 jetzt auch dieser anderen Perspektive ansichtig werden zu können. Genau in diesem Zusammentreffen von göttlicher und menschlicher Perspektive liegt aber der Grund von Komik. Sich selbst als göttlichen Weisen zu stilisieren, wie es die Freunde tun, ist genauso komisch, wie der Blick aus göttlichen Möglichkeiten auf menschliche Annahmen, Regeln, Ordnungen oder Lehrmeinungen.

Im Epilog schließlich kommt die Komödie zu ihrem guten Ende. Alles ist noch besser als zuvor. Jürgen Ebach hebt hervor, dass nun auch die Töchter namentlich erwähnt sind und ihren Erbteil bekommen sollen. „Nirgends sonst in der Bibel wird ökonomische Geschlechtergerechtigkeit so prägnant.“ (Ebach, 1240). Bemerkenswert sind auch die besonderen Namen der Töchter: Jemima bedeutet „Turteltaube“, Kezia „Zimtblüte“ und Keren-Happuch „Schminkhörnchen“ (vgl. Anm. 444 in: Bibel in gerechter Sprache, 2303). Trotzdem ist dieses Ende kein glattes. Die an Gott gestellten Fragen bleiben. Die Lösung liegt zwar auf einer anderen Ebene, aber Erfahrungen von Widersprüchlichem und von Ambivalenzen bleiben. Insofern endet das Buch trotz des märchenhaften Schlusses nicht naiv optimistisch und bleibt der Held ein tragikomischer (Whedbee, 245f.).

3.1.3. Herrschaftskritik im Buch Ester

Im Judentum wird das Buch → Ester zu → Purim, einer Art jüdischem Karneval, verlesen. Bei diesem übermütigen Volksfest verkleidet man sich, tauscht Männer- und Frauenkleidung und herrschende Ordnung um, indem man wichtige Persönlichkeiten parodiert. „Purim“ heißt Los und bezieht sich auf das Los, das → Haman wirft und damit rechtfertigt, dass die gesamte jüdische Bevölkerung vernichtet werden soll (Est 3,7; Est 9,24). Dass und wie man der Gewalt entgangen ist, wird zu Purim gefeiert.

Die Geschichte selbst strotzt nur so von gewaltsamen Begebenheiten, ist aber auch voller phantastischer Szenen und geradezu ein Paradebeispiel subversiven Vorgehens. Und so gilt das Buch Ester literarisch als „politische Satire“, als „subversive Komödie“, mit brillantem Humor von höchster Ernsthaftigkeit (O’Connor, 52f.). Mittel der Komik werden zu einem Zeichen des Widerstands und des Triumphes über die herrschende Gewalt. Das Buch Ester gewinnt somit eine wichtige soziale und politische Funktion. Es verleugnet das Schmerzhafte nicht, aber verspricht ein Leben jenseits davon. Es macht deutlich, dass eine peinigende Situation geändert werden kann, ja sogar ganze Systeme gestürzt werden können (O’Connor, 64). Andere bezeichnen es als Schwank, in dem „unsagbarer Schrecken mit Hilfe der Groteske ausgesagt wird“ (Butting, 50). Etwas launig schreibt Magonet: „Welche andere Geschichte hat schon einen so herrlichen Schurken aufzuweisen wie den hinterlistigen Haman, eine so schöne und kluge Heldin wie Ester und eine komische Figur wie diesen König Ahasveros, der mit all seinen Mißwahlen und durchzechten Nächten hauptsächlich als Partylöwe von sich reden macht.“ (Magonet, 115)

Die beschriebene Situation im Buch weist auf eine Entstehung in hellenistischer Zeit hin, ca. 332-142 v. Chr. Die jüdische Bevölkerung ist stark assimiliert, Speisegebote und Gebete spielen keine Rolle, man kann sowohl einen jüdischen als auch einen mesopotamischen Namen tragen (Hadassa und Ester).

Der Aufbau des Buches in zehn Kapiteln folgt einer klaren Symmetrie mit gegenläufiger Struktur und ist als fertiges Lesestück konzipiert. Die ersten 5 Kapitel beginnen zunächst harmlos, an ihrem Ende steht die drohende Vernichtung des jüdischen Bevölkerungsteils. Kapitel 6 bildet einen unerwarteten und in sich komischen Wendepunkt während einer schlaflosen Nacht des Königs. Die folgenden Kapitel zeigen das stückweise Abwenden der Gefahr und enden mit einem glücklichen Zusammenleben der jüdischen und der persischen Bevölkerung. Kapitel 3 und 8 sind formal mit der Ernennung von Wesiren und dem Erlass von Dekreten ganz parallel gestaltet, wobei die Personen und die Inhalte konträr sind. Entsprechend gibt es besonders mit Haman und Mordechai als Außenseiter am königlichen Hof einerseits, und mit Wasti und Ester andererseits gegenläufige Charaktere. Namensnennungen, Begriffe aus der Verwaltung – von 3270 Wörtern insgesamt haben 439 allein mit Verwaltung und königlicher Etikette zu tun –, die häufigen Feste und weitere Aufzählungen bilden strukturierende Momente in beiden Teilen. Wie Radday beobachtet, sind die Verbformen zu 69 Prozent passive, was den Subjektstatus des Königs und seiner Verwaltung auch auf dieser rein sprachlichen Ebene unterminiert. Dies geschieht aber im Wesentlichen durch Mittel der Komik. Diese bestehen in erster Linie aus Übertreibungen, grotesken Überzeichnungen der Machthaber, Wiederholungen (der aufwendigen persischen Post und der Feste) und Kontrasten zwischen vermeintlicher und tatsächlicher Macht. Dazu einzelne Beispiele, zunächst die Exposition des Stückes mit der Karikatur eines typischen Potentaten seiner Zeit.

Ahasveros (אחשׁורושׁ ’chšwrwš), dessen Name in der jüdischen Tradition mit „Kopfschmerzen“ (חשׁ בראשׁ chš br’š „er schmerzt am Kopf“) in Verbindung gebracht wird (vgl. Midrasch Ester Rabba 1,1.3), verfügt über ein Herrschaftsgebiet, das mit 127 Provinzen äußerst groß ist. Auffällig ist, dass er erst im dritten Jahr seiner Herrschaft ein Fest mit majestätischer Pracht feiert, dafür aber nicht weniger als 180 Tage lang. Dem folgt ein einwöchiges Fest für das Volk, bei dem die edelsten Materialien zum Einsatz kommen und Wein in Fülle fließt. „Als Trinkordnung galt: Ohne Etikette!“ (Est 1,8). Der König beschließt, seine Frau, die zeitgleich ein eigenes Fest feiert, bei seinem Fest zur Schau zu stellen. Zweimal fallen in diesem Zusammenhang die vielen, über ihre Namen abgewerteten, Höflinge auf (vgl. zu den Namen auch Radday, 59-97, s.o. 3.2.1). Auffällig sind die großen Übertreibungen, die langen Listen und Aufzählungen, die die Machtfülle und den Reichtum des Königs darstellen sollen, allerdings sogleich mit der Weigerung Wastis, ihre Schönheit zur Schau zu stellen, kontrastiert und damit karikiert werden. Diese Weigerung kommt einem staatlichen Vergehen gleich, denn die starre Geschlechterhierarchie gerät damit ins Wanken. Zum ersten Mal in der Geschichte – und es werden ihm viele weitere folgen – wird aufwendig die persische Post in Bewegung gesetzt.

Ein Dekret wird erlassen und in alle Provinzen verschickt, das die Herrschaft des Mannes im Haus sicherstellen soll. Darin kann man eine weitere, komische Übertreibung sehen und argwöhnen, ob die Männer wohl vorher in die Häuser ihrer Frauen gefolgt waren (Radday, 298), oder man erkennt darin die berechtigte Sorge vor dem Umsturz patriarchaler Machtverhältnisse (Butting, 62). Am Ende des ersten Kapitels sind diese überdeutlich klargestellt, aber als Karikatur.

Sobald Ester im gegnerischen Machtbereich angekommen ist, erarbeitet sie sich Spielräume in einem totalitären Gefüge. Auch Mordechai erarbeitet sich Handlungsmöglichkeiten, indem er eine Konspiration gegen den König aufdeckt, diese der Königin meldet und die Übeltäter bestraft werden. Der Vorgang kommt ins Berichtsheft (Est 2,23), was die entscheidende Wende im 6. Kapitel bewirken wird. Ein schlafloser und vergesslicher König erinnert sich erst aufgrund dieser Einschlaflektüre seines tapferen Wächters, woraufhin eine Verwechslungskomödie par excellence ihren Lauf nimmt. Der König fragt Haman, der merkwürdigerweise gerade nächtens über den Hof spaziert, womit einem Mann königliche Ehre erwiesen werden könne. Haman wähnt sich selbst als zu Ehrender und übertreibt maßlos in der Erwartung der Ausschmückungen, die sogar seinem Pferd zugute kommen sollen. Auch dieses soll mit einer Krone geschmückt werden (Est 6,8). Aber als Leserinnen und Leser der Geschichte wissen wir es wie in allen Komödien bereits besser, Mordechai soll der Geehrte sein und Haman muss ihm auch noch diese Ehre erweisen.

Die Geschichte spart im Folgenden nicht mit weiterem Spott über diesen Großwesir des Königs. Einmal ist es seine Frau, die seinen Zorn zu beschwichtigen weiß, indem sie ihm rät, einen gigantischen Galgen zu errichten, 50 Ellen hoch, wo eine Länge von fünf bereits ausreichend wäre. Und ausgerechnet an diesem Galgen wird er dann selbst hängen, nachdem der König endlich erfahren hat, dass er der Drahtzieher des Plans zur Auslöschung der jüdischen Bevölkerung ist – als hätte er das nicht schon längst wissen müssen – und Haman sich auch noch des Verdachts schuldig macht, die Königin verführen zu wollen.

Die Königin hat es verstanden, den König an seiner schwächsten Stelle, an seiner Freß- und Sauflust, zu fangen. Dies ist bereits das sechste große Fest in diesem Stück. Man mag kritisieren, dass ihre Methoden im Bereich des Klischees bleiben und Ester die Züge einer femme fatale trägt, die ihre Sexualität und ihre Attraktivität als Masche einsetzt (Fuchs, 131). Andere dagegen sehen in Ester die geschickte Taktiererin, die ihren sehr begrenzten Spielraum nutzt, indem sie Haman bei seinem Größenwahn und den König bei seinem Misstrauen packt und beide gleich zweimal und zusammen einlädt (Butting, 74f.; vgl. auch Magonet 121f.). Tatsächlich übernimmt dann Ester das Zepter. Das nächste Dekret erlässt sie (Est 8,8) und hebt damit den Befehl Hamans auf. Es beginnt nun ein Gemetzel von jüdischer Seite aus, bei dem allerdings die Plünderungen unterbleiben. Ester ordnet dann weiter auch die Feiertage an und zum ersten Mal kann von wirklicher Ruhe und Frieden gesprochen werden. Ester wird zu einer davidischen Gestalt (Butting, 83).

Komik und Gewalt sind auch hier dicht beisammen. Die Abhängigkeit von launenhaften und machtbesessenen Herrschern ist erdrückend beschrieben, aber ebenso werden die subversiven Handlungsspielräume aufgezeigt. Vom positiven Ausgang der Geschichte her können die Machthaber von Anfang an als lächerliche, aufgeblasene Gestalten karikiert werden, ebenso wie ihr gigantischer Machtapparat.

3.2. Sprachliche und stilistische Mittel der Komik

3.2.1. Komik im Namen

Namen haben bei einem Vorkommen von ca. 1500 Personennamen und mehr als 650 Ortsnamen im Ersten Testament eine große Bedeutung. An ihnen zeigen sich nicht nur Machtverhältnisse, sie werden auch zu Mitteln der Komik, besonders dann, wenn ihre inhaltliche Bedeutung einen Kontrast zu ihrem Rang darstellt. Im Buch Ester haben alle sorgfältig aufgeführten Namen des niedrigen Hofstaats despektierliche Bedeutung (Radday, 71f.). Mehuman etwa heißt „Panik“ (vgl. Dtn 7,23), Biseta heißt „Plündergut“ (vgl. Est 9,10), Harbona heißt „Dürre“ (vgl. Ps 32,4) (alle in Est 1,10; weitere Stellen sind Est 1,14; Est 2,3; Est 2,8; Est 2,14; Est 2,21; Est 4,4; Est 9,7-9). Ihnen kommen keinerlei operative Aufgaben zu, sie bilden lediglich die Kulisse des Hofstaats, über die sich offensichtlich anhand der Namensbedeutungen lustig gemacht wird. Wenn in der Synagoge das Buch Ester verlesen wird, müssen die Namen der zehn Söhne Hamans (Est 9,7-9) in einem Atemzug gelesen werden (Radday, 72).

Nabal und Bileam wurden bereits erwähnt (vgl. 1.). Gen 14,2 berichtet von vier Königen, deren Namen schon verraten, dass ihr kriegerisches Vorhaben scheitern wird: Sie heißen „König Schlecht“ (Bera), „König Böse“ (Birscha), „König Rebell“ (Schinab šn’b; vgl. šnh „ändern“) und „König Hochtrabend“ (Schemeber). Ihre gegnerischen Könige tragen dagegen ebenfalls besondere Namen, die Horror und Wüstheit ausdrücken (vgl. Radday, 64.67f.). Ein Feldhauptmann namens Pichol heißt zwar „Mundvoll“, aber tatsächlich spricht er kein einziges Wort, obwohl sein Titel gleich dreimal wiederholt wird (Gen 21 und Gen 26). Esau wird nicht nur nach seinen roten Haaren der „Rote“ genannt, sondern auch nach der Speise, mit der er sein Erstgeburtsrecht verkauft (Gen 25,25.30).

Bekannte Ortsnamen, die als komisch hervorgehoben werden, sind z.B. Babel (Gen 11,9), das „Durcheinander / Verwirrung“ bedeutet (von Hebr. bll). In einer umfangreichen Sortierung aller 40 Stationen des Volkes Israels in der Wüste (Num 33) unterscheidet Radday zwischen Orten, an denen sich tatsächlich etwas zugetragen hat, und Orten, die ansonsten nirgendwo Erwähnung finden. Diese wiederum sind von der Wortbedeutung voll humorvoller Anspielungen, die möglicherweise auf das Verhalten der ersten Generation nach der Wüstenwanderung gedeutet werden können (Radday, 91). Dofka in Num 33,12 etwa bedeutet „antreiben“ (Hebr. dfq), Mitka in Num 33,29 geht zurück auf mtq „süß sein / süß schmecken“ (Radday, 92, übersetzt den Ortsnamen mit „Sweetheart“), Moserot in Num 33,31 geht zurück auf jsr = züchtigen (weitere Beispiele vgl. Radday, 89-97).

3.2.2. Karikaturen von Götzendienern (Jes 44)

Die völlige Gleichsetzung der Herstellung von Brennholz, um Brot zu backen oder eine Suppe zu kochen, mit der Herstellung eines Gottes macht aus den in Jes 44 vorgeführten Götzendienern die reinsten Karikaturen.

„In ihren Herzen kehren sie nicht um, sie haben weder Verstand noch Einsicht: Eine Hälfte habe ich im Feuer verbrannt, auch habe ich auf den Kohlen Brot gebacken und Fleisch gebraten und dann gegessen und sollte nun den Rest zu einem Gräuel machen und vor einem Holzklotz anbeten?“ (Jes 44,19)

Das stilistische Mittel, mit dem dies geschieht, ist nicht nur die Parallelisierung eines nicht größer zu denkenden Kontrastes, dem zwischen irdischen Materialien und menschlichem Tun einerseits und göttlichem Wesen und Handeln andererseits. Dazu kommen die Ausführlichkeit und die Konkretion des Beschriebenen, die das Vorgehen als absurd und lächerlich erscheinen lassen.

„Wer mit Holz arbeitet, spannt die Messschnur, umreißt es mit einem Stift, bearbeitet es mit einer Raspel, umreißt es mit einem Zirkel, macht es wie eine menschliche Gestalt wie ein Prachtstück von einem Menschen, um in einem Haus zu thronen.“ (Jes 44,13)

Völlig absurd wird es, wenn dann die Anbetung selbst vorgeführt wird (Jes 44,15-17).

Ebenfalls als Karikaturen lesen sich Wortspiele wie etwa in Jes 28,8ff. Durch die Doppelung von Silben in Jes 28,10.13 „zaw lazaw, zaw lazaw – kaw lakaw, kaw lakaw“, die an das Lallen von Betrunkenen oder von kleinen Kindern erinnern, werden Priester und Propheten sehr spöttisch als „taumelnd beim prophetischen Sehen und schwankend beim Urteilsspruch“ (Jes 28,7) abqualifiziert. Sogar von Erbrochenem und von Kot ist die Rede, was den Spott umso drastischer werden lässt.

3.2.3. Die parodistische Nachahmung Elias durch Elisa (2Kön 2)

Elisa wird bei seinem Versuch, es seinem Lehrer und Vorbild → Elia nachzutun, gleich mehrfach zum Opfer von Gespött. Ganz offener Spott begegnet ihm von Kindern, die ihn ob seiner Kahlköpfigkeit hänseln. Mit gekränktem Stolz verflucht er sie daraufhin und lässt 42 der Kinder von zwei Bärinnen zerreißen (2Kön 2,23f.). Stellt seine Reaktion nicht erst recht den Grund dafür dar, ihn zu verspotten?

Impliziter ist der Spott ihm gegenüber in der Art, wie die Übernahme der Geistkraft von Elia auf ihn vonstatten geht. Zunächst muss er sich zweimal von Schülerinnen und Schülern der Prophetie anhören, dass Gott ihm an demselben Tag noch seinen Lehrer wegnehmen wird, woraufhin er patzig antwortet: „Das weiß ich auch! Schweigt!“ (2Kön 2,3.5). Dann wiederholt er das → Wunder Elias, mit dessen Mantel das Wasser zu teilen. Während dieses Wunder bei Elia als souveräne Handlung klingt, wirkt es bei Elisa als ängstlicher Test. Offensichtlich haben die zwei Drittel der Geistkraft, über die Elia verfügt, gereicht (2Kön 2,9).

In einer anderen Szene wird das Motiv der Nachahmung nur auf Elisas Handeln selbst bezogen. In 2Kön 4,29-31 versucht er, einen Jungen zu heilen, indem er lediglich seinen Stab seinem Begleiter → Gehasi mitgibt. Aber eine Heilung mit dieser Art Fernbedienung (Brenner 1990, 42) funktioniert nicht. Stattdessen muss Elisa schon selbst kommen, woraufhin die Heilung gelingt.

Eine recht makabre Nachahmung vollziehen die ägyptischen Magier bei den Plagen in Ex 7. Als Zauberer erweisen freilich auch sie sich, wenn sie immer wieder in der Lage sind, dieselben Wunder wie Mose zu vollbringen: den Stab zu Boden werfen, woraufhin er sich in eine Schlange verwandelt; das Wasser des Nils in Blut verwandeln; Frösche über das ganze Land bringen (Ex 7). Erst bei den Stechmücken unterliegen sie (Ex 7,14) bei diesem Zaubererwettbewerb. Ihre Aufgabe aber wäre es ja wohl, den Plagen entgegenzuwirken und nicht, diese noch zu verstärken.

3.2.4. Drastische Vergleiche, etwa die wilde Frisur (Ez 5)

Punks könnten es als Anleitung nehmen:

„Du, Mensch, nimm eine scharfe Klinge – ein Rasiermesser sollst du nehmen- und führe es über das Haar deines Kopfes und deines Bartes! Dann nimm eine Waage und teile es auf: Ein Drittel verbrenne im Feuer…., ein weiteres Drittel, zerhaue es mit der Klinge rings um sie her! Das letzte Drittel streue in den Wind…“ (Ez 5,1-4).

Die symbolische Handlung steht für die bevorstehende Zerstörung Jerusalems und die Zerstreuung des Volkes in die Babylonische Gefangenschaft. Ein Drittel wird in der Stadt selbst verbrennen, ein Drittel zerschlagen werden, ein Drittel deportiert. Die konkrete Vorstellung einer solchen Frisur mutet freilich komisch an, auch wenn einem das Lachen angesichts der Bedrohung im Hals stecken bleibt. Das ganze Buch → Ezechiel ist bekannt für seine überaus drastischen Bilder – allerdings auch für das kommende Heil. Die göttliche Geistkraft schafft es schließlich, die herumliegenden Knochen zum Klappern zu bringen und in Bewegung zu setzen, bis schließlich auch wieder Leben in ihnen ist (Ez 37).

3.2.5. Sarkasmus – ganz wörtlich zu verstehen (Ri 3)

Sarkasmus im wahrsten Sinne des Wortes – bedeutet es doch‚ „ins Fleisch schneiden“ – findet sich in der Art, wie → Ehud den Mord an → Eglon, dem König von → Moab, vollzieht. Ehud ist Linkshänder und nutzt dies schamlos aus. Eglon schöpft keinen Verdacht, als sein Besucher zum Gruß die linke Hand hebt und wird brutal ermordet. Er wird als groteske Figur geschildert, wie er da in seinem kühlen Obergemach ruht. Als ihm Ehud das Schwert in den Leib rammt, „da drang nach der Klinge sogar der Griff hinein und das Fett umschloss die Klinge, denn er zog das Messer nicht aus seinem Bauch. Die Klinge ging zum Hintern hinaus.“ (Ri 3,22). Weiter geht es mit seiner Verunglimpfung auf niedrigstem, analem Niveau. Als man nach ihm schaut und die Tür verschlossen findet, heißt es: „Sicher verrichtet er in der kühlen Kammer sein Geschäft.“ Erst nach einigem Zögern, wertvolle Zeit, die Ehud für die Flucht nutzen kann, wird die Kammer geöffnet (vgl. Brenner 1990, 42).

3.2.6. Prophetische Satire (Amos)

Als deftige Satire können die Anklagen des Propheten Amos gelesen werden: „Wie der Hirte oder die Hirtin aus dem Maul des Löwen nur noch zwei Unterschenkel oder ein Stück vom Ohr herausreißt, so reißen sich die Söhne und Töchter Israels heraus, die in Samaria sitzen auf dem Rand eines Bettes und auf dem Diwan aus Damast.“ (Am 3,12). Solche Ansagen sind wörtlich zu nehmen, das Unheil ist nicht mehr abwendbar. Wie Slapstick-Komik muten Sätzen an wie: „Es ist, wie wenn man vor einem Löwen flieht, und einem kommt der Bär entgegen; man betritt das Haus, stützt seine Hand an die Wand, und die Schlange beißt einen.“ (Am 5,19). Die Komik hier verleiht den prophetischen Worten erst recht an Schärfe.

3.2.7. Makabere Komik (2Kön 6-7)

Der König der belagerten Stadt → Samaria hat angesichts der dramatischen Hungersnot – selbst Eselskopf und Taubenmist werden gehandelt – zunächst noch einen sarkastischen Spruch für die um Hilfe flehende Frau übrig. „Wenn dir die Ewige nicht hilft, wie soll ich dir dann helfen? Etwa aus meiner Scheune oder meiner Kelter?“ (2Kön 6,27). Bei einem faulen Handel mit einer anderen Frau hatte diese ihren Sohn verloren: „Heute essen wir deinen Sohn, morgen meinen“. Die andere Frau rückte am folgenden Tag ihren Sohn nicht heraus. Dieses Ereignis stellt jeden Sarkasmus des Königs in den Schatten, vor Entsetzen zerreißt er seine Kleider.

Als daraufhin Elisa für den kommenden Tag wieder normale Preise ankündigt, reagiert jetzt der Streitwagenführer des Königs ungläubig und verzweifelt voller Sarkasmus: „Da schau an! Dann wird wohl die Ewige auch noch Öffnungen am Himmel machen? Ist das etwa auch so eine Sache?“ (2Kön 7,2).

Makaber geht es weiter, wenn nun von vier hautkranken Männern die Rede ist, die sich aus der Stadtmauer heraus ins Lager der Besatzer begeben. Da sie sowieso nichts mehr zu verlieren haben, in der Stadtmauer aufgrund ihrer Krankheit und in der Stadt aufgrund der Hungersnot sterben werden, lautet ihre Rechnung so: „Wenn sie uns am Leben lassen, dann leben wir! Und wenn sie uns töten, dann sterben wir eben!“ Ausgerechnet sie erleben nun das Überraschende: Niemand befindet sich mehr in dem Lager. Die Aramäer hatten Geräusche von einem gewaltigen Heer gehört, die ihnen von der Ewigen höchstpersönlich vorgespielt worden waren (2Kön 7,6) und hatten das Weite gesucht. Die vier Hautkranken tun sich zunächst gütlich an den Funden, essen und trinken sich zweimal satt und verstecken einige Schätze, bis ihnen Skrupel an ihrem Verhalten kommen. Doch der König, dem sie alsbald ihre Entdeckung mitteilen lassen, schenkt ihnen keinen Glauben. Er vermutet dahinter eine Falle. Erst als ein mutiger Gefolgsmann auf eigenes Risiko loszieht und mit derselben Nachricht zurückkommt, glauben sie ihm. Das ganze Volk zieht daraufhin los, plündert, isst und trinkt und tatsächlich stimmen dann die Preise auch wieder (2Kön 7,16). Nicht gerade angesehene Menschen werden hier zu erfolgreichen Boten und damit zu den Helden der Geschichte. Unvorhersehbare Wendungen, Überraschungen, merkwürdige Charaktere bilden die Mittel für die Komik in dieser Erzählung.

3.2.8. Umkehrmotive beim Handel Abrahams mit Gott (Gen 18)

In Hofnarrenmanier handelt → Abraham mit seinem Gott um die Erhaltung der Menschen in → Sodom und Gomorra. Und Gott bekommt sehr menschliche Züge in dieser Szene. Witzig ist gleich der Auftakt in Gen 18,20. Das Klagegeschrei über die Städte ist bereits zu seinen Ohren gedrungen, ihre Verfehlung außerordentlich schwer, aber Gott will sich noch persönlich versichern, was es damit auf sich hat. Dazu steigt er herab und will sehen (vgl. Gen 11,5). Unwillkürlich fragt man sich, ob er denn kurzsichtig geworden sei. Außerdem hegt er wohl wirkliche Zweifel, was ihn vollends als vergesslichen älteren Herrn erscheinen lässt: „Ich will hinabsteigen und will sehen, ob sie wirklich tödliche Gewalt praktizieren, entsprechend der Klage, die vor mich gekommen ist. Und wenn nicht, will ich es auch wissen.“ (Gen 18,21)

Abraham tritt daraufhin an ihn heran und konfrontiert Gottes Vorhaben, die Städte zu zerstören, mit dessen eigener Weisung, Gerechtigkeit und Recht zu tun (Gen 18,19):

„Entweihen würde es dich, so etwas zu tun. Die Gerechten und die Schuldigen zu töten, so dass der Gerechte gleich dem Schuldigen wäre – entweihen würde es dich! Sollte, wer die ganze Erde richtet, nicht Recht üben?“ (Gen 18,25).

Gleich zweimal wiederholt er die Konsequenzen und auch hier endet er mit einer rhetorischen Frage. Die Rollen von Gott und Abraham sind hier wie verkehrt. Plötzlich muss der Mensch Gott an seine Prinzipien erinnern und gar noch aufpassen, dass er sie einhält.

Und dann handelt Abraham mit Gott: 50 Gerechte gegen einen Genozid, 45, 40, 30, 20 oder doch nur 10? Auf die sich zuspitzenden Wiederholungen folgt ein überraschendes Ende: Gott geht einfach, und Abraham ebenfalls. Es bleibt offen, ob es überhaupt 10 Gerechte in der Stadt gegeben hätte, vielleicht wäre es auch nur einer gewesen oder gar keiner. Verblüffung steht am Ende wie am Anfang der Geschichte.

3.2.9. Übertreibungen, nicht nur kulinarischer Art (Num 11)

Maßlosigkeit und Anmaßung erzeugen in dem Abschnitt über das Murren des Volkes in der Wüste Komik (Num11). In all der Not in der Wüste und in dem Überdruss der kostenlosen himmlischen Speise → Manna stellt das Volk gleich einen ganzen Speiseplan zusammen: Fleisch, Fische, Gurken, Wassermelonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch, die es im Übrigen umsonst in Ägypten gab (Num 11,5). Die Stimmung ist völlig am Boden, ausführlich wird beschrieben, wie das Manna gewonnen und verarbeitet wird und wie dann alle weinen. Selbst Mose kann das bestätigen „und auch aus der Sicht Moses wurde alles schlecht“ (Num 11,10). Bei aller Dramatik dieser konkreten Schilderung fällt die Anmaßung des Volkes auf. Man ist geneigt zu sagen: ein Jammern auf hohem Niveau, besonders auch angesichts der Situation, aus der sie befreit worden waren: „We remember the fish = We’ve forgotten the slavery“ (Landy, 113). Selbst Wunder scheinen auf die Dauer langweilig zu werden, wenn sie immer nur wiederholt werden.

Mose stimmt schließlich in diese Klage ein und wird grundsätzlich: „Warum finde ich keine Gunst in deinen Augen, dass die Last dieses ganzen Volkes auf mir liegt?“ (Num 11,11). Dann übertreibt auch er, und seine Bilder stecken voller Spott und Witz, stellt man sie sich so plastisch vor, wie sie gemalt sind: Mose als die Schwangere, die das Volk wie einen Säugling auf den Hüften trägt und es versorgen muss. „Aber ich kann einfach nicht ganz allein dieses ganze Volk tragen; es ist mir wirklich zu schwer.“ (Num 11,14).

Die Lösung, die dann als Erstes folgt, dürfte für das Volk auch nicht befriedigend gewesen sein: Er selbst und mit ihm 70 Älteste geraten in Verzückung. Damit wird die prophetische Last auf viele andere verteilt, aber satt wird das Volk davon nicht. Auf die Anmaßung des Volkes antwortet Gott nicht weniger sarkastisch mit Bergen von Fleisch. Schadenfroh zitiert er das Volk. Wenn ihr Fleisch haben wollt, bitteschön: „Nicht für einen Tag sollt ihr das essen, auch nicht für zwei, nicht für fünf Tage, nicht für zehn, auch nicht für 20 Tage. Während eines ganzen Monats, bis ihr es nicht mehr riechen könnt und es euch zum Kotzen wird.“ (Num 11,19f.). Die Wachteln werden auf dem Zeltplatz und je eine Tagesreise in jeder Richtung und zwei Ellen hoch aufgetürmt. Wenigstens hat Gott nicht Fische in dieser Menge geschickt!

3.2.10. Kontraste, Übertreibungen und beißender Spott (1Kön 18)

In der Geschichte des sog. Gottesurteils am → Karmel wird das Blut von Hunderten von Menschen vergossen, so dass es schwer fällt, nach komischen Zügen zu suchen. Doch sie sind zweifellos vorhanden und liegen in der gesamten Dramaturgie der Erzählung und in den stilistischen Mitteln. Ganz offenkundig werden sie in dem Spott, den → Elia mit den Baalspriestern treibt. Es ist der Spott der letzten Überlebenden in einer ausweglos erscheinenden Situation.

Komik wird erzeugt durch die Spannung zwischen einerseits der Parallelität der Handlungen, dem Wettbewerb zweier religiöser Parteien, andererseits den Kontrasten zwischen ihnen und den Steigerungen. 450 Prophetinnen und Propheten des → Baal und 400 Prophetinnen und Propheten der Aschera (die aber im Folgenden nicht mehr genannt werden) stehen dem einen Elia gegenüber. Das Volk stellt die Kulisse dar. Beide Parteien nehmen einen Stier, zerteilen ihn, legen ihn auf das Holz, zünden aber kein Feuer an und rufen den Namen der jeweiligen Gottheit an. „Und so soll entschieden werden: Die Gottheit, die mit Feuer antwortet, die ist die eine Gottheit.“ (1Kön 18,24). Hier sind die vielen, da der eine; zu Baal wird von morgens bis abends gerufen, zu JHWH nur in einem kurzen Gebet (1Kön 18,36f.); die Baalsanhänger hinken gar um den Altar, ritzen sich mit Messern und Speeren, bis Blut fließt, und geraten in der Mittagshitze schließlich in Raserei. Stereotyp wiederholt wird im Nominalstil der dreigliedrige Satz jeweils: „aber keine Stimme – keine Antwort – kein Aufmerken“, womit temporeich gesteigert wird. Der Ausdruck „um den Altar hinken“ – Martin Buber übersetzt „Bis wann noch wollt ihr auf den zwei Ästen hüpfen?“ – ist in sich spöttisch. Besonders spöttisch aber sind die Mutmaßungen des Elia über die abwesende Gottheit Baal: „…vielleicht ist sie beschäftigt, gerade weggegangen oder verreist, vielleicht schläft sie und muss erst noch geweckt werden“ (1Kön 18,27). Dies war offensichtlich eine damalige Sorge (Ps 121,3). Ironisch gibt Elia vor, „dass die Baalspriester ihren Gott erreichen, wenn sie nur laut genug schreien“ (Bar-Efrat, 227). Elia steigert die Schwierigkeit für das göttliche Eingreifen eigenhändig, indem er einen Graben um den Altar aushebt und alles komplett mit Wasser übergießt. Angesichts der Dürre hätte man hoffen können, dass sich das Feuer gar von selbst entfacht. Elias Vorgehen ist äußerst provokant und muss seine Gegner „zusätzlich bis aufs Blut reizen“ (Zwick 2001, 79). Auch Gott selbst steigt in die Reihe der Übertreibungen ein, wenn er sogleich alles verzehrt, das Brandopfer, das Holz, gar die Steine und auch noch die Erde (1Kön 18,38).

Weniger bekannt und ebenso voller Komik sind die Figuren am Rande dieser Szene. Da ist zunächst Obadja, der Palastvorsteher des damaligen Königs → Ahab und der Königin → Isebel, der zweimal 50 Priesterinnen und Priester JHWHs in je einer Höhle versteckt und versorgt hatte (1Kön 18,4). Dieser nun begegnet Elia, als er mit Ahab zusammen das ganze Land nach Wasserquellen und Bächen „abgrast“ (Zwick 2001, 73), ein aufgrund der Ausweglosigkeit absurd anmutendes Bild. Obadja, dieser mutige Mann, fürchtet sich, als Bote für Elia zu fungieren und ihn bei Ahab anzumelden. Denn: „Wenn ich jetzt von dir weggehe und die Geistkraft der Ewigen dich aufhebt – ich weiß nicht wohin – und wenn ich komme, um Ahab zu berichten und er findet dich nicht, dann wird er mich töten.“ (1Kön 18,12). Die Furcht ist verständlich, aber dennoch: Was für eine wilde Spekulation!

Die Baalspriester werden getötet, aber Ahab bleibt am Leben und wird Zeuge einer kleinen Wolke – „klein wie die Hand eines Menschen“ (1Kön 18,44) –, der er zunächst keinen Glauben schenkt und prompt in einen heftigen Regenguss gerät. Plötzlich ist in diese Szene eine große Ruhe eingekehrt: Fast meditativ mutet Elias Haltung auf dem Karmel an, zur Erde gebeugt und das Gesicht zwischen den Knien (1Kön 18,42), während er auf Regen wartet. Und dann wieder ist er ganz schnell, weil er sogar in der Lage ist, dem Wagen Ahabs vorauszueilen.

Das Happy End ist ein finsteres und so lesen sich die folgenden Szenen von Elia in der Wüste und auf dem → Horeb wie ein kritischer Kommentar dazu. Elia legt sich nieder und will nur noch sterben (1Kön 19,4; man beachte die Aufnahme diese Motivs in Jon 4,3.8). Dann doch gestärkt und auf dem Gottesberg angekommen, begegnet ihm Gott weder im Wind, noch im Beben, noch im Feuer. Die Gotteserfahrung ist vielmehr alles andere als spektakulär: Gott begegnet im „sanften Säuseln des Windes“ (1Kön 19,12).

3.3. Komische Helden

Stärke und Schwäche, Gehorsam und Verweigerung, Erfolg und Blamage, Sieg und Niederlage – in solchen und ähnlichen Spannungsverhältnissen stehen die Protagonistinnen und Protagonisten biblischer Erzählungen. Es sind keine glatten Charaktere wie etwa die lonesome cowboys in den US-amerikanischen Western mit der klaren Trennung in Gute und Böse. Die Situationen sind komplexer, die Charaktere oft innerlich zerrissen und nicht selten am Hadern mit sich und ihrem Gott.

3.3.1. Jona, der widerspenstigste und erfolgreichste Prophet aller Zeiten

Über → Jona, den Propheten, der wirklich alles unternimmt, um Gottes Auftrag nicht erfüllen zu müssen, ist viel geschrieben worden. Mögen die Zweifel an Komik in den alttestamentlichen Texten auch groß sein, im Buch Jona ist sie offensichtlich. Jona ist der Prototyp eines unwilligen und zugleich besserwisserischen Menschen, der lieber bei seinen Moralvorstellungen bleibt, als sich von Gottes Güte und Gerechtigkeit überzeugen zu lassen. Er riskiert viel dabei, sogar seinen Tod, aber nicht einmal der ist ihm sicher. Die wahnwitzigsten Umwege, wie zu Schiff auf hoher See, in den Untiefen des Meeres und sogar im Bauch eines gewaltigen Fisches bringen nur eine Verzögerung. Irgendwann wird der Gang nach → Ninive doch unvermeidlich. Allerdings kürzt Jona mehrfach ab. Zur Durchquerung der Stadt braucht man drei Tage, er geht gerade mal einen Tag lang hinein und hält die kürzeste aller Bußpredigten, der aber gleichwohl der durchschlagendste Erfolg aller Zeiten zuteil wird: Ihm wird Gehör geschenkt, eine ganze Stadt samt König tut Buße! Aber Jona ist zornentbrannt darüber und will wieder sterben. Erneut bedarf es einer Portion Bühnenzauber, um Jona zu erreichen. Mit einer Zauberpflanze, einem sehr hungrigen Wurm und einem unangenehmen Wind inszeniert Gott weitere Spektakel für seinen widerspenstigen Propheten. Ob es diesmal fruchtet, bleibt offen. Die Geschichte endet mit einer offenen Frage, ebenso an uns wie an Jona gerichtet.

Die Erzählung kann als Prophetenparodie (Miles) gelesen werden. Mit Gegensätzen, Übertreibungen, Widersprüchen und eigentümlichen Tieren wird hier fortlaufend Komik erzeugt. Einige Beispiele seien genannt:

Jona, der Name bedeutet „Täubchen“, steht eher für das Flatterhafte denn als treuer Bote wie die Taube in der Sintflutgeschichte. Gerade den Frieden will er nicht bringen. Auch in seinem Namenszusatz „ben Amittai“ steckt Witz, denn der ist abgeleitet von „Wahrheit / Zuverlässigkeit“ (’æmæt). Auch wenn manch anderer Prophet auf seine Berufung zunächst mit einer Ausrede reagiert, so unterbietet dies Jona, indem er sich nicht einmal herausredet. Er ergreift sogleich die Flucht, kauft sich nicht nur ein Schiffsticket, sondern gleich das ganze Schiff und steuert den westlichsten bekannten Ort an, → Tarsis am Ende der Welt. Mit der Stadt Ninive im Osten und Tarsis im Westen wird ein größtmöglicher Gegensatz konstruiert, der zusammen mit den anderen erzählerischen Elementen seine Weigerung noch stärker hervorzuheben vermag. Eingebaut ist damit ein weiterer Kontrast, denn in Jon 1,9 bekennt Jona seinen Gott als Schöpfer des Himmels, des Meeres und der Erde, so dass ihm auch Tarsis nicht fremd sein kann. Eine derartige prophetische Flucht gibt es sonst nirgends und auch keinen Freikauf aus der Berufung.

Neben einer ost-westlichen Ausrichtung fällt eine weitere auf: die in die Tiefe. Das hebräische Wort ירד jrd „hinabgehen“ wird in diesem ersten Teil gleich dreimal programmatisch eingesetzt: für das Hinabgehen an den Hafenort Jaffa (Jon 1,3), das Hinabsteigen ins Innere des Schiffes (Jon 1,5) und das Sinken in die Tiefen des Meeres (Jon 2,7). Im Bauch des Fisches befindet sich Jona in der tiefsten Tiefe des Meeres, gleichsam in der Hölle oder dem Ort der Chaostiere, wo mit Gottes Gegenwart kaum mehr zu rechnen ist (Miles 1990, 208). Drei Tage und drei Nächte benötigt Jona, um dennoch in einen Klage- und Rettungspsalm einzustimmen, dessen übertriebene Flut von Meeresbildern einen weiteren Kommentar zur Situation abgibt. Das Parodistische liegt hier in der Aufhebung metaphorischer Rede hin zu direkter Beschreibung. Wenn in Ps 130 im metaphorischen Sinn aus der Tiefe des Meeres zu Gott gerufen wird, so befindet sich Jona in diesem Fall tatsächlich an diesem Ort – und befindet sich auch dann noch dort, wenn er Gott schon für seine Rettung dankt (Jon 2; Miles, 208). Dazu scheinen die Psalmen selbst parodiert zu werden mit dieser geradezu überbordenden Wasser- und Seemetaphorik.

Für den Fisch – und vielleicht nicht nur für diesen – war Jona wohl regelrecht zu einem Kotzbrocken geworden, der nun aufs Trockene und damit wieder nach oben gespien wird (Jon 2,11). Miles erkennt hierin griechischen Spott, mit dem menschliche Unappetitlichkeiten ausgelacht wurden. Parodistisch zu sehen seien die Sagenparallelen frühhellenistischer Zeit, etwa Herakles, der in den Schlund des Seeungeheuers springt, oder Jason, der von einem Drachen verschlungen und wieder ausgespien wird, nachdem eine Salbe ihm Übelkeit verursacht hat, oder der Sänger Arion, den ein Delphin als Reittier rettet.

Auf seine äußerst dürre und fade Rede ohne jeglichen Adressaten oder konkrete Benennung der bösen Taten, ohne Androhung konkreter Strafen, ohne konkrete Forderung und lediglich in der Peripherie der Stadt gehalten, folgt die größte Umkehr aller Zeiten. Dreimal wird erwähnt, dass sich alle in Sack und Asche kleiden, und zwar wirklich alle: Alte und Junge und selbst die Tiere (Jon 3,8)! Übertreibung und Wiederholung sind also hier Stilmittel, die noch dadurch verstärkt werden, dass der König als Letzter von Jonas Rede erfährt und er schließlich als Anweisung erlässt, was sowieso schon alle tun. Auffällig ist an dieser Umkehr, dass sie Unterschiede zwischen Mensch und Tier, zwischen König und Bevölkerung, zwischen Denken und Körper völlig nivelliert. Eine weitere ironische Fußnote stellen die dem Prophet Jeremia entlehnten Worte des heidnischen Königs (Jon 3,8f.; Jer 26,3.13.19) selbst dar (Magonet, 196). Die Geschichte spielt auch hier mit einem parodistischen Vergleich.

Die Naturelemente wie Sturm und hohe See, Pflanzen und Tiere spielen in der Jonaerzählung eine wichtige dramaturgische Rolle, besonders auch in der folgenden, an sich schon witzigen Episode mit der Rizinuspflanze, dem gefräßigen Wurm, dem heißen Ostwind und der brennenden Sonne. Zu beachten sind auch hier die komischen Kontraste zwischen dem gigantischen Fisch zuvor, dem einen, kleinen Wurm und der fastenden Menge Viehs. Der Schatten, in dem Jona seine Beobachterposition einnimmt, klingt im Hebräischen nahezu gleich wie das Wort für „befreien“ in Jon 4,6, so dass Magonet übersetzt: „Um ein Schatten über seinem Haupt zu sein, der ihm half, seinen Ärger abzuschütteln.“ (Magonet, 202).

Zum wiederholten Male hat Jona mit Warten reagiert, wie bereits auf dem Schiff und wie im Bauch des Fisches. Jetzt beginnt er einen „Sitzstreik“ (Schart, 287). Gott unterläuft Jonas Moral aber mit einer Rizinuspflanze. An dieser Schwachstelle setzt Gott an und kriegt ihn damit – vielleicht. Denn es ist schwieriger Jona zu bekehren als eine böse Stadt! Der schmollende Jona übertreibt es mal wieder und Gott bringt es auf den Punkt mit seiner Rede, in der er Jonas Reaktion auf den Rizinus („Was dich betrifft, dich bekümmert der Strauch…“ Jon 4,10) mit seiner Reaktion („Was mich betrifft, sollte ich nicht bekümmert sein wegen Ninive…“ Jon 4,11) vergleicht. Die Geschichte endet mit einer Frage, die selbst noch Rätsel aufgibt. Sind 120.000 Menschen, die nicht zwischen rechts und links unterscheiden können, und dann noch das ganze Vieh, eine Anspielung auf deren Tollpatschigkeit? Auf alle Fälle kann man sich vorstellen, dass der Nachklapp „und außerdem viel Vieh“ selbst bei Jona ein Schmunzeln hervorruft.

3.3.2. Bileam, der Zauberer, dessen Eselin mehr sieht als er

Als das Volk Israel in Moab jenseits des Jordans lagert, hatte sich sein siegreicher Durchzug durch das Gebiet der Amalekiter bereits herumgesprochen und → Balak ben-Zippor, dem König von → Moab, das Fürchten gelehrt. Wenn ein weiterer Kampf aussichtslos erscheinen mag, ein → Fluch könnte vielleicht helfen. Und so schickt er nach → Bileam, dem Mann, „dem die Macht des Wortes zu Gebote steht“ (Magonet, 99). Zum Einen zeigt diese Erzählung aus Num 22-24, wie hoch die Macht des Wortes geschätzt wird; denn Bileam soll immerhin aus dem fernen Zweistromland herbeigeholt werden. Zum Anderen macht sich der Text fortwährend über eben diesen Bileam lustig, so dass am Schluss ein Tier, und dann noch eine Eselin, des Wortes mächtiger und sehender ist, als er selbst. Die Rollen verkehren sich. Bei aller Tragik hat diese bekannte Szene etwas Komödiantisches, vor allem weil die Leserinnen und Leser stets die Mitsehenden sind. Einer verrennt sich und erst nach drei sich steigernden Zwischenfällen und Wutanfällen wird er von dem Tier zur Rede gestellt.

Aber Bileam ist nicht allein die komische Figur in dieser Episode. Zusammen mit Balak stellt er ein Komikerpaar dar wie im Zirkus, bei dem Balak den Part des Weiß-Clowns übernimmt, der genau weiß, was er will, während sich Bileam wie der dumme August in allerlei Widersprüchlichkeiten verheddert. Soll er dem attraktiven Auftrag Balaks folgen und die Macht seines Wortes zum Ausdruck bringen? Er würde ja gerne, wenn nur Gott nicht wäre. In der ersten Nacht, die sich Bileam von den Boten zum Gespräch mit Gott erbittet, erfährt er unmissverständlich: „Gehe nicht mit ihnen, verfluche das Volk nicht. Denn es ist gesegnet“ (Num 22,12). In der Art, wie er davon am Morgen berichtet, spricht bereits Bedauern: „Gott weigert sich, mir zu erlauben, dass ich mit euch gehe“ (Num 22,13). Man kann diesen Satz weiterlesen: Wenn es nach mir ginge, würde ich ja mitkommen, aber … Doch die Boten Balaks sehen Bileam als Subjekt der Ablehnung und reden nicht drumherum: „Bileam weigert sich, mit uns zu kommen“ (Num 22,14). Beim zweiten Versuch bringen sowohl Balak als auch Bileam das Geld ins Spiel. Balak bietet alles, was Bileam haben will. Bileam konkretisiert das, indem er von einem mit Gold und Silber gefüllten Palast spricht (Num 22,17f.). „Der Fisch hatte eindeutig angebissen“ (Magonet, 101), wie der Fortgang der Geschichte zeigt. Denn Bileam geht tatsächlich mit, mit einer vermeintlichen Zusage Gottes (Num 22,20), die er wohl eher geträumt hat. Denn nichts im Text spricht für einen Gesinnungswandel Gottes, und eben so erklärt sich der Zorn Gottes gegen Bileam (Num 22,22).

Nach der Geschichte mit der Eselin, die Bileam trotz allem nicht aufgehalten hat, geht es weiter mit dem Komikerpaar. „Zunächst legt Bileam eine tadellose Show als Zauberer hin.“ (Magonet, 104). Sieben Altäre, sieben Stiere und sieben Widder umfasst das ganze „Brimborium“ (Magonet, 104) und das gleich dreimal. Doch Bileam verflucht Israel nicht, trotz aller Tricksereien vonseiten Balaks. Er führt Bileam an einen Ort, von wo er nur einen Zipfel der großen Menschenmenge sehen kann, damit ihm das Verfluchen leichter falle (Num 23,13). Doch die Geschichte steigert sich, Bileams Pathos wird immer wortgewaltiger, er verweigert nicht nur das Verfluchen, er segnet sogar, was Balak prompt quittiert: „Wenn du schon nicht verfluchen kannst, sollst du wenigstens nicht segnen“ (Num 23,25). Und er probiert es wieder von einem anderen Ort aus und lässt Bileam in die Wüste blicken. Doch selbst da sieht Bileam blühende Gärten, reich bewässerte Saat und eine friedlich ruhende Löwin. Schließlich gibt Balak auf und schleudert seinen ganzen Zorn auf Bileam, worauf dieser anscheinend gelassen kontert, dass er ja nur sagen könne, was Gott selbst sagt. Sogar das Geld kommt noch einmal ins Spiel, als Neben- oder eigentlich Hauptmotiv der beiden. Als würde Balak es ein letztes Mal darauf anlegen: „Ich hatte dir gesagt, ich wollte dich hoch bezahlen. Nun denn, aber Gott hat dich von der Bezahlung abgehalten!“ (Num 24,11). Und Bileam reagiert, vielleicht mit etwas Bedauern im Ton: „Auch wenn Balak mir seinen Palast gäbe, gefüllt mit Silber und Gold, kann ich doch das Gebot Gottes nicht überschreiten, und aus meinem eigenen Antrieb etwas Gutes oder Böses tun. Was Gott redet, werde ich sagen!“ (Num 23,13). „Es gehört zur unfreiwilligen Komik der Bileamsgestalt, dass diese Aussage damals nur als fromme Ausrede gedacht war, um sich vor der Verantwortung zu drücken. Nun ist daraus erschreckende Wahrheit geworden“ (Magonet, 107).

Immerhin gewährt Bileam Balak noch einen Blick in die Zukunft, die sich dieser inzwischen auch selbst ausmalen kann. Nichts zu machen, „ein Stern geht auf in Jakob, ein Zepter erhebt sich aus Israel“ (Num 23,17) und beide, Balak und Bileam, gehen am Schluss nach viel Gezeter ihrer Wege. Bileam scheint sich später den Midianitern angeschlossen zu haben, wo er im Kampf gegen Israel umkommt (Num 31,8).

3.3.3. Manoach, der nicht der Gehörnte sein will (Ri 13)

Auch der Daniter Manoach, der mit seiner Frau die komödienhafte Reprise der einstigen Verheißung von Nachkommen an Sara und Abraham erlebt, erweist sich als komischer Held. Als Maonachs Frau dem Boten Gottes begegnet, der der Unfruchtbaren Nachkommenschaft ankündigt, ist sie allein. Sie soll sich fortan von Alkohol und allem Unreinen enthalten, denn ihr Kind wird ein Geweihter, ein → Nasir, sein und das Volk Israel aus der Gewalt der → Philister befreien (Ri 13,3-5). Gemeint ist → Simson. Damit ihr Mann keinen Verdacht schöpft, schmückt sie ihm gegenüber die Geschichte aus: „Er sah aus, wie ein Bote der Gottheit, sehr Furcht erregend. Ich habe ihn nicht gefragt, woher er sei, auch hat er mir seinen Namen nicht genannt.“ (Ri 13,6). Diese Erklärung für die Schwangerschaft seiner Frau reicht Manoach nicht aus. Nun will er erst recht wissen, mit wem er es hier zu tun hat. Da hat sich schon so mancher als Engel ausgegeben! Die Erzählung spielt mit dieser Doppeldeutigkeit und führt so Manoach vor. Er bittet Gott, seinen Boten erneut zu schicken, was dieser auch tut, aber wieder ist er nicht da und muss schnell erst von seiner Frau geholt werden. Das Misstrauen bleibt, auch als der Engel seine Identität bestätigt, und so lädt Manoach diesen immer noch uneindeutigen Gast zu einem Ziegenbraten ein. Was dieser freilich ablehnt, dafür aber vorschlägt, Gott ein Brandopfer zu bringen. Auch das reicht dem Manoach noch nicht aus. Schließlich verlangt er noch, seinen Namen zu erfahren: „Peli“, übersetzt heißt das „Wunderbar“, und damit genau so wie diese ganze Geschichte. Ebenfalls wunderbar steigt dann aber der Opferrauch gen Himmel und bestätigt die Identität des Engels, aber noch einmal zaudert Manoach: „Wir müssen sterben, denn wir haben Gott gesehen.“ (Ri 13,22). Es bedarf der ganzen Überredungskunst seiner Frau, dass er schließlich Ruhe gibt. Und neun Monate später ist Simson geboren. Die Erzählung lebt von der dramaturgischen Steigerung des Misstrauens bei gleichzeitig immer größeren Enthüllungen des Gastes. Wir als Leserinnen und Leser aber sollen die Auflösung schon kennen, woraus sich ein weiterer witziger Vorsprung ergibt. Genau diese Spannungen machen die Komik der Geschichte aus.

3.3.4. Weibliche Trickstergestalten

Trickstergestalten gibt es in westafrikanischen und „Native American“ Erzähltraditionen. Sie nehmen mitunter Tiergestalt an, sind bald männlich, bald weiblich, menschlich oder göttlich. Während es zunächst vermessen scheint, sie auch in biblischen, also literarischen Texten ausmachen zu wollen, so sind die inhaltlichen Parallelen doch verblüffend und können als hermeneutisches Instrument biblische Texte in einen anderen Verstehenshorizont rücken (Steinberg, 1988). Ihre Charakteristik lässt sich wie folgt beschreiben: Sie sind komische Figuren, über die man lacht; sie treiben Schabernack, parodieren andere, machen Späße; sie werden als sehr körperliche, sexuelle Wesen beschrieben; sie spielen eine wichtige Rolle bei der Schöpfung; sie verhalten sich trickreich in Situationen, die ausweglos erscheinen; sie überschreiten traditionell zugeschriebene Rollen und Regeln; sie überwinden Gegensätze bzw. zeigen deren paradoxale Einheit auf; sie befinden sich eher am Rande der sozialen Gruppen, in einer machtlosen Position; von dort decken sie Machtverhältnisse auf oder verkehren sie gar; sie zeigen das Fragile von sozialer Ordnung auf; sie überführen Machthaber ihrer Schwächen oder Missetaten. Interessanterweise werden sie nicht, auch nicht in alttestamentlichen Erzählungen, für ihr Verhalten bestraft.

In der alttestamentlichen Forschung wurde die Trickstergestalt v.a. herangezogen, um das Verhalten von Frauen näher zu erforschen, auch wenn Männer ebenfalls solches Verhalten zeigen – man denke an Abrahams Handel mit Gott (Gen 18, s.o. 3.2.8; weitere Beispiele vgl. Bal, 147). In diesem Zusammenhang taucht auch die These auf, dass die mit Frauen assoziierten sexuellen und komischen Züge in vorliterarischer Zeit – vergleichbar mit den Trickstererzählungen – eine selbstverständliche und nicht abgewertete Rolle gespielt haben, wovon Erzählungen von → Rachel, → Rebekka, → Tamar, → Jael, → Delila, → Ester, → Abigail zeugen können (Steinberg, 5). Allerdings wird auch kritisch angemerkt, dass die Verbindung von untergeordneter Position, trickreichem Verhalten und Weiblichkeit wiederum einem Konstrukt gleichkommt, zu dem es auch zahlreiche Gegenbeispiele gibt (vgl. Bal). Gleichwohl sollen hier einige Frauen vorgestellt werden, deren trickreiches Verhalten in der Literatur besonders hervorgehoben wird.

1) Abigail und ihr närrischer Mann (1Sam 25)

Abigail ist in dieser Erzählung die eigentliche Heldin, die, anders als ihr Mann → Nabal, weiß, wie man mit einem reichen und schlechten Ehemann und wie mit einem Feind umgeht oder auch: wie man sich eine feindliche Situation zu Nutze macht. Kontrahenten sind Nabal und → David, die gleich zu Beginn als solche skizziert werden. Nabal, übersetzt: der „Narr“, wird über seinen enormen Reichtum im kultivierten Land Karmel definiert, David dagegen ist der Nomade in der Steppe. Der eine hat viel und will alles, wird aber alles verlieren, der andere wird alles gewinnen. Abigail wird zwischen diesen beiden exponiert, als Frau von klarem Verstand und schönem Aussehen (1Sam 25,3).

Auf die Kontrastierung folgt als Stilmittel die Wiederholung. Viermal entbietet David Nabal den Friedensgruß und bittet um das, „was dir so gerade in die Hände fällt“ (1Sam 25,8). Das scheint nicht viel zu sein als Provision für den gewährten Schutz. Nabal beleidigt David in seiner Abweisung gleich zweimal: er bezeichnet ihn als dahergelaufenen Sklaven und macht sich über seine Familie lustig. Und nun nimmt die Konfrontation ihren Lauf. David rüstet zum Angriff und droht, dass er nichts von dem übrig lassen werde, „was gegen die Wand pisst“ (1Sam 25,22). Die Konsonanten aus der Herkunftsbezeichnung Kalebiter entsprechen denen des hebräischen Wortes für Hund: klb. Für David ist Nabal also nichts weiter als ein Hund und das Wortspiel ein Ausdruck recht kruden Humors (Garsiel, 164). Ein weiteres Wortspiel besteht darin, dass aus den Konsonanten des Namens Nabal nbl auch das Wort für „Krug“ gebildet ist (nebæl). Wenn Abigail zu all den Speisen für David auch zwei Krüge Wein packt (1Sam 25,18), ist es, als würde sie ihren Mann höchstpersönlich anbieten. Aufgegriffen wird dieses Wortspiel in 1Sam 25,37: Im Hebräischen Text steht „als der Wein aus nabal gewichen war“. Das kann zweierlei heißen, entweder ist nach dem Trinkgelage der Wein aus dem „Krug“ oder aus „Nabal“ gewichen, so dass er wieder nüchtern war. Gerade wieder ansprechbar erfährt er von seiner Frau, wie diese David beschwichtigt hat, und es soll sich bewahrheiten, was hier sprachlich angedeutet wird: nicht nur der Wein, sondern das Leben wird von ihm weichen, er wird „zu Stein“ lə’āvæn (1Sam 25,37). Auch in dieser Phrase stecken die Konsonanten des Namens Nabal, allerdings in umgekehrter Reihenfolge.

David gegenüber weiß sich Abigail ebenso geschickt zu verhalten wie ihrem Mann gegenüber. Vor allem hat sie Gespür für das rechte Timing (Garsiel, 166f.). Viermal zeigt das Verb mhr (sich beeilen), wie sie prompt reagiert, um Gefahr abzuwenden: Indem sie schnell die Speisen zu David schickt (1Sam 25,18), schnell vom Esel abspringt und sich vor ihm verneigt (1Sam 25,23), David ihr schnelles Handeln honoriert (1Sam 25,34) und sie auf Davids Heiratsantrag reagiert und sich schnell auf den Weg macht (1Sam 25,42). Andererseits lässt sie sich Zeit und schickt ihre Leute mit den Speisen vorneweg (1Sam 25,19), oder wartet, bis Nabal seinen Rausch ausgeschlafen hat (1Sam 25,36-38).

Auch rhetorisch weiß sie sich bestens zu verhalten. In ihrer sehr langen und reichlich mit Bildern gefüllten Rede zeigt sich ihre Weisheit und ihr Verstand (Bar-Efrat, 78). So schafft sie es, dass David Vertrauen zu ihr fasst und nicht in Blutschuld gerät. Damit rettet sie Hunderten von Menschen das Leben. Ihren Status allerdings weiß sie auch zu retten. Gleich fünf Dienerinnen nimmt sie mit, als sie zu David zieht. Was für ein Kontrast zwischen den vielen Worten der Unterwerfung David gegenüber und dem selbstbewussten Überwechseln in sein Lager!

2) Die trickreiche Ausrede von Rachel in Gen 31,35

Jakob wird auf seiner Flucht von → Laban gestellt. Nicht einmal von seinen Töchtern, die wie Kriegsgefangene weggeschleppt worden waren, hatte er sich verabschieden können (Gen 31,26ff.). Außerdem vermisst er seither den Terafim, die Schutz- und Hausgottheit der Familie (→ Hausgott). Es wird überall danach gesucht, ohne Erfolg. Niemand vermutet da, wo sie ist: → Rachel sitzt darauf und kann verhindern, dass genau dort gesucht wird, indem sie ihrem Vater sagt: „Es möge kein Anlass zum Zorn für meinen Herrn sein, dass ich mich nicht vor dir erheben kann. Doch mir geht es nach Weise der Frauen.“ (Gen 31,35; vgl. Brenner 1990, 42). Niemand prüft nach, ob Rachel die Wahrheit sagt oder nicht. Allenfalls aus der Tatsache, dass später Benjamin geboren wird (Gen 36,16-18), könnte man schließen, dass sie gelogen hat – wenn man denn genau nachrechnen könnte. Ist das ein typisches trickreiches Verhalten einer Frau mit wenig Macht und Einfluss und daher komisch (Camp 1988, 7)? Denn Rachel kann davon ausgehen, dass es kein Mann wagen würde, ihre Aussage zu überprüfen und direkt nachzusehen (Bal, 151). Oder ist es eine Verunglimpfung Rachels vor dem Hintergrund patriarchaler Gepflogenheiten (Fuchs 1988, 71. 79ff.)? Macht sich der Erzähler nicht über Rachel lustig, indem er eine immerhin respektable Matriarchin in die Verbindung mit Menstruation, Täuschung und Götzendienst bringt? Vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen Umbruchsituation kann Rachels Verhalten nicht nur als trickreich, sondern auch als subversiv eingeschätzt werden. In dem noch patrilokalen System gilt Laban als Patriarch, die ganze Familie, inklusive Schwiegersöhne, lebt an seinem Ort. Raubt nun Rachel die Hausgottheit und geht mit all ihrem Besitz in Jakobs Heimat, nimmt sie ihrem Vater auch die Macht. Ihr Beitrag steht am Übergang zu einem virilokalen System. Letztlich waren hier alle trickreich: Laban, indem er Jakob zum Bleiben überredet hatte; Jakob, indem er sich heimlich auf den Weg macht; Rachel, indem sie das Zentrale, die Hausgottheit, mitgehen lässt.

Immerhin ist nirgends von einer Strafe die Rede, jedenfalls wird der Tod Rachels bei der Geburt von Benjamin (Gen 35,18f.) nicht mit der angedrohten Strafe in Gen 31,32 („Bei wem immer aber du deine Gottheit findest, die Person soll nicht am Leben bleiben.“) in Verbindung gebracht.

3) Die rebellischen und doch rechtschaffenen Vormütter Jesu

„Riotous, yet righteous“ heißt diese klingende Beschreibung auf Englisch, mit der Frauen gemeint sind, die aus der Position von Außenseiterinnen und bloßen Objekten männlicher Willkür zu aktiven Subjekten werden, ihren noch so geringen Handlungsspielraum nutzen und damit ihre Absichten verwirklichen können (Spencer, 7).

Tamar tut dies, indem sie sich verkleidet und ihrem Schwiegervater als scheinbare Prostituierte zu Diensten ist. Verkleidung ist ein beliebtes dramatisches Mittel, da sie dem Gegenspieler, nicht aber uns Leserinnen und Lesern, verborgen bleibt und erst im entscheidenden Augenblick gelüftet wird. Die nächste trickreiche Aktion besteht darin, dass sie ihrem Schwiegervater die persönlichen, patriarchalen Insignien „abluchst“ (Gen 38,18). → Juda wird in dieser Geschichte zum Narren gemacht und seine starre Haltung Tamar gegenüber verlacht – als wäre sie für die Todesfälle seiner Söhne verantwortlich. Erst durch Tamars List kommt er doch zur Einsicht (Gen 38,26) und sogar zur Macht. Denn der soziale Hintergrund dieser Geschichte ist, wie bei dem Rachels, der Übergang von patriarchaler zu virilokaler Gesellschaft. Die wieder nach Hause, zum Vater als Patriarchen, gesandte Tochter bestätigt durch ihre Tat, dass Töchter nun in das Haus des geheirateten Mannes gehen (vgl. Bal, 152).

Rahab ist eine „ungebundene“ (zônāh) Frau, was nicht automatisch bedeutet, dass sie eine Prostituierte war. „Fest steht, dass es sich um Frauen handelt, die nicht verheiratet und auch sonst keinem Mann unterstellt waren.“ (Bibel in gerechter Sprache, 2287, Anm. 115). Ihre Art, trickreich zu handeln, besteht darin, dass sie die zwei feindlichen, israelischen Spione in ihrem Haus in Jericho versteckt, deren Verfolger auf eine falsche Fährte setzt und ihre eigene Familie rettet. Sie bekennt sich offen zum Glauben an den Gott der Besatzer (Jos 2).

Rut gehört ebenso in diese Linie der cleveren, aktiven Frauen. Sie überlistet den von der Arbeit erschöpften Boas, indem auch sie sich des Nachts zu ihm legt. Sie wird zwar nicht in dieser Nacht schwanger, obwohl das Spiel mit Entblößen und Verdecken voll sexueller Anspielungen ist. Entscheidend aber ist am Ende, dass Noomi die Adoptivmutter des Neugeborenen wird (Rut).

Batseba dagegen ist zunächst das Opfer männlicher Gewalt und männlichen Besitzstrebens. David versucht zwar noch, seine Vaterschaft zu vertuschen, indem er → Uria drängt, nach Hause zu seiner Frau zu gehen, aber das gelingt ihm nicht. Die Wiederholung dieses Drängens hat durchaus Komik, wenn einem auch das Lachen im Hals stecken bleibt angesichts des von David befohlenen Fronteinsatzes (2Sam 11). Später allerdings nutzt Batseba geschickt die Senilität Davids aus, der sich offenbar nicht erinnert, ihren Sohn Salomo zu seinem Nachfolger bestimmt zu haben, und nicht gemerkt hat, dass nun → Adonija auf dem Thron war (1Kön 1). Während sie und dann auch → Nathan geschickt mit ihm verhandeln, wird David von → Abischag „betreut“ (1Kön 1,16). Batseba schafft es in der Folge auch noch, diese junge Geliebte als Trost dem Adonija zu verschaffen. So erscheint David gleich in mehrfacher Hinsicht als „Ausgetrickster“. Batseba, wenngleich Königsmutter, muss in dieser patriarchalen Welt trickreiche Methoden anwenden.

Diese Frauen sind herausragend, weil sie Skandalöses riskieren, mit festgefahrenen Überzeugungen brechen, als weise geglaubte Männer in ein anderes Licht stellen und auf ungewöhnlichen Wegen zu ihren Zielen gelangen. Eine Entsprechung im Neuen Testament stellt die Geschichte der kanaanitischen Frau dar, die Jesus bittet, ihr Kind zu heilen (Mt 15,21-31). Jesus antwortet sarkastisch, dass er für eine Fremde wie sie nicht zuständig sei, aber auch er wird zum Narren gemacht, indem die Frau ihn mit ihren Argumenten austrickst. Sie wendet Jesu eigene Worte gegen ihn, wenn sie erwidert: „Es ist nicht gut, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden hinzuwerfen“ (Mt 15,26). Die Position dieser Außenseiterin entspricht Gottes Willen, und die männliche Autorität Jesus muss davon erst noch überzeugt werden (Spencer, 30).

4. Kein Schluss, nur ein Punkt

Einmal auf die Fährte der Komik in den alttestamentlichen Erzähltexten gesetzt, kann man nahezu überall groteske Bilder, lustige Wortspiele, merkwürdige Helden, trickreiche Heldinnen, dramaturgisch witzige Effekte und dergleichen mehr entdecken. Mehr als dass die Autorinnen und Autoren uns zum Lachen bringen wollen, sollen Überzeugungen pointiert vermittelt werden. Komik wird vor allem als Spott gegenüber unterdrückerischer Herrschaft und als subversives Mittel der Befreiung eingesetzt (z.B. Ester). Daher kommt Komik oft in der Nähe von Gewalt vor oder erscheint selbst als Aggression (z.B. Prophetenworte). Auch Ungläubige können Opfer von Komik in didaktischer Hinsicht werden (z.B. Götzendiener in Jes 44). Besonders Umbruchzeiten sind Zeiten für Komik, etwa wenn Rachel oder Tamar mit ihrem trickreichen Verhalten eine Veränderung von gesellschaftlichen Regeln herbeiführen. Ambiguitäten vermag Komik als Reibeflächen offen zu halten (z.B. Hiob). Das Überraschende und Außerordentliche von Gottes Willen und Gottes Eingreifen (z.B. Num 11) kann offensichtlich gerade mit den Mitteln der Komik auf vortreffliche Art und Weise ausgedrückt werden. Und darüber hinaus haben die alttestamentlichen Texte einen Sinn für sprachlichen Witz und hierzu noch ein paar Kostproben ganz zum Schluss:

„Die Tür dreht sich in der Angel, der Faulpelz in seinem Bett.“ (Spr 26,14)

„Die Faulen sprechen: Draußen könnte ein Raubtier sein; auf dem Marktplatz könnte ich umgebracht werden.“ (Spr 22,13; Spr 26,13)

„Besser in der Wüste wohnen als mit einer streitlustigen, launischen Person.“ (Spr 21,19)

„Siehst du eine Person, die sich selbst für weise hält – für einen dummen Menschen gibt es mehr Hoffnung als für sie!“ (Spr 26,12)

Literaturverzeichnis

In den USA gibt es seit den 1980er Jahren eine ganze Reihe von Publikationen über Humor und Komik im Alten Testament (Radday / Brenner 1990), über die dramatischen Formen von Tragödie und Komödie (Exum 1985), über speziell weiblichen Witz (Exum / Bos 1988) und die Analogie zu Trickstergestalten in weiblichen Figuren aus dem Sprüchebuch und anderen alttestamentlichen Texten (Camp 2000). Diese Literatur ist im deutschen Kontext nur vereinzelt aufgenommen und diskutiert worden (z.B. Zwick 2001; Brenner 2006).

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Abbildungsverzeichnis

  • Spielarten der Komik. © Gisela Matthiae

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