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Hüften / Lenden (AT)

(erstellt: April 2013)

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1. Körperteil des Menschen

1.1. Bezeichnung

Die hebräischen Wörter יָרֵךְ jārekh, חֲלָצַיִם ḥǎlāṣajim, מָתְנַיִם mātnajim werden in der Regel im Deutschen mit „Hüfte“ bzw. „Lenden“ wiedergegeben, wobei zwischen diesen beiden nicht terminologisch scharf getrennt werden kann (Hamp, 1008). Die Tatsache, dass מָתְנַיִם mātnajim anders als die beiden anderen Worte nie in Ausdrücken, die Nachkommenschaft (Frucht deiner Lenden, von deinen Lenden) bezeichnen, verwendet wird, lässt allerdings vermuten, dass es eher die äußere Hüftpartie bezeichnet. In Ps 66,11 lässt sich aus dem Kontext schließen, dass das Kreuz gemeint ist.

יָרֵךְ jārekh kann aber auch für die Seite einer Sache (vgl. z.B. Ex 40,22) stehen oder den „Lampenfuß“ (Ex 37,17) bezeichnen. Dies geht wohl auf die funktionale Ähnlichkeit zurück. Das Hüftgelenk wird mit כַּף יָרֵךְ kaf jārekh (wörtl. „Handfläche der Hüfte“) bezeichnet (vgl. Gen 32,26; Gen 32,33).

כֶּסֶל kæsæl bezeichnet eigentlich „den inneren fetten Lendenmuskel im Bereich der Niere bzw. das Lendenfett“ (Schüpphaus, 278) und wird meist in Bezug auf das Opfertier verwendet (z.B. Lev 3,4). Es kann aber auch die menschlichen Lenden bezeichnen.

Von Gottes Hüften oder Lenden wird im Alten Testament nicht gesprochen. Allerdings spricht Ez 8,2 von „etwas, was aussah wie seine Hüften“ (מָתְנַיִם mātnajim), womit wohl die Körpermitte gemeint ist und einige wenige Texte davon, dass er sich gürtet (z.B. Ps 65,7; Ps 93,1; Jer 13,11). Allerdings handelt es sich dabei um die metaphorische Verwendung des Vorgangs des Gürtens (s. 2.1.).

1.2. Körperaspekt

Eine heftiger Schlag auf das Hüftgelenk führt zu Hinken (Gen 32,26.32). Das Zerschlagen der Hüften macht kampfunfähig (Dtn 33,11).

Die Hüften / Lenden werden im Alten Testament häufig in Verbindung mit dem Vorgang des Gürtens genannt. Das Obergewand (→ Kleidung / Textilherstellung) wurde bei der Arbeit oder auf Reisen auf Hüfthöhe gegürtet. Das Umgürten der Hüften macht also aufbruchs- und handlungsbereit (z.B. Ex 12,11, 2Kön 4,29). Krieger gürten, wenn sie sich kampfbereit machen, ihr Schwert um die Hüften (vgl. z.B. Ex 32,27). „So wurde das Umgürten der Lenden Ausdruck für Stärke und kraftvollen Einsatz“ (Hamp, 1009; s. 2.1.).

Ein Teil der Kleidung der Priester ist nach Ex 28,42 eine Art Schurz (מִכְנָס mikhnās), ein leinenes, dreieckiges oder rechteckiges Tuch, das von den מָתְנַיִם mātnajim bis zu den יְרֵכַיִם jərekhajim reichen soll, also den Schambereich bedeckt. Staubli lehnt die häufig gewählte Übersetzung „bis zu den Schenkeln“ ab und gibt den Dual יְרֵכַיִם jərekhajim hier mit „Gesäß“ wieder. Das Lendentuch wurde also vermutlich „windelartig um das Gesäß geschlagen und mit Bändern befestigt“ (Staubli, 53; → Kleidung / Textilherstellung).

Die Lenden werden auch in Ausdrücken genannt, die die Nachkommenschaft bezeichnen (Frucht der Lenden, aus den Lenden hervorgehen, von / aus den Lenden). Diese Verbindung mit der Manneskraft, erhellt den Ausspruch „mein Kleiner ist dicker als die Hüften / Lenden meines Vaters“ (Übersetzung nach Noth, 265) in 1Kön 12,10 und 2Chr 10,10.

Die Hüften der Frau spielen im Gottesurteil über ihre Treue eine Rolle. War die Frau untreu, soll das Wasser, dass sie trinken muss, u.a. dazu führen, dass ihre Hüften / Lenden einfallen und der Bauch anschwillt. Gemeint ist hier wohl eine Beschädigung der Geschlechtsorgane (Clements, 864f), die kinderlos macht (Scharbert, 28).

Die Rundungen der weiblichen Hüfte werden in Hhld 7,2 mit von Meisterhand gefertigtem Halsschmuck verglichen. Dabei ist wohl die Bewegung der Hüften beim Tanz im Blick (Krinetzki, 22f).

1.3. Gesten

1.3.1. Hände unter die Hüfte legen

Hueften 1

Ein Ritual, das beim Schwören ausgeführt wird, ist laut Gen 24,2.9 und Gen 47,29, die Hand unter die Hüfte (יָרֵךְ jārekh) dessen, dem man schwört, zu legen. Die Hüften dienen hier wohl der Bezeichnung der Schamgegend. Schroer / Staubli geben daher in diesem Kontext „Hüften“ als „Scham“ wieder und vermuten, sicherlich zu Recht, dass der Schwörende bei „… seiner Manneskraft schwört, die verdorren soll, wenn er den Eid bricht“ (127). Auch auf Skarabäen aus dem 2. Jahrtausend ist diese Geste belegt (vgl. Abb. 1). Es scheint sich also um eine sehr alte Sitte zu handeln.

1.3.2. Das Trauergewand anlegen

Das Anlegen eines Trauerschurzes, שַׂק śaq, um die Hüften ist ein Zeichen der Selbstminderung und der Trauer (Gen 37,34; 1Kön 20,31f. u.ö.; zu שַׂק śaq s. → Trauer; → Kleidung / Textilherstellung).

1.3.3. Auf die Hüften schlagen

In Jer 31,19 und Ez 21,17 wird vom Schlagen auf die eigenen Hüften als ein Zeichen der Trauer und der Demut berichtet. Nach Jes 32,12 gibt es auch das Ritual des Schlagens auf die Brust. Beides drückt → Trauer und Demut aus. In beiden Fällen sind Zentren der Vitalität im Blick.

2. Übertragene Bedeutung

2.1. Das Gürten der Hüften

Da das Umgürten der Hüften aufbruchs-, arbeits- und kampfbereit macht (s. 1.2), wird es auch metaphorisch „für Stärke und kraftvollen Einsatz“ (Hamp, 1009) verwendet. In 2Kön 3,21 bedeutet der Ausdruck „jeder, der sich mit einem Gürtel gürtet“ „jeder Wehrfähige“, „jeder Mann in wehrfähigem Alter“. Und aus Ägypten ist bekannt, dass „den Gürtel umbinden“ für „mannbar und wehrhaft werden“ steht (Johnson, 746). Von daher ist es zu verstehen, dass → Hiob von Gott aufgefordert wird, seine Lenden wie ein Mann zu gürten (Hi 38,3; Hi 40,7). „Wie ein Mann der Tat, wie ein Kämpfer soll Hiob sich Gott stellen“ (Gross, 131).

Das Entgürten der Hüften ist dagegen ein Bild für die Schwächung einer Person (Hi 12,21; Jes 5,27; Jes 45,1).

Auch abstrakte Größen können um die Hüften gegürtet werden. Dabei ist das „enge Umgebensein“ (Hamp, 1009) und die „Ausstattung“ mit den jeweiligen Eigenschaften, z.B. Gerechtigkeit (Jes 11,5) oder Kraft (Spr 31,17), gemeint. Dieselbe Aussage findet man häufig auch durch das Umgürten ohne das Nennen der Hüften ausgedrückt (z.B. Ps 30,12).

2.2. Kraft / Stärke und Schwäche / Angst

Da die Lenden sowohl als Bereich der Manneskraft als auch über den metaphorischen Gebrauch des Umgürtens mit Stärke verbunden werden und für einen festen Stand und Gang mitverantwortlich sind, sind sie eng mit der körperlichen Kraft verbunden (z.B. Nah 2,2; auch des Tieres: Hi 40,16). Wankende Lenden (Ps 69,24; Ez 29,7) hingegen stehen für Kampfunfähigkeit und Schwäche. In Jer 30,6 wird es als Ausdruck der Angst beschrieben, wenn Männer ihre Hüften halten wie Frauen, die in den Wehen liegen. Auch in Jes 21,3 sind die zitternden Hüften und Schmerzen wie die einer Gebärenden ein Bild für sehr große Angst. Zusammen mit den verzagenden Herzen, den zitternden Knien und den bleichen Angesichtern, sind die zitternden Lenden in Nah 2,11 ebenfalls Ausdruck für große Angst, Verzweiflung und im Kontrast zu Nah 2,2 auch der Hilflosigkeit (Perlitt, 23).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995

2. Weitere Literatur

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  • Wagner, A., 2010, Gottes Körper. Zur alttestamentlichen Vorstellung der Menschengestaltigkeit Gottes, Gütersloh

Abbildungsverzeichnis

  • Skarabäus (vermutlich Jordanien; vermutlich 1750-1550 v. Chr.). Aus: O. Keel, Corpus der Stempelsiegel-Amulette aus Palästina / Israel. Von den Anfängen bis zur Perserzeit. Einleitung (OBO Ser.Arch. 10), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1995, Abb. 470; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz

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