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Hosea / Hoseabuch

(erstellt: Mai 2006)

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1. Name

Hosea 1
Bei dem Namen „Hosea“ (הוֹשֵׁעַ hôšea‘) – einer Kurzform für „Hosaja“ (הוֹשַׁעְיָה hôša‘jāh; vgl. Jer 42,1; Neh 12,32) – handelt es sich formal um einen Verbalsatz, inhaltlich um einen Danknamen. Er bedeutet „er (= Jahwe) hat gerettet“ und hat dabei wohl Gottes Beistand bei der Krise der Geburt im Blick (→ Hoschea).

2. Person

Hosea war ein Prophet, der nach Hos 1,1 zur Zeit der Südreichskönige Usia (ca. 787-756), → Jotham (ca. 756-741), → Ahas (ca. 741-725) und → Hiskia (ca. 725-697) sowie des Nordreichskönigs → Jerobeam II. (ca. 786-746) im Nordreich wirkte, also in der 2. Hälfte des 8. Jh.s v. Chr. Er kündigte dem Gottesvolk angesichts von dessen Untreue das Gericht Gottes an. Nach Hos 9,7-9 wurde er wegen seiner Gerichtsbotschaft vom Volk scharf angegriffen und als nicht mehr zurechnungsfähiger Schwätzer (Hos 9,7 məšuggā‘) verhöhnt.

Hos 1 berichtet davon, dass Hosea mit → Gomer, der Tochter Diblajims verheiratet war, mit der er drei Kinder hatte: → Jesreel, → Lo-Ruhama, → Lo-Ammi. Gomer wird in Hos 1,2 als „treulose Frau“ bezeichnet, womit nicht eine gewerbsmäßige → Dirne, sondern eine vom Geist der Treulosigkeit bestimmte Frau gemeint ist. Sie repräsentiert zusammen mit den Kindern den Abfall Israels von Jahwe. In diesem Sinn ist die Wendung „Kinder der Treulosigkeit“ (Hos 1,2) zu verstehen.

Nach Hos 3 war der Prophet ein zweites Mal verheiratet. Diese zweite Frau ist nicht mit Gomer identisch. Von ihr heißt es, sie habe bereits einmal die Ehe gebrochen (Hos 3,1). Diese Heirat repräsentiert die Rückkehr Israels in die Gemeinschaft mit Gott. Die Ehebrecherin darf zu ihrem Mann zurückkehren.

3. Aufbau, Inhalt, Komposition

Das Hoseabuch läßt sich in die beiden Abschnitte 1-3 und Hos 4-14 gliedern.

1. Hos 1-3 sind inhaltlich durch das Thema der Ehe Hoseas als Sinnbild für Israels Untreue und formal durch den Wechsel von Gerichts- und Heilsbotschaft zusammengebunden. In Hos 1 wird in der 3. Person Singular Maskulinum über Hoseas Ehe berichtet, Hos 3 ist dagegen als prophetischer Selbstbericht über Hoseas Ehe konzipiert. Hos 2 wird eingeleitet mit der prophetischen Zukunftsansage des kommenden Heilstages (Hos 2,1-3). Das neue Heil ist ebenfalls Thema des letzten Abschnittes von Hos 2 (Hos 2,16-25). Die Schaffung eines umfassenden Friedens mit der Tierwelt, die Stiftung neuer Gemeinschaft innerhalb Israels und mit seinen Nachbarn sowie der Gnadenzuspruch an Hoseas Frau und seine Kinder stehen hier im Vordergrund. In dem Rechtsverfahren Hos 2,4-15 geht es um die Frage, wie Jahwe mit Israels Treulosigkeit umgeht.

2. Hos 4-14 lässt sich in die beiden Teile Hos 4-11 und Hos 12-14 unterteilen. Inhaltlich werden nämlich unterschiedliche Themen angesprochen und der erste Teil wird in Hos 11,8-11 mit einem Heilswort abgeschlossen, das man als die theologische Mitte des Hoseabuches ansehen kann.

Hos 4-11 werden formal durch eine Reihe von Imperativen untergliedert: Hos 4,1; Hos 5,1; Hos 5,8; Hos 8,1; Hos 9,1. Inhaltlich geht es in Hos 4-11 um Israels Treuebruch (Hos 4,1-3), Israels kultische Verfehlungen (Hos 4,4-19), die Schuld der Führer Israels (Hos 5,1-7), Kriegsnöte (Hos 5,8-6,6), Abweisung Gottes (Hos 6,7-7,16), Israels Schuld (Hos 8,1-9,9), Geschichtsrückblicke (Hos 9,10-11,11). In Hos 4-11 lassen sich zudem parallel komponierte Abschnitte erkennen: Hos 4,4-19 // Hos 5,1-7; Hos 5,8-7,16 // Hos 8,1-13.

Hosea

In Hos 12-14 geht es um Jakob (Hos 12), Israels Götzendienst (Hos 13,1-3), seine Schuld (Hos 13,4-14,1), Umkehr und Heilszusage (Hos 14,2-9). Abgeschlossen wird das Buch in Hos 14,10 mit einem weisheitlichen Schlusssatz, der wohl kaum auf Hosea zurückgeht. Er zeigt, dass die Aktualität der Hoseaworte in der zeitlos gültigen Lehre besteht, dass die Gerechten auf Gottes Wegen wandeln, die Sünder aber zu Fall kommen.

4. Textüberlieferung

Der Text des Hoseabuches ist in manchen Versen so schlecht erhalten, dass der ursprüngliche Sinn kaum noch ermittelt werden kann (vgl. etwa Hos 9,13; Hos 11,7). Der Vergleich mit der → Septuaginta zeigt auffallende Abweichungen. So bietet die Septuaginta in Hos 13,4 einen umfangreichen Einschub, der die Schöpfermacht Jahwes schildert und das abtrünnige Verhalten Israels kritisiert. Zahlreich sind zudem die umfangreichen kleineren Einschübe, etwa in Hos 1,7; Hos 2,14; Hos 4,2; Hos 5,11; Hos 7,2; Hos 12,10; Hos 14,8. Diese Zusätze zeigen, dass die Septuaginta den Text aus theologisch-inhaltlichen und syntaktisch-stilistischen Gründen ergänzt und geglättet hat, allerdings ohne den jeweiligen Sinn wesentlich zu verändern.

5. Entstehung

Die Frage nach der Entstehung des Hoseabuches ist heute in der Forschung sehr umstritten. Autoren, die das Hoseabuch insgesamt als Niederschrift des historischen Propheten verstehen (Gisin 2002), gibt es kaum noch. Auf der anderen Seite ist Nissinens Meinung (Nissinen 1991), wonach die ältesten Überlieferungsspuren gar nicht auf eine prophetische Einzelgestalt zurück gehen, sondern kollektive Klagerituale nach der assyrischen Eroberung reflektieren, ebenfalls zurückzuweisen. Als minimaler Grundkonsens lässt sich festhalten, dass das Buch in seiner überlieferten Gestalt eine in mehreren Phasen gewachsene planvolle Komposition darstellt. Die ursprünglich mündlich geäußerten Sprucheinheiten sind viel stärker als in anderen Prophetenbüchern von den Überlieferern und Redaktoren in längere reflektierende Textpassagen eingeschmolzen worden, die bestimmte Gedanken und Stichworte eher umkreisen als pointiert auf bestimmte Hörer hin zuzuspitzen. Gleichwohl besteht wenig Grund zu bestreiten, dass die Passagen zu einem guten Teil auf die mündliche Verkündigung des historischen Propheten Hosea zurückgehen.

Zweifellos hat das Buch seine Endgestalt in Juda erhalten, wie vor allem Hos 1,7; Hos 2,2; Hos 4,15; Hos 12,3 zeigen (Jeremias 1996). Schart (1998) nimmt an, dass schon wenige Jahre nach der Eroberung Samarias (722) die Hoseaschrift mit der Amosschrift zu einer Zweiprophetenbuchrolle zusammengearbeitet wurde. Ein Argument dafür ist, dass in Hos 4,1 und Hos 5,1 zwei Höraufrufe eingearbeitet wurden, die ihrem Charakter nach nicht aus der Hosea-, sondern aus der Amosüberlieferung stammen. Ganz parallel zur Gliederung von Am 3-6 werden zuerst die „Israeliten“ (Hos 4,1 בני ישׂראל; vgl. Am 3,1) und dann das „Haus Israel“ (Hos 5,1 בית ישׂראל; vgl. Am 5,1) angeredet. Dieses Zweiprophetenbuch sollte die Kritik am Nordreich für eine judäische Leserschaft zusammenfassen, um diese vor den Verfehlungen Israels zu warnen.

Zu den späteren Stadien des Wachstums zählt sicherlich die Überschrift Hos 1,1, die zusammen mit den Überschriften Am 1,1; Mi 1,1 und Zef 1,1 eine systematische Einordnung der jeweiligen Propheten liefert, die dem Geschichtsaufriss des → Deuteronomistischen Geschichtswerks entspricht. Dieser vermutlich dem Deuteronomisten nahestehenden Schicht sind wohl auch andere kleine Zusätze in Hos zuzurechnen (etwa Hos 8,1b).

Vielfach wird vertreten, dass auch die Heilsworte Hos 2,19-25; Hos 11,10-11; Hos 14,2-9 redaktionellen Ursprungs sind, freilich gibt es auch Gegenstimmen, die sie, wenigstens im Kern, auf Hoseas Verkündigung zurückführen.

Zu den spätesten Zusätzen zählt wahrscheinlich das Nachwort Hos 14,10, das Denkkategorien aus der Weisheit aufnimmt, um die als schwer verständlich eingestufte Prophetie Hoseas der nachsinnenden Leserschaft zu empfehlen (Sheppard 1980).

6. Zeit

Das Wirken Hoseas fällt in die zweite Hälfte des 8. Jh.s v. Chr., die durch das Vordringen der Assyrerherrschaft nach Westen gekennzeichnet ist. Im Jahre 747 v. Chr. starb Jerobeam II. (ca. 787-747) von Israel, in dessen Regierungszeit Israel eine kleine Blütezeit erlebte. Die Macht der Aramäerstaaten war im Schwinden und die Expansionspolitik der Assyrer begann erst mit der Thronbesteigung Tiglatpilesers III. 745 v. Chr. In der Regierungszeit Jerobeams II. befand sich Israel in einem wirtschaftlichen Aufschwung, wie man aus den Ostraka von Samaria ersehen kann. Der Nachteil dieser Entwicklung war allerdings die soziale Spaltung Israels in Arme und Reiche sowie ein Wachsen von Korruption in Rechtsprechung und Verwaltung, was von den Propheten Hosea und Amos scharf kritisiert wird (Am 2,6-8; Am 3,9-15; Am 5,7.10-12; Hos 4,1-3).

Ein wichtiges Ereignis fällt unmittelbar in die Wirkungszeit Hoseas: die syrisch-ephraimitsche Koalition gegen Juda (→ syrisch-ephraimitscher Krieg). Rezin von → Damaskus und → Pekach von Israel schlossen sich in einer antiassyrischen Koalition zusammen, um sich vom Assyrerjoch zu befreien. Sie traten deshalb an → Ahas von Juda heran, um ihn zum Eintritt in das Bündnis gegen Assur zu bewegen, was dieser ablehnte und statt dessen Hilfe bei → Tiglatpileser III. suchte. Dieser wiederum bekämpfte daraufhin die syrisch-ephraimitische Koalition. 733 eroberte er Galiläa und → Gileadund gliederte sie als Provinzen (Megiddo, Gilead und Dor) ins assyrische Reich ein. 732 eroberte er dann auch Damaskus. Hosea nimmt dieses Ereignis in seiner Verkündigung in Hos 5,8-6,6; Hos 8,7-10 auf. Hosea hat den Untergang des Nordreiches 722 v. Chr. wohl nicht mehr erlebt. Jedenfalls gibt es keine Sprüche, die auf die Eroberung Samarias zurückblicken.

7. Theologie

In theologischer Hinsicht ist das Hoseabuch ungemein reichhaltig. Thematisch werden zentrale theologische Fragen angesprochen: Polemik gegen → Baal; Höhenkult; Verlassen des Landes; → Bilderverbot; falsche Bündnispolitik; Umkehr; Erwählung und Gottes Liebe. Prägend war das Hoseabuch vor allem für → Jeremia und das → Deuteronomium. Im Neuen Testament wird das Hoseabuch zitiert in Mt 2,15; Mt 9,13; Röm 9,25-26; 1Kor 15,4-5.

Ein wesentliches Kennzeichen der Theologie des Hoseabuches ist die breite Aufnahme der Heilstraditionen Israels: Jakobtradition in Hos 12; Mosetradition in Hos 12,13-14; Wüstenerwählungstradition in Hos 9,10-17; Hos 10,1-2.11-13a; Hos 11,1-7; Hos 13,4-8; Hos 2,16f; Hos 12,10; Bundestradition in Hos 2,18-25; Hos 6,7-11a; Hos 8,1-3; Hos 10,3f; Hos 12,2; Dekalogtradition in Hos 4,1-3; Hos 8,4-6; Hos 12,10; Hos 13,1-4. Diese in quantitativer und qualitativer Sicht äußerst reichhaltigen Bezugnahmen auf die Tora haben für die theologische Verbindung von Tora und Prophetie eine große Bedeutung gehabt. Das Hoseabuch erinnert an Jahwe als den Gott Israels und an dessen Heilstaten. Zugleich wird festgestellt, dass das Gottesvollk die entscheidenden Stationen seiner Glaubensgeschichte gänzlich vergessen und missachtet hat. Es hat dadurch das Wissen um Jahwe als seinen alleinigen Herrn verloren und seine Bestimmung als dessen Volk verspielt.

Hosea polemisiert zudem scharf gegen den kanaanäischen Gott → Baal und dessen Verehrung. In Baal sieht Hosea den Antipoden Jahwes (Hos 2,4-15), durch den das Gottesvolk aufgrund seiner Naturtheologie von Jahwe weggeführt wird.

Im Hoseabuch wird zugleich das gegenwärtige Königtum aufgrund seines Fehlverhaltens energisch kritisiert (z.B. Hos 8,4). Die Könige haben nach Hosea ihre Bestimmung als Repräsentanten von Gottes Gerechtigkeit verloren. Spätere judäische Bearbeiter haben allerdings das davidische Königtum ausdrücklich von dieser Kritik ausgenommen und dem abtrünnigen Nordreichskönigtum den wahren König David gegenüber gestellt (Hos 3,5).

Die Botschaft des Hoseabuches lässt sich als leidenschaftliches Plädoyer für den Gott verstehen, der sich Israel offenbart hatte, um von ihm erkannt zu werden und für es da zu sein.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
  • Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (http://www.bautz.de/bbkl/h/hosea_p.shtml)

2. Kommentare

  • Ben Zvi, E., 2005, Hosea (fotl), Grand Rapids
  • Jeremias, J., 1983, Der Prophet Hosea (ATD 24,1), Göttingen
  • Wolff, H.-W., 3. Aufl. 1976, Hosea (BK XIV/1), Neukirchen-Vluyn

3. Weitere Literatur

  • Eidevall, G., 1996, Grapes in the Desert. Metaphors, Models and Themes in Hosea 4-14 (CB OTS 43), Stockholm
  • Gisin, W., 2002, Hosea. Ein literarisches Netzwerk beweist seine Authentizität (BBB 139), Berlin / Wien
  • Jeremias, J., 1996a, Hosea und Amos. Studien zu den Anfängen des Dodekapropheton (FAT 13), Tübingen
  • Jeremias, J., 1996b, Die Anfänge des Dodekapropheton: Hosea und Amos, in: ders. (1996a), 34-54
  • Naumann, Th., 1991, Hoseas Erben. Strukturen der Nachinterpretation im Buch Hosea (BWANT 131), Stuttgart u.a.
  • Nissinen, M., 1991, Prophetie, Redaktion und Fortschreibung im Hoseabuch. Studien zum Werdegang eines Prophetenbuches im Lichte von Hos 4 und 11 (AOAT 231), Kevelaer
  • Schart, A. , 1998, Die Entstehung des Zwölfprophetenbuchs. Neubearbeitungen von Amos im Rahmen schriftenübergreifender Redaktionsprozesse (BZAW 260), Berlin / New York
  • Seifert, Brigitte, 1996, Metaphorisches Reden von Gott im Hoseabuch (FRLANT 166), Göttingen.
  • Sheppard, G.T., 1980, Wisdom as a Hermeneutical Construct. A Study in the Sapientalizing of the Old Testament (BZAW 151), Berlin / New York
  • Wacker, Marie-Th., 1996, Figurationen des Weiblichen im Hoseabuch. Literarische, entstehungsgeschichtliche und religionsgeschichtliche Studien, unter besonderer Berücksichtigung von Hos 1-3 (HBS 8), Freiburg
  • Yee, Gale A., 1987, Composition and Tradition in the Book of Hosea (SBL DS 102), Atlanta/Georgia

Abbildungsverzeichnis

  • Der Prophet Hosea (Duccio di Buoninsegna; 1308-1311).

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