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Himmelfahrt Jesu Christi

(erstellt: März 2011)

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1. Die Erhöhung Jesu

Aufgrund der Ostererfahrungen der Jünger Jesu wird seine Aufnahme in den Himmel (Joh 20,17) als seine Erhöhung (Phil 2,9) proklamiert und seine Wiederkunft (1Thess 1,10) auf den Wolken des Himmels (Mk 14,62; Mt 26,64) erwartet. Diese Erhöhung wird als „Einsetzung zum Gottessohn in Kraft“ (Röm 1,4) mit Worten aus Ps 2,7 als Inthronisation (Hebr 1,5) verstanden und mit Ps 110,1 als „Sitzen zur Rechten Gottes“ ausgelegt (Apg 2,33; Apg 5,31; Röm 8,34; Eph 1,20; Hebr 1,3; Hebr 8,1; Hebr 10,12; Hebr 12,2; 1Petr 3,22). Gemeint ist die Amtsübertragung zum Exekutivchef Gottes, dem alle Vollmacht gegeben ist (Mt 28,18) bzw. mit Rückgriff auf Ps 8,7 „dem alles unter seine Füße gelegt wurde“ (1Kor 15,27; Eph 1,22, Hebr 2,8). In dieser Funktion ist er „Herr“ (Röm 14,7-9). Wenn er zur Rechten Gottes steht (Apg 7,55-56), ist er zur Aktion bereit, dazu ist er in den Himmel aufgestiegen (Joh 3,13; Eph 4,10) und hat dort seinen Platz (Kol 4,1; Eph 6,9), er hat die Himmel durchschritten (Hebr 4,14) und geht als wahrer → Hoherpriester in das himmlische Heiligtum ein (Hebr 9,24). Nach der Offenbarung des Johannes befindet er sich als Erster der → Auferstehung neben Gott (Offb 1,5), wohin er auf den Wolken kommt (Offb 1,7). In Bildern ausgesagt ist er inmitten der Leuchter (Offb 1,18) und des Thrones Gottes (Offb 5,6), d.h. in dessen unmittelbarer Nähe. Diese verschiedenen Aussagen und Bilder wollen kundtun, dass nach Jesu Auferstehung Gott durch ihn seine Herrschaft über die Welt ausübt, der Erhöhte die himmlische Bezugsperson ist. In 1Petr 3,22 wird die Auffahrt in den Himmel mit dem Sitzen zur Rechten Gottes und der Unterwerfung der → Engel verbunden, ähnlich Eph 1,21, in 1Tim 3,16 die weltweite Mission mit den Worten „gepredigt den Völkern, geglaubt von der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit“ ausgesprochen. In Eph 4,7-10 ist die Erhöhung Jesu Voraussetzung der Verteilung seiner Gnadengaben in der Gemeinde. Sie wird als „Aufstieg“ gesehen, der, wie Joh 3,13, auf die Herabkunft folgt. Damit soll die Menschlichkeit des göttlichen Wesens Christi hervorgehoben werden. Die Betonung des Aufstieges, der Erhöhung und der Machtvollkommenheit hat die Tendenz, seine Menschlichkeit zu verdrängen. Das führt dazu, dass Lukas bereits den Weg nach Jerusalem, also ins Leiden, als „Aufnahme“ (ἀναλήμψις, analēmpsis) deutet (Lk 9,51) und festhält, der Auferstandene habe mit seinen Jüngern gegessen und getrunken (Lk 24,41-43; Apg 1,4; Apg 10,41). Der → Hebräerbrief betont seinerseits, dass das Leiden Jesu zur Vollendung führt (Hebr 5,7-10).

2. Die Himmelfahrt Jesu

Von einer Himmelfahrt Jesu Christi im engeren Sinne berichtet der Evangelist Lukas am Ende seines Evangeliums (Lk 24,50-53) und am Anfang der Apostelgeschichte (Apg 1,1-2). Die Aussage in Mk 16,19, wonach Jesus eine „Aufnahme“ in den Himmel erfuhr, ist wohl von Lukas abhängig. Lukas dürfte seine beiden Berichte selbst aufgrund von vorgegebener Traditionen geschaffen haben. Es waren mindestens drei:

- eine, die sie am Auferstehungstag ansetzte (Lk 24,50-53),

- eine, die eine gewisse Zeit danach ablaufen ließ (Apg 13,31), vielleicht am nächsten Sabbat (vgl. Apg 1,12) und

- eine, die mit vierzig Tagen danach rechnete (Apg 1,3).

Die Traditionen sind nicht mehr rekonstruierbar. Lukas hat seine Texte in die eigene Sprache und Vorstellungswelt gesetzt. Zwischen beiden unterschiedlichen Berichten in Lk 24 und Apg 1 besteht in seinem Verständnis kein Widerspruch, wiewohl es Differenzen gibt (→ Betanien / → Ölberg; Ostertag / 40 Tage danach).

2.1. Lukas 24,50-53

Nach Lk 24,50-53 geht Jesus mit seinen Jüngern von Jerusalem nach Betanien am Ölberg vorbei auf einen Bergrücken. Dort segnet er seine Jünger wie der Hohepriester am Ende des Gottesdienstes (Sir 50,19-23). Dabei entschwindet er und wird in den Himmel aufgenommen, wie einst → Elia (2Kön 2,1-18). Im Unterschied zu diesem aber kommt Jesus als Auferstandener und nicht als noch Irdischer, auf den Wolken und nicht mit feurigem Wagen dorthin. Die Jünger fallen bei diesem Ereignis vor ihm nieder und beten ihn an. Vergleichbares war bis dahin im Evangelium nicht ausgesagt. Anbetung galt Gott allein (Lk 4,8). Die Aufnahme Jesu in den Himmel bewirkt Vergöttlichung, die Verabschiedung veranlasst darum keine Traurigkeit, sondern große Freude. Es ist ein Vorgeschmack der Begabung mit dem → Heiligen Geist, die zu „Begeisterung“ führt. Die Jünger tragen den → Segen mit sich. Sie können auf die Verheißung des Geistes (Lk 24,49) warten, weil sie gesegnet sind. Sie loben Gott im Tempel. Die Perspektive ist offen für das christliche Leben.

2.2. Apostelgeschichte 1,1-11

Nach Apg 1,1-11 fährt Jesus auf Wolken in den Himmel, von wo er dereinst wieder kommen wird (Apg 1,11). Die Himmelfahrt ist ein der Wiederkunft entgegen gesetzter Akt. Zuvor belehrt Jesus 40 Tage seine Jünger (Apg 1,3) und stellt sie damit auf die neue Situation ein. Die Mission in aller Welt ist sein Auftrag. Darin geht Lukas mit Mt 28,16-20 parallel. Gleich ist mit Mt 28 auch, dass Jesus von einem Berg aus diesen Auftrag erteilt.

2.3. Vergleich der beiden Texte

Die verschiedene Datierung der beiden Erzählungen in Lk 24 und Apg 1 hat theologische Gründe. In Lk 24 wird die Vergöttlichung Jesu eng mit der Auferstehung verbunden, in Apg 1 wird an der Himmelfahrt die Wiederkunft veranschaulicht, es wird die lehrmäßige Neuausrichtung der Jünger in einem angemessenen Zeitraum festgehalten und die weltweite Mission begründet.

3. Religionsgeschichtliche Voraussetzungen

Damit ihre Erfahrungen den Hörern verständlich weiter gegeben werden, bedienten sich die ersten Christen der Sprache und Vorstellungswelt der Umwelt. Bekannt waren in neutestamentlicher Zeit die Entrückungserzählungen der alttestamentlich-jüdischen Tradition (Gen 5,21-24; 2Kön 2,1-18). Das zeigen Texte wie Sir 44,16; Sir 49,14; Weish 4,10-11; Hebr 11,5 für → Henoch; 1Makk 2,58; Sir 48,9.12 für Elija. Entrückungsberichte aus späterer Zeit gab es von → Mose (AssMos 10,2), von → Baruch (syrBar 76), von → Isaak (TestIs 10). In der hellenistischen Umwelt wurde von der Entrückung des Herakles, der Romulus, und auch des → Augustus und anderer berichtet (Texte bei Lohfink, 36-39).

Literaturverzeichnis

  • Benoit, P., 1965, Die Himmelfahrt, in: Ders., Exegese und Theologie, Düsseldorf, 182-218
  • Haufe, G., 1961, Entrückung und eschatologische Funktion im Spätjudentum, ZRGG 13, 105-113
  • Lohfink, G., 1971, Die Himmelfahrt Jesu. Untersuchungen zu den Himmelfahrts- und Erhöhungstexten bei Lukas, StANT 26, München, 34-48
  • Schille, G., 1966, Die Himmelfahrt, ZNW 57, 183-199
  • Schlier, H., 1964, Jesu Himmelfahrt in den lukanischen Schriften, in: Ders., Besinnung auf das Neue Testament. Exegetische Aufsätze und Vorträge II, Freiburg, 227-241
  • Schmitt, A., 1973, Entrückung - Aufnahme- Himmelfahrt. Untersuchungen zu einem Vorstellungsbereich im Alten Testament, Stuttgart
  • Zwiep, A.W., 1997, The Ascension of the Messiah in Lukan Christology, S.NT LXXXVII, Leiden

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