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Herder, Johann Gottfried

(1744-1802)

(erstellt: August 2016)

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1. Leben und Bedeutung

Herder, Johann Gottfried 1
J.G. Herder wurde am 25. Aug. 1744 in Mohrungen (heute Morąg im polnischen Teil des historischen Ostpreußen) geboren (zur Biographie vgl. u.a. Maurer 2014; Nowitzki 2016). Er studierte von 1762-1764 in Königsberg Theologie, verfolgte aber während des Studiums vielseitigste Interessen. So hörte er u.a. bei I. Kant Vorlesungen über Philosophie, Naturwissenschaften, Mathematik und Geographie. Ab 1764 wirkte er als Lehrer und Prediger in Riga, das er 1769 für eine Seereise verließ, die ihn bis nach Frankreich führte. 1770 bis 1771 hielt sich Herder nach vorübergehender Beschäftigung als Erzieher und Reisebegleiter des Erbprinzen von Holstein-Gottorp wegen einer medizinischen Behandlung (Augenoperation) in Straßburg auf. Dort machte er die für beide Seiten prägende Bekanntschaft Goethes.

Von 1771-1776 war Herder Konsistorialrat in Bückeburg, der Residenz des Fürstentums Schaumburg-Lippe, bevor er 1776 durch Goethes Vermittlung Generalsuperintendent und Oberhofprediger in Weimar wurde, was er bis zu seinem Tode am 18. Dezember 1803 blieb.

Herder war seit 1773 mit Caroline, geb. Flachsland, aus Darmstadt verheiratet. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, die das Säuglingsalter überlebten. Seine schriftstellerische Tätigkeit diente teilweise auch der Aufbesserung des Familieneinkommens.

Herder gehört zu den wenigen neuzeitlichen Theologen, von denen Impulse in die allgemeine Literatur- und Geistesgeschichte ausgegangen sind. Bei aller Vielfalt seiner Tätigkeiten (vgl. die Kompendien Adler / Koepke 2009; Greif u.a. 2016; den Sammelband Keßler / Leppin 2005 sowie die Einführungswerke Heise 1998; Maurer 2014), kann seine „wesentliche Lebensarbeit“ aber darin gesehen werden, „daß er sich bemühte, das herkömmliche Christentum mit den neuen Auffassungen seiner Zeit zu versöhnen. Er wollte den Menschen seiner sich von der Religion emanzipierenden Zeit ein Christentum predigen, das sie verstehen und als adäquaten Ausdruck ihrer religiösen, emotionalen und intellektuellen Bedürfnisse begreifen konnten“ (Maurer 2014, 9).

Als Theologe, der er danach im Kern seines Wirkens war, kann Herder als „die bedeutendste Stimme zwischen dem Abklingen Semlers und dem Aufklingen Schleiermachers“ gewürdigt werden (Hirsch 1952, 208; zu Herders Theologie insgesamt vgl. neben den Artikeln einschlägiger theologischer Fachlexika Keßler 2009; Keßler 2016a; auch Hirsch 1952, 207-247; Barth 2. Aufl. 1952, 279-302; Rohls 1997, 247-250.314f.; zu Elementen theologischer Herder-Rezeption vgl. Keßler 2016b).

Ohne einen akademischen Grad in der Theologie erworben zu haben, war Herder von 1771 bis zu seinem Tod in kirchenleitenden Funktionen sowie als Prediger tätig. Eine Berufung auf eine theologische Professur in Göttingen, wo er in C.G. Heyne einen Freund und Fürsprecher besaß, scheiterte drei Mal (1776; 1784; 1789; vgl. dazu Smend 1997), wobei zu den unterschiedlichen äußeren Gründen des Scheiterns eine gewisse Reserviertheit Herders gegenüber methodischer wissenschaftlicher Arbeit kommt (vgl. dazu auch unten 4.1.; 5.1.).

2. Überblick

Der Artikel beschäftigt sich mit Herder als Ausleger der Bibel, die für ihn ganz in protestantischer Tradition Grundlage der Theologie ist (vgl. dazu überblicksartig Smend 1993; Smend 2005; Bultmann 2009; monographisch Willi 1971).

C. Bultmann ordnet Herders Bibelstudien drei Aspekten seines Werkes zu: 1. seinem theologischen Wirken; 2. seinem vergleichenden literaturgeschichtlichen Interesse; 3. seinem Interesse an der Geschichte der Menschheit (Bultmann 2009, 233f.).

Schon diese Mehrzahl relevanter Aspekte zeigt, dass es Herder nicht allein um die historisch-kritische Interpretation biblischer Texte geht. Seine Exegese ist vielmehr in ein umfassendes theologisches Interesse eingeordnet. Ihr Ziel entspricht dem von Herders theologischer Arbeit überhaupt: Er ist bemüht, einer Zeit, die sich vom Christentum zu lösen beginnt, einen Zugang zur Bibel zu eröffnen. Dabei ist insbesondere vorausgesetzt, dass auf Grund der aufkommenden historischen Bibelkritik die Bibel nicht mehr in der Weise als göttliches Buch verstanden werden konnte, wie es in der Orthodoxie der Fall war. Dieses Kernproblem der theologiegeschichtlichen Situation Herders wird in Teil 3 skizziert.

Um Herders Arbeiten zur Bibel zu würdigen, sind darüber hinaus philosophische und theologische Grundüberzeugungen zu berücksichtigen, die in Teil 4 erläutert und in ihrer Bedeutung für das Bibelverständnis dargelegt werden.

Im Anschluss daran wird Teil 5 wichtige Beispiele von Herders Bibelauslegung vorstellen.

Dabei steht die Auslegung von Gen 1 in der Schrift „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“ (5.1.) nicht nur aus chronologischen Gründen am Anfang, sondern auch, weil Herder mit ihr ein grundlegendes Interesse verfolgt: Wie C. Bultmann herausgearbeitet hat, sucht er aus der Exegese der biblischen Urgeschichte „ein Fundament der Theologie zu gewinnen“, das im Gespräch mit der kritischen Religionsphilosophie seiner Zeit Bestand hat. Dieses Anliegen wurde in der theologischen Beurteilung Herders lange Zeit übersehen (vgl. dazu Bultmann 1999, 9f.; dort auch das letzte Zitat).

Es folgt eine Besprechung von Herders Deutung des Sündenfalls (5.2.), die in Verbindung mit seinem Menschenbild von Interesse ist. Abweichend vom traditionellen Verständnis des Sündenfalls als des Verlustes der Gottebenbildlichkeit deutet Herder Fall und Vertreibung aus dem Paradies als von Gott gelenkten Fortschritt in der frühen Entwicklung des Menschen. Seine Deutung fügt sich in die optimistische Sicht des Menschen und der Geschichte ein, wie sie sich im 18. Jh. herauszubilden beginnt – wie es scheint als pragmatische Antwort auf die philosophisch unlösbare Theodizeefrage.

Schließlich soll Herders Verständnis des Hoheliedes besprochen werden (5.3.). Herders „Lieder der Liebe“ wird aus Sicht der alttestamentlichen Exegese als seine „wissenschaftsgeschichtlich bedeutendste Einzelschrift“ bezeichnet, in der er „dem bis heute gültigen Verständnis des Hohenliedes die Bahn gebrochen“ habe (Smend 1993, 1323), d.h.: sowohl dem Verständnis als Sammlung von Liebesliedern wie dem nichtallegorischen Verständnis. Tatsächlich ist Herders Arbeit forschungsgeschichtlich darin wirksam geworden, dass er das Hohelied mit außerbiblischer Liebespoesie vergleicht und auf die Beachtung des Wortsinns als Dichtung über die Liebe zwischen Mann und Frau großen Wert legt. Wenn aber die historisch-kritische Bibelwissenschaft seit dem frühen 19. Jh., nicht zuletzt unter Berufung auf Herder, das allegorische Verständnis des Hoheliedes pauschal zurückgewiesen hat, hat sie das eminent theologische Anliegen Herders übersehen, für den die schlichte Liebespoesie über sich hinausweist, so dass sie sehr wohl im allegorischen Sinne rezipiert werden kann. Die Besprechung soll diese bis heute nachwirkende einseitige Rezeption Herders korrigieren.

Der Artikel beschränkt sich auf Herders Arbeit am Alten Testament, das für ihn auf Grund der in 4.2. dargestellten Überzeugung über die Bedeutung antiker Sprachdenkmäler „als Nationaldokument und Sammlung alter Volkspoesie (…) einen uneinholbaren Vorsprung vor dem Neuen“ hatte (Smend, 1993, 1319; zum Begriff „national“ bei Herder vgl. Bultmann 2016, 329: Der Begriff bezeichne „die spezifisch kulturelle Prägung der Anschauungswelt der Entstehungszeit“). Die forschungsgeschichtliche Bedeutung von Herders Arbeiten zum Neuen Testament (vgl. dazu Kümmel 2. Aufl. 1970, 94-99; Frey 2005; Bultmann 2009, 240-242) soll durch die Beschränkung auf die alttestamentlichen Arbeiten nicht bestritten werden.

3. Das Kernproblem: die Bibel als göttliches und menschliches Buch

Herders „Briefe, das Studium der Theologie betreffend“ (1780/81) (zu dieser Schrift vgl. Maurer 2014, 113-117; Buntfuß 2016, 351-358) beginnen mit dem programmatischen Satz: „Es bleibt dabei, mein Lieber, das beste Studium der Gottesgelehrsamkeit ist Studium der Bibel, und das beste Lesen dieses göttlichen Buchs ist menschlich“ (FHA 9/1, 145).

Herder wendet sich an einen fiktiven Theologiestudenten, dem er einen Mittelweg zwischen Orthodoxie, aufkommender historischer Bibelkritik und aufklärerischer Religionsphilosophie zu zeigen sucht. Schon Herders eigene Studienzeit war von dem Umbruch zwischen der sich ihrem Ende zuneigenden Orthodoxie und der sich etablierenden historisch-kritischen Betrachtung der Bibel geprägt.

Die Orthodoxie lernte Herder in Gestalt seines Königsberger Lehrers T.C. Lilienthal kennen, der in einem sechzehnbändigen Werk die Wahrheit der biblischen Offenbarung zu verteidigen suchte (vgl. Erbkam 1883, 650f.). Dieses Werk empfiehlt Herder in den „Briefen“ als gelehrte Grundlagenliteratur (vgl. FHA 9/1, 179.216). Das Schriftverständnis der Orthodoxie war im Wesentlichen ungeschichtlich: Die einzelnen biblischen Autoren und ihre Besonderheiten waren nur insoweit interessant, als ihre jeweiligen Stimmen zur Polyphonie der einen inspirierten Heiligen Schrift beitrugen (vgl. dazu Steiger 2011, 26-33). Dem konnte sich Herder auf Dauer nicht anschließen. Dagegen stand schon sein universales Interesse an fremden Sprachen und Kulturen, das u.a. in den geographischen und ethnographischen Vorlesungen → I. Kants, aber auch durch Reiseberichte über orientalische Länder gefördert wurde (zur Bedeutung der Orient-Reiseberichte Willi 1971, 16-20). Die daraus gewonnenen Kenntnisse regten dazu an, die Bibel im Horizont der antiken orientalischen Kultur zu betrachten, in der sie entstanden ist. So war Herder für die frühe, mit den Namen → J.S. Semler, → J.A. Ernesti und J.D. Michaelis verbundene historische Bibelwissenschaft offen.

Allerdings gehört neben Kant auch J.G. Hamann zu den prägenden Bekanntschaften der Königsberger Studienzeit (vgl. dazu u.a. Kraus 2. Aufl. 1969, 114-118). Mit Hamann ist Herder in der Ablehnung einer abstrakten, ungeschichtlichen Rationalität einig. Hinsichtlich des Bibelverständnisses wird Hamanns Betonung von Sprache und Poesie („Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts“; Hamann 1950, 197) wichtig; aber auch Hamanns eigenes Bibelverständnis: Nach Hamann ist die Bibel an literarischer Qualität nicht mit den antiken Klassikern vergleichbar; für das Neue Testament, dessen Autoren ungelehrte Juden unter römischer Vorherrschaft waren, sei dies auch nicht zu erwarten. Die Bibel erweist ihre göttliche Qualität nicht bei äußerlicher Betrachtung; sie erschließt sich vielmehr, wenn man sich den biblischen Texten unbelastet von rationalistischen Vorurteilen zuwendet. Theologisch versteht Hamann die literarisch minderwertige Qualität der Bibel als Ausdruck einer Selbsterniedrigung des Heiligen Geistes: Dieser habe sich bei der Inspiration der Texte wie der Gottessohn bei der Inkarnation selbst entäußert (vgl. dazu Lindner 2006, 75-77).

Herder stimmt mit Hamann darin überein, dass die soziokulturelle Prägung der biblischen Texte durchgehend ernst zu nehmen ist. Hamanns Feststellungen, dass „der Charackter ihrer Schreibart der avthenikeste Beweiß für die Urheber, den Ort und die Zeit dieser Bücher ist“, und dass „Matthäus, der Zöllner, und Xenophon“ unmöglich denselben Stil schreiben können (Hamann 1950, 179), könnten auch von Herder formuliert sein. Ebenso besteht Übereinstimmung darin, dass die Bibel ihren göttlichen Charakter zeigt, wenn man sich ihr öffnet und nicht bemüht ist, sie nach rationalistischen Maßstäben zu beurteilen. Die Art und Weise, wie Hamann der Herausforderung gerecht wird, den göttlichen und den menschlichen Charakter der Heiligen Schrift miteinander zu verbinden, nämlich auf einer christologisch-pneumatologischen Grundlage, teilt Herder allerdings nicht.

Das theologische Kernproblem, das sich durch den Umbruch zwischen Orthodoxie und aufkommender historischer Bibelkritik ergab, besteht darin, den göttlichen Charakter der Bibel zu begründen, ohne ihren menschlich-geschichtlichen Charakter zu bestreiten.

Herder sieht mit der reformatorischen und orthodoxen Tradition in der Bibel die Grundlage von Glaube und Theologie. Er kann auch traditionelle exegetische Positionen würdigen. Allerdings warnt er vor orthodoxen Versuchen, den göttlichen Ursprung und die Unverfälschtheit der Bibel a priori nachzuweisen, „als sei dies Buch etwa im Himmel geschrieben worden und nicht auf Erden, von Engeln und nicht von Menschen“. Wer die geschichtliche Prägung der Bibel und ihre keineswegs fehlerfreie Textüberlieferung bestreitet, liefert den Kritikern des christlichen Glaubens Material für ihre „frechsten Einwürfe“ (vgl. dazu FHA 9/1, 146f.). Es führt kein Weg daran vorbei, die biblischen Texte in ihrem geschichtlichen, von Menschen einer bestimmten Zeit und Kultur geprägten Charakter ernst zu nehmen. So heißt es in den „Briefen“:

„Werden Sie mit Hirten ein Hirt, mit einem Volk des Ackerbaus ein Landmann, mit uralten Morgenländern ein Morgenländer, wenn Sie diese Schriften [=die Schriften des AT] in der Luft ihres Ursprungs genießen wollen, und hüten Sie sich insonderheit, so wie vor Abstraktionen dumpfer neuerer Schulkerker, so noch mehr für so genannten Schönheiten, die aus unsern Kreisen der Gesellschaft jenen heiligen Urbildern des höchsten Altertums aufgezwungen und aufgedrungen werden“ (FHA 9/1, 151).

Danach besteht der rechte Zugang zu den biblischen Texten darin, sich in die Sprache und Kultur ihrer Entstehungszeit zurückzuversetzen und von der Rationalität und Ästhetik eines Europäers der Aufklärungszeit abzusehen.

Das theologische Kernproblem ist dabei aber nicht zu vergessen. Es geht Herder ja nicht nur darum, die biblischen Texte als Dokumente ihrer orientalischen und antiken Entstehungszeit wahrzunehmen, sondern darum, „dieses göttliche (!) Buch“ menschlich zu lesen. Wie dies geschehen kann, ist auf der Basis einiger theologischer und philosophischer Grundüberzeugungen Herders zu klären.

4. Herder’sche Grundüberzeugungen und ihre Bedeutung für das Bibelverständnis

4.1. Ganzheitliche Rationalität

Die theologiegeschichtliche Bedeutung Herders kann darin gesehen werden, dass er gegenüber der von → Kant vertretenen Einordnung von Gefühl und Erfahrung als bloßen Affizierungen des Subjekts, auf die keine Erkenntnis begründet werden kann (z.B. Kant 1956, 776 [Religionsschrift 2. Aufl., 165f.]), für eine tiefere, ganzheitliche Rationalität eintritt, die auch vorrationale Wirklichkeitszugänge gelten lässt: „Überwindung der Aufklärung heißt bei Herder Überwindung der Vormacht der Logik und der Ethik überhaupt, der Verstandeskategorien sowie des kategorischen Imperativs, durch die Entdeckung des Gefühls und der Erfahrung, die Entdeckung der Möglichkeit einer Erkenntnis und eines Redens aus dem unmittelbaren Erlebnis. Wobei doch die dem 18. Jahrhundert (…) gemeinsame Entdeckung (…) des Menschen als des Maßes aller Dinge, nicht nur in die neue Zeit hinübergerettet, sondern durch die neuentdeckte menschliche Möglichkeit noch gewaltig bereichert und bestärkt wurde“ (Barth 2. Aufl. 1952, 282f.; vgl. dazu auch die Charakterisierung der Überwindung der „Verstandesaufklärung“ bei Hirsch 1952, 207f.). Wichtig ist dabei, dass Herder keineswegs als „Irrationalist“ bezeichnet werden kann: „Vielmehr zielte seine Emanzipation der Sinnlichkeit auf eine höhere Rationalität, auf den ‚ganzen Menschen‘“ (Maurer 2014, 11).

Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, wenn Herder von den „Abstraktionen dumpfer neuerer Schulkerker“ (FHA 9/1, 151) spricht (s.o. 3): Die aufgeklärte Rationalität engt die menschliche Wirklichkeitswahrnehmung ein. Neue Erkenntnis schafft sie nicht, sie baut vielmehr auf der ursprünglichen, breiteren Wahrnehmung auf: „Syllogismen können mich nichts lehren, wo es aufs erste Empfängnis der Wahrheit ankommt, die ja jene nur entwickeln, nachdem sie empfangen ist“ (FHA 4, 325).

4.2. Altertümliche Sprachdenkmäler als Ausdruck von nicht rational eingeengter Erkenntnis

Bei allen Themen seines Denkens setzt Herder eine grundlegende Bedeutung der Sprache voraus (vgl. Trabant 2009). Dabei fasst er die verschiedenen Sprachen als Ausdruck unterschiedlicher kultureller Denkweisen auf, wobei er innerhalb der Kulturgeschichte eine Entwicklung nach Analogie der menschlichen Lebensalter annimmt (vgl. Maurer 2014, 30-32.35-37). Archaische Sprachen enthalten noch Reste von Naturtönen, in denen sich der Mensch ganz ursprünglich artikulierte. Der Lebensalterlehre zufolge stehen sie hinsichtlich ihres Ausdrucksvermögens dem Kindesstadium der Menschheit nahe: Wie sich Kinder stark affekthaft äußern, so sind auch die frühen Sprachen affektgeladen, „während die kultivierteren der späteren Zeiten besonnener waren, was eine Sprache der Reflexion bedingte“ (Maurer 2014, 36).

Da alle Sprachdenkmäler nach ihrer jeweiligen Kulturstufe zu beurteilen sind, ist es unangemessen, alte Mythen nach den Maßstäben der aufgeklärten Gegenwart zu beurteilen. Es wäre auch schädlich, da nach Herder in den archaischen Sprachdenkmälern Wirklichkeitserschließungen zum Ausdruck kommen, die in der hochrationalisierten Prosa des 18. Jh.s so gar nicht ausgesprochen werden können:

„Wissen wir denn nicht, daß eben in den Winkeln der Erde, wo noch die Vernunft am wenigsten in die feine, gesellschaftliche, vielseitige, gelehrte Form gegossen ist, noch Sinnlichkeit, und roher Scharfsinn, und Schlauheit und mutige Würksamkeit und Leidenschaft und Erfindungsgeist – die ganze ungeteilte menschliche Seele am lebhaftesten würke? Am lebhaftesten würke, weil sie noch auf keine langweiligen Regeln gebracht. (…) Es ist für mich unbegreiflich, wie unser Jahrhundert so tief in die Schatten, in die dunkeln Werkstätten des Kunstmäßigen sich verlieren kann, ohne auch nicht einmal das weite, helle Licht der uneingekerkerten Natur erkennen zu wollen“ (FHA 1, 781).

Der methodisch-rationale Umgang mit alten Texten im Schul- und Universitätsbetrieb bleibt an der Oberfläche: „Wir haschen ihre Formalitäten und haben ihren Geist verloren; wir lernen ihre Sprache und fühlen nicht die lebendige Welt ihrer Gedanken“ (FHA 1, 781). Dagegen wäre es notwendig, den Geist der alten Texte komplementär zur modernen Wissenschaft und Philosophie wiederzugewinnen: „Alles Frühe wird unendlich interessant: schon die alten Griechen, aber noch mehr die ältesten Völker des Orients. (…) Um ein volles Menschsein zu erlangen, müssen wir die Ausdrucksformen früherer Zeiten wiederentdecken: Poesie, Gesänge, Töne“ (Maurer 2014, 37; vgl. dazu auch Vietta 2010, 81-83). Die Auslegung von Gen 1 in der „Ältesten Urkunde“ (5.1.) bietet ein Beispiel für das, was hiermit gemeint ist.

4.3. Gottebenbildlichkeit und Gotteserkenntnis

Anders als die in 4.1. und 4.2. besprochenen philosophischen Grundüberzeugungen ist die zentrale Bedeutung, die Herder dem Gedanken der → Gottebenbildlichkeit des Menschen zumisst, eine von der Bibel beeinflusste theologische Überzeugung. Sie besagt für Herder, dass der Mensch Gottes Sohn, Stellvertreter und Kind sowie Gottes moralischer Abdruck und Nachahmer ist (FHA 9/1, 442). Von hier aus erschließt sich, dass der Sinn der menschlichen Geschichte darin liegt, der Bestimmung zur Gottebenbildlichkeit immer mehr gerecht zu werden. Die „Hoffnung, daß wir gemäß unsern Anlagen gewiß weiter hinaufrücken werden“, setzt für Herder den angemessenen Umgang mit der Theodizeefrage frei (FHA 9/1, 441), was sich bei der geistesgeschichtlichen Einordnung seiner Deutung des Sündenfalls (5.2.) noch als wichtig erweisen wird.

Herders Geschichtsphilosophie ist ein Beispiel seines Bemühens, biblische Kerngedanken an das Denken seiner Zeit anzupassen. Nachdem das traditionelle christlich-partikulare Verständnis der Heilsgeschichte auf Grund der Entdeckung von bisher wenig oder gar nicht bekannten Völkern und Kulturkreisen an Plausibilität eingebüßt hatte, passt Herder den Gedanken der Heilsgeschichte den neuen Gegebenheiten an, indem er ihn auf die menschliche Universalgeschichte bezieht (zu dieser Einordnung der im Lauf der Werkgeschichte keineswegs einheitlich durchgeführten Geschichtsphilosophie Herders vgl. Heise 1998, 65ff.; auch Maurer 2014, 80f.124f.). In dieser Ausweitung kann, durchaus in biblischer Tradition, der Begriff „Offenbarung“ auf die „große Regierung Gottes durch alle Zeiten“ bezogen werden. Wie schon angesprochen bleibt Herder der Bibel zugleich darin verpflichtet, dass für ihn dieser Begriff der Offenbarung in der Geschichte „zentral an die Idee vom Bilde Gottes geknüpft“ ist (FHA 9/1, 442).

Aus der Bestimmung des Menschen als Ebenbild Gottes ergibt sich für Herder, dass „zugleich ein Stück Gotteserkenntnis“ zu gewinnen ist, „wenn man die Taten und Entwicklungsformen der Menschen im Zusammenhang zu deuten“ unternimmt (Maurer 2014, 75).

Als weitere Folgerung zieht er aus der Gottebenbildlichkeit des Menschen, dass dem menschlichen Erkenntnisvermögen Offenbarungscharakter zukommt:

„Bild der Gottheit! Menschlicher Geist! – du bist mein Offenbarer über die Philosophie! Ihr Newtone, ihr Leibnitze! ihr seid Boten der Gottheit an das Menschliche Geschlecht, die ich hören und prüfen und nachahmen soll in Forschung der Wege Gottes! Lehrer der Natur, die Gott mit Kräften begabte, die Welt zu erleuchten – ich folge euren Lehren und dringe mit euch, und euch nach in den Tempel der Gottheit!“ (SWS 6, 89).

Besonders begabte Menschen gelten also als Mittler von Offenbarungen Gottes. Dabei werden ihre Vernunftkräfte allerdings nicht ausgeschaltet – ein Gedanke, den Herder auch im Blick auf die biblischen Autoren verwirft (vgl. 4.4.1.) –, der Wert menschlicher Forschungs- und Geistesarbeit bleibt gewahrt.

Zum Gedanken der Gottebenbildlichkeit gehört schließlich, dass Gott „in allen Worten und Wohltaten, wo er sich uns als Gott zeigt, für uns menschlich handelt“. Deshalb gilt im Blick auf die Bibel: „Je humaner (…) Sie das Wort Gottes lesen, desto näher kommen Sie dem Zweck seines Urhebers“ (FHA 9/1, 145), wobei die humane Lesart nicht eine rein historische Auslegung ist, sondern eine Herangehensweise, die die menschlich-geschichtliche Seite der Texte ebenso ernstnimmt wie die Interaktion zwischen Gott und den Verfassern, durch die diese zum Schreiben angeregt werden.

4.4. Bedeutung für das Bibelverständnis

4.4.1. Offenbarung Gottes in menschlicher Dichtung

Am Ende von 4.3. wurde schon die Bedeutung der Gottebenbildlichkeit für Herders Vorstellung über die Inspiration der Bibel angesprochen. Daran können aber weitere Beobachtungen anschließen, die diese Inspiration näher zu fassen suchen.

In einer Predigt „Über die Göttlichkeit und Gebrauch der Bibel“ (Riga, 2. Advent 1768) begründet Herder den geschichtlich geprägten Charakter der biblischen Texte damit, dass Gott sich nicht anders offenbaren kann „als in der Sprache und Denkart des Volkes, des Erdstrichs, des Jahrhunderts, des Zeitalters, zu dem seine Stimme geschah“ (FHA 9/1, 29). Er spekuliert darüber, wie die Inspiration der biblischen Verfasser vor sich gegangen sein könnte. Da es inhuman wäre, wenn Gott dabei den Verstand des Menschen ausschalten würde, ist eine Inspirationsvorstellung ausgeschlossen, die dieses unterstellt (FHA 9/1, 33). Stattdessen ist anzunehmen, dass Gott in der Gnade, mit der er überall in der Schöpfung wirksam ist, die biblischen Schriftsteller so angesprochen hat, dass er „den Grund ihrer Seele (…) auf eine wunderbare und göttliche Weise“ unterstützte. Danach hätte Gott die Eigenaktivität der biblischen Schreiber angeregt, indem er ihnen Bilder vor Augen führte und ihre Aufmerksamkeit darauf richtete: „So entstanden Gedanken in ihrer Seele, und mit den Gedanken zugleich Worte“, die „ein Buch für die Nachwelt, und eine Regel für die Kirche“ wurden (FHA 9/1, 34f.).

Mit dem „Grund der Seele“, auf den Gott nach dieser Inspirationsvorstellung eingewirkt hat, ist der dem Menschen selbst unbewusste Urgrund der Persönlichkeit gemeint. Aus diesem heraus wird aber das bewusste, sich selbst schaffende Ich angeregt.

Die Vorstellung des Seelengrundes hat Herder während der Rigaer Zeit beschäftigt, wie die Ode „Zweites Selbstgespräch“ (FHA 3, 780-782) zeigt. Indem Herder sie für ein Inspirationsverständnis fruchtbar macht, verbindet er die Vorstellung einer (Personal-)Inspiration mit dem Geniegedanken des 18. Jh.s (vgl. dazu Bultmann / Zippert in: FHA 5, 896f.).

Die theologische Leistung dieser Spekulation über die Inspiration der biblischen Verfasser liegt darin, dass sie es erlaubt, den göttlichen und den menschlichen Charakter der Bibel zusammenzudenken: Indem die Texte ihr zufolge durch die Eigenwirksamkeit der Verfasser entstanden sind, indem aber deren Kreativität zugleich von Gott durch Bilder, die er ihnen vor die Seele stellte, angeregt wurde, ist beides gewährleistet. Die Bibel kann als menschlich geprägt, zugleich aber als Lehrbuch verstanden werden, das mitteilt, „was Gott will gelernt wissen“ (FHA 9/1, 37). Der göttliche Unterricht lehrt Wahrheit, Gottseligkeit und Tugend: Die Bibel präzisiert die Gotteserkenntnis aus der Schöpfung und bewahrt sie vor Verdunkelung (Wahrheit); sie sagt dem vom Gewissen angeklagten Sünder Vergebung und Versöhnung zu (Gottseligkeit); schließlich weist sie den Menschen den rechten Weg zu ihrer Bestimmung in Zeit und Ewigkeit (Tugend) (FHA 9/1, 36f.).

Obwohl die genannte Inspirationsvorstellung eine Antwort auf das theologische Kernproblem liefert, das seit der Etablierung der historischen Bibelkritik bestand (vgl. oben 3.), befriedigt die Lösung nicht, da sie als eine Art petitio principii aus dem schon vorausgesetzten göttlichen und menschlichen Charakter der Bibel gefolgert ist. So distanziert sich Herder auch in den „Briefen, das Studium der Theologie betreffend“ von Spekulationen über die Art und Weise des Inspirationsvorgangs.

Da sich der Inspirationsvorgang menschlicher Einsicht entzieht, sei „das Göttliche dieser Schriften lebendig anzuerkennen, zu fühlen und anzuwenden“, ohne sich „fruchtlosen scholastischen Grillen und Grübeleien“ über Fragen der Inspiration hinzugeben (FHA 9/1, 257f.).

Das bedeutet also, dass der göttliche Charakter der biblischen Schriften erkannt wird, wenn man sich auf das einlässt, von dem die Schriften handeln (zum Folgenden vgl. FHA 9/1, 252-255). Im Alten Testament ist das die Geschichte Israels als des Volkes unter der Führung Gottes. Da Israel in keiner Weise verherrlicht wird, wirkt die im Alten Testament erzählte Geschichte unerfunden. Ihre universale Bedeutung liegt darin, dass Israel „Bild und Figur der Beziehung Gottes auf Menschen, und dieser auf Jehovah, den Einzigen, den Gott der Götter“ ist (FHA 9/1, 255).

Der Bibel zufolge spricht Gott zu den Menschen nicht in abstrakten Spekulationen, sondern durch seine Taten in Natur und Geschichte. Die biblischen Texte sind „nichts als ein Aufschluß seiner Werke, selbst voll Tat, voll Wahrheit“ (FHA 9/1, 260).

Der Wandel im Inspirations- und Offenbarungsverständnis zwischen der Predigt von 1768 und den „Briefen“ von 1780-1781 ist beachtlich: In der Rigaer Predigt vertritt Herder noch ein der Orthodoxie sehr nahestehendes Inspirationsverständnis, Offenbarung erscheint als Mitteilung von Dingen, die der Mensch sich nicht selbst sagen kann und damit als göttlicher Unterricht; in den „Briefen“ nimmt er von Inspirationsspekulationen Abstand und stellt Gottes Wirken, seine Tat in Natur und Geschichte, in den Vordergrund. Die biblischen Texte erschließen dieses Wirken. Der Leser muss sich den biblischen Texten öffnen, um nachzuerleben, was in ihnen an Gottestat dokumentiert ist, und es als Beispiel des eigenen Lebens anzunehmen.

Nach dem späteren Offenbarungsverständnis müssen die biblischen Autoren die Taten Gottes wahrgenommen haben, ohne dass gesagt werden könnte, wie das geschah. Offenbarung, die so über Erfahrung und Nacherleben vermittelt wird, ist nicht mehr als göttlicher Unterricht verstanden, der in einer wie auch immer vorzustellenden Anrede Gottes von außen an den Menschen ergeht.

4.4.2. Der altertümliche Charakter der hebräischen Sprache

Aus der unter 4.2. besprochenen Wertschätzung altertümlicher Sprachdenkmäler als Ausdruck von nicht rational eingeengter Erkenntnis ergibt sich insofern eine besondere Hochschätzung der Bibel, als Herder die biblischen Texte auf Grund ihres hohen Alters und der hohen Altertümlichkeit der hebräischen Sprache für besonders archaisch hält (vgl. dazu auch Bultmann 2009, 238f.; zum Folgenden auch Willi 1971, 7-9).

Das Hebräische gehört für ihn zu den alten Sprachen des Orients, in denen noch viel von den Naturlauten enthalten ist, mit denen die Menschen am Anfang ihrer Sprachentwicklung ihre Empfindungen zum Ausdruck brachten:

„Die ältesten morgenländischen Sprachen sind voll von Ausrüfen, für die wir spätergebildeten Völker oft nichts als Lücken, oder stumpfen, tauben Mißverstand haben“ (FHA 1, 701).

Vor allem darin, dass die Vokale ursprünglich nicht geschrieben wurden, lässt die hebräische Sprache erkennen, „daß sie in ihrem Anfange so lebendigtönend, so unschreibbar gewesen, daß sie nur sehr unvollkommen geschrieben werden konnte“. Die Griechen mussten bei der Übernahme des Alphabets aus dem Vorderen Orient Vokalzeichen und Spiritus hinzufügen,

„da bei den Morgenländern die Rede gleichsam ganz Spiritus, fortgehender Hauch und Geist des Mundes war (…). Es war Othem Gottes, wehende Luft, die das Ohr aufhaschete, und die toten Buchstaben, die sie hinmaleten, waren nur der Leichnam, der lesend mit Lebensgeist beseelet werden mußte!“ (FHA 1, 704).

Diese Feststellungen aus Herders „Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ richten sich gegen J.P. Süßmilch (zu der Abhandlung und ihrer Bedeutung vgl. Trabant 2009, 122-133; Maurer 2014, 65-70; Simon 2016). Dieser hatte die Auffassung, dass die Sprache göttlichen Ursprungs sei, unter anderem damit begründet, dass alle Sprachen aus wenigen Lauten kombiniert sind, so dass alle Sprachen mit nur wenigen Buchstaben verschriftet werden können (vgl. FHA 1, 702 m. Anm. 1). Nach Herder können aber gerade archaische Sprachen nur mit Mühe verschriftet werden. Dazu rechnet er abgesehen von den alten orientalischen Sprachen wie dem Hebräischen auch die indigenen Idiome Amerikas sowie die Sprachen der Esten und Lappen, „unser kleine (sic!) Rest von Wilden in Europa“ (FHA 1, 703). Dadurch wird Süßmilchs Auffassung einer direkten göttlichen Schöpfung der Sprache gerade nicht bestätigt. Stattdessen legt Herders Beobachtung „einen tierischen Ursprung“ der Sprache (FHA 1, 704) nahe – allerdings ist die Sprache als Ausdrucksmedium menschlicher Besonnenheit von den Lautäußerungen der Tiere klar unterschieden. Wenn aber archaische Sprachen wie die des Orients, darunter das Hebräische, noch einiges von den ursprünglichen Naturlauten enthalten, und wenn sie damit nach Herder „ganz Spiritus“ und „Othem Gottes“ sind, so will er angesichts der grundlegenden Fragestellung, ob die Sprache göttlichen Ursprungs sei, damit wohl andeuten, dass die urtümlichen Sprachen des Orients auch göttliche Erfahrungen zum Ausdruck bringen, von denen die Rationalität der weiter entwickelten Sprachen nichts weiß.

4.4.3. Das Alte Testament in seiner hebräischen Eigentümlichkeit

Wenn vor dem in 4.4.2. umrissenen Hintergrund das Hebräische als besonders altertümliche Sprache Gotteserfahrungen zum Ausdruck bringt, die späterer Rationalität so nicht zugänglich sind, dann ist es ein Vorteil, dass das Alte Testament „in der alten, planen, ländlich-poetischen, unphilosophischen, Abstraktionslosen Sprache der Ebräer“ (FHA 9/1, 151) geschrieben ist.

In der Schrift „Vom Geist der Ebräischen Poesie. Eine Anleitung für die Liebhaber derselben und der ältesten Geschichte des menschlichen Geistes“ (FHA 5, 661-1308) versucht Herder dem Publikum seiner Zeit die archaische Poesie der Hebräer zu erschließen. Der Titel des Buches erinnert an das Werk De sacra Poesi Hebraeorum von → R. Lowth, das in einer kommentierten Übersetzung von J.D. Michaelis in Deutschland bekannt geworden war und das die auch für Herder entscheidende Idee verbreitete, dass das Alte Testament als Dichtung gelesen und mit der Literatur anderer Völker verglichen werden kann. Durch die Anknüpfung an Lowth macht Herder schon im Titel deutlich, dass er die Bibel nicht als von Gott inspiriertes Buch im orthodoxen Sinn, sondern als menschliches Buch darstellen will. Damit dürfte aber wohl die Hoffnung verbunden gewesen sein, dass auch die Leser, die nichts mehr vom göttlichen Charakter der Bibel im überkommenen Sinn hielten, durch die poetische Schönheit der Texte zu ihren göttlichen Inhalten geführt werden (so Maurer 2014, 122).

In dieser in Dialogform verfassten Schrift stellt einer der Dialogpartner fest, dass das frühe Hebräisch, das noch keine Einflüsse aus gebildeten Nachbarkulturen aufgenommen hat, am meisten zu schätzen sei:

„Wir reden vom Ebräischen, da es die lebendige Sprache Kanaans war, und auch hier nur von ihren schönsten und reinesten Zeiten, ehe sie mit dem Chaldäischen, Griechischen u. and. vermischt ward. Da lassen Sie sie doch wenigstens als ein armes, aber schönes und reines Landmädchen, als eine Land- und Hirtensprache gelten“ (FHA 5, 677f.).

Diese Sprache und ihre Denkmäler dürfen aber nicht mit den Maßstäben einer ganz anders gearteten nordischen Sprache oder einer auf einer rationaleren Kulturstufe stehenden philosophisch-abstrakten Sprache und ihren jeweiligen Sprachdenkmälern gemessen werden. So setzt sich Herder darin klar von Lowth ab, dass die hebräische Poesie nicht mit Kategorien interpretiert werden darf, die der klassischen griechischen Literatur entnommen sind.

Auf derselben Linie liegt die Einsicht, dass biblische Dichtungen nicht mit Kategorien neuzeitlicher Rationalität beurteilt werden dürfen: Gen 1 enthält keinen „Newtonianism à la Mosaïque“, der „hebräische Schöpfungsgesang“ ist nicht „nach Leibnitz und Wolfs Metaphysik“ zu beurteilen. Diejenigen, die beides vermischen, „sind weder des Einen, noch des andern werth“ (SWS 6, 89). Diese Feststellungen aus Herders Schrift „Fragmente zu einer ‚Archäologie des Morgenlandes‘“ (auch: „Hebräische Archäologie“; „Archäologie der Hebräer“) sind durch Beobachtungen zur Auslegung von Gen 1 in der „Ältesten Urkunde des Menschengeschlechts“ (5.1.) zu vertiefen.

5. Beispiele von Herders Bibelauslegung

5.1. Zur Auslegung von Gen 1 in der „Ältesten Urkunde des Menschengeschlechts“

Herders Schrift „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“ (1774-1776) widmet sich der Auslegung der biblischen Urgeschichte (Gen 1-11), v.a. des ersten Schöpfungsberichts (Gen 1,1-2,3) (zu dieser Schrift vgl. neben Schottroff 1998 v.a. Bultmann, 1999; Bultmann 2016; zu Herders Begriff der „Urkunde“ als „Mittelbegriff zwischen Dichtung und Historie“ Willi 1971, 60.62f.).

Die Auslegung der ersten Kapitel der Genesis ist per se von theologischer Brisanz, hat sich doch an ihnen „begreiflicherweise wie nirgends sonst die Frage nach der Geltung der Bibel in der Neuzeit entzündet“ (Smend 2005, 5). C. Bultmann hat herausgearbeitet, dass sich Herder in dieser Schrift mit der religionskritischen Philosophie seiner Zeit, insbesondere D. Humes, auseinandersetzt. Er verteidigt die theologische Relevanz der Bibel als Offenbarungsbuch sowie das Christentum als Offenbarungsreligion, indem er anhand von Gen 1 zeigt, dass es zugleich als natürliche Religion zu verstehen ist.

Die „metaphorisch verschlüsselte, oft vieldeutige und schwer verständliche, an Exklamationen reiche ‚Sturm und Drang‘-Sprache“ des Buches hat schon unmittelbar nach Erscheinen Anstoß erregt (Schottroff 1998, 260 unter Berufung auf den Berliner Aufklärer C.F. Nicolai); schon von Kant wurde es als unmethodisch kritisiert (vgl. Schottroff 1998, 161; Bultmann 1999, 171f.). Gegenüber einer solchen Kritik ist aber zunächst zu berücksichtigen, dass Herder die biblische Urgeschichte im Sinne der in 4.4.2. und 4.4.3. dargestellten Grundüberzeugungen als Poesie aus uralter Zeit zu verstehen sucht.

Diese archaische Poesie kann aber nach Herder nur bedingt mit rational eingeengter Methodik erschlossen, sie muss nacherlebt werden. Wenn aus Sicht einer methodisch entwickelten historisch-kritischen Exegese angemerkt werden konnte, Herder habe „keine einzige gründliche Auslegung und Erklärung alttestamentlicher Texte erarbeitet“, seine Beiträge seien vielmehr „aus intuitivem Erleben“ herausgekommene „Impressionen und Gedanken“ (Kraus 2. Aufl. 1969, 127), so bleibt – unabhängig von der Frage, ob der Vorwurf in dieser Allgemeinheit zutrifft (vgl. Bultmann 1999, 11 Anm. 35) – festzustellen, dass die intuitive Herangehensweise der Voraussetzung entspricht, mit der sich Herder den Texten zuwendet.

Bei der von Kant geäußerten Kritik bleibt zu berücksichtigen, dass die „Älteste Urkunde“ die in 4.4.1. beschriebene Abkehr von einer Auffassung von Offenbarung als informativer Mitteilung durch Gott voraussetzt, während Kant „bei einer traditionellen Vorstellung von Offenbarung als göttlichem Unterricht“ stehen geblieben ist (Bultmann 1999, 172).

Diese Hinweise mögen genügen, um die Schwierigkeiten anzudeuten, mit denen die Beurteilung von Herders Bibelauslegungen konfrontiert sein kann.

Herders Verständnis des ersten Schöpfungsberichts zeigt sich eindrücklich an seiner Auslegung der Schöpfung des Lichts in Gen 1,3.

Er ist sich bewusst, dass der Schöpfungsbericht seiner archaischen Prägung entsprechend Bilder verwendet: Er stammt aus einer Zeit, in der das rationale, philosophische Denken noch nicht entwickelt war. Im Gegensatz zu den Deisten, die diejenigen verachten, die sich konkrete Gottesbilder machen, weiß Herder aber, dass „die sinnliche, andächtige, oder wie jene Herren es nennen, abergläubische Menschheit“ immer noch Bilder braucht (FHA 5, 206). Dem deistischen Urteil kann Herder nicht folgen, weil für ihn Sinnlichkeit zum Menschsein gehört und damit auch Bilder als „Ausdruck (…) wirklicher Erschließung von Welt“. (Bultmann 1999, 152; ebd. zu Herders antideistischer Kritik an dieser Stelle). Ein „schöneres, herrlicheres, allerfreuenderes Bild der Offenbarung Gottes als – Licht!“ ist aber nicht denkbar (FHA 5, 206).

Das gilt schon deshalb, weil jeder Sonnenaufgang die Lichtschöpfung von Gen 1,3 von Neuem erlebbar macht: „Komm’ hinaus, Jüngling, aufs freie Feld und merke. Die urälteste herrlichste Offenbarung Gottes scheint dir jeden Morgen als Tatsache, als großes Werk Gottes in der Natur!“ (FHA 5, 239). Der elementare Charakter der allmorgendlichen Schöpfungserfahrung zeigt sich auch daran, dass „alle Naturvölker, die wir Wilde nennen (…) diese Anbetung vor dem Morgenstrahle“ haben (FHA 5, 241). Für den, der je das Erwachen der Schöpfung am Morgen beobachtet hat, ist es kein Rätsel, warum nach Gen 1 das Licht (Gen 1,3) vor der Sonne (Gen 1,14-19) geschaffen wurde: Das Licht zeigt sich ja allmorgendlich schon vor Sonnenaufgang (vgl. dazu FHA 5, 243).

Auf Grund der Prägung durch die Erfahrung des morgendlichen Sonnenaufgangs ist Gen 1 jedem unmittelbar verständlich, der „aus den dunklen Lehrstuben des Abendlandes in die freiere Luft Orients“ hinausgeht, „wo dieses Stück gegeben worden“ (FHA 5, 200), d.h.: der sich, ohne den Text philosophisch zu hinterfragen, auf das einlässt, was Gen 1 erzählt.

Das Schöpfungsgeschehen, von dem der Text spricht, kann nur mitempfunden, nicht äußerlich vorgestellt oder im Bild dargestellt werden. Himmel und Erde können das „große Gemälde Gottes“ genannt werden; Gott selbst ist darin aber nur in seiner Tat fassbar: Von ihm strahlt alles „nur als dunkler Abglanz“ ab (FHA 5, 244).

Bei einer Würdigung von Herders theologischem Interesse an Gen 1 darf aber nicht übersehen werden, dass zur Tat Gottes das Wort tritt. Das Schöpferwort Gottes ist „in die sanfte Morgenfolge (…) verborgen“ (FHA 5, 253); es ist die „Lehrmeisterstimme“, die das Bild erst begreiflich macht (FHA 5, 246). Die „direkte Interaktion zwischen Gott und Mensch in der Urgeschichte“ (Bultmann 1999, 156) erfolgt allerdings nicht in einer Wortoffenbarung, sondern in „heiligen Momenten der Ersten Offenbarung“, die der früheste Mensch erfuhr, „als Adam ward, da stand, sahe, Gott überall, sich in ihm, sich als Sein Bild fühlte“. Der Schöpfungsbericht liegt heute als Tradition über diese ursprüngliche Offenbarung vor. Wer sich da hineinfühlt, der hört, „wie Väterlichliebreich Gott zeiget, winket, spricht und nennet“ (FHA 5, 254f.).

Das von Herder vorausgesetzte Miteinander von Offenbarung Gottes in der Natur und göttlicher Deutung ist im Blick auf die Debatte über positive und natürliche Religion bedeutsam (vgl. dazu Bultmann 1999, 153ff.; Bultmann 2016, 335). Herder zitiert Voltaire mit den Worten: „Der Katechismus (d.i. die Bibel) lehrt Gott – aber die Kinder! Newton die Weisen!“ (FHA 5, 246). Darin wird die positive, auf Offenbarung beruhende Religion gegen natürliche Gotteserkenntnis ausgespielt. Als „Apologet offenbarter Religion“ betont Herder die Verbindung von natürlicher Religion und positiver Offenbarung, derzufolge der natürlichen Religion keine Priorität zukommt. Vielmehr ist die Offenbarungsreligion „gleichursprünglich mit der natürlichen Religion, ja sogar deren notwendige Bedingung“ (die beiden letzten Zitate in: Bultmann 1999, 154).

Die Verbindung von Gottes Offenbarung in Werk und Wort der Schöpfung gibt einen „Aufschluß“, der über das Einsichtsvermögen wissenschaftlicher Naturbetrachtung hinausgeht. Während diese moderne Weise, die Natur zu betrachten, alles in ein „Gewühl einzelner, abgesonderter, ganzer Geschöpfe“ zergliedert, „jedes für sich eine Welt: keins mit dem andern zusammenhangend“, hatten die Menschen der Frühzeit zu einer solchen methodisch rationalisierten Zergliederungsarbeit „nicht Zeit, nicht Mittel und Werkzeuge, nicht Abstraktionsgabe und – nicht Lust und Mut“. Gerade das ermöglichte ihnen aber eine elementare, existentielle Gesamtwahrnehmung: „Die ganze Schöpfung webte lebendig vor ihren Augen, sie in der Schöpfung, welch ein großer Tumult!“ (die letzten Zitate in: FHA 5, 247).

Vor den Gotteserfahrungen, die diese Gesamtwahrnehmung ermöglicht, verblassen die Schlussfolgerungen späterer Rationalität: „Der Gott, der Lehrer dieses Menschen, soll ihn lehren, wodurch? nicht durch Schlüsse und Abstraktionen, von denen er, wie kein Unmündiger, weiß! die uns eben ermatten und hindern und erblinden – allein durch Gegenwart und Kraft“ (FHA 5, 250). So hat der Mensch, der das Licht als „Vorbild der allenthüllendsten Demonstration Gottes“ erfährt, ohne bestimmen zu können, ob es sich hierbei um ein Bild oder die Sache selbst handelt (FHA 5, 252), dem modernen, rational zergliedernden Menschen voraus, dass er unmittelbar weiß, dass er in Gott lebt und webt (FHA 5, 254). Darin wird er schließlich auch der für Herder so wichtigen Bestimmung des Menschen gewahr: „Göttliche Gestalt, Bild Gottes in sich zu erkennen!“ (FHA 5, 255). Die Gesamtwahrnehmung der Schöpfung, wie sie sich in Gen 1 spiegelt, erschließt also auch Antworten auf Sinnfragen.

Herders Verständnis von Gen 1 lebt von der Voraussetzung, dass der Text eine sehr altertümliche Tradition bewahrt hat und damit eine Erfahrung von Gottes Schöpferwirken mitteilt, die an den Ursprung der Menschheit nahe heranreicht.

Hierbei handelt es sich nicht um die Mitteilung einer Information Gottes über sein Schöpferwirken; Herder bleibt wie in einer Vorfassung der „Ältesten Urkunde“ dabei, dass „die biblische Schöpfungsgeschichte (…) kein Orakel Gottes über seine Weltschaffung“ ist (SWS 6, 74). Vielmehr dokumentiert der Schöpfungsbericht ein Ineinander von Welterfahrung und begleitender göttlicher Erschließung (vgl. dazu auch Bultmann 1999, 189).

Das hohe Alter der in Gen 1 erhaltenen Tradition begründet Herder zum einen damit, dass der Text als Hieroglyphe strukturiert ist, die mnemotechnisch wichtig war, bevor die Buchstabenschrift und Bücher erfunden wurden (vgl. dazu FHA 5, 267ff.). Damit muss er weit älter als Mose sein (vgl. FHA 5, 305f.); er muss also zu den Quellen gehören, auf die Mose bei der Abfassung des Pentateuchs zurückgriff (zu literargeschichtlichen Überlegungen Herders im Anschluss an frühe Quellentheorien vgl. Bultmann 2016, 328f.; auch Bultmann 1999, 149f.190). Darüber hinaus versucht Herder im zweiten und dritten Teil der „Ältesten Urkunde“ das hohe Alter von Gen 1 durch religionsgeschichtliche Beobachtungen zu untermauern, nach denen in Gen 1 eine älteste Form von Religion greifbar ist, deren Spuren auch in anderen antiken Religionen greifbar sind (vgl. dazu auch Bultmann 1999, 165-169; Bultmann 2016, 332f.336f.).

Die Auslegung von Gen 1 als Ausdruck einer uralten, elementaren Erfahrung Gottes als Schöpfer bildet ein Beispiel für Herders Grundüberzeugung, dass archaische Sprachen und Sprachdenkmäler eine umfassende, nicht von den Regeln späterer Philosophie und Wissenschaft eingeengte Wirklichkeitserschließung spiegeln (4.2.). Dass es notwendig ist, den Geist der alten Texte komplementär zur modernen Wissenschaft und Philosophie wiederzugewinnen, wird darin konkret, dass der erste Schöpfungsbericht eine Ergänzung zur methodisch zergliedernden Naturwissenschaft bildet, die anders als der alte Text die Welt nicht als einheitliche Schöpfung in den Blick bekommt.

5.2. Zu Herders Deutung des Sündenfalls als „Fortleitung“ der Menschheit

Auf Grund der Bedeutung, die Herder der → Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1,26) als Schöpfungszweck und Sinn der Menschheitsgeschichte zumisst (4.3.), kann er dem traditionellen Verständnis nicht folgen, nach dem die ursprüngliche Gottebenbildlichkeit durch den Sündenfall (Gen 3) verlorengegangen ist. Hatte er sich bei der Besprechung von Gen 2 im vierten Teil der „Ältesten Urkunde“ (FHA 5, 496-547) eng an → Luther angelehnt, so weicht er bei der Interpretation von Gen 3 (FHA 5, 548-621) von ihm ab (vgl. dazu Bultmann 1999, 163f.), indem er den Sündenfall als notwendigen Schritt zum Erwachsenwerden der Menschheit deutet. Dasselbe Verständnis vertritt er in einer Besprechung von Gen 2f. in den „Briefen, das Studium der Theologie betreffend“ (vgl. FHA 9/1, 153-159).

In diesem Zusammenhang deutet Herder das → Paradies als geschützten Ort, an dem der Mensch dazu erzogen wurde, seinem Schöpfungszweck der Gottebenbildlichkeit gerecht zu werden. Im Paradies lernt er „Vernunft, Kunst und Sprache“ im Umgang mit den Tieren, die Gott ihm als Gefährten beigegeben hat; hier erhält er mit der Frau „eine neue Welt geselliger Freuden, ein Band der Liebe, die (…) über jede andre Liebe gehet“ – und schließlich erhält er im Paradies das Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen, um daran Tugend und Ehrfurcht gegenüber Gott zu lernen (so FHA 9/1, 155f.).

Die Übertretung des Verbots wie die anschließende Vertreibung aus → Eden war aber unvermeidlich, damit der Mensch beginnen konnte, seiner Bestimmung zum Ebenbild Gottes in der Welt nachzueifern. In Fall und Vertreibung sieht Herder daher göttliche Führung wirksam:

„Der Vater [=Gott] tut, was er zu tun hat, wozu er auch diesen frühen Fall zuließ; er macht ihnen ihr Versehen zur Pforte eines anderen schwerern und doch auch nötigen Zustandes, ihre Strafe ist nicht Tod, wie er sie zu schrecken gedrohet hatte, sondern eine neue, nur ihnen herbere Wahrheit“ (FHA 9/1, 157).

Der Mensch ist nicht mehr im kindlichen Urzustand, er kennt jetzt das Leben mit seinen Nöten, erfährt in alledem aber auch Gottes Gnade: Gott lässt den Menschen nicht den angedrohten Tod sterben; mit der Anfertigung der Fellkleider (Gen 3,21) lehrt er die Menschen eine wichtige Kulturtechnik; zugleich bekommt der Mensch, „da die Schlange seine Feindin und einmal Tod in der Natur ist, (…) eine Macht und Geschicklichkeit über das Leben der Tiere, die ihm zu seinem neuen Aufenthalt und Werk so nötig war, als zu seiner Kleidung“ (FHA 9/1, 158).

Dieses Verständnis, nach dem der „Edenszustand“ beendet werden musste, als „eine gewisse Entwicklung der menschlichen Fähigkeiten und Empfindungen da war“, und nach dem der dann erreichte Zustand „nicht Unter- sondern Über- und Fortgang des Menschengeschlechts im Plan Gottes“, also Gottes „Fortleitung“ der Menschen, war (FHA 5, 604), lässt sich als theologische Voraussetzung der in 4.3. besprochenen Grundüberzeugung Herders verstehen, dass der Sinn der Geschichte darin besteht, dass sich der Mensch seiner Bestimmung zur Gottebenbildlichkeit immer weiter annähert.

Diese Verbindung zwischen dem Sündenfall und dem auf die Vervollkommnung des Menschen ausgerichteten Geschichtsverständnis wird deutlich, indem Herder den Strafspruch über die Schlange in Gen 3,14-15 als Ankündigung der Überwindung des Bösen durch die Menschen versteht. Gen 3,15 wurde in der christlichen Tradition als erste biblische Ankündigung der Erlösung durch Jesus Christus, als → „Protevangelium“, verstanden. In diesem Sinne hat Luther den Vers als „christologische Essenz“ und hermeneutischen Schlüssel des Alten Testaments (so Asendorf 1998, 68) hochgeschätzt, ebenso die lutherische Orthodoxie (vgl. Gallus 1964-1976). Auch Herder entnimmt dem Protevangelium eine Erlösungshoffnung; jedoch weicht sein Verständnis von dem der Tradition ab:

„Den Menschen ward [in Gen 3,15b] die mutige Aussicht gegeben, daß sie, die Nachkommenschaft des Weibes (…) stärker und edler sein, als Schlange und Alles Böse. Sie würden diesem das Haupt zertreten, und dieses sich nur mit einem elenden Fersenstiche rächen können; kurz, das Gute sollte Übermacht gewinnen über das Böse durch alle edle [sic!] Streiter, durch jeden trefflichen Kämpfer aus dem Menschengeschlechte“ (FHA 9/1, 309).

Herder bezieht also den in Gen 3,15b angekündigten Sieg des „Samens“ der Frau nicht individuell auf Christus, wie es für das Verständnis als Protevangelium grundlegend ist, sondern kollektiv auf die Menschheit. Damit steht sein Verständnis in einer Tradition, die in der christlichen Wirkungsgeschichte v.a. von → Calvin vertreten wurde (vgl. Gallus 1964-1976, Bd. I, 164f.168). Zur Zeit der altprotestantischen Orthodoxie war die Frage des kollektiven oder individuellen Verständnisses ein Streitpunkt zwischen Calvinisten und Lutheranern (vgl. Gallus 1964-1976, Bd. II, 11). Herder führt das kollektive Verständnis dahingehend fort, dass Christus der Menschheit nicht als der von Gott angekündigte Erlöser gegenübersteht: Er ist für ihn „der edelste Streiter gegen das Böse, der tapferste Zertreter des Kopfs der Schlange aus Eva’s Geschlecht“ (FHA 9/1, 309). Christus realisiert also das in vollkommener Weise, was nach Gen 3,15 für die Menschheit insgesamt gelten soll.

Dass der Mensch nach dem Sündenfall in der Lage ist, gegen das Böse zu kämpfen und es zu überwinden, macht im Sinne Herders den Wert des Nach-„Edenszustandes“ aus, der es rechtfertigt, die Vertreibung aus dem Paradies als „Fortleitung“ der Menschen zu verstehen.

Indem der Mensch aber durch Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies seiner eigentlichen Bestimmung näherkommt, und indem „nur in der Hoffnung, daß wir nach unsern Anlagen gewiß weiter hinaufrücken werden, (…) wahrer Ersatz gegen unsre Mängel und wirkliche Unvollkommenheiten“ liegt (FHA 9/1, 441), ist Herders Interpretation des Sündenfalls im Ansatz der von O. Marquard sog. „zweiten Positivierung des Sündenfalls“ zuzuordnen und geht darin der Interpretation von Kant, Schiller und Fichte voran (vgl. dazu Marquard 1981, 56-61; als „erste Positivierung“ bezeichnet Marquard die Anwendung des bonum-durch-malum-Gedankens auf den Sündenfall in Leibniz‘ „Theodizee“).

Den applikativen Kontext dieser zweiten Positivierung des Sündenfalls bildet die nach dem Erdbeben von Lissabon (1755) besonders drängend gewordene Theodizeefrage. Da keine Antwort auf diese Frage möglich ist, läuft die Positivierung des Sündenfalls auf die Möglichkeit eines praktischen Umgangs mit den Übeln in der Welt hinaus: Der mündig gewordene Mensch soll sich auf seine Freiheit zu eigenverantwortlichem Handeln besinnen und sich berufen sehen, gegen die Übel der Welt anzugehen. Dass das Problem der Übel in der Schöpfung nicht zu lösen ist, bildet die Voraussetzung dafür, dass nun, mit Marquard gesagt, die Geschichte – also „jene Schöpfung, die der Mensch wirklich schaffen zu können scheint“ – „als Schöpfung ausgezeichnet“ wird. Indem der Blick von der Schöpfung Gottes mit ihren unerklärlichen Übeln weg auf das Menschenmögliche gerichtet wird, wird die zweite Positivierung des Sündenfalls zur „Radikaltheodizee durch die autonomistische Emanzipationsphilosophie“ (so Marquard 1981, 56f.; dort die letzten Zitate).

Auf Herder geht Marquard nicht ein. In der Tat lässt sich dieser nicht einer „autonomistischen Emanzipationsphilosophie“ zuordnen: Das Menschliche unterliegt bei Herder ja nach wie vor der Führung Gottes, und der Sinn der Geschichte liegt für ihn in der Verwirklichung der Gottebenbildlichkeit. Auch kann Herder Leibniz‘ Theodizeegedanken noch etwas abgewinnen. Allerdings warnt er davor, die Gemeinde auf diesem Gebiet in „metaphysische Dornhecken“ hineinzuführen. So läuft es schon bei Herder darauf hinaus, dass der sinnvolle Umgang mit der Frage nach den Übeln in der Welt darin liegt, nicht über diese wohl „schwerste Frage, die es in der Welt gibt“ (die letzten Zitate in: FHA 9/1, 441) zu raisonnieren, sondern auf dem Gebiet, wo es dem Menschen möglich ist, gegen die Übel anzugehen. Damit zielt die gegenüber der kirchlichen Tradition positivierte Auffassung des Sündenfalls bei Herder in dieselbe Richtung wie bei Kant (das ist wohl gegenüber Schottroff 1998, 276 zu betonen).

5.3. Zu Herders Verständnis des Hoheliedes nach den „Liedern der Liebe“

In seiner Schrift „Lieder der Liebe. Die ältesten und schönsten aus Morgenlande“ (1778) (zu dieser Schrift auch Baildam 1999; Gaier 2005) beschäftigt sich Herder mit dem → Hohelied. Ziel der Schrift ist es, das Hohelied als Beispiel sehr alter orientalischer Liebesdichtung, in seiner uralten hebräischen Einfalt“ (FHA 3, 483), verständlich zu machen, die schon kaum in deutscher Übersetzung wiederzugeben ist (vgl. FHA 3, 389f.). Die dogmatischen Interpretationen der kirchlichen Auslegungstradition werden dem Hohelied nicht gerecht: In ihm geht es weder um Buße und Bekehrung, noch ist es ein „Kompendium der Ketzergeschichte“ (vgl. die ironischen Bemerkungen in: FHA 3, 483). Allerdings werden auch die Hypothesen neuerer, aufgeklärter Ausleger dem Hohelied nicht gerecht, die dem Buch einen moralischen Zweck zu entnehmen suchen oder die es als rein profane Liebesdichtung, womöglich sogar als Skandaldichtung, deuten und damit seine Zugehörigkeit zum biblischen Kanon in Frage stellen (vgl. dazu FHA 3, 488; im Wesentlichen geht es dabei um eine Auseinandersetzung mit J.D. Michaelis vgl. dazu Baildam 1999, 162-165; Gaier 2005, 319).

Herders eigenes Verständnis zielt darauf, die einzelnen Einheiten des Hoheliedes als authentischen Ausdruck von Liebeserfahrung zu verstehen. Das Buch insgesamt versteht er als folgerichtig angeordnete Sammlung von Liebesliedern, die mit der Zeit und der Person Salomos verbunden sind. Da aber die Erfahrung der gegenseitigen Liebe von Mann und Frau ein Modell für weitere zwischenmenschliche Beziehungen sowie für die Beziehung zwischen Mensch und Gott ist, dürfen allegorische Auslegungen nach Herder nicht ausgeschlossen werden, sofern sie dem Wortsinn keine Gewalt antun, sondern als Applikationen („Anwendungen“) an ihn gebunden sind.

Wenn Herder betont, dass das Hohelied nichts als Liebesdichtung sei, so bedeutet das nicht allein eine inhaltliche Bestimmung – das Hohelied redet nun einmal „vom Anfang bis zum Ende“ von nichts anderem als von Liebe (FHA 3, 483) –; vielmehr ergibt sich aus der Liebes-Thematik, dass das Hohelied keine das ganze Buch umfassende zusammenhängende Dichtung, sondern eine Sammlung von Liebesliedern ist. Auch wenn in der Sammlung ein „feiner Faden der Einheit“ erkennbar ist (FHA 3, 496), ist doch jede literarische Einheit ein in sich abgeschlossener, authentischer Ausdruck von Liebesempfindungen. Alles andere wäre der Liebe unangemessen:

„Wie Nachtigall und Turteltaube nur kurz, in abgesetztem Girren und Klagen singen: so wählte und erfand sich zu jeder Zeit und unter jedem Volk das kürzeste Gedicht immer die Liebe“ (FHA 3, 484).

Nach den in 4.2. besprochenen Grundüberzeugungen Herders muss das für die im Hohelied versammelten Texte in besonderer Weise gelten: Als „die ältesten und schönsten aus Morgenlande“ gehören sie dem orientalischen Altertum an und können daher als besonders archaisch und den ursprünglichen, natürlichen Empfindungsäußerungen nahestehend gelten.

Damit stellt sich aber die Frage, warum das Hohelied zur Bibel gehört. Die verschiedenen Hypothesen über einen tieferen religiösen oder moralischen Sinn des Buches verdanken sich ja wohl dem Umstand, dass „der klare „Wortverstand des Textes (…) doch nicht in die Bibel der genannten Leute zu passen“ scheint (FHA 3, 487): Die Ausleger „dichten Hypothesen“, weil reine Liebesdichtung ihrer Meinung nach nicht zur Bibel gehören kann.

Herder beantwortet die Frage zunächst damit, dass er von der Zuschreibung des Hoheliedes an → Salomo (Hhld 1,1) ausgeht. Danach steht es als „Kranz reiner Jugendjahre“ Salomos neben den → Sprüchen, in denen Salomo die Weisheit als Geliebte preist, und neben dem → Prediger, der im Wissen um die Nichtigkeit alles Irdischen zum Genuss der Jugendfreuden mahnt, wobei aber die Gottesfurcht nicht vergessen werden darf (vgl. FHA 3, 507f.).

Ein solches Verständnis, bei dem die Texte in Salomos „Leben zurückgeführt, in seine Seele gelesen werden“, nennt Herder „historisch und charakteristisch“ (FHA 3, 503). Die „historische“ Frage im heutigen Sinn, inwiefern Salomo als Verfasser oder Redaktor des Hoheliedes gelten kann, lässt er allerdings offen (vgl. dazu FHA 3, 491.496). Herder geht es nicht allein darum, dass das Buch „von dem Geschmack, von der Liebe, von der Ueppigkeit und Zier“ der salomonischen Zeit geprägt ist (FHA 3, 492) (vgl. dazu auch Baildam 1999, 137); wie die Kontextualisierung mit den anderen alttestamentlichen Salomobüchern zeigt, ist er vor allem an der biblischen Figur Salomos interessiert. Die Zuschreibung an Salomo entspricht der Art und Weise, in der Gott überhaupt zum Menschen redet. Herder geht hierbei von einem Offenbarungsverständnis aus, das er auch in den „Briefen, das Studium der Theologie betreffen“ vertritt (vgl. FHA 9/1, 260; auch oben 4.4.1.):

„In der Natur spricht Gott nicht vom Holzkatheder zu uns“, [d.h. nicht in der abstrakten Weise gelehrter Theologen], „und so wollte er auch nicht in der Schrift zu uns sprechen; sondern durch Geschichte, durch Erfahrung, durch Führung Eines Volks, dem ganzen Menschengeschlecht zum Vorbilde. Was nun in diesem Volk für Hauptpersonen in den Weg des göttlichen Rathschlusses traten, die mußten festgestellt, die mußten entwickelt werden“ (FHA 3, 502).

Zu diesen Hauptpersonen gehört Salomo in all’ seiner Menschlichkeit, „mit seinen Tugenden und Fehlern“ (FHA 3, 502).

Indem Herder bei der Zuordnung des Hoheliedes zu den anderen Salomobüchern darauf hinweist, dass in den Sprüchen die Weisheit als Geliebte gepriesen wird, wird die Möglichkeit eines allegorischen Verständnisses der Liebesdichtung zumindest angedeutet. Das allegorische Verständnis des Hoheliedes kann schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil es in der Bibel selbst vertreten wird, etwa wenn Jesus im Neuen Testament als Bräutigam gilt (vgl. FHA 3, 516f.). Die Möglichkeit des allegorischen Verständnisses gehört damit zur Wahrnehmung des Hoheliedes als eines kanonischen Buches. Herder beruft sich dazu auf die kirchliche Tradition, dass eine Auslegung der regula fidei entsprechen muss: Die Weisen, von einem Text Gebrauch zu machen, sind legitim, „wenn sie dem gesamten Worte Gottes und der daraus gezognen Regel des Glaubens nicht widersprechen“ (FHA 3, 518). Dabei ist allerdings der unmittelbar einleuchtende Wortsinn grundlegend: Indem Herder betont, dass ein über diesen Wortsinn hinausgehendes Verständnis, etwa im Sinn der christlichen Mystik, „Anwendung“ ist, die den Wortsinn nicht ersetzen darf, wie es in vielen gekünstelten Allegorisierungen geschieht (vgl. FHA 3, 514f.), dürfte bei ihm neben der auf die Alte Kirche zurückgehenden Betonung der regula fidei auch die für die Reformation charakteristische Betonung des Literalsinns wirksam sein.

Möglich sind entsprechende Anwendungen der Liebesdichtung, weil die Liebe zwischen Mann und Frau – von nichts anderem handelt der Wortsinn des Hoheliedes! – als Modell für verantwortliche zwischenmenschliche Beziehungen überhaupt gelten kann, auch für die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Dazu stellt Herder zweierlei fest:

„Es gibt nur Eine Liebe, wie Eine Güte und Wahrheit. Liebest du dein Weib nicht, so wirst du auch nicht Freund, Eltern, Kind lieben“ (FHA 3, 505).

„Überhaupt ist Kirche, Staat, Ehe, und die einzelne Menschheit, wie sie in allen dreien gepflegt oder gemißhandelt wird, Ein Ding; überall ohne Gott nichts, und überall, aufs zärteste betrachtet, Braut Gottes an der Hand Jesu Christi (…). Die allgemeinen Bande dieser Einrichtungen, die lebendige Bauart dieser nur verschieden genannten Gebäude ist also Eins; und der Geist derselben Ein Geist – Liebe“ (FHA 3, 518f.).

Wie nach Herder das Erlebnis des allmorgendlichen Sonnenaufgangs die Schöpfung Gottes vor Augen führt (vgl. oben 5.1.), weist für ihn auch die Erfahrung der Liebe über sich hinaus – da die im Hohelied gesammelten Lieder authentische „Abdrücke“ der Liebe sind, gilt für sie dasselbe: Sie weisen über sich hinaus und können auf das Verhältnis zu Gott angewendet werden – oder auf politische Fragen. So erfuhr Luther aus dem Hohelied Trost und Stärkung, indem er es auf Fragen des guten staatlichen Regimentes anwendete (vgl. FHA 3, 517; Luthers Hohelied-Vorlesung findet sich in: WA 31/II, 586ff.).

Mit diesem eher ungewöhnlichen Beispiel – Luthers politische Auslegung hat keine Vorläufer und selbst im Bereich der lutherischen Orthodoxie kaum Nachfolger gefunden (vgl. Gerhards 2010, 515 m. Anm. 253.254 [Lit!]) – illustriert Herder, dass auch eine ganz spezielle allegorische Anwendung, wenn sie sich auf Grund eigener Erfahrungen nahelegt, eine wichtige Weise der Aneignung des Hoheliedes ist. Zwar wird das Hohelied dabei letztlich nicht mehr als schlichte Schilderung der Liebe zwischen Mann und Frau wahrgenommen – aber das ist bei Aneignungen ganz natürlich: Jede Speise muss „verdaut, in unsern Saft verwandelt werden und also gewisser Maasse ihre Natur verlieren“ (FHA 3, 516). Für Menschen, die mit den biblischen Texten leben, ist es unverständlich, dass entsprechende Anwendungen untersagt werden:

„Es wären Pedanten und Wortkrämer, die uns am Hohenliede nur Hebräisch lehren und Anakreontisch singen lehren wollten; weitere Anwendungen und Seelenspeise daran aber untersagten“ (FHA 3, 516).

Diese „Pedanten“ gehören offenbar zu denen, die mit modernen Regeln und Differenzierungen an antike Texte herangehen und so verhindern, dass der Geist der Texte, die „lebendige Welt ihrer Gedanken“, erlebt wird (vgl. 4.2.). Damit nehmen sie auseinander, was sich bei einer Wahrnehmung der Texte, die nicht von rational eingeengter Pedanterie bestimmt ist, zwanglos ergibt:

„Ist die Natur, wie Süßigkeit und Liebe, überall nur Eins; wo dir dein Herz eingibt, mit den Worten dieses Buchs zu beten, zu reden, zu betrachten, zu lieben; da kannst du’s so ungehindert tun, als Jesaias, Christus und Johannes es taten“ (FHA 3, 516).

Wenn Herder in forschungsgeschichtlichen Überblicken vielfach als der genannt wird, der entscheidend zur Überwindung des allegorischen Hoheliedverständnisses beigetragen hat, so handelt es sich dabei um eine einseitige Rezeption seiner „Lieder der Liebe“, die Herders eigenen Äußerungen widerspricht.

Diese einseitige Rezeption lässt sich eindrücklich schon in der „Einleitung in das Alte Testament“ von → J.G. Eichhorn belegen. Eichhorn zitiert in § 648 eine lange Passage aus den „Liedern der Liebe“ (Eichhorn 1824, 223-228 = FHA 3, 483-486), allerdings nur so weit, wie Herder betont, dass das Hohelied nichts anderes als eine Sammlung von Liedern über Liebeserfahrungen ist. Daraus zieht Eichhorn den vielfach nachgesprochenen Schluss: „Das Buch kann nichts anderes, als eine Sammlung einzelner Empfindungen der Liebe in einzelnen Liedern (…) seyn; und wird und muß das in den Augen aller unbefangenen Ausleger bleiben“ (Eichhorn 1824, 230). Eichhorn nimmt Herder allein in literargeschichtlicher Sicht als Anreger auf. Er folgt seiner Gattungsbeschreibung des Hoheliedes, lässt aber weitere Anliegen Herders außen vor. So ist keine Rede mehr davon, dass es für Herder zum Charakter der Liebespoesie gehört, dass sich aus ihr bei einem nicht methodisch eingeengten Umgang auch politischer und religiöser Trost ergeben; es ist ausgeblendet, dass Herder auf Grund des gesamtbiblischen Kontextes Anwendungen im Sinne der regula fidei für legitim hält.

Tatsächlich betont Herder, dass es sich bei einem politischen oder religiös-mystischen Verständnis um „Anwendung, nicht Wortsinn“ (FHA 3, 514) handelt. Sucht man aber die Anregungen, die seine Arbeit zum Hohelied bietet, auszuschöpfen, müsste dies auf ein rezeptionsästhetisches Modell hinauslaufen, das zum einen den Wortsinn des Textes ganz ernst nimmt, zum anderen aber Ansätze zu weiteren, allegorischen Verstehensmöglichkeiten herausarbeitet, die sich in bestimmten Rezeptionskontexten ergeben. Grundsätzlich entsprechen also Ansätze der Hoheliedauslegung, die für Fragen unterschiedlicher Rezeptionsmöglichkeiten offen sind (vgl. Nissinen 2006; Bartelmus 2007), Herders Anliegen eher als historisch-kritische Auslegungen, die sich undifferenziert auf ihn berufen, um „die typologische und allegorische Verfremdung“ der Liebesdichtung generell zurückzuweisen (so Keel 2. Aufl. 1992, 14.19f.).

6. Zusammenfassung und kritische Würdigung

Dass Herders Bibelstudien mit drei Aspekten seines Interessenspektrums in Verbindung stehen, mit dem theologischen, dem literaturgeschichtlichen und dem historischen Interesse, zeigt, dass er noch eine Einheit von Theologie (einschließlich der Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Religionsphilosophie) und Exegese (einschließlich der Behandlung historischer, religionsgeschichtlicher und literargeschichtlicher Fragen) voraussetzt, die in der theologischen Wissenschaft im Wesentlichen verloren gegangen ist. Dass die einzelnen theologischen Fächer, die Herder noch als Einheit behandelt, spätestens im 19. Jh. in verschiedene Spezialdisziplinen auseinandergefallen sind, ist nicht zuletzt in der stark angewachsenen Stofffülle begründet. Gleichwohl bleibt aus der Beschäftigung mit Herders Bibelstudien die Frage, ob sich die Exegese im 19. Jh. nicht zu sehr zu einer rein historischen Disziplin entwickelt hat, die sich zu wenig Sinn für den Gesamtzusammenhang der Bibel und für die aktuelle theologische Bedeutung ihrer Ergebnisse bewahrt hat.

Herder mahnt jedenfalls an, dass es in der Bibelauslegung nicht darauf ankomme, „was jeder Splitter und Nagel einzeln an seinem Ort bedeutet habe, sondern was er im gesamten Gebäude, darin ihn die Vorsehung, über Zeiten und Völker hinaus, gesetzt hat, uns jetzt bedeute“. Dabei setzt er voraus, „daß (…) nur die Summe dessen, was uns die Bibel lehrt, Theologie und in seiner Anwendung praktische Theologie ist“ (FHA 9/1, 500).

Hier spricht er als Theologe, der sein gesamtes Berufsleben hindurch in der kirchlichen Praxis stand (vgl. 1.). In der Fachexegese ist dieses Anliegen auf Dauer nicht wirksam geworden; auf sie hat Herder vor allem unter dem zweiten der eingangs genannten Aspekte, dem der Literaturgeschichte, eingewirkt.

Das Anliegen, biblische Texte als literarische Werke ihrer eigenen Zeit zu verstehen, wurde vor Herder v.a. von → R. Lowth vertreten. Herder geht über Lowth aber insofern hinaus, als er z.B. die Übertragung von Termini aus dem Bereich der griechischen und römischen Literatur auf alttestamentliche Texte ablehnt (vgl. u.a. FHA 9/1, 152f.; auch 4.4.3.). Wenn es also seit dem 18. Jh. in der Exegese selbstverständlich geworden ist, die biblischen Texte möglichst streng aus ihrem orientalischen Hintergrund heraus zu verstehen, so darf Herder als einer der Anreger dieser Entwicklung gelten, der über den Bereich der theologischen Fachwelt hinaus auch auf weitere interessierte Kreise eingewirkt hat. Goethe wurde als Straßburger Student durch Herder auf den orientalisch-poetischen Charakter alttestamentlicher Texte aufmerksam (→ Goethe 2.2.2.).

Unter den bedeutenden Vertretern der alttestamentlichen Fachwissenschaft hat sich u.a. → H. Gunkel als Erbe Herders verstanden: Indem er die Forschung aufrief, die „gewaltigen Aufgaben“ anzugehen, die „durch die literaturgeschichtlichen Probleme, auch auf dem Gebiete der Erzählungen, gesteckt sind“, wollte er „das Testament des großen Herder endlich“ vollstreckt sehen (Gunkel 3. Aufl. 1910, VI).

Wenn die Genesis nach Gunkel „eine Sammlung von Sagen“ ist (Gunkel 3. Aufl. 1910, VII), die auf Grund ihres Ursprungs im illiteraten Volk von der späteren gelehrten Geschichtsschreibung klar zu unterscheiden sind, so ist dieser Zugang unverkennbar von Herder, etwa seiner Wertschätzung altertümlicher Sprachdenkmäler (vgl. 4.2.; 4.4.2.; 4.4.3.), beeinflusst.

Als Anreger der formgeschichtlichen Betrachtung, für die der Name Gunkels steht, ist Herder nicht nur im Bereich des Alten, sondern auch des Neuen Testaments wirksam geworden (vgl. Kümmel 2. Aufl. 1970, 94-99; Frey 2005, 47 m. Anm. 3). Dabei dürften die von Herder ausgehenden Anregungen allerdings auch dazu geführt haben, dass biblische Texte zu oft auf mündlich tradierte Stoffe zurückgeführt wurden, sei es auf Volkssagen oder Volksdichtungen oder auf ein mündlich verkündigtes Urevangelium. Im Alten Testament wurde daher der archaische Charakter mancher Stoffe überbetont; im Neuen Testament wurde womöglich die frühe christliche Gemeinde als Träger und Bildner der Jesus-Überlieferung zu hoch bewertet.

Dass Herder bei dem dritten der eingangs genannten Aspekte, dem historischen, keine bleibenden Anregungen geben konnte, ergibt sich daraus, dass die Erforschung der Geschichte Israels und der biblischen Umwelt zu seiner Zeit noch in den ersten Anfängen steckten. So konnten Herders Impulse zur historischen Erforschung der Bibel „bestenfalls der Keim für kommende Erkenntnisse“ sein (Willi 1971, 57).

Um abschließend auf den ersten Aspekt, den theologischen, zurückzukommen, so liegt die für Herders Bibelverständnis entscheidende Frage darin, wie göttlicher und menschlich-geschichtlicher Charakter der Bibel zusammenzudenken sind. Die Frage ergab sich aus dem Zusammenspiel zwischen dem Plausibilitätsverlust der orthodoxen Inspirationslehre und der Etablierung der historischen Kritik, auch in Verbindung mit einer Erweiterung des historischen und ethnographischen Wissens (vgl. 3.). Herder hat sich in dieser Frage das bleibende Verdienst erworben, darauf hingewiesen zu haben, dass antike Texte nicht vorschnell mit modernen rationalen Maßstäben gemessen werden dürfen, und dass biblische Dichtungen wie die Poesie und die Mythen antiker Völker Wirklichkeitserschließungen dokumentieren können, die über die Möglichkeiten einer methodisch rationalen Erschließung hinausgehen.

Wenn Herder betont, dass Gen 1 eine Wahrnehmung der Schöpfung als Einheit ermöglicht und in diesem Zusammenhang auch Antworten auf Sinnfragen erschließt, und dass der Text gerade deshalb eine wichtige Ergänzung zu den Einsichten der Naturwissenschaft bietet, die diese Dimensionen nicht berührt (vgl. 5.1.), so ist das nach wie vor richtig. Herder vertritt einen Ansatz, der allen Versuchen, die Wahrheit des Schöpfungsberichts gegen naturwissenschaftliche Erkenntnisse auszuspielen, überlegen ist – mögen entsprechende Versuche auch bis heute von christlich-fundamentalistischer oder von religionskritischer Seite aus unternommen werden.

Herders Ansatz, dass gerade archaische Sprachen und ihre Denkmäler Einsichten einer umfassenderen, da nicht von neuzeitlicher Rationalität eingeengten Vernunft enthalten (vgl. 4.2.), wirkt in der von ihm vorgetragenen Weise beim heutigen Kenntnisstand allerdings naiv. Man wird das Hebräische heute nicht mehr in der Weise als archaisch charakterisieren und mit der Sprache unzivilisierter Völker zusammenstellen wie Herder es unternimmt (vgl. 4.4.2.); auch wird man den ersten Schöpfungsbericht (Gen 1) nicht mehr in der von ihm vorgeschlagenen Weise auf uralte menschheitliche Tradition zurückführen. Damit ist Herders Interpretation des Schöpfungsberichts als Offenbarungsurkunde (5.1.) aber noch nicht erledigt: Ihre „eigentliche apologetische und religionstheoretische Bedeutung“ kann immer noch „in ihrem anthropologischen Sinn“ gesehen werden, „in der Erschließung der typischen urgeschichtlichen Situation des Menschen gegenüber dem Universum als Situation ursprünglicher urgeschichtlicher Poesie“ (Bultmann 1999, 186). Aus dieser „typischen urgeschichtlichen“, also nicht notwendig in die tatsächliche Frühgeschichte der Menschheit zu datierenden Situation heraus können sich religiöse Erfahrungen in Poesie Ausdruck verschaffen. Der erste Schöpfungsbericht könnte das Dokument einer solchen, als Offenbarung verstandenen Erfahrung sein.

An Herders Auslegung von Gen 1 als „Dichtung aus dem Ursprung“ kann also immer noch in modifizierter Weise angeknüpft werden. Herder begründete damit im Gespräch mit der aufklärerischen Religionskritik, dass das menschlich-geschichtliche Dokument zugleich göttlich inspiriert ist, also „theologische Relevanz“ besitzt (Bultmann 1999, 191). An die Leistungsfähigkeit dieses Modells zur Begründung der theologischen Relevanz biblischer Texte sind aber kritische Anfragen zu stellen.

Herders Versuch, natürliche Religion und biblische Offenbarungsreligion im Moment der Schöpfungserfahrung miteinander zu verbinden, hat keine wirkliche Schule gemacht und wurde in der Geschichte der Herder-Interpretation vielfach verkannt. So wurde etwa die Interaktion zwischen Gott und Mensch, die Herder in der Urerfahrung der Schöpfung voraussetzt, übersehen und Herders Auslegung von Gen 1 als „konsequent anthropologische Deutung“ (Schottroff 1998, 268) bezeichnet.

Dieses Missverständnis dürfte aber bei Herder selbst angelegt sein: zum einen darin, dass er Offenbarung als allgemein-menschliche Möglichkeit auffasst und die besondere geschichtliche Offenbarung und Erwählung Israels, die das zentrale Thema der Bibel ist, relativiert (vgl. dazu auch Willi 1971, 129-134); zum anderen aber darin, dass er den Aspekt inhaltlicher Mitteilung zu sehr relativiert, obwohl dieser ebenfalls zur biblischen Offenbarungsvorstellung gehört.

Herders Rechtfertigung der biblischen Offenbarung steht damit zwar „auf einem mit der aufgeklärten Religionsphilosophie geteilten Grund“ (Bultmann 1999, 191); es ist aber z.B. nicht mehr deutlich, inwiefern der Bibel Zusagen entnommen werden können, die sich der Mensch nicht selbst sagen kann. Das betrifft etwa den göttlichen „Unterricht“ in Wahrheit, Gottseligkeit und Tugend, über den Herder 1768 noch gepredigt hatte (vgl. 4.4.1.).

Wird gegen Herder eingewendet, dass er den „eigenthümlich theokratischen Geist“ des Alten Testaments nicht „gehörig hervorgehoben“ (Bleek 2. Aufl. 1865, 16) und die Botschaft des Alten Testaments letztlich „ausgeschaltet“ habe (Kraus 2. Aufl. 1969, 129), so dürfte darin etwas Richtiges gesehen sein. Dasselbe gilt für den Verdacht, dass sich Herder von Denkmodellen abhängig macht, die „letztlich griechischer Abkunft“ und damit dem Alten Testament unangemessen sind: Dies betrifft den Ansatz beim Menschen und seiner Erfahrung, die an den griechischen homo-mensura-Satz erinnert (Vietta 2010, 83).

Herder hat diesen Ansatz gewählt, um im Rahmen der Philosophie seiner Zeit sprachfähig zu sein. Daraus folgt u.a., dass seine Geschichtsphilosophie noch als Universalisierung der biblischen Vorstellung der Heilsgeschichte erkennbar ist (vgl. 4.3.), dass sie aber schon mit dem Gedanken eines Fortschritts in der Verwirklichung der Gottebenbildlichkeit der biblischen Vorstellung von Sünde als Trennung von Gott nicht mehr gerecht wird.

Von diesem Fortschrittsgedanken ist schon Herders Verständnis des Sündenfalls und seiner Folgen bestimmt. Nach 5.2. ist das Verständnis als notwendige „Fortleitung“ durch Gott, die dem Menschen die Möglichkeit eröffnet, mit seinen eigenen Kräften der Gottebenbildlichkeit näher zu kommen und das Böse zu überwinden, im damaligen philosophischen Kontext zu sehen, konkret: im Kontext eines pragmatischen Umgangs mit der Theodizeeproblematik. Auch wenn in der Fachexegese zu Gen 3 Positionen vertreten werden, die der „zweiten Positivierung“ des Sündenfalls nahekommen (vgl. Krüger 2008), der schon Herders Verständnis im Ansatz zuzurechnen ist, scheint ein entsprechendes Verständnis eher von philosophischen Vorgaben bestimmt als von Gen 3 selbst.

Seinem Verständnis des Sündenfalls entspricht es, dass Herder Jesus Christus nicht als Erlöser im traditionellen christlichen Sinne versteht, sondern als „Lehrer, Mittler und Vorbild“, der dem Menschen hilft, „nach immer mehrerer Gottähnlichkeit“ zu streben (FHA 9/1, 442). Dieses Jesus-Bild (zu weiteren Belegen und zum historischen Kontext Reiser 2015, 38-41; Kümmel 2. Aufl. 1970, 98f.) ist in der Aufklärung verbreitet und wurde für die liberale Theologie prägend. Gleichwohl handelt es sich um ein Konstrukt, das dem Christuszeugnis des Neuen Testaments nur begrenzt gerecht wird. Die neutestamentliche Verkündigung Jesu als des Christus ist im Übrigen unauflöslich mit dem Glauben an die besondere Erwählung Israels und einer darin zentrierten heilsgeschichtlichen Sicht verbunden, die Herder aber auf Grund seiner universalen Geschichtsphilosophie relativiert.

So ist festzustellen, dass Herders Bibelverständnis vielen Aspekten des biblischen Zeugnisses nicht gerecht wird, weil er sich wesentliche Grundlagen von der aufklärerischen Philosophie vorgeben lässt. Sein Ansatz läuft letztlich darauf hinaus, dass die Bibel allenfalls noch als relativ hervorgehobenes Dokument allgemein-menschlicher Religiosität betrachtet werden kann. Damit wird aber der Anspruch, den die biblischen Verfasser selbst in ihre Texte hineingelegt haben, nur noch als historisch bedingt und als theologisch nicht mehr bindend wahrgenommen. Denkt man an dieser Stelle weiter, eröffnet sich von Herder aus, gegen seinen Willen, ein geteilter Weg: einerseits der Weg einer rein historischen Erforschung der Bibel einschließlich ihrer religionsgeschichtlichen Relativierung und andererseits eine Theologie, die im menschlichen Frömmigkeitserleben begründet ist, damit aber letztlich nicht mehr in der biblischen Botschaft. So sehr Herder wegen der Impulse, die auf Philosophie und Theologie, auch auf Bibelverständnis und Exegese, und auf viele weitere Gebiete von ihm ausgegangen sind, als einer der großen Anreger der Geistesgeschichte zu würdigen ist – als Apologet der biblischen Offenbarung im Zeitalter der natürlichen, anthropologischen Begründung von Religion ist er letztlich gescheitert. Sein Modell, biblische und natürliche Offenbarung miteinander zu verbinden, konnte sich nicht bewähren.

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Abbildungsverzeichnis

  • Johann Gottfried Herder (Gemälde von Anton Graff, 1785).

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