Heiliger

Im Alten Testament wird diese Bezeichnung am häufigsten für Gott selbst gebraucht (z.B. Jes 1,4; 29,19; 30,11; Jer 50,29; Hos 11,9; Hab 1,12), sodann auch für Wesen, die Gott besonders nahe stehen und sozusagen zu seiner Sphäre gehören: die Engel (Hiob 5,1; 15,15; Dan 8,13) und die Glieder des Volkes, das er für sich ausgesondert hat (5Mo 33,3; Dan 7,18). Dieser letztgenannten Bedeutung entsprechend verwendet Luther das Wort »Heilige« – wie vor ihm schon die lateinische Übersetzung das Wort sancti – in den Psalmen für die »Frommen« (wörtlich: die Treuen/dem Bund Gottes Treugebliebenen). Den Grund dafür gibt er in seiner Vorrede zu den Psalmen an. Er möchte den Psalter an die Stelle der vielen Heiligenlegenden seiner Zeit gesetzt wissen, weil in ihm authentisch zu erfahren ist, wie nicht nur dieser oder jener einzelne Heilige sich verhalten hat, sondern wie alle Heiligen, nämlich alle wahrhaften Glieder des Gottesvolkes, sich verhalten haben und immer noch verhalten müssen: »wie sie gegen Gott, gegen Freunde und Feinde sich stellen, wie sie sich in aller (Ge)fahr leiden, halten und schicken, … wie sie mit Gott geredt und gebetet haben, und noch reden und beten«. Nach Martin Luther lehrt der Psalter, »in Freuden, Furcht, Hoffnung, Traurigkeit gleich gesinnt sein und reden, wie alle Heiligen gesinnet und geredt haben«.

Zugleich schlägt Luther mit dieser Wortwahl eine Brücke vom Alten Testament zum Neuen: Dort werden die Christen, die Glieder des endzeitlichen Gottesvolkes, »Heilige« genannt (z.B. Röm 1,7; 8,27; 12,13; 1Kor 6,2; Eph 3,8; vgl. 1Petr 1,16-19; 2,9-10). Das Wort bezeichnet die Christen in Anlehnung an Aussagen über das Volk Israel (2Mo 19,6) als das endzeitliche Gottesvolk (vgl. Dan 7,18.22.25.27). Damit nicht das Missverständnis entsteht, die Christen seien »heilig« aufgrund eigenen Strebens und eigener Vollkommenheit, spricht Paulus in den Briefeingängen von »berufenen Heiligen«: zu Gottes Volk gehörend aufgrund von Gottes Ruf; und er stellt klar, dass ihre »Heiligkeit« in der Verbindung mit Jesus Christus gründet (1Kor 1,2.30; Phil 1,1: »Heilige/Geheiligte in Christus Jesus«).