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Andere Schreibweise: Harad; Arad; Charod

(erstellt: März 2012)

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Das Toponym Harod kommt in zwei unterschiedlichen Kontexten vor. Zum einen gibt es eine Quelle in der Jesreelebene, die den Namen En-Harod („Quelle Harod“) trägt (Ri 7,1). Oberhalb dieser Quelle lagerte das Heer → Gideons vor der Schlacht gegen die → Midianiter. Zum anderen stammen vermutlich Schamma und Elika, zwei der berühmten „Dreißig Helden → Davids“, ausweislich ihrer Qualifizierung als Haroditer aus dem Ort Harod (2Sam 23,25).

1. Name

Der Name Harod (חֲרֺד ḥărod, → Septuaginta: Αραδ, → Vulgata: Arad) lässt sich als qutul-Form bzw. deverbales Abstraktum der Wurzel ḤRD deuten, das die Form eines substantivierten Infinitivs angenommen hat. Die Wurzel ḤRD erlaubt etymologisch zwei Ableitungsmöglichkeiten. Zum einen könnte die Bedeutung „zittern“ zugrunde liegen. Das Heer Gideons hätte sich demnach an der „Zitterquelle“ gelagert, was auf die eigene oder die beim Feind bewirkte Angst anspielen könnte. Dann hätte man ein Wortspiel zu Ri 7,3, wo diejenigen Soldaten aus dem Heer Gideons ausgesondert werden, die vor Furcht zittern, ausgedrückt mit dem Adjektiv ḥāred. Ein solches Wortspiel ist zumindest für die Gideonerzählung plausibel. Der Ortsname ist hier wohl lediglich eine künstliche Bildung. In der Nähe dieser „Zitterquelle“ habe Gideon die Zitternden aus seinem Heer entlassen (Groß 433).

Zum anderen könnte man den Ortsnamen Harod von arabisch ḥārada „spärlich regnen“ ableiten. Dann betont der Name Harod „Spärlicher Regen“ die Wasserarmut an diesem Ort. Eine solche etymologische Deutung gibt folglich einen Hinweis auf die Lokalisierung von Harod in einem Gebiet, in dem es offenbar nur selten regnet. Allerdings trifft dies zumindest nicht für En-Harod zu, das aufgrund des Erzählkontextes sicher in der fruchtbaren Jesreelebene liegt.

Hieronymus gibt den biblischen Namen Aradius mit „erstarrend oder bewundernd“ wieder (Nomina Hebraica 37:20-21: obstupescens vel ammirans), was sich nur mit der ersten Etymologie verbinden lässt.

2. En-Harod in der Jesreelebene

2.1. Überlieferung

Nach der Erzählung in Ri 7 hat sich der Heerbann Israels unter Gideons Führung vor dem Kampf mit den Midianitern in der Jesreelebene südlich des Berges → More oberhalb von En-Harod, der „Quelle von Harod“ (Ri 7,1) versammelt.

Es hat den Anschein, dass diese Quelle in der Nähe einer gleichnamigen Stadt zu suchen sein wird, falls En-Harod hier nicht lediglich ein Wortspiel ist.

Die Ereignisse von En-Harod haben sich nach Flavius → Josephus, der den Ortsnamen En-Harod gänzlich übergeht, bei einem nicht näher benannten Bach oberhalb des Jordans zugetragen (Antiquitates V,216-217; Text gr. und lat. Autoren). Allerdings sind diese Angaben zu ungenau, als dass sie eine Verortung von En-Harod ermöglichen. Auch die Angaben von → Eusebius, der lediglich auf die biblische Erzählung verweist, helfen nicht weiter (Onomastikon 32:4; Eusebs Onomastikon).

2.2. Lokalisierung

Für den in Ri 7,1 genannten Lagerplatz des Heeres von Gideon ist lediglich eine Quelle vorauszusetzen, während ein in der Eisenzeit besiedelter Ort nicht notwendig ist. Für diese Quelle sind bislang zwei Identifizierungen vorgeschlagen worden:

2.2.1. ‛Ēn el-Ǧim’aīn (Conder, 233). ‛Ēn el-Ǧim’aīn (Koordinaten: 1923.2120; N 32° 30' 11'', E 35° 27' 02'') ist eine Quelle mit hervorragendem Frischwasser, das aus dem Felsen sprudelt und sich in einen Bach ergießt. Neben der Quelle ‛Ēn el-Ǧim’aīn erhebt sich der Doppelhügel Tell Humud, über dessen Besiedlung wenig bekannt ist (Gass, 280).

2.2.2.‛Ēn Ǧālūd (Elliger 39; Simons 291). Der Name ‛Ēn Ǧālūd (Koordinaten: 1836.2172; N 32° 32' 56.5", E 35° 21' 21.1") wird traditionell als „Goliat-Quelle“ gedeutet. Im Mittelalter hat es offenbar eine arabische Tradition gegeben, der zufolge → Goliat nicht im Terebinthental, sondern hier den Tod fand, wie die Angaben des Pilgers von Bordeaux belegen. Der Name ‛Ēn Ǧālūd kann jedoch eine direkte Übertragung von En-Harod („Angsthasenquelle“) sein, so dass sich im arabischen Toponym der alte Name bewahrt hat. In der Nähe der ‛Ēn Ǧālūd fand man römische Meilensteine, die Wände eines schwer datierbaren Reservoirs und eine kleine Ruine mit römischen Münzen. Der Oberflächenbefund weist in die arabische Zeit (Zori 23). Im Mittelalter hat der jüdische Gelehrte Estori ha-Parchi in seiner Schrift „Caftor wa-pherach“ ‛Ēn Ǧālūd mit derjenigen Quelle gleichgesetzt, bei der das Heer → Sauls nach 1Sam 29,1 vor der Schlacht gegen die → Philister gelagert hat (Edelmann 47a,41-43).

In der Nähe der ‛Ēn Ǧālūd befindet sich am Nordabhang des → Gilboaberges Chirbet el-Karm (Koordinaten: 1847.2165; N 32° 32' 32.4", E 35° 22' 01"). Der dortige Keramikbefund weist von der Frühbronzezeit bis in die Eisenzeit II und in die römische Zeit (Zori 8-10). Dieser Ruinenhügel bietet jedoch nur einen geringen strategischen Vorteil, so dass eine Verbindung mit dem Lagerplatz des Heeres Gideon nicht zwingend gefordert ist. Außerdem ist fraglich, ob der biblische Erzähler tatsächlich daran interessiert gewesen ist, genaue topographische Angaben zu liefern. Die Quelle En-Harod („Zitterquelle“) war erzähltechnisch nur für die Auswahl der 300 tapferen Krieger wichtig, die nicht vor Furcht zitterten. Da somit vor allem literarische Gründe die Verortung bei En-Harod motiviert haben, ist es nicht notwendig, dass sich dort tatsächlich über 30.000 Mann aufhalten konnten. Der biblische wie der moderne Name En-Harod / ‛Ēn Ǧālūd ist nämlich bestens als Anspielung auf die Angst der Israeliten zu verstehen.

Von der Quelle fließt der Ǧālūd / Harod – heute teils unterirdisch geleitet – nach → Bet Schean, wo er an mehreren Seiten um Tell el-Höṣn ([Tell el-Hösn]; Koordinaten: 1977.2124; N 32° 30' 15'', E 35° 30' 10'') tiefe Täler gegraben hat.

3. Harod in Juda

3.1. Überlieferung

2Sam 23,25 lässt vermuten, dass es eine Stadt Harod gegeben hat. Schamma und Elika, die zu den berühmten „Dreißig Helden Davids“ gehören, stammen ausweislich der Bezeichnung „Haroditer“ offenbar aus dem Ort Harod.

Da diese Bezeichnung zweimal erwähnt wird, ist eine verderbte Lesart Haroditer anstelle von Araditer – also Bewohner der bekannten Stadt → Arad / Tell ‘Arād (Koordinaten: 1620.0767; N 31° 16' 50", E 35° 07' 34") – auszuschließen. Die Annahme einer dialektalen Variante Harod = Arad ist ebenfalls wenig wahrscheinlich. Es hat somit in biblischer Zeit wahrscheinlich einen Ort Harod gegeben. Allerdings ist damit noch nicht gesagt, dass dieser Ort Harod mit dem Ort der Quelle En-Harod identisch sein muss. Für die Helden Davids ist ohnehin eine südliche Lokalisierung naheliegender als eine Verortung in der Jesreelebene.

In der Parallelerzählung 1Chr 11,27 fehlt Elika gänzlich (vermutlich aufgrund von Homoioteleuton, ähnlich schon Septuaginta und Peschitta bei 2Sam 23,25). Schammot stammt nach 1Chr 11,27 zudem aus dem ansonsten unbekannten Ort Haror. Entweder liegt hier ein Schreibfehler vor – was bei der graphischen Ähnlichkeit der beiden Buchstaben ד und ר durchaus möglich ist –, oder der Held Schammot kommt aus einem anderen Heimatort.

Die Bezeichnung Ḥărôdî „Haroditer“ muss allerdings nicht notwendigerweise mit einem Ort Harod verbunden werden. Vielleicht ist stattdessen an die Zugehörigkeit zu einer Sippe Harod gedacht, von der jedoch ebenfalls nichts bekannt ist.

Der judäische Ort Harod wird vermutlich auf einer aramäischen Eheurkunde als חרדונא genannt (Papyrus Murabba‛at 20,16). Über die genaue Lokalisierung dieses Ortes gibt dieser Papyrus jedoch keinen Aufschluss. Vermutlich hieß der Ort Harod in römisch-byzantinischer Zeit Bet-Harodo. Im Targum wird Bet-Harodo mit dem Sündenbockritus in Verbindung gebracht (Pseudo Jonathan Lev 16,10.21). Nach Mischna Traktat Joma 6,8 liegt Bet-Harodo drei Meilen von Jerusalem entfernt. Außerdem befindet sich Bet-Harodo nach Babylonischem Talmud, Traktat Joma 68b (Text Talmud) bereits in der Wüste (Reeg 107).

3.2. Lokalisierung

Der judäische Ort Harod kann aufgrund der Namensähnlichkeit mit Chirbet Ḥarēḏān (Koordinaten 1756.1266; N 31° 43' 56.9", E 35° 16' 10.5") identifiziert werden (Abel 273). Der arabische Name Chirbet Ḥarēḏān „Eidechsenruine“ verdankt sich vermutlich einem Wortspiel mit dem früheren Namen Harod. Die Chirbet Ḥarēḏān liegt etwa 5 km südwestlich von Jerusalem am Knie des Wādī en-Nār und kann durchaus als Heimatort der beiden Helden Davids gelten. Über die Besiedlung dieses Ruinenhügels ist archäologisch wenig bekannt. Auf Chirbet Ḥarēḏān fand man zumindest die Überreste einer Kirche, die vielleicht zu einem Kloster gehört hat (Tsafrir / Di Segni / Green 140).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • The Interpreter’s Dictionary of the Bible, New York 1962
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000
  • The New Interpreter's Dictionary of the Bible, Nashville 2006-2009

2. Weitere Literatur

  • Abel, F.-M., 1938, Géographie de la Palestine. Band 2 Géographie politique, les villes (Études Bibliques), Paris
  • Beyerlin, W., 1963, Geschichte und heilsgeschichtliche Traditionsbildung im Alten Testament. Ein Beitrag zur Traditionsgeschichte von Richter VI-VIII, VT 13, 1-25
  • Boling, R.G., 1975, Judges. Introduction, Translation and Commentary (AncB 6A), Garden City
  • Borée, W., 1930, Die alten Ortsnamen Palästinas, 2. Aufl., Leipzig (Nachdruck Hildesheim 1968)
  • Conder, C.R., 1889, Tent Work in Palestine. A Record of Discovery and Adventure, London
  • Edelmann, H., 1852, Caftor wa-pherach, Berlin
  • Elliger, K., 1935, Die dreißig Helden Davids, PJB 31, 29-75
  • Gaß, E., 2005, Die Ortsnamen des Richterbuches in historischer und redaktioneller Perspektive (ADPV 35), Wiesbaden
  • Groß, W., 2009, Richter (HThKAT), Freiburg
  • Hertzberg, H.W., 2. Aufl. 1959, Die Bücher Josua, Richter, Ruth (ATD 9), Göttingen
  • Midden, P.J. van, 1999, Gideon, in: The Rediscovery of the Hebrew Bible (Amsterdamse Cahiers voor Exegese van de Bijbel en zijn Tradities Supplement Series 1), Maastricht, 51-67
  • Reeg, G., 1989, Die Ortsnamen Israels nach der rabbinischen Literatur (Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients B/51), Wiesbaden
  • Richter, W., 1996, Materialien einer althebräischen Datenbank. Die bibelhebräischen und -aramäischen Eigennamen morphologisch und syntaktisch analysiert (ATSAT 47), St. Ottilien
  • Simons, J., 1959, The Geographical and Topographical Texts of the Old Testament. A Concise Commentary in XXXII Chapters (Studia Francisci Scholten memoriae dicata 2), Leiden
  • Tsafrir, Y. / Di Segni, L. / Green, J., 1994, Tabula Imperii Romani. Iudaea, Palaestina. Eretz Israel in the Hellenistic, Roman and Byzantine Periods. Maps and Gazetteer, Jerusalem
  • Zori, N., 1977, The Land of Issachar. Archaeological Survey, Jerusalem (hebr.)

Abbildungsverzeichnis

  • Karte zur Lage der Quelle En-Harod und des judäischen Ortes Harod. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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