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(erstellt: Dezember 2016)

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1. Name

Dem hebräischen Landschaftsnamen Hadrach (חַדְרָך Ḥadrākh) entspricht assyrisch Hatarikka und altaramäisch חזרך Ḥzrk, das je nach zugrunde gelegter Analogie „Hazrak“ oder „Hazrik“ gelesen wird (vgl. Dion, 142; Younger, 441).

2. Biblische Überlieferung

Das Alte Testament erwähnt Hadrach nur einmal: In Sach 9,1-2 steht es als „Land Hadrach“, gefolgt von → Damaskus und → Hamat, am Anfang einer Reihe syrischer Landstriche, über die sich die „Last des Wortes JHWHs“ bedrohlich senkt. In den folgenden Versen setzt sich das Zerstörungswerk über Phönizien (Sach 9,2b-4) bis Philistäa (Sach 9,5-7) gen Süden fort, wobei Juda verschont bleibt (Sach 9,8a).

Die klassische traditionsgeschichtliche Deutung bezieht Sach 9,1-8 auf die eschatologische Restitution des gelobten Landes in seinen Idealgrenzen. Dagegen sprechen zwei Beobachtungen: 1) Anstelle formelhaft gewordener Grenzorte wie z.B. Dan und Beerscheba (vgl. etwa 1Kön 4,25) beginnt der Abschnitt mit dem im Alten Testament sonst nicht belegten Ortsnamen Hadrach. 2) Die Nord-Süd-Reihe, die von V.2b an entlang des Küstenstreifens verläuft, lässt sich schwerlich als Absteckung eines Gebietes erklären. Dafür fehlt zumindest eine Ostgrenze (vgl. als Gegenbeispiel Zef 2,4-15). Wahrscheinlicher reflektiert der Text einen Feldzug über die syro-palästinische Landbrücke. Während frühere Forschungsbeiträge beeinflusst durch die Quellenlage (s.u. 4.) an assyrische Militärkampagnen des 8. Jh.s dachten (vgl. Horst), präferiert man gegenwärtig den Zug Alexanders des Großen 332 v. Chr. (vgl. Elliger; Willi-Plein).

3. Lage

Die auf Tell Afis (N 35° 54' 18'', E 36° 47' 55''), ca. 45 km südwestlich von Aleppo, gefundene Zakkur-Stele (KAI 202) berichtet von der Einsetzung Zakkurs als König über „Hazrak / Hazrik“, der erfolgreichen Verteidigung der Stadt sowie der königlichen Bautätigkeit. Ein Zusammenhang zwischen Fundort und Inhalt der Stele liegt nahe. Allerdings erwähnt die Inschrift neben Hadrach auch den späteren Namensgeber des Tells: Afis (אפש ’pś). Hadrach ist somit entweder in der Nähe des Tell Afis zu suchen (Hawkins, 1987-1990, 161; Parker, 108) oder – falls „Afis“ lediglich die Akropolis bezeichnen sollte – direkt mit Tell Afis zu identifizieren (Lipinski, 256f; Dion, 141f; Mazzoni, 8; Younger, 441f).

4. Geschichte

Unter dem aramäischen König Zakkur (ca. 803-780 v. Chr.; → Aramäer) war Hadrach Hauptstadt des vereinigten nordsyrischen Königreiches von Hamat und Laasch. Laut Zakkur-Stele (KAI 202) verteidigte der König seinen Regierungssitz erfolgreich gegen die Belagerung einer damaszenischen Koalition unter Ben Hadad III., was Zakkur auf das Eingreifen seines Gottes Baal-Schamen zurückführt. Tatsächlich begünstigte ein Feldzug der Assyrer unter Adadnirari III. gegen Damaskus 796 v. Chr. den glücklichen Ausgang (vgl. Hawkins, 1982, 403f; Younger, 481-486).

Die assyrische Eponymenchronik erwähnt weitere Kampagnen nach Hadrach in den Jahren 772, 765 und 755 v. Chr. und bezeugt so die bleibend instabile Lage der Region. Im Zuge der Niederschlagung eines syrischen Aufstands reorganisierte schließlich → Tiglat Pileser III. 738 v. Chr. die politische Landschaft Nordsyriens und trennte dabei „Hatarikka“ als eigenständige, nach ihrer Hauptstadt Hadrach benannte Provinz von Hamat. 720 v. Chr. schlug → Sargon II. einen Aufstand assyrischer Provinzen unter Beteiligung Hatarikkas nieder (vgl. Hawkins, 1982, 415; Younger, History, 486-499).

In nachassyrischer Zeit schweigen die Quellen über den Ort, bis er ein letztes Mal in Sach 9,1 auftaucht. Vermutlich lebte der alte Provinzname auch nach dem Untergang der Stadt als Bezeichnung der Landschaft fort (vgl. Elliger).

Der geographische Bezug des biblischen Terminus geriet jedoch in Vergessenheit. Sowohl die jüdische als auch die christliche Tradition kennen die Interpretation als nomen compositum „scharf-weich“: „Scharf“ (hebr. חַד ḥad) verhalte sich der Messias / das Gotteswort gegenüber den Völkern / den Frevlern, „weich“ (hebr. רַךְ rakh) gegenüber Israel / den Gerechten (vgl. Midrasch Sifre Debarim zu Dtn 1,1; Hieronymus, Commentariorum in Zachariam Prophetam Lib. II, CChr.SL 76A). Die spätere kritische Forschung changierte bis zur Entdeckung der assyrischen und aramäischen Quellen zwischen der Deutung als Theonym, Anthroponym und Toponym (vgl. Köhler, 3-19).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992

2. Weitere Literatur

  • Dion, P.-E., 1997, Les Araméens à l’âge du fer: Histoire politique et structures sociales (EtB 34), Paris
  • Elliger, K., 1950, Ein Zeugnis aus der jüdischen Gemeinde im Alexanderjahr 332 v. Chr. Eine territorialgeschichtliche Studie zu Sach 9,1-8, ZAW 62, 63-115
  • Hawkins, J.D., 1987-1990, Art. Luḫuti, in: RLA 7, Berlin, 159-161
  • Hawkins, J.D., 1982, The Neo-Hittite States in Syria and Anatolia, in: Cambridge Ancient History III.1, Cambridge u.a., 372-441
  • Horst, F., 1964, Nahum bis Maleachi, in: Th. Robinson / F. Horst, Die zwölf kleinen Propheten (HAT 14), 3. Aufl., Tübingen
  • Köhler, A., 1863, Der Weissagungen Sacharjas zweite Hälfte, Cap. 9-14, Erlangen
  • Lipiński, E., 2000, The Aramaeans. Their Ancient History, Culture, Religion (OLa 100), Leuven / Paris / Sterling
  • Mazzoni, S., 1998, The Italian Excavations of Tell Afis (Syria): From Chiefdom to an Aramaean State, Pisa
  • Parker, S.B., 1997, Stories in Scripture and Inscriptions. Comparative Studies on Narratives in Northwest Semitic Inscriptions and the Hebrew Bible, New York / Oxford
  • Willi-Plein, I., 2010, Prophetie und Weltgeschichte. Zur Einbettung von Sach 9,1-8 in die Geschichte Israels, in: P. Mommer / A. Scherer (Hgg.), Geschichte Israels und deuteronomistisches Geschichtsdenken (FS W. Thiel; AOAT 380), Münster, 301-315
  • Younger, K.L., 2016, A Political History of the Arameans. From Their Origins to the End of Their Polities (ABSt 13), Atlanta

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