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(erstellt: August 2010)

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1.Gomer als Personenname

Gomer (גֹּמֶר gomær) ist die um das theophore Element gekürzte Form eines typischen Satznamens, der in der vollen Form „Gomer-ja“ lautet (wie „Gemarja[hu]“ in Jer 29,3; Jer 36,10). Das Subjekt des Satzes bildet JHWH, das Prädikat gomær, ein Partizip von גמר gmr „vollenden / vollführen“. „Gomer“ bedeutet also „(JHWH) ist ein Vollendender / (JHWH) vollendet“, wobei an eine ständige positive Lenkung des Lebensgeschickes des Namensträgers / der Namensträgerin gedacht ist. Der Name bringt die Gewissheit zum Ausdruck, dass Gott das Lebensgeschick positiv vollenden wird (vgl. Ps 57,3; Ps 138,8).

1.1. Name

Gomer (גמר gomer) ist die um das theophore Element gekürzte Form eines typischen Satznamens, der in der vollen Form „Gomer-ja“ lautet (wie „Gemarja[hu]“ in Jer 29,3; Jer 36,10). Das Subjekt des Satzes bildet JHWH, das Prädikat gomer, ein Partizip von גמר gmr „vollenden / vollführen“. „Gomer“ bedeutet also „(JHWH) ist ein Vollendender / (JHWH) vollendet“, wobei an eine ständige positive Lenkung des Lebensgeschickes des Namensträgers / der Namensträgerin gedacht ist. Der Name bringt die Gewissheit zum Ausdruck, dass Gott das Lebensgeschick positiv vollenden wird (vgl. Ps 57,3; Ps 138,8).

Die Namensform „Gemarja[hu]“ enthält das Verb in der Perfektform: „Gott hat [es glücklich] vollendet“. Dies soll vermutlich auf die glückliche Vollendung der Geburt des Namensträgers / der Namensträgerin durch Gottes Gnade hinweisen.

Nach Koehler / Baumgartner (HALAT) kann die Wurzel im Mittelhebräischen und im Aramäischen der babylonischen Tradition und des Targums auch als Ausruf „Genug!“ benutzt werden. Gomer gebe den Ausruf von Eltern kurz nach der Geburt wieder, die bereits mehrere Töchter haben und enttäuscht darüber sind, dass das Neugeborene wieder ein Mädchen ist.

1.2 Gomer, der Enkel Noahs

1.2.1. In der Bibel

Nach den → Genealogien in Gen 10,2 und 1Chr 1,5 ist Gomer ein Sohn von Japhet, einem der Söhne Noahs. Er wurde wie seine sechs Geschwister, → Magog, Madai, → Jawan, → Tubal, → Meschech und Tiras, nach der Flut geboren (Gen 10,1). Seinerseits hatte er drei Söhne: Aschkenas, Rifat und Togarma (Gen 10,3). In 1Chr 1,6 wird der mittlere Sohn als „Difat“ (דִּיפַת statt רִיפַת) bezeichnet. Gomers Stammbaum ist Teil der Völkertafel in Gen 10, die die Völker nördlich von Israel auf einen der Überlebenden der Sintflut, nämlich Japhet, zurückführt.

Das → Ezechielbuch (Ez 38,2-6), das sich den Genealogien des → Genesisbuches nicht verpflichtet fühlt, zählt Gomer zusammen mit Togarma zu den Verbündeten von Magog, Meschech und Tubal. Sie alle fallen unter das Gericht Gottes über → Gog, den König von Magog.

Als These wird vertreten, dass Gomer der Ahnvater der Kimmerer sein soll. Meist wird dabei auf assyrische Quellen verwiesen, die das betreffende Volk Gi-mir-ra-a nennen, und auf griechische, die von den Κιμμέριοι kimmeroi sprechen. Die Kimmerer waren Indoeuropäer, die im 8. Jh. v. Chr. von den → Skythen aus ihrer Heimat, der heutigen Ukraine, vertrieben wurden. Sie bedrängten dann ihrerseits die Urartier um den Van-See und griffen auch die Assyrer an, wurden aber von ihnen besiegt und nach Westen abgedrängt. Es heißt, dass sie Gordion und seinen legendären König Midas besiegten (676 v. Chr.) und später Sardis einnahmen (644 v. Chr.). Kappadozien, das von einem Teil der Kimmerer besiedelt wurde, nannten die Aramäer „Gomir“. Nachdem die Kimmerer in der Mitte des 7. Jh.s von den Assyrern besiegt worden waren, verschwanden sie im 6. Jh. von der Bildfläche der Weltgeschichte.

1.2.2. Außerbiblische Traditionen

Außerbiblische Quellen über Gomer und seine Nachkommen behandeln oft die Frage, welche Völker von ihnen abstammen. So nennt zum Beispiel Josephus Gomer den Urvater der Gomeriten, die später Galater genannt wurden (Antiquitates I 6,1; Text gr. und lat. Autoren). Einige armenische und georgische Chroniken halten Gomers Sohn Togarma für den Stammvater ihrer Völker. Chasarische Dokumente in hebräischer Sprache, die aus dem 10. Jh. n. Chr. stammen, benennen Togarma wiederum als den Vorfahren aller Völker, die eine Turksprache sprechen (Pritsak / Golb).

Dass man noch lange versucht hat, Gomer als eigenen Stammvater auszuweisen, zeigt der walisische Schriftsteller Theophilus Evans. In seinem 1716 erschienen Buch Drych y Prif Oesoedd schlug er vor, dass sogar die Waliser von den Kimmerern und daher von Gomer abstammen. Er begründete dies mit eigenen etymologischen Studien, nach denen sich „Cymry“, die Eigenbezeichnung der Waliser, auf „Kimmerer“ zurückführen ließe. Johann Kaspar Zeuss bewies 1853 jedoch, dass Evans Vermutung falsch war.

1.3. Gomer, die Frau Hoseas

1.3.1. Gomer als literarische Figur

Gomer wird ein einziges Mal als weiblicher Personenname gebraucht: In Hos 1,3 für die Tochter des Diblajim und Ehefrau des → Hosea. Sie wird in Hos 1-2 zu einer eindrucksvollen Figur ausgebaut, wobei der Text sicher in mehreren Schritten redaktionell bearbeitet wurde. Der Endtext stellt es so dar: Gomer wird die Ehefrau Hoseas und Mutter seiner Kinder, nachdem JHWH dem Propheten befohlen hatte, sich eine Frau zu suchen, die das treulose Verhalten Israels in ihrem Lebenswandel symbolisiert. Der Prophet hat drei Kinder mit Gomer, deren Namen symbolisch das Israel drohende Unheil zum Ausdruck bringen: den Sohn → Jesreel (Name des Ortes, wo Israel besiegt werden wird), die Tochter → Lo-Ruhama („Nicht-Erbarmen“) und einen weiteren Sohn namens → Lo-Ammi („Nicht-mein-Volk“).

Hosea antwortet auf die Promiskuität seiner Frau mit einer Strategie, die drei Schritte beinhaltet: Zuerst hält er sie von ihren Liebhabern fern (Hos 2,8-9), desweiteren bestraft er sie und beschämt sie in der Öffentlichkeit (Hos 2,11-15), zuletzt aber verführt er sie und erneuert ihre Liebesbeziehung (Hos 2,16). Das Resultat dieser Strategie ist nicht nur eine Erneuerung der Beziehung zwischen Hosea und seiner Frau, sondern auch eine neue Akzeptanz gegenüber den Kindern. Mit der Erzählung über Hosea und Gomer möchte das Hoseabuch seinen Hörern und Lesern vermitteln, dass es auch für die Beziehung von Gott und Israel ein glückliches Ende gibt. Letztlich hat Gott Erbarmen mit Israel und nennt es wieder „mein Volk“ (Hos 2,25).

1.3.2. Symbolische Deutung

1. Die Namen Gomer und Diblajim. Sowohl in der christlichen als auch in der jüdischen Tradition gibt es Ausleger, die den Namen „Gomer, Tochter des Diblajim”, analog zu den Namen der Kinder, als Symbolnamen auffassen.

Der Kirchenvater → Hieronymus z.B. interpretiert den Namen „Gomer“ in seinem Hoseakommentar als „vollendet (in ihrer Hurerei)”. Der Babylonische Talmud, Traktat Pesachim 87a-b (Text Talmud 2), merkt an, dass „Gomer” eine Charakterdarstellung der treulosen Frau und nicht ihr wirklicher Name sei. In der späteren rabbinischen Literatur kann die Wurzel gmr auch jemanden bezeichnen, der die sexuelle Lust anderer befriedigt (Verweise in Jastrow, 255).

Der Herkunftsname „Diblajim“ stellt nach E. Nestle und W. Baumgartner den Dual des Substantivs dəbelah „Feigenkuchen“ dar, was sie im Sinne von „(eine Frau, die) für zwei Feigenkuchen billig zu haben ist“ verstehen. Schon Johannes Calvin hatte in seinen Vorlesungen über Hosea auf den möglichen Zusammenhang zwischen dem Wort dəbelah und verrottenden Feigen hingewiesen.

2. Die Ehe mit Hosea. Während Kirchenväter wie Irenäus und Augustinus die Ehe von Hosea und Gomer für historisch hielten, zweifelte man später, aus theologischen und moralischen Gründen, die Historizität dieser Beziehung an. Beispiele sind Julian von Aeclanum, Abraham → Ibn Esra, David Kimchi und → Maimonides, die die Berichte in Hos 1 und Hos 3 für prophetische Visionen, bar jeder historischen Grundlage hielten.

Andere Exegeten verstanden die Beschreibung der Beziehung zwischen Hosea und Gomer als rein rhetorische Konstrukte, die Gottes Botschaft an Israel vermitteln sollten. Die historische Gomer und ihre Kinder waren nach dieser Auffassung rechtschaffene Menschen, die allerdings von Hosea mit diesen despektierlichen Namen bezeichnet wurden, um seinen prophetischen Worten ein dramatisches Element zu verleihen.

Vertreten wurde auch eine allegorische Interpretation der Gomergestalt, die entweder auf Israel oder sogar auf die Kirche verweisen soll, mit dem / der Gott eine Ehe eingegangen ist. Die turbulente Beziehung zwischen Gott und seinem Volk (bzw. seiner Kirche) könnte sich dann auf der Ebene der Ehe zwischen Hosea und Gomer abgespielt haben, die quasi als prophetische Symbolhandlung zu verstehen ist. In der rabbinischen Interpretation der Ehe von Hosea und Gomer im Babylonischen Talmud, Traktat Pesachim 87a-b (Text Talmud 2), wird das in etwa so ausgedrückt: Nachdem sich Gott bei Hosea darüber beklagt hatte, dass ihm Israel nicht treu sei, hatte der Prophet empfohlen, dass sich Gott doch ein anderes Volk suchen möge. Daraufhin befahl Gott Hosea, eine treulose Frau zu heiraten und Kinder mit ihr zu zeugen. Hosea gehorchte. Als Gott nun Hosea anriet, seine Frau und Kinder zu verlassen, da er nur so ein heiliges Leben nach dem Beispiel Moses führen könne, verweigerte Hosea die Trennung von der Mutter seiner Kinder. Pesachim 87a-b beschreibt dann das Lehrstück Gottes für Hosea: Wenn der Prophet das Gefühl habe, dass seine Frau untreu ist, und wenn er nicht einmal sicher sein könne, dass die Kinder seine eigenen seien, und wenn Hosea sie trotzdem nicht verlassen würde, wie könne er, Gott, dann Israel verlassen, die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs, die doch treue Diener Gottes waren? Hosea verstand nun, was Gott ihn hatte lehren wollen und bat um Gnade für Israel.

1.3.3. Psychologische Deutung

Auch psychoanalytische Methoden wurden bemüht, um die Beziehung zwischen Gomer und Hosea zu interpretieren. Nach Allwohn (z.B. 54ff, 70ff.) ist die Ehe zwischen Hosea und Gomer zuerst ein Resultat verdrängter sexueller Lust. Mit der Zeit aber sei im Propheten eine vergebende und reine Liebe entstanden, die zur Wiederaufnahme Gomers geführt habe (Hos 3). Diese höhere Liebe sei gleichzeitig ein Ausdruck einer veränderten Gottesbeziehung: Hosea sieht nun auch JHWH als einen liebenden und vergebenden Gott.

1.3.4. Feministische Deutung

Vor allem moderne Auslegerinnen der Bibel haben versucht, Gomer aus ihrer Täterinnen- und Opferrolle zu befreien und ein etwas anderes Bild dieser biblischen Frauenfigur zu zeichnen, als es Jahrhunderte der Bibelauslegungen getan haben. Vor allem geht es um den moralischen Status Gomers, wie er in der hebräischen Phrase אשת זנונים ’ešæt zənûnîm „Frau der Hurerei“ (Hos 1,2) zum Ausdruck kommt. Bezeichnet er Gomer als eine Ehebrecherin, eine Profan- bzw. Kultprostituierte oder eine Baalsverehrerin? Auch Kombinationen dieser und anderer Interpretationen sind möglich.

Zwei Hauptlinien der feministischen Exegese kristallisieren sich heraus. Die eine wendet sich dagegen, Gomer als Prostituierte zu verstehen, die andere hebt die positiven Aspekte gerade dieses Verständnisses der Figur Gomer hervor.

Ein Beispiel für die erste Lesart der Gomergestalt ist diejenige von Renita Weems, die die Ehe von Hosea und Gomer als eine Mischung aus sexuellem Begehren und sexuellem Missbrauch eines Mannes gegenüber seiner treulosen Frau versteht. Da der Missbrauch Hoseas schwerer wiegt als der Ehebruch Gomers, ist Gomer zu einem bestimmten Maße moralisch entlastet, eher das Opfer als die Täterin. Ähnlich argumentieren Helgard Balz-Cochois („Gomer“, 172) und Marie-Theres Wacker („Gomer“, 902-903), die Gomer für eine Anhängerin der Volksfrömmigkeit und damit eine Baalsverehrerin halten, welche durch gelegentliche Festpromiskuität zur Ehebrecherin wird (→ Hure / Hurerei). Auch hier wird die moralische Verfehlung Gomers, die ja keine professionelle Prostituierte ist, sondern nur gelegentlich ihre Ehe bricht, minimiert. Nach Gale Yee spiegelt sich in der Beschreibung Gomers als hurerischer Frau die typische Perspektive eines Mannes der altisraelitischen Gesellschaft wider, nach der an einem Ehebruch immer die Frau schuldig, der betrogene Ehemann dagegen lediglich das Opfer ihrer ihn beschämenden Tat sei. Auf der metaphorischen Ebene, die eben aus dieser männlichen Perspektive entwickelt wurde, symbolisiere Gomer also das untreue Israel, das von Gott zu Recht bestraft wird. Yee betont aber, dass Gott in seinem Umgang mit Israel auf keinen Fall als gewalttätiger Ehemann verstanden werden kann. Die Ehemetapher funktioniere nur bis zu einem bestimmten Punkt, nämlich so weit, wie sie Gomer entlastet und Gott nicht als Gewalttäter darstellt. Yees sensible Analyse entlastet einerseits Gomer, insofern ihr am Scheitern der Ehegemeinschaft allenfalls eine Teilschuld zugesprochen wird, andererseits wird deutlich herausgestellt, dass die metaphorische Beschreibung Gottes als eines betrogenen Ehemannes eine Projektion männlicher Klischees ist, deren Unangemessenheit heutzutage deutlich herausgestellt werden müsse.

Die zweite Lesart wird z.B. von Terese J. Hornsby vertreten. Sie sieht Gomer als gut gestellte und unabhängige Prostituierte, die ihre autonome sexuelle Macht benutzt, um Gewalt und Gefangenschaft zu entkommen. Nach Hornsby bezahlt Hosea die Prostituierte Gomer für die Zeit, die sie mit dem Propheten verbringt, so wie Gott es mit einem starken und unabhängigen Israel zu tun hat, das nie freiwillig bei Gott bleibt. Auch Yvonne Sherwood und Cheryl Exum lesen Gomer als Prostituierte. Sie sehen Gomers Beruf als etwas durchweg Positives, das das Ungezähmte und Unabhängige in ihrem Charakter und dem Umgang mit ihrem Körper betont.

Sowohl die traditionelle als auch die feministische Interpretation der Gomergestalt deuten auf eine Schwierigkeit hin, mit der der biblische Text Leser und Leserinnen konfrontiert. Im Hoseabuch wird Gott mit einem Ehemann verglichen und Israel mit seiner Frau. Diese Metapher soll die besondere Liebe zwischen zwei Partnern darstellen, einer Liebe, die von Vergebung und dem Potential für einen Neubeginn nach großem Schmerz geprägt ist. Versteht man das Verhalten Hoseas, und damit das göttliche Verhalten auf der metaphorischen Ebene, reagiert Gott angemessen und geradezu liebevoll, wenn er das vom Wege abgekommene Israel bestraft, aber doch bald wieder in seine Arme aufnimmt. Trotzdem empfinden viele moderne Leserinnen und Leser die menschliche Ebene dieser Ehebeschreibung als Missbrauch. Körperliche Züchtigung, respektloses Beschämen in aller Öffentlichkeit, aber vor allem das „Verführen“ der vorher Missbrauchten stößt bei Frauen mit eigenen Missbrauchserfahrungen auf Protest, denn gerade die ständige Wiederholung des Zyklus von Missbrauch und Zuwendung hält viele missbrauchte Frauen davon ab, die für sie eigentlich unerträgliche Situation zu beenden.

Feministische Auslegerinnen haben außerdem herausgearbeitet, dass sich im Verhältnis von Gomer und Hosea das asymmetrische Verhältnis zwischen dem als männlich verstandenen Gott und der treulosen Ehefrau Israel widerspiegelt. Das Männliche steht in Hos 1-3 für Rechtschaffenheit und Treue, das Weibliche für Sünde und Treulosigkeit. Das ist eine rhetorische Symbolstrategie, die der Botschaft des Hoseabuches nützt, die aber auch alle Frauenfiguren der Bibel dunkel einfärbt und der Diskriminierung der Frauen in Theologie und Kirche Vorschub geleistet hat.

Die kritische Auseinandersetzung feministischer Bibelauslegung mit dem Schicksal der Frauengestalt Gomer ist daher nicht Fehl am Platz und begründet sich in dem Willen, alte biblische Texte und ihre Metaphern im Licht des heutige (Glaubens-)Lebens zu betrachten und nach ihrer Bedeutung für moderne Gläubige zu befragen. Diesem Anliegen gegenüber reicht es nicht aus, wenn man solche Ansätze vorschnell als moderne Sensibilitäten abtut und darauf verweist, dass das Hoseabuch eben ein alter Text sei, so wie es Harold Louis Ginsberg in seinem Artikel getan hat.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Metaphernsprache des Hoseabuches – und das gilt für metaphorische Texte in Allgemeinen – keine historische Situationsbeschreibung der Beziehung von Hosea und Gomer bieten und erst recht keine Handlungsanweisung für menschliche Beziehungen geben will. Die Beziehung zwischen Hosea und Gomer ist eine Metapher und dient einem literarischen und theologischen Zweck. Ob tatsächlich einmal ein gewisser Hosea eine Frau namens Gomer als Teil einer symbolischen Handlung geheiratet hat, muss offen bleiben, ist aber für die Aussageabsicht auch irrelevant. Weder soll Gewalt in menschlichen Beziehungen und Gewalt gegen Frauen als gottgewollt gerechtfertigt werden, noch soll Gomer als positives Ideal weiblicher Selbstbestimmung zur Nachahmung empfohlen werden. Dargestellt werden soll vielmehr der strenge und strafende, aber gleichzeitig liebevolle und vergebende Gott.

2. Gomer als Hohlmaß

In einigen deutschen Bibelübersetzungen (z.B. der Einheitsübersetzung, nicht der Lutherbibel) wird „Gomer“ auch als Transkription für das hebräische Wort עֹמֶר ‘omær benutzt (Ex 16,16; Lev 23,10.15; Dtn 24,19; Hi 24,10), obwohl es mit dem Eigennamen „Gomer“, der im Hebräischen anders geschrieben ist, nichts zu tun hat. Gomer ist in diesem Fall ein Korn- oder Hohlmaß, dessen Volumen einer Garbe entspricht, die ein Mann mit bloßen Händen halten konnte (vgl. Lev 23,11-12). Es ist der zehnte Teil eines Efa und fasst etwas mehr als zwei Liter (→ Maße / Gewichte).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon zur Bibel, Wuppertal 1992 / 1993
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Allwohn, A., Die Ehe des Propheten Hosea in psychoanalytischer Beleuchtung, Giessen 1926
  • Balz-Cochois, H., Gomer. Der Höhenkult Israels im Selbstverständnis der Volksfrömmigkeit, Frankfurt am Main 1982
  • Baumgartner, W., Gomer bath diblaim, ZAW 33 (1913), 78
  • Bitter, S., Die Ehe des Propheten Hosea. Eine auslegungsgeschichtliche Untersuchung, Göttingen 1975
  • Evans, T., Drych y Prif Oesoedd, Bangor 1740
  • Exum, J.C., Plotted, Shot, and Painted: Cultural Representations of Biblical Women (JSOT.S 215), Sheffield 1996
  • Farthing, J.L., Holy Harlotry: Jerome Zanchi and the Exegetical History of Gomer (Hosea 1-3), in: R.A. Muller / J.L. Thompson (Hgg.), Biblical Interpretation in the Era of the Reformation, Grand Rapids 1996, 292-312
  • Ginsberg, H.L., Art. Book of Hosea, in: Encyclopedia Judaica, 2. Aufl., Bd. 9, 547-558
  • Hornsby, T.J., „Israel Has Become a Worthless Thing“: Re-Reading Gomer in Hosea 1-3, JSOT 82 (1999), 115-128
  • Jastrow, M., A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the Midrashic Literature, Peabody, MA, 2005 (Nachdruck der Auflage von New York, 1943)
  • Kelle, B.E., Hosea 2. Metaphor and Rhetoric in Historical Perspective, Leiden 2005
  • Nestle, E., Gomer bath diblaim, ZAW 29 (1909), 233-234
  • Pritsak, O. / N. Golb, Khazarian Hebrew Documents of the Tenth Century, Ithaca 1982
  • Sherwood, Y., The Prostitute and the Prophet: Hosea’s Marriage in Literary-Theoretical Perspective (JSOT.S 212), Sheffield 1996
  • Wacker, M.-T., Figurationen des Weiblichen im Hosea-Buch, Freiburg 1996
  • Weems, R., Battered Love: Marriage, Sex and Violence in the Hebrew Prophets, Philadelphia 1995
  • Weider, A., Ehemetaphorik in prophetischer Verkündigung, Würzburg 1993
  • Yee, G.A., Art. Hosea, in: C.A. Newsom / S.H. Ringe (Hgg.), Women’s Bible Commentary (Expanded Edition), Louisville 1998, 207-215
  • Zeuss, J.K., Art. Combrogos, in: University of Wales Dictionary, Bd. I, Cardiff 1967, 770
  • Zeuss, J.K., Art. Gomeriad, in: University of Wales Dictionary, Bd. II, Cardiff 2003, 1485

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