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Goethe, Johann Wolfgang

(1749-1832)

(erstellt: November 2015)

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Goethe 01

Der folgende Artikel behandelt Goethes Interesse an Bibel und Bibelwissenschaft, das auch in eigenen Interpretationen biblischer Texte Niederschlag gefunden hat. Die vielfältigen biblischen Einflüsse auf das literarische Werk Goethes – z.B. die Aufnahme der Himmelsszenen des → Hiobbuchs im Faust – sind hingegen nicht Gegenstand des Artikels.

Da Goethes Verhältnis zur Bibel und seine Auslegungen von Bibeltexten ohne Grundkenntnisse seiner religiösen Positionen nicht zu verstehen sind, stellt der erste Teil repräsentative Aspekte seiner religiösen Ansichten vor.

Der zweite Teil weist zunächst auf allgemeine Aussagen zur Wertschätzung der Bibel hin und bespricht anschließend biographische Perspektiven zur Entwicklung von Goethes Bibelverständnis.

Der abschließende dritte Teil widmet sich drei wichtigen Texten, in denen sich Goethe als Bibelausleger betätigt. Da diese Texte der Form nach keine wissenschaftlich-exegetischen Arbeiten sind, sondern eine „für das 18. bzw. frühe 19. Jahrhundert nicht unübliche Position zwischen wissenschaftlicher Prosa und Belletristik“ einnehmen (Linder 1998, 156), ist eine ausführlichere Besprechung notwendig, um z.T. nur indirekt vorgetragene Intentionen zu erfassen. Dabei wird deutlich, dass die Texte als Ausdruck eigener Auffassungen zu verstehen sind, die Goethe im Umgang mit den Bibeltexten schärft und begründet, wobei er jedoch Einsichten der Bibelwissenschaft berücksichtigt und auch eigene historisch-kritische Schlussfolgerungen vorträgt.

1. Zu den religiösen Auffassungen Goethes

Zu Goethes religiösen Auffassungen, die er nie systematisch dargelegt hat, können nur wenige repräsentative Aspekte genannt werden (vgl. darüber hinaus Thielicke 1982; Bollacher 1998a; Schings 1998; Baur 2000; Hamlin 2000; weitere Literatur bei den Genannten sowie in: Linder 1998, 25 Anm. 5). Differenzierungen, auch im Blick auf die Frage nach ideen- und geistesgeschichtlichen Einflüssen auf Goethe (vgl. dazu u.a. Sauder 1995), müssen weitgehend unterbleiben.

1.1. Pietistische, aufklärerische und naturmystische Einflüsse

Der aus evangelisch-lutherischem Elternhaus stammende Goethe war während des von Krankheit geprägten Frankfurter Intermezzos (1768-1770) zwischen der Leipziger und der Straßburger Studienzeit (vgl. Conrady 1982, 81-101; Safranski 2013, 60-74) bemüht, sich ein pietistisch bestimmtes Christentum anzueignen; zugleich bestand ein von manchen Frankfurter Pietisten geteiltes Interesse an hermetischer Naturforschung (Conrady 1982, 84-95), das bei Goethe schließlich das Interesse am spezifisch Christlichen überlagerte (Sauder 1995, 101f.). Goethes eigene Darstellung in „Dichtung und Wahrheit“ (=DW) 12 lässt erkennen, dass das Interesse am Pietismus nicht zuletzt der Krankheitssituation geschuldet war, so dass es wohl auch deshalb keinen Bestand haben konnte (vgl. Linder 1998, 103f.). Eine unüberbrückbare Differenz zum Pietismus ergab sich schließlich aus Goethes mangelndem Verständnis für die Betonung der Sündhaftigkeit des Menschen (vgl. DW 12, in: FA I 14, 557; DW 14, in: FA I 14, 691f.; zu Goethes Kritik am christlichen Sündenverständnis auch Baur 2000, 144), sicher auch aus seiner später mehrfach betonten Ablehnung einer einseitigen Festlegung auf eine bestimmte Form der Religion.

Dem Pietismus verbunden blieb Goethe aber in der Ablehnung orthodox-dogmatischer Traditionsgläubigkeit zugunsten einer persönlichen Religiosität, zu der der Einzelne begabt und berufen ist. In seinem Einsatz für „das Recht der je eigenen Erfahrung“ und damit für „die Geltung individueller Wahrhaftigkeit im religiösen Leben“ (Baur 2000, 154f.) kommt die Grundüberzeugung zur Geltung, dass das Individuum nicht durch religiöse „Fremdansprüche verbogen, entfremdet und heteronomisiert“ werden darf, in der Goethe auch mit den Aufklärern verbunden ist (Thielicke 1982, 12).

Von dem weiten, Religion, Philosophie und Wissenschaft verbindenden Ansatz der Hermetik blieb das „naturmystische Orientierungsmodell“ bestimmend, für das ein „in seiner Schöpfung erfaßbare[r] Gott aus Kosmos und Geist“ prägend ist, sowie „die Polarität der Lebensenergie, die immer wieder neue Gestalt annimmt“, und der „Wunsch nach einer umgreifenden Orientierung“ (Sauder 1995, 101).

1.2. Pluralistisches Bekenntnis

Zwei Bekenntnisse zur pluralistischen Religiosität sind für die religiöse Haltung Goethes repräsentativ. Gegenüber J.C. Lavater vergleicht er die Religion mit einer Arznei, für die es viele Rezepte gibt, wobei nicht jedes Rezept bei jedem wirkt (Brief vom 4. Okt. 1782, in: FA II 2 [29], 449). An F.H. Jacobi schreibt Goethe, dass für ihn unter verschiedenen Aspekten unterschiedliche Religionsformen angemessen sind: „Als Dichter und Künstler bin ich Polytheist, Pantheist hingegen als Naturforscher, und eins so entschieden als das andre. Bedarf ich eines Gottes für meine Persönlichkeit, als sittlicher Mensch, so ist dafür auch schon gesorgt“ (6. Jan. 1813, in: FA II 7 [34], 147). Goethe sieht also keine Konkurrenz zwischen den verschiedenen Religionsformen, sondern versteht sie als komplementäre Perspektiven. Das Christentum findet in diesem Rahmen seinen Platz als Religion eines ethischen Monotheismus: „Wir sind naturforschend Pantheisten, dichtend Polytheisten, sittlich Monotheisten“ (Maximen und Reflexionen 1.422, in: FA I 13, 64; zur Interpretation Thielicke 1982, 18-24).

1.3. Die Welt als Gleichnis

Eine zentrale religiöse Grundhaltung Goethes kommt in den berühmten Worten aus den Schlussversen des „Faust“ „Alles Vergängliche / Ist nur ein Gleichnis“ (Faust II, 5. Akt, Bergschluchten ZZ. 12104f.) zum Ausdruck: „Die Welt, die uns gegeben ist, ist Abglanz des Unendlichen“ (Trunz 1990, 167), als solche kann sie naturwissenschaftlich erforscht und dichterisch beschrieben werden. Die Gleichnishaftigkeit der Welt wird vor allem in Urphänomenen deutlich, die „unmittelbar auf ein Dahinterstehendes weisen“ (Trunz 1990, 168). Zu diesen Urphänomenen gehört neben dem sittlichen Gewissen, der Tat und der Liebe als viertes die Natur (vgl. Trunz 1990, 169-187). Daraus ergibt sich die „pan(en)theistische“ (zum Begriff vgl. Bollacher 1998b) „Vorstellungsart“ „Gott in der Natur, die Natur in Gott zu sehen“, die Goethe „den Grund meiner ganzen Existenz“ nennen kann (FA I 17, 246) und die somit unter der Fülle der komplementären religiösen Perspektiven (s.o. 1.2.) „als die eigentliche Dominante“ erkannt werden kann (Thielicke 1982, 98). Das Verständnis der Welt als Gleichnis des Göttlichen, das nie unmittelbar und umfassend, sondern immer nur in Abbildern und komplementären Zugängen erfahrbar ist, kann zur Basis einer Erlösungshoffnung werden. So verschmelzen in der Schlussszene des „Faust“ (Faust II, 5. Akt, Bergschluchten) naturkundliche Beobachtungen mit der origenistischen Auffassung über die Allversöhnung (Schöne 1994, 20-34); Gestalten der biblischen und christlichen Tradition dienen als Sinnbilder zur Darstellung der eigentlich unbeschreiblichen Erlösung („Das Unbeschreibliche, / Hier ist’s getan“; Faust II, 5. Akt, Bergschluchten ZZ. 12108f.; Schöne 1994, 12-15).

1.4. Der Ewigkeitswert edlen menschlichen Strebens

Goethe sieht die Natur „verpflichtet“, dem tätigen und strebenden Menschen nach dem physischen Tod „eine andere Form des Daseins anzuweisen“ (zu Eckermann, 4. Febr. 1829, in: FA II 12 [39], 301). Indem so die Fortexistenz über den Tod hinaus zumindest für diejenigen anzunehmen ist, die tätig nach Vollendung streben, können die bekannten Engelsworte aus der letzten „Faust“-Szene „Wer immer strebend sich bemüht, / Den können wir erlösen“ als Goethes eigenes Bekenntnis aufgefasst werden (Faust II, 5. Akt, Bergschluchten ZZ. 11936f.; vgl. Schöne 1994, 16-20.26f.). Allerdings führt die Begründung auf das edle Streben des Menschen nicht zu einer egalitären Unsterblichkeitshoffnung: Die Menschen sind „nicht auf gleiche Weise unsterblich, und um sich künftig als große Entelechie zu manifestieren, muß man auch eine sein“ (Goethe zu Eckermann, 1. Sept. 1829, in: FA II 12 [39], 361; vgl. Thielicke 1982, 45-50; Schings 1998, 898). Verwandt ist damit die Vorstellung von besonders talentierten („gottbegnadeten“) Menschen als „höheren Naturen“, durch welche der Schöpfer in seiner creatio continua zur Erziehung geringerer Naturen wirksam ist (Goethe zu Eckermann, 11. März 1832, in: FA II 12 [39], 749f.).

1.5. Bedeutung des Christentums

Obwohl Goethe sich als „dezidirter Nichtkrist“ bekennen konnte (Brief an Lavater vom 29. Juli 1782, in: FA II 2 [29], 436), war das Christentum zugleich „eine tragende Grundlage seines Lebens“ (Hermann 1971, 125), wohl auch weil es menschliche Grundfragen (Schuld, Endlichkeit, Unsterblichkeit) anspricht, die die für Goethe grundlegende pan(en)theistische Perspektive nicht erfasst (Thielicke 1982, 98f.). Goethe selbst spricht von einem Christentum „zu meinem Privatgebrauch“, das er sich nach der Trennung von den pietistischen Kreisen gebildet habe, weil ihm die „Neigung zu den heiligen Schriften so wie zu dem Stifter und den früheren Bekennern nicht geraubt werden konnte“ („Dichtung und Wahrheit“ [=DW] 15, in: FA I 14, 692).

Die Idee eines nicht von der kirchlichen Tradition bestimmten „Privat-Christentums“ entspricht der religiösen Umbruchsituation des 18. Jh.s (vgl. Sauder 2001, 114.125 mit Verweis auf J.S. Semler; auch Baur 2000, 141.145-147). Grundlage ist bei Goethe nicht die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift, sondern die Auffassung der Welt als Gleichnis (s.o. 1.3.). Daraus ergibt sich für ihn „die göttlich bewährte, tätig bewahrte Gegenwart eines umfassend Tragenden“. Das Christentum ist ihm „eine [!] (…) Gestalt der Offenbarung dieses ‚heilig öffentlichen Geheimnisses‘“ (die letzten Zitate aus: Baur 2000, 145, der seinerseits Goethes Gedicht „Epirrhema“ [FA I 2, 498] zitiert). Für ihn bringt das Christentum aber nicht das ganze Geheimnis des Göttlichen zum Ausdruck. Im Übrigen passt er es der pan(en)theistischen Grundüberzeugung an. Die Erlösung des Sünders durch Kreuz und Auferstehung Christi – nach traditioneller kirchlicher Auffassung das Zentrum der Heiligen Schrift – ist Goethe fremd geblieben: Christus ist ihm eine Offenbarung göttlicher Hoheit und „des höchsten Prinzips der Sittlichkeit“, die er neben die Offenbarung der Leben spendenden Kraft Gottes in der Sonne stellen kann (zu Eckermann, 11. März 1832, FA II 12 [39], 747f.; vgl. Baur 2000, 152-154; auch Hermann 1971, 131f.). Die Fremdheit, ja Ablehnung des christlichen Erlösungsglaubens spiegelt sich auch in den Bibelinterpretationen Goethes wider: So richten sich die „Zwo Fragen“ gegen die Auffassung des alttestamentlichen Bundes als typologischer Vorstufe des in Christus gestifteten neuen Bundes, wie sie der christozentrisch-heilsgeschichtlichen Sicht der traditionellen Theologie entspricht (s.u. 3.1.1.), und die Genesis-Paraphrase in DW 4 enthält eine hintergründige Kritik am Opfertod Christi als Stiftung des Neuen Bundes (s.u. 3.2.).

Den Glauben als Grundhaltung christlicher Frömmigkeit hat Goethe durchaus geschätzt. Nach der in DW 14 mitgeteilten Erinnerung hat er ihn gegenüber Lavater als „großes Gefühl von Sicherheit für die Gegenwart und Zukunft“ definiert, die „aus dem Zutrauen auf ein übergroßes, übermächtiges und unerforschliches Wesen“ entspringt. Dabei legt er jedoch Wert darauf, dass sich jeder seinen Fähigkeiten und den Umständen entsprechend von diesem „übergroßen Wesen“ sein eigenes Bild machen muss (FA I 14, 668). Auch wenn Goethe diese Einsicht in DW 14 sogleich als „Halbwahrheit“ relativiert, bringt sie wohl eine aus christlicher Tradition geprägte Wertschätzung des späten Goethe für den Glauben als Vertrauen auf den unfassbaren – das heißt aber auch: auf den nicht durch die christliche Dogmatik definierbaren – Gott zum Ausdruck (vgl. Baur 2000, 149f.). Auch die Genesis-Paraphrase und die Interpretation der Mose-Erzählungen spiegeln diese Wertschätzung des Glaubens (s.u. 3.2. - 3.3.); die Genesis-Paraphrase thematisiert freilich auch dessen Abgründe.

2. Goethes Verhältnis zur Bibel

2.1. Wertschätzung der Bibel, vor allem des Alten Testaments

Goethe kann ein „Zuhausesein in der Bibel“ attestiert werden. War dieses auch nicht „Nahrung und Ausdruck christlichen Glaubenslebens“ im traditionellen Sinne (Hermann 1971, 127), so verklammert Goethe doch oft seine eigene Lebenssituation „mit persönlich beanspruchten Bibelworten“, worin wohl mehr zu sehen ist „als nur eine Prägung des Lebensgefühls durch das Kulturgut und die Sprachkraft der Schrift“ (Baur 2000, 142; vgl. auch Linder 1998, 32).

Die Bibel ist ihm auf Grund ihrer Unausschöpflichkeit ein „ewig wirksames Buch“, zu dem Goethe „bescheiden“ feststellt: „Im Ganzen ist es ehrwürdig, und im Einzelnen anwendbar“ (Maximen und Reflexionen 2.9.2., in: FA I 13, 119), also auf das Leben zu beziehen. Diese Wertschätzung des Lebensbezugs der Bibel bestimmt auch seine Arbeiten zu biblischen Texten (s.u. 3.1.1.; 3.4.).

Im Historischen Teil der Farbenlehre (3. Abteilung: Zwischenzeit. Überliefertes, in: FA I 23 / 1, 616-618) rechnet Goethe die Bibel gemeinsam mit den Schriften Platons und Aristoteles’ zu den wichtigsten Büchern der Tradition. Ihre universale Bedeutung liege darin, dass sie „die Schicksale eines Volks zum Symbol aller übrigen aufstellt“ (FA I 23 / 1, 617). Damit wird die biblische Geschichte dem Symbolbegriff Goethes entsprechend zu einem besonderen, aber herausragenden („eminenten“) und damit für alle anderen Völker repräsentativen Fall erklärt (zu Goethes Bestimmung des „Symbolischen“ vgl. Brief an Schiller vom 16. / 17. Aug. 1797, in: FA II 4 [31], 389; zur Bedeutung des Zitats Stockhammer 1998, 1031). So kann Goethe in seiner Interpretation der Mose-Erzählungen (s.u. 3.3.) das biblische Grundthema des Konflikts von Glaube und Unglaube als das wesentliche Thema der ganzen Weltgeschichte bezeichnen.

Indem Goethe als Thema der Bibel „die Schicksale eines Volks“, also Israels, angibt, deutet sich seine besondere Hochschätzung des Alten Testaments an (vgl. dazu auch Janzer 1929, 19f.59; Sauder 2001, 117.119). Die bis in die Jugendzeit zurückgehenden Bemühungen um Sprache und Inhalt des Alten Testaments bewirkten bei ihm eine bleibende Faszination für den Orient als der Weltgegend, von der die Menschheitsgeschichte ihren Ausgang nahm und aus der „die ersten und einzigsten Nachrichten der Urgeschichte“ erhalten sind („Dichtung und Wahrheit“ [=DW] 4, in: FA I 14, 143). Das Alte Testament fasziniert ihn, weil es auf Grund seines hohen Alters Einblicke in die frühe, noch nicht von späterer Rationalität und Glaubenslosigkeit bestimmte Epoche der Menschheitsgeschichte gewährt. Beispiele dieser Faszination sind der „West-östliche Divan“ und die Genesis-Paraphrase (s.u. 3.2.). Alttestamentliche Stoffe regten Goethe zu frühen literarischen Versuchen an (Janzer 1929, 64-67), so gestaltete er schon als Schüler die Josefsgeschichte literarisch aus (FA I 14, 156f.; vgl. dazu Lang 2011, 8-10).

Dass Goethe weniger Interesse am Neuen Testament zeigt, hängt zweifellos auch damit zusammen, dass ihm das neutestamentliche Grundkerygma der Erlösung durch Kreuz und Auferstehung Christi fremd geblieben ist. Gegen Ende der Leipziger Studienzeit war der damals kranke Goethe in Gesprächen mit E.T. Langer am Evangelium interessiert (DW 8, in: FA I 14, 366), während des Frankfurter Intermezzos (s.o. 1.1.) wird er sich intensiver mit der Botschaft des Neuen Testaments beschäftigt haben (vgl. Brief an Langer vom 9. Nov. 1768, in: FA II 1 [28], 142), allerdings liegen darüber keine Einzelheiten betreffenden Aufzeichnungen vor.Später verstand Goethe Christus als Offenbarung göttlicher Hoheit und des höchsten Prinzips der Sittlichkeit (vgl. FA II 12 [39], 747). Aber auch dadurch wurde sein Interesse am Neuen Testament eingeschränkt: Das neutestamentliche Christusbild erschien ihm zu heilig, um daraus etwa einen literarischen Stoff zu gewinnen (vgl. Janzer 1929, 71).

2.2. Biographische Perspektiven

2.2.1. Bibelkenntnis; Kenntnis biblischer Sprachen; frühes exegetisches Interesse

Jeder biographische Abriss zu Goethes Verhältnis zur Bibel (vgl. auch Janzer 1929, 12-27; Jørgensen 1998) hat davon auszugehen, dass gute Bibelkenntnis seinerzeit vor allem in protestantischen Kreisen zum selbstverständlichen Bildungsgut gehörte. Abgesehen von der Vermittlung von Bibelkenntnissen im Elementarunterricht erinnert sich Goethe, dass „die große Foliobibel, mit Kupfern von Merian“ sein „junges Gehirn schnell genug mit einer Masse von Bildern und Begebenheiten, von bedeutenden und wunderbaren Gestalten und Ereignissen“ angefüllt habe („Dichtung und Wahrheit“ [=DW] 1, in: FA I 14, 41f.). Bei der Schilderung der Gespräche mit E.T. Langer am Ende der Leipziger Studienzeit deutet Goethe an, dass er die Bibel zunächst als göttliches Buch, also als Offenbarung im orthodoxen Sinne, kennengelernt habe (DW 8, in: FA I 14, 366; zur Darstellung Langers und der gemeinsamen Gespräche Linder 1998, 101-103). Zugleich führt er Aspekte des Bibelverständnisses auf Kindheit und Jugend zurück, die auf lange Sicht wirksamer sein sollten. Gehörte der Erwerb von Griechischkenntnissen und die dadurch ermöglichte Lektüre des Neuen Testaments im Original zum üblichen Bildungsgang (DW 1, in: FA I 14, 40; auch DW 4, in: FA I 14, 138), so nahm Goethe zusätzlich Privatstunden im Hebräischen bei dem Gymnasialdirektor J.G. Albrecht (DW 4, in: FA I 14, 138; zur Schilderung der Hebräischstunden und der kritischen Bibellektüre bei Albrecht vgl. Linder 1998, 92-99. Nach Linder 1998, 98f. stilisiert Goethe die Bibellektüre bei Albrecht in der Tradition der christlichen Autobiographie seit Augustinus als biographischen Wendepunkt – allerdings nicht im Sinne einer religiösen Bekehrung, sondern im Gegenteil: als Wende zur kritischen Abkehr von der religiösen Tradition). Nach DW 4 ermöglichten die Hebräischstunden ein vertieftes Eindringen in alttestamentliche Texte, bei dem sich die „Widersprüche der Überlieferung mit dem Wirklichen und Möglichen“ aufdrängten. Auf Grund seiner Fragen habe ihm Albrecht das „englische Bibelwerk“ zugänglich gemacht, ein neunzehnbändiges Sammelwerk (1749-1770), das in deutscher Übersetzung Auszüge aus Bibelinterpretationen englischer Gelehrter enthielt, die sehr unterschiedlichen theologischen Richtungen angehörten. Diese Auszüge wurden ergänzt um kommentierende Anmerkungen deutscher Theologen, die sich zwischen Orthodoxie und Rationalismus bewegten (vgl. Schöffler 1956, 100-108). Goethe will dieses Werk schon als Schüler intensiv studiert haben (DW 4, in: FA I 14, 140-143). Auch wenn es sich dabei nicht um ein systematisches Studium des monumentalen „Bibelwerkes“ gehandelt haben dürfte (Schöffler 1956, 108), wird die Lektüre dem jungen Goethe ein Gespür für die Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten vermittelt haben. Zugleich müssen ihm aufklärerische Einwände gegen biblische Texte bekannt geworden sein, die Albrecht, der als lutherischer Theologe innerlich der Aufklärung zuneigte, dem Schüler auch gern zugänglich machte (vgl. Schöffler 1956, 110-112).

2.2.2. Die Begegnung mit Herder; Verhältnis zur historisch-kritischen Bibelwissenschaft

Durch die Begegnung mit J.G. → Herder während der Straßburger Studienzeit (vgl. Conrady 1982, 110-122; Safranski 2013, 81-87) gewinnt Goethe ein neues Verhältnis zur Bibel, die er ohnehin nicht mehr als Offenbarungsbuch im orthodoxen Sinne versteht und die er nun als Poesie zu verstehen lernt. Herder habe ihn gelehrt, „daß die Dichtkunst überhaupt eine Welt- und Völkergabe sei, nicht ein Privaterbteil einiger feinen, gebildeten Männer“. Dazu zählt er ausdrücklich die hebräische Dichtkunst des Alten Testaments, die Herder „nach seinem Vorgänger Lowth geistreich behandelte“ („Dichtung und Wahrheit“ [=DW] 10, in: FA I 14, 445; → Lowth).

Damit fand Goethe Anschluss an die damals aufkommende historische Bibelwissenschaft, auf deren Entstehung er in DW 7 schon im Rahmen der Schilderung der Leipziger Studienzeit zu sprechen gekommen war: Nachdem sich die Theologen im Zuge der Aufklärung von der überkommenen Orthodoxie ab- und der natürlichen, vernünftig begründeten Religion zuwandten (→ Epochen der christlichen Bibelauslegung), konnte die Bibel nicht mehr als inspiriertes Offenbarungsbuch verstanden werden, stattdessen wurde sie nun wie alle Literatur historisch interpretiert, wobei auch die Individualität der einzelnen Autoren vor ihrem jeweiligen sozialgeschichtlichen Hintergrund deutlich wurde: „Amos als Kuhhirte führe nicht die Sprache Jesaia’s, welcher ein Prinz solle gewesen sein“. Das Bemühen um ein historisches Verständnis der Bibel wurde von der Erforschung des geographischen Hintergrundes und der Realienwelt begleitet. Goethe nennt in diesem Zusammenhang Arbeiten von J.D. Michaelis sowie Reiseberichte über den Orient als „kräftiges Hülfsmittel zur Erklärung der heiligen Schriften“ (die letzten Zitate aus: DW 7, in: FA I 14, 301).

Nach eigener Aussage hätte er lieber, statt dem Willen des Vaters zu folgen und in Leipzig das Jurastudium aufzunehmen, in Göttingen bei Michaelis und dem ebenfalls für die frühe Bibelwissenschaft wichtigen C.G. Heyne studiert (DW 6, in: FA I 14, 264f.). Heynes Mythosbegriff (→ Mythos 2.1.1.), der es erlaubte, die biblischen Texte entsprechend ihrer eigenen, von neuzeitlicher Rationalität abweichenden Sprach- und Denkweise wahrzunehmen, wurde durch J.G. → Eichhorn in die Bibelwissenschaft übernommen (vgl. u.a. Gauss 1961, 68.73).

Das Interesse an der historischen Bibelkritik ist Goethe zeitlebens geblieben (zum Folgenden ausführlicher Janzer 1929, 46-53) und hat sich in der Lektüre bibelwissenschaftlicher Werke sowie in eigenen Studien zu biblischen Texten (s.u. 3.) niedergeschlagen.

Unter anderem beschäftigte sich Goethe mit den Werken von J.G. Eichhorn. In einem Brief an Schiller vom 19. April 1797 erwähnt er ein paralleles Studium des Alten Testaments und Homers, begleitet von Eichhorns „Einleitung in das Alte Testament“ und F.A. Wolfs „Prolegomena ad Homerum“ (FA II 4 [31], 319). Diese Studien standen im Zusammenhang mit Goethes Arbeit an den Mose-Erzählungen (s.u. 3.3.-3.4.). Später las er Eichhorns dreibändige Darstellung der Propheten Israels (FA I 3 / 1, 271; WA III / 7, 49.64; WA IV / 31, 153). Neben Herder ist für ihn Eichhorn derjenige, der ihn über das Alte Testament als alte orientalische Poesie aufgeklärt hat (FA I 3 / 1, 140).Was die Exegese des Neuen Testaments angeht, so lobt Goethe den rationalistischen Exegeten H.E.G. → Paulus, weil dieser das Neue Testament nicht mehr „in idealer Allgemeinheit“, sondern „in einer spezifischen und individuellen Gegenwart“ zu verstehen lehre (Brief an Schiller, 19. Febr. 1802, in: FA II 5 [32], 226f.). Zum Bemühen um ein historisches Verständnis des Neuen Testaments gehört auch Goethes Lektüre der 1816 in Zeitz erschienenen „Historisch-geographischen Beschreibung des jüdischen Landes zur Zeit Jesu. Zur Beförderung einer anschaulichen Kenntnis der evangelischen Geschichte“ von J.F. Röhr (Empfehlung dieses „herrlichen Buches“ an Eckermann [13. Febr. 1831], in: FA II 12 [39], 434; nach WA III 8, 60.69 Lektüre des Buches im Mai / Juni 1821; nach WA III 10, 166 im Februar 1826).In Goethes Nachlass finden sich Notizen, die Überlegungen zu biblischen Texten und Themen dokumentieren. Dazu gehören Bemerkungen zum → Hebräerbrief und zum → Römerbrief, zur Rekonstruktion des salomonischen → Tempels sowie knappe exegetische Notizen zum Ersten → Samuelbuch (WA I 42,2, 507-510). Nach diesen Notizen stellt sich Goethe das in 1Sam 5 erwähnte Bild des Gottes → Dagon als „zusammengesetzte Bildsäule“ mit einem hölzernen Rumpf und Händen aus anderen Materialien vor. In 1Sam 17 macht er den Beginn einer anderen Quelle aus, und er notiert zur Interpretation der David-Goliath-Geschichte: „Glaube ist Liebe zum Unsichtbaren, Vertrauen aufs Unmögliche, Unwahrscheinliche“ (WA I 42,2, 509f.).

3. Interpretationen biblischer Texte

3.1. „Zwo wichtige bisher unerörterte Biblische Fragen“

Die Einleitung der 1773 publizierten anonymen Schrift „Zwo wichtige bisher unerörterte Biblische Fragen zum erstenmal gründlich beantwortet von einem Landgeistlichen in Schwaben“ (dazu u.a. Galling 1948 / 49, 531-533; Schottroff 1984, 467-474.479f.; Koopmann 1997, 531f.; Wilpert 1998, 1226f.; Tillmann 2006, 122-157) enthält grundlegende Aussagen zum Bibelverständnis (FA I 18, 131-133). Die im Hauptteil behandelten „Zwo Fragen“ betreffen Kernstellen über die Stiftung eines Verhältnisses zwischen Mensch und Gott. Mit der ersten Frage „Was stund auf den Tafeln des Bunds?“ soll bewiesen werden, dass nicht der Dekalog von Ex 20,1-17 mit seiner universalen Ethik Grundlage des Bundes Gottes mit Israel war; mit der zweiten Frage „Was heißt mit Zungen reden?“ wird die von den Jüngern am ersten Pfingsten erfahrene Geisterfülltheit als Grundlage des Gottesverhältnisses bestimmt.

3.1.1. Bibel und „brauchbare Religion“

Die Gestaltung der Schrift als Brief eines fiktiven schwäbischen Landgeistlichen soll den Eindruck pietistischer Herkunft erwecken (Tillmann 2006, 123). So sehr die Schrift in zentralen Aussagen vom Pietismus abweicht, sind die Orientierung der Bibelauslegung am praktischen Nutzen und die Bedeutung der Persönlichkeit des Auslegers doch pietistisch beeinflusst (vgl. Tillmann 2006, 124.126). Was die Persönlichkeit des Auslegers angeht, so steht in Goethes Fiktion dem wissenschaftlich wenig interessierten, durch „Empfindung“ ausgezeichneten Landgeistlichen sein durch aufgeklärte „Gelehrsamkeit“ ausgezeichneter Sohn gegenüber. Der Landgeistliche wundert sich über die, die ganze Bücher durchexegesieren, während er Gott dankt, wenn ihm „hier und da ein brauchbarer Spruch aufgeht“ (FA I 18, 131f.). Der Sohn hingegen glaubt, biblische Bücher „aus dem Fundament“ verstehen bzw. mit Hilfe eines „Universalschlüssels“ erklären zu können. Für den Landgeistlichen läuft diese Art der Exegese aber „auf eine kalte Reduktion hinaus“: Nicht durch Gelehrsamkeit, sondern erst „im Lebens- und Arbeitsgange“ seien die biblischen „Kernbücher“ zu verstehen. Gelehrte Prediger versäumten zu fragen, was die Zuhörer „brauchen“; dabei gelte: „Die einzige brauchbare Religion muß einfach und warm sein, von der einzigen Wahren haben wir nicht zu urteilen“, dies stehe allein Gott zu (die letzten Zitate in: FA I 18, 134).

Mit dem auf „Brauchbarkeit“, nicht auf Wahrheit ausgerichteten Religionsverständnis und einem entsprechenden Umgang mit biblischen Büchern, bei dem im Lebensvollzug „hier und da ein brauchbarer [=lebensdienlicher] Spruch aufgeht“, unterscheidet sich Goethes Landgeistlicher sowohl von der Orthodoxie als auch von der rationalistischen Exegese. Die Orthodoxie erklärt alle biblischen Aussagen zur gültigen Offenbarung und exegesiert deshalb alle Bücher durch; die rationalistische Exegese will die Bibel in ein vernünftiges „System“ pressen und erklärt alle nicht dazu passenden Stellen zu „Lokalkleinigkeiten“ (FA I 18, 133), d.h. zu historischen Belanglosigkeiten. Versuche, die Bibel rationalistisch in den Griff zu bekommen, kritisiert Goethe zu jener Zeit auch in anderen Texten, z.T. in satirischer Form (vgl. Sauder 2001, 119f.; Tillmann 2006, 65-79.81-84). Zu der „Mittelstraße“, die sein Landgeistlicher zwischen Orthodoxie und Rationalismus „getroffen zu haben“ glaubt (FA I 18, 133), gehört die historische Wahrnehmung, die zunächst den spezifischen, historisch-individuellen Charakter der biblischen Texte aufdeckt. Die historische Bibelwissenschaft ist also notwendig: So versteht der Landgeistliche die Herangehensweise seines Sohnes als Bestätigung seiner lang gehegten Meinung, dass nicht „die ganze Welt (…) an jedem Spruche Teil“ hat (FA I 18, 132). Allerdings darf die Exegese anders als die des Sohnes nicht in die „kalte Reduktion“ eines rationalistischen Systems verfallen. Es bedarf eines Gespürs dafür, ob und was die Texte dem Leser in einer konkreten Lebenssituation zu sagen haben.

3.1.2. Zum historisch-partikularen Verständnis des Israelbundes

Bei der Behandlung der ersten Frage „Was stund auf den Tafeln des Bunds?“ (FA I 18, 133-137) beweist der Landgeistliche mit einem Durchgang durch Ex 20-34, dass auf den Tafeln, die Mose vom Sinai mitbrachte, nicht der → Dekalog von Ex 20,1-17 gestanden hat (vgl. FA I 18, 134-136).

Er weist darauf hin, dass bei der Dekalogoffenbarung in Ex 20 von Tafeln noch gar keine Rede ist. Nach biblischer Darstellung war also der Dekalog mit seiner universalen Ethik, der nun „das erste Stück unseres Katechismus“ (FA I 18, 133) (= Erstes Hauptstück des lutherischen Katechismus) bildet, nicht auf Tafeln geschrieben. Die Tafeln, die Mose nach Ex 24,12 empfangen soll, und die er in Ex 31,18 tatsächlich empfängt, werden von ihm zerschlagen, als er die Verehrung des → Goldenen Kalbes wahrnimmt (Ex 32,19). Sie werden also zerstört, „ehe wir ihren Inhalt nur mutmaßen können“ (FA I 18, 134). Bekannt ist nur der Inhalt der Tafeln, die Mose nach Ex 34,1 zuhauen soll. Diese enthalten aber den sog. „kultischen Dekalog“ Ex 34,10-26, dessen Vorschriften allein für Israel gelten und ausdrücklich als Basis des Bundes mit Israel bezeichnet werden (Ex 34,27).

Nach dem Urteil des Landgeistlichen war gar nicht zu erwarten, dass der „partikularste Bund“ (mit Israel) „auf Universalverbindlichkeiten“ gegründet wäre wie sie die meisten der Gebote des Dekalogs von Ex 20,1-17 enthalten. Indem die Erkenntnis der Partikularität des alttestamentlichen Bundes und seiner Gebote als vernünftig bezeichnet wird, bekennt sich Goethes Landgeistlicher zu der Position, die zur selben Zeit von J.S. Semler vertreten wurde, zuvor aber schon von Spinoza (vgl. Schottroff 1984, 471f.; Tillmann 2006, 131f.).

Der universale Dekalog von Ex 20 ist also nicht das Gesetz, auf dem der Bund mit Israel beruht; er ist mit seinen für alle Menschen geltenden Geboten nur das „Proömium der Gesetzgebung“. Allerdings enthält auch der Dekalog Vorschriften, die nur für Israel gelten: „die Erkenntnis eines einzigen Gottes und die Sabbatfeier“ (die letzten Zitate in: FA I 18, 136).

Damit stellt sich aber die Frage, warum die Kirche lehrt, dass der Dekalog die Grundlage des Bundes mit Israel bilde. Der Landgeistliche beantwortet sie zunächst historisch-kritisch damit, dass nach Dtn 5,22 tatsächlich der Dekalog auf den Tafeln stand, die Mose von Gott empfing. Das → Deuteronomium sei aber keine zuverlässige Quelle, weil es erst während des babylonischen → Exils entstanden sei. Zu dieser Zeit waren die Tafeln verloren und die Kultordnungen, die tatsächlich auf ihnen gestanden hatten, vergessen. Die allgemeinen Lebensregeln des Dekalogs waren aber noch in Erinnerung. Die Brisanz des Ganzen deutet sich darin an, dass der während der Exilszeit entstandene Irrtum, der Bund mit Israel sei auf die Gebote des Dekalogs gegründet gewesen, von der Kirche bis heute „heilig bewahrt“ wird, mit „viele[n] fatale[n] Konsequenzen“ (die letzten Zitate in: FA I 18, 137). Um welche Konsequenzen es sich handelt, lässt Goethe seinen Landgeistlichen nicht sagen; es kann aber nur im Gefolge von Spinoza darum gehen, dass partikulare Gesetze, die nur für eine individuelle historische Situation Israels Geltung hatten, fälschlicherweise für universal erklärt werden. Das betrifft sicher die Erkenntnis des einen Gottes, die zwar im Ersten Gebot des Dekalogs gefordert ist, welches aber dem Landgeistlichen zufolge nur für Israel gilt: Er lehnt ja die im Ersten Gebot geforderte Entscheidung zwischen wahrer und falscher Religion ausdrücklich ab. Wahrscheinlich gehört zu den „fatalen Konsequenzen“ auch, dass die überkommene christliche Theologie den Bund mit Israel als heilsgeschichtliche Vorstufe und Typus des in Jesus Christus geschlossenen universalen Bundes versteht. Die Erkenntnis, dass der Bund mit Israel ein ganz partikulares Ereignis war, bestreitet die Behauptung dieses heilsgeschichtlichen Zusammenhangs. So hatte der Landgeistliche schon in der Einleitung festgestellt, dass das antike Judentum genau wie andere antike Religionen ein „wilder unfruchtbarer Stamm“ war, der erst im Nachhinein durch Jesus Christus veredelt wurde. Von dieser Veredlung durch Christus aus können auch andere vorchristliche Religionen veredelt werden, die zuvor alle ihre eigene „Spezialgeschichte“ hatten (die letzten Zitate in: FA I / 18, 133). Wird auf diese Weise der heilsgeschichtliche Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament zerrissen, wird Christus nicht mehr im Sinne des Neuen Testaments als der verstanden, der mit seiner Lebenshingabe den neuen Bund stiftete. In den „Zwo Fragen“ äußert sich Goethe nicht näher zum Verständnis Christi. Damit wird auch nicht ganz klar, worin die „Veredlung“ der vorchristlichen Religionen durch Christus besteht. Allerdings setzen die „Zwo Fragen“ zweifellos ein unorthodoxes Christusbild voraus, wie es auch die zeitgleich entstandene Schrift „Brief des Pastors zu *** an den neuen Pastor zu ***“ (FA I 18, 119-130) vertritt. In dem „Brief“ gilt Christus als Menschwerdung der göttlichen Liebe, die nicht wieder zu Gott gemacht werden darf (FA I / 18, 122), als „ein (!) Herr“ (FA I / 18, 129), aber nicht als der eine (!) Mittler zwischen Gott und Mensch (vgl. zum Verständnis der zuletzt zitierten Stelle Tillmann 2006, 105-107).

Die These, dass die Gesetzestafeln ursprünglich nicht den Dekalog enthielten, gilt manchen Exegeten als treffendes Beispiel früher historischer Kritik. So bemerkt J. → Wellhausen (3. Aufl. 1899 = 4. Aufl. 1963, 330.335), sein eigener Nachweis, dass Ex 34 den älteren Dekalog enthalte, habe „eine bekannte Beobachtung des jugendlichen Goethe bestätigt“ (vgl. auch Galling 1948 / 49, 531f.; Eißfeldt 1968; Schottroff 1984, 474). Beachtlich ist auch, dass Goethe bei der Behandlung der ersten der „Zwo Fragen“ zwar die Exodustexte ohne literarkritische Scheidungen Mose zuschreibt (FA I 18, 134: „Laßt es euch Mosen selbst sagen“), während er andererseits das Deuteronomium deutlich später, nämlich in die Exilszeit, datiert und darin einen späteren exegetischen Konsens vorwegnimmt.Weisen diese exegetischen Einsichten auch in eine richtige Richtung, so sind doch die Konsequenzen des historischen Verständnisses des Israelbundes von größerem theologischem Gewicht. Goethe war sich der Tragweite seines Verständnisses bewusst, wenn er den Landgeistlichen klagen lässt, das falsche, nämlich das zeitlos-universale Verständnis des Israelbundes werde von der Kirche „heilig bewahrt“ (FA I 18, 137). Die bleibend aktuellen Konsequenzen von Goethes Verständnis des Israelbundes betreffen das Verhältnis von Judentum und Christentum – das Judentum war nach den „Zwo Fragen“ ausdrücklich nur eine unter vielen vorchristlichen Religionen – zum anderen betreffen sie die davon nicht zu trennende Frage nach dem Recht der christlichen Rezeption des von Israel handelnden Alten Testaments. Die zweite Frage dürfte für Goethe mit der Ablehnung der orthodoxen Auffassung geklärt sein, nach der „die ganze Welt (…) an jedem Spruche“ der Bibel „Teil haben“ sollte (FA I 18, 132): Die partikularen, nur für Israel gültigen Aussagen sind nicht das, was sich den Anhängern des universalen Christentums im Lebensvollzug erschließt (s.o. 3.2.1.).Die Aktualität von Goethes Einsichten zeigt sich darin, dass bis heute keine einvernehmliche Lösung in der Frage gefunden ist, wie die von der – mittlerweile selbstverständlichen – historischen Kritik herausgearbeitete partikular auf Israel bezogene Aussageintention der Texte mit der kanonischen Geltung des Alten Testaments in der universalen Kirche zu verbinden ist. Eine Theologie, die wie Goethe Jesus Christus nicht im Sinne des Neuen Testaments als Stifter des neuen Bundes versteht, kann mit der kanonischen Geltung des Alten Testaments Schwierigkeiten haben. Dafür steht etwa Slenczka 2013 mit seiner an Schleiermacher und Harnack orientierten Position. Unabhängig davon kann das Alte Testament als partikulares Dokument Israels auf Grund seines repräsentativen, „symbolischen“ Charakters geschätzt werden, den Goethe ihm auch zuschreibt (vgl. oben 2.1.).

3.1.3. Die Geistbegabung

Die zweite Frage, die Goethe seinen Landgeistlicher behandeln lässt, lautet: „Was heißt mit Zungen reden?“ (FA I 18, 137-140). Darauf wird zunächst Diodorus Siculus zitiert: „Vom Geist erfüllt, in der Sprache des Geistes, des Geists Geheimnisse verkündigen“. Indem zunächst mit einem vorchristlichen Schriftsteller und nicht mit einem biblischen Zitat geantwortet wird, wird angedeutet, dass die Geistbegabung universal, also nicht auf biblisch begründete Frömmigkeit beschränkt ist. Was es mit der „Sprache des Geistes“ auf sich hat, wird anschließend anhand des Pfingstwunders beantwortet, bei dem die Apostel in der Sprache des Geistes redeten ( Apg 2,4): Es handle sich um „jene einfache, allgemeine Sprache“, die von „fühlbaren Seelen“ aus allen Völkern verstanden wird; dagegen bleibe sie „großen Köpfen“, „schlechten Menschen“ und „kalten Herzen“ unverständlich (die letzten Zitate in: FA I 18, 138).

Zum Verständnis der Geistsprache bedarf es der Empfindung, durch die sich der Landgeistliche ja selbst ausgezeichnet sieht (FA I 18, 131): „Die Fülle der heiligsten tiefsten Empfindung drängte [beim ersten Pfingsten] für einen Augenblick den Menschen zum überirdischen Wesen, er redete die Sprache der Geister, und aus den Tiefen der Gottheit flammte seine Zunge Leben und Licht“ (FA I 18, 139). Indem die Geistsprache der Zungenrede als stark emotional charakterisiert wird, „mehr als Pantomime doch unartikuliert“ (FA I 18, 139), überträgt Goethe Herders Überlegungen zur Sprachentwicklung auf die Geistsprache, so dass diese mit der noch nicht von späterer Rationalität eingeengten Kindersprache parallelisiert wird (Tillmann 2006, 148; auch Schottroff 1984, 468f.). Die in dieser Sprache auszudrückende, von einengender Rationalität nicht fassbare Leidenschaft bildet die Urerfahrung aller Religion, die allerdings nicht auf ihrer ursprünglichen Höhe beibehalten werden kann – und aus der keine in klarer Sprache formulierbare Lehre hervorgehen kann! Aus diesem Grunde wird die Zungenrede in 1Kor 14 schon von Paulus abgelehnt (FA I / 18, 139). In Goethes Schrift wird dies jedoch nicht positiv als Abwehr einer frühen „Entartung“ gewertet (so aber Schottroff 1984, 468), vielmehr zeigt schon diese sehr frühe Ablehnung der Geistrede durch Paulus „das dialektische Grundproblem zwischen dem lebendigen Pneuma einerseits und der Notwendigkeit zu kirchlicher Institutionalisierung und dogmatischer Systembildung andererseits“ (so Tillmann 2006, 149). Nach Goethes Landgeistlichem ist diese Dialektik in der Gegenwart darin erfahrbar, dass innerhalb der Kirche Buchhaltertypen („theologische Kameralisten“) am Werk sind, die die Wirkungen des Geistes einzudämmen versuchen. Auf Grund dieser Restriktionen kommt der Geist nur auf wenige herab. Die Geistlichkeit sollte aber diese Wenigen eigentlich schätzen und reden lassen (FA I 18, 140).

3.1.4. Zusammenfassung

Nach Sauder (1995, 105) bringt Goethe in den „Zwo Fragen“ „sein individuelles Christentum“ auf den Punkt. In der Tat kann die Stoßrichtung der Schrift darin gesehen werden, dass es nicht auf die kirchliche Institution und die von ihr verordneten Lehren ankommt, sondern „daß das Leben in der Kirche letztlich vom unwägbar Spirituellen aus gefördert und getragen wird“ (Galling 1948 / 49, 533). Bei der zweiten der beiden Fragen ist das unmittelbar deutlich; von da aus fällt aber auch Licht auf die Antwort auf die erste Frage. Die Erkenntnis des historisch-partikularen Charakters des Israelbundes ist von daher auf Kirchenordnungen und verordnete Kirchenlehren zu beziehen: Der Antwort auf die erste Frage geht es dann eigentlich darum, dass für partikulare Lehren, etwa für kirchliche Dogmen, die unter bestimmten historischen Umständen formuliert wurden, keine universale Gültigkeit verlangt werden darf. Anders gesagt: Es geht keineswegs um das akademische Problem, dass die Kirche in der Frage, welche Gesetze die Tafeln vom Sinai enthielten, beharrlich einem historischen Irrtum folgt, sondern um das Problem der Gültigkeit überlieferter Glaubenszeugnisse, das mit der historisch-kritischen Bearbeitung der Bibel sowie der Theologie- und Dogmengeschichte höchst aktuell geworden war (so auch Galling 1948 / 49, 532).

In den „zwo biblischen Fragen“ geht es also insgesamt darum, dass nur eine in persönlichem Erlebnis begründete individuelle Religiosität akzeptabel ist. Inwiefern eine solche Frömmigkeit „christlich“ genannt werden kann, ist aus Sicht einer der traditionellen Kirchlichkeit verpflichteten Theologie fraglich. In der Beantwortung beider Fragen finden sich deutliche Relativierungen eines christlichen Absolutheitsanspruches: In der Antwort auf die erste Frage wird das Erste Gebot zum jüdischen Partikulargesetz erklärt; in der Antwort auf die zweite wird die Pfingstgeschichte als Spezialfall des zunächst mit Diodorus Siculus erklärten allgemein-religiösen Phänomens der Zungenrede erklärt. Immerhin begründet Goethes Landgeistlicher seine Positionen aus der Bibel, die er zwar nicht als Offenbarungsbuch im orthodoxen Sinne begreift, von der er aber „hier und da“ einen brauchbaren Spruch erwartet. Solche Sprüche findet er, indem er die Bibel von der Lebenserfahrung her liest. Das bedeutet im konkreten Fall: indem sie von einer Frömmigkeit her gelesen wird, die sich an eigenen (Geistes-)Erfahrungen und nicht an kirchlichen Regulierungen orientiert.

Dazu kommt ein scharfer Blick für inhaltliche und historische Brüche, etwa zwischen Exodus und Deuteronomium, sowie für Probleme, die in den Texten angesprochen und immer noch aktuell sind wie das der institutionalisierten Religion, die schon zu Zeiten des Paulus lebendige Geisterfahrungen einzudämmen suchte.

Die auf individueller Erfahrung und Begabung beruhende Frömmigkeit kann schließlich jede Bindung an religiöse Überlieferung hinter sich lassen und zur Selbsterbauung des Genies werden. Damit wird die in den „Zwo Fragen“ verhandelte religiöse Problematik zum Modell eines viel weiter reichenden Individualitätskonzepts (vgl. Tillmann, 2006, 155-157); die Schrift postuliert auch „einen Freiraum für die Inspiration des dichterischen Genies“ (Wilpert 1998, 1227).

3.2. Die Genesis-Paraphrase im 4. Buch von „Dichtung und Wahrheit“

In seinen Jugenderinnerungen in „Dichtung und Wahrheit“ (=DW) 4 setzt Goethe zwischen die Schilderung der Hebräischstunden und seines jugendlichen Versuches einer literarischen Ausgestaltung der → Josephsgeschichte (s.o. 2.2.1.) eine kommentierende Paraphrase der → Genesis, die bis zum Einsatz der Josephsgeschichte reicht (FA I 14, 143-155). Diese Paraphrase soll zum einen zeigen, wie sich aus den Bemühungen um Sprache und Inhalt der Bibel eine „lebhaftere Vorstellung“ des Orients ergab (FA I 14, 143), zum anderen soll sie illustrieren, dass Goethe schon als Junge mithilfe der 5 Bücher Mose „nach jenen morgenländischen Gegenden“ flüchtete, wenn er angesichts einer Vielfalt an äußeren Reizen nach Sammlung suchte (FA I 14, 155). Da die Dinge in der ursprünglichen Welt des Orients einfacher und klarer in den Blick kommen, suchte er, indem er sich mit Hilfe der durch Bibelstudien geschärften „Einbildungskraft“ (vgl. FA I 14, 143) dorthin versetzte, Orientierung und wohl auch Trost in unübersichtlicher Gegenwart.

Inwiefern das tatsächlich schon für den jungen Goethe gilt, sei dahingestellt. Zweifellos spiegelt die Schilderung in DW 4 aber seine Haltung während ihrer Entstehungszeit im Sommer 1811 (zur Datierung vgl. die Kommentare in: FA I 14, 1109; HA 9, 682f.; auch Linder 1998, 155), d.h. in zeitlicher Nähe zur Entstehung des „West-östlichen Divan“. Auch im ersten Gedicht des „Divan“, „Hegire“ (FA I 3 / 1, 12f.), wo es heißt: „Nord und West und Süd erzittern / Throne bersten, Reiche zittern, / Flüchte du, im reinen Osten / Patriarchenluft zu kosten,“ erscheint der Orient als geistiges Fluchtziel aus bedrängender Gegenwart; auch im „Divan“ ist der Orient als Region des Ursprungs der Menschheit interessant, als die er schon nach DW 4 dem jungen Goethe interessant geworden war (FA I 14, 143) und „nach der es sich zu ‚orientierenʻ gilt“. Die Verbindung des Ostens mit „Patriarchenluft“ erinnert an die in DW 4 beschriebene und durch die Genesis-Paraphrase illustrierte „jugendlich enthusiastische Lektüre des Alten Testaments“ (die letzten Zitate aus dem Kommentar zu „Hegire“ in: FA I 3 / 2, 885). Wegen der biographischen und sachlichen Nähe von DW 4 und „West-östlichem Divan“ können Aussagen des „Divan“ zur Interpretation der Genesis-Paraphrase herangezogen werden.

In der Paraphrase zeigt schon die Behandlung der → Urgeschichte (Gen 1-11; vgl. FA I 14, 143f.), dass es Goethe nicht um wissenschaftlich saubere Exegese geht. Er stellt zunächst fest, die Menschheit sei aus einem „kleinen höchst anmutigen Raum“ zwischen den in Gen 2,10-14 genannten vier Strömen hervorgegangen. Dort habe den Menschen „das Los“ getroffen, „seine Ruhe zu verlieren, indem er nach Erkenntnis strebte“. „Die Elohim“ hätten daraufhin die Sintflut gebracht, nach welcher von den vier Paradiesströmen nur noch Euphrat und Tigris übrig waren; „genauere Spuren des Paradieses“ seien „nach einer so großen Umwälzung nicht zu fordern gewesen“. Goethe referiert, was sich seiner Einbildungskraft nach als historischer Kern der → Paradies- und Sündenfallerzählung sowie der → Sintflutgeschichte erschließt. In der Tat konnte die Sintflut vor der Durchsetzung des Aktualismus in der Geologie noch als erdgeschichtliches Ereignis betrachtet werden. Von Sünde oder Schuld ist in der Paraphrase der Urgeschichte nicht die Rede – an diesem Problemfeld war ja schon Goethes Verbindung zu pietistischen Kreisen gescheitert (s.o. 1.1.) –, als Ursache der „Verscherzung“ des Paradieses gilt die nach Erkenntnis strebende Unruhe des Menschen. Die pluralische Rede von den „Elohim“ greift die Beobachtung auf, dass die → priesterschriftlichen und (früher) sog. „elohistischen“ Partien der Genesis (→ Elohist) mit der hebräischen Gottesbezeichnung אֱלֹהִים ’älohîm einen formalen, aber singularisch gemeinten und konstruierten Plural verwenden. Indem Goethe daraus gegen den hebräischen Sprachgebrauch einen wirklichen Plural macht („die Elohim“, später entsprechend: „die Himmlischen“, „die Götter“), deutet er an, dass das Göttliche für ihn nicht auf eine konkrete Gottesgestalt festgelegt ist. „Die Elohim“ stehen für die göttlichen Mächte, mit denen die Menschheit insgesamt zu tun hat; für die Erzväter tritt dagegen eine bestimmte göttliche Macht in den Vordergrund, der sie sich besonders anvertrauen. Diese Unterscheidung zwischen allgemeinen Göttern und dem einen Gott der Erzväter führt auf den Zentralgedanken, unter dem Goethe die → Erzvätergeschichte wahrnimmt: die aus der Religionsphilosophie der Aufklärung übernommene Unterscheidung von „natürlicher, allgemeiner Religion“ und „besonderer geoffenbarter Religion“, wobei im Sinne der Aufklärung die natürliche Religion den Vorzug verdient.

Goethe führt diese Unterscheidung allerdings erst bei der Vorbereitung seiner Rezeption von Gen 22 ein und verleiht ihr so besonderes Gewicht für das Verständnis dieser besonders schwierigen Abrahamerzählung.

Die „natürliche, allgemeine Religion“ charakterisiert Goethe als „Überzeugung einer allgemeinen Vorsehung, welche die Weltordnung im Ganzen leite“; sie entspringt „in dem menschlichen Gemüte“. Demgegenüber besteht die „besondere, geoffenbarte Religion“ im „Glauben an eine besondre Vorsehung“, die ein bestimmtes göttliches Wesen einer speziellen, „begünstigten“ Menschengruppe zusagt. Diese Religion entwickelt sich kaum aus dem Innern des Menschen, sondern beruht auf „Überlieferung, Herkunft, Bürgschaft aus uralter Zeit“. Weil die Erzvätergeschichten die Basisüberlieferung einer „besonderen, geoffenbarten Religion“ sind, stellen sie die Väter als „Glaubenshelden“ dar, die die Gebote ihres Gottes befolgen und seinen Verheißungen trauen (die letzten Zitate in: FA I 14, 149).

Nach Goethe gründet der Typ der offenbarten Religion nicht im menschlichen Gemüt allgemein, sondern in der Lebenswelt einer bestimmten Menschengruppe, des Hirtentums. Aus den ungesicherten Lebensverhältnissen der Hirten hätte sich das Bedürfnis nach einem mitziehenden Gott ergeben (FA I 14, 150); dass die Hirtenvölker unmittelbaren Umgang „mit den Himmlischen“ haben, bedeutet im konkreten Fall, dass „der Herr mit Abraham spricht und ihm alles Land verheißt“ (FA I 14, 146). Bei der allgemeinen Feststellung spricht Goethe von „den Himmlischen“ im Plural; wo es um die Verheißung an Abraham geht, verwendet er den Singular: Die Religion der Erzväter besteht im Glauben an einen bestimmten, ihrer Gruppe besonders zugewandten Gott.

Für die Bewertung beider Religionsformen ist zu beachten, dass Goethe die Erzväter und ihre Religion einerseits positiv darstellt: → Abraham mit seinem „sanften, urväterlichen Charakter“ (FA I 14, 151) ist von den Göttern [!] geliebt und dem Leser „schon wert“ geworden (FA I 14, 145); die Erzväterreligion ist „menschlich, schön und heiter“ (FA I 14, 150) und kann auch heutigen Menschen noch Orientierung liefern, wie Goethe anderenorts erkennen lässt: Seine Mutter habe „in alttestamentlicher Gottesfurcht (…) voll Zuversicht auf den unwandelbaren Volks- und Familiengott“ gelebt (Brief an K.F. Zelter vom 9. Jan. 1824, in: FA II 10 [37], 138).

Dieser positiven Schätzung der Erzväterreligion (→ Erzeltern) entspricht seine Wertschätzung der Vätergeschichten als geistigem Fluchtziel aus verwirrender oder bedrängender Gegenwart, die im ersten Gedicht des West-östlichen Divan angedeutet ist, das nicht nur von der „Patriarchenluft“ des „reinen Ostens“ spricht, sondern wo es auch in Verbindung mit den im Orient hoch verehrten Vätern heißt: „Will mich freun der Jugendschranke: / Glaube weit, eng der Gedanke“ (FA I 3 / 1, 12). Der „weite Glaube“, der noch nicht durch den über die ursprüngliche Enge („Jugendschranke“ = jugendliche Beschränktheit) hinausgewachsenen Gedanken angefochten ist, gilt ihm offenbar als Sehnsuchtsort, wobei sich die Rede von der „Jugendschranke“ nicht allein auf den eigenen verlorenen Kinderglauben bezieht, sondern auf „die Bedingtheit dieser jugendlichen Kultur“ im Sinne Herders (Kommentar in: HA 2, 574). Die Patriarchengeschichten sind geprägt von einer jugendlichen Kultur in diesem Sinne (auch Gauss 1961, 67.69f., die zugleich auf Einflüsse von Seiten Eichhorns hinweist). Dass ihm die Wertschätzung des Glaubens als eines „Gefühls der Sicherheit“ aus der christlichen Tradition geblieben war, wurde bereits angemerkt (s.o. 1.5.). Hierher gehört auch die Charakterisierung des Glaubens als „Liebe zum Unsichtbaren“ und „Vertrauen aufs Unmögliche, Unwahrscheinliche“ in einer nachgelassenen Notiz zu 1Sam 17 (WA I 42,2, 509, s.o. 2.2.2.).

Bei aller Wertschätzung sieht Goethe aber auch einige Züge der Erzväterreligion offensichtlich kritisch. So dürfte es kritisch gemeint sein, dass die Erzväterreligion auf „Absonderung“ beruht (vgl. FA I 14, 149.152) und dass ihr zufolge bestimmte Menschen vor anderen „begünstigt“ sind (FA I 14, 149). Beachtlich sind auch die Konsequenzen zwischen dem „Glauben“ als dem Charakteristikum der Erzväterreligion und der „Überzeugung einer allgemeinen Vorsehung“, wie sie für die natürliche, allgemeine Religion charakteristisch sei. Diese Überzeugung der allgemeinen Vorsehung drängt sich nach Goethe nicht nur jedem auf, sie kann auch, wenn sie einmal ins Wanken geraten ist, wiedergefunden werden. Dagegen wird der Glaube an die besondere Erwählung einer bestimmten Menschengruppe, wenn er einmal vom Zweifel angegriffen ist, „von Grund aus zerstört“ (FA I 14, 153). Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Erzvätergeschichten von Prüfungen erzählen müssen: In diesen Prüfungen bewährt sich der Glaube der Väter, „die Glaubensfähigkeit jener Ahnherren“ wird so „ins hellste Licht gesetzt“ (FA I 14, 153). Die letzte, unüberbietbare Prüfung Abrahams wird in Gen 22 berichtet.

Den anstößigen Befehl, dass Abraham seinen Sohn opfern solle ( Gen 22,2; → Isaak), bringt Goethe mit archaischen Zügen zusammen, die sich an einigen Stellen der Erzvätergeschichten finden, z.B. im → Bundesschlussritual des Durchschreitens zerteilter Tiere (Gen 15,7-21). Ob der Opferbefehl von Gen 22,2 tatsächlich von Abrahams Gott ausgeht, bleibt bei Goethe letztlich offen. Allerdings stellt er fest, dass „eine so barbarische Anbetungsweise“ aus Abraham selbst „nicht entspringen“ konnte, daher werden „die Götter, welche manchmal, um uns zu versuchen, jene Eigenschaften hervorzukehren scheinen, die der Mensch ihnen anzudichten geneigt ist“, befohlen haben, Isaak „als Pfand des neuen Bundes“ zu opfern. Nach dem „Hergebrachten“, wie es aus Gen 15 bekannt ist, müsste Abraham Isaak zerteilen, um „zwischen seinen rauchenden Eingeweiden sich von den gütigen Göttern eine neue Verheißung“ zu erwarten. Soweit kommt es bekanntlich nicht: Die Götter geben sich mit der Bereitschaft Abrahams zufrieden. Mit dieser schwersten haben seine Prüfungen insgesamt ein Ende (die letzten Zitate in: FA I 14, 151).

Beachtlich ist, dass Abraham Goethe zufolge den Sohn als „Pfand des neuen Bundes“ opfern sollte. In dieser interpretierenden Bemerkung wird das bekannte christliche Verständnis der Opferung Isaaks als Typos des Kreuzesopfers Christi aufgegriffen; zugleich ist diese Deutung die Voraussetzung dafür, dass das Bundesschlussritual von Gen 15,7-21 herangezogen werden kann, um die Grausamkeit des Geschehens gegenüber der biblischen Darstellung noch zu steigern, die das Zerschneidungsritual nicht erwähnt. Mit dem Rückgriff auf das christlich-typologische Verständnis der Opferung Isaaks gewinnt die Paraphrase von Gen 22 an Brisanz: Goethe bringt dadurch nicht nur die Erzväterreligion, sondern auch den Glauben an den Opfertod Christi mit archaisch-grausamen Gottesvorstellungen in Verbindung und übt so auf hintergründige, aber für Kenner christlicher Typologien verständliche Art Kritik an der zentralen Überzeugung des überlieferten Christentums.

Vordergründig hebt die die Grausamkeit des biblischen Textes noch steigernde Ausmalung der Prüfung von Gen 22 ein Problem des zur geoffenbarten Religion gehörenden Glaubens hervor: Dieser Glaube kann von archaischen Gottesvorstellungen bedrängt werden. Die etwas gewundene Formulierung, dass die Götter dabei Eigenschaften „hervorzukehren scheinen, die der Mensch ihnen anzudichten geneigt ist“, soll wohl nicht das religionskritische Potential der Aussage abschwächen (so Linder 1998, 167), sondern vielmehr besagen, dass in der Glaubensanfechtung menschliche Urängste wirksam werden.

Von hier aus wird verständlich, warum Goethe die Unterscheidung zwischen „natürlicher, allgemeiner Religion“ und „besonderer geoffenbarter Religion“ gerade in der Vorbereitung der Rezeption von Gen 22 einführt. In Verbindung mit Gen 22 erscheint die natürliche Religion als Gegenmodell zu dem, was die Prüfungsgeschichte erzählt: Als Überzeugung, die nicht durch Zweifel zerstört werden kann (vgl. FA I 14, 153), ist sie für religiöse Schrecken wie den, von dem Gen 22 erzählt, unanfällig. Geht man bis hierher mit, dann bleibt Abraham ein „Glaubensheld“, weil er die Prüfung besteht – es ist aber zu fragen, ob die Formulierung, dass er sich „ohne Zaudern und blindlings“ anschickt, den grausamen Befehl der Götter zu befolgen (FA I 14, 151), tatsächlich positiv zu verstehen ist oder ob Abrahams Bereitschaft zur Tötung des Sohnes nicht an einen Wahn rührt, wie ihn überlieferte Religionen auf Grund der Urängste, die sie auch wecken, hervorbringen können. Dann wäre Gen 22 von Goethe als Beispiel für die Abgründe dargestellt, mit denen bei Offenbarungsreligionen und dem ihnen entsprechenden Glauben zu rechnen ist.

Abgesehen davon, dass die „besondere offenbare Religion“ auf Absonderung und Begünstigung einer bestimmten Menschengruppe beruht, und abgesehen von den Abgründen, die in Gen 22 sichtbar werden, lässt die Genesis-Paraphrase noch einen weiteren problematischen Wesenszug dieser Religionsform erkennen: Sie ist keine moralische Religion. Bei der Einführung des durch „Klugheit und List“ ausgezeichneten Jakob bemerkt Goethe zu Recht, „daß die heiligen Schriften uns jene Erzväter und andere von Gott begünstigte Männer keineswegs als Tugendbilder aufstellen wollen“. Wenn er jedoch damit fortfährt, dass es den Männern der Bibel „nach dem Herzen Gottes“ nicht an einer anderen „Haupteigenschaft“ fehlen darf, nämlich „de[m] unerschütterliche[n] Glaube[n], daß Gott sich ihrer und der Ihrigen besonders annehme“ (FA I 14, 152f.), schafft Goethe eine Gegenüberstellung, nach der Tugend weniger wichtig ist als Glaube. Diese Zuordnung ist aber zweifellos kritisch zu sehen, was umso mehr gilt, als die göttliche Bevorzugung der eigenen Gruppe ausdrücklich als Gegenstand des Glaubens der Erzväter genannt wird.

3.3. „Israel in der Wüste“

Der Aufsatz „Israel in der Wüste“ wurde 1819 in die „Noten und Abhandlungen“ zum west-östlichen Divan übernommen. Da die Arbeit aber großenteils schon in Vorarbeiten aus dem Jahr 1797 abgeschlossen war (Galling 1948 / 49, 538f.; Linder 1998, 170f.; Zipfel 2005, 188-190), sind die Hintergründe des Jahres 1797 für die Interpretation bedeutsam. In den „Noten und Abhandlungen“ führt Goethe den Aufsatz als Fortsetzung seiner Genesis-Paraphrase ein, in der nun die restlichen → Pentateuch-Bücher bearbeitet werden (FA I 3 / 1, 229).

Die Interpretation setzt mit der Frage nach dem „Grund“ oder „Urstoff“ in den „sonderbar, ja unglücklich redigirten Büchern“ → Exodus bis → Deuteronomium ein. Dieses eigentliche Thema sei der Maßstab für das, was aus den Büchern zu erinnern und was aus ihnen zu entfernen ist; es entspricht dem „eigentliche[n], einzige[n] und tiefste[n] Thema der Welt- und Menschengeschichte“: dem „Conflict des Unglaubens und Glaubens“ (FA I 3 / 1, 230). Die vom Glauben bestimmten Epochen bleiben als glanzvoll und fruchtbar in Erinnerung, die Epochen des Unglaubens geraten in Vergessenheit. Die einzelnen Bücher des Pentateuch unterscheiden sich darin, dass die Genesis „den Triumph des Glaubens“ darstellt, während die weiteren Bücher vom Unglauben handeln, der den Exodus und die von Gott verheißene Rückkehr ins Gelobte Land fast zum Scheitern gebracht hätte (FA I 3 / 1, 230).

Vor der Untersuchung der Mose-Erzählungen hebt Goethe die Gesetzespartien ab, die als Ergebnis einer „höchst traurigen, unbegreiflichen Redaction“ den Gang der Erzählung stören. Im verbleibenden Rest hebt er eine religiöse Deutungsebene von der eigentlichen Erzählung ab. Sein Interesse gilt dieser eigentlichen Erzählung, für die er allerdings nicht entscheidet, ob in ihr „Historie“, „Fabel“ oder eine Mischung aus beidem vorliegt (FA I 3 / 1, 231).

Als Ziel seiner Darstellung nennt er zwei Thesen: Erstens, dass der Zug Israels von Ägypten bis Kanaan durch den Charakter des Mose ermöglicht und bestimmt war, und zweitens, dass dieser Zug nicht vierzig, sondern kaum zwei Jahre gedauert hat (FA I 3 / 1, 231f.). Es geht aber hauptsächlich um die erste These: Goethe entwirft eine „Charakterstudie“ (Galling 1948 / 49, 538) des Mose. Die zweite These hat demgegenüber nur unterstützende Funktion: Nachdem das Verhalten des Mose bei der Ausarbeitung der ersten These tadelnswert erscheint, wird er mit der zweiten These über die kürzere Dauer des Wüstenzuges wieder zu Ehren gebracht.

Goethe zeichnet → Mose als widersprüchlichen Charakter (Zipfel 2005, 201): Als „gewaltsamer Mensch“ aus dem „grausamen Stamme → Levi“ (Anspielung auf Gen 49,5-7) ist er zugleich durch ein „lebhaftes Gefühl von Recht und Unrecht“ charakterisiert (FA I 3 / 1, 232). Dass Mose „ein trefflicher, starker Mann“, zugleich aber „roh“ ist, zeigt der Mord an dem Ägypter (Ex 2,12); nach der Flucht nach → Midian gewinnt ihm „seine kühne Faust“ die Anerkennung des dortigen Fürstenpriesters (Ex 2,16-21). In Midian ist Mose wegen seines in Ägypten geknechteten Volkes bedrückt: „Nach manchem Zweifel und Zögern entschließt er sich zurückzukehren und des Volkes Retter zu werden“ (die letzten Zitate in: FA I 3 / 1, 232f.). Charakteristisch für Goethes Rezeption der Mose-Geschichte ist, dass dieser Entschluss des Tatmenschen Mose den Exodus ermöglicht, während die göttliche Berufung (Ex 3; Ex 6) bei Goethe nicht vorkommt. Leitkategorien seiner Darstellung sind menschliche Entscheidungen und Fähigkeiten; Gott wird nicht als Wirklichkeit genannt, die in die Geschichte eingreift, sondern als Tradition, die das Volk von den Vätern übernommen hat. In diesem traditionellen Sinne ist Mose in Midian „immer zu dem Gott seiner Ahnherren gewendet“ (FA I 3 / 1, 233); das Gelobte Land ist dem Volk durch „uralte Überlieferung“ verheißen (FA I 3 / 1, 234). Dieser Traditionsbezug ist von der Offenbarungsreligion der Erzväter geblieben, für die Goethe in der Genesis-Paraphrase feststellt, dass sie auf „Überlieferung, Herkommen, Bürgschaft aus uralter Zeit“ beruht (FA I 14, 149; vgl. auch oben 3.2.).

Während des Wüstenzuges zeigt sich, dass dem Tatmenschen Mose Herrscher- und Feldherrenqualitäten fehlen: Sein Schwiegervater muss ihm beim Aufbau einer funktionstüchtigen Organisation zur Führung des Volkes helfen ( Ex 18,13-27; vgl. FA I 3 / 1, 236), und während der Amalekiterschlacht (Ex 17,8-16; → Amalekiter) betet Mose und lässt → Josua die Schlacht führen (FA I 3 / 1, 237). Ausführlicher paraphrasiert Goethe Num 13f. Nach Rückkehr der Kundschafter plädieren Josua und Kaleb für den Angriff auf das Gelobte Land. Als sich aber im Volk eine „übertriebene Beschreibung von bewaffneten Riesen-Geschlechtern“ ausbreitet, verweigert das Heer den Vormarsch. Da verliert auch Mose den Mut und befiehlt anstelle des Vorstoßes ins Land einen Aufbruch nach Osten. Den mutigen Teil des Volkes, der den Angriff dennoch wagt, lässt er im Stich. Der Angriff scheitert. Im Folgenden kommt es zu einer Reihe von Meutereien, die allesamt zeigen, dass Mose seinem Führungsamt nicht gewachsen ist (FA I 3 / 1, 238).

In der Mitteilung aus Dtn 34,6, nach der Mose von Gott begraben wurde und sein Grab unbekannt blieb, vermutet Goethe einen Hinweis auf seine Ermordung: Mose sei wohl tatsächlich verschwunden, aber „wir müßten uns sehr irren, wenn nicht Josua und Kaleb die seit einigen Jahren ertragene Regentschaft eines beschränkten Mannes zu endigen (…) für gut gefunden hätten; um der Sache ein Ende zu machen und mit Ernst sich in den Besitz des ganzen rechten Jordanufers und des darin gelegenen Landes zu setzen“ (FA I 3 / 1, 239). So rissen fähigere Führer die Leitung des Volkes an sich, um das Werk zu einem guten Ende zu bringen, das Mose begonnen hatte, als er sich in Midian entschloss, zum Retter seines Volkes zu werden. Er selbst konnte das Werk auf Grund seiner mangelnden Führungsqualitäten nicht vollenden.

Goethe sieht nun, dass seine Rekonstruktion von Israels Wanderung aus Ägypten bis ins Ostjordanland den Eindruck eines raschen und konsequenten Unternehmens macht und damit nicht zur biblischen Chronologie passt, nach der Israel vierzig Jahre durch die Wüste zog (FA I 3 / 1, 239). Daher ist er bemüht, die Chronologie als sekundär zu erweisen, woraus sich die zweite oben genannte These ergibt, nach der Israel bis zum Tod des Mose nur etwa zwei Jahre unterwegs war.

Auf Grund von Überlegungen über den zurückzulegenden Weg und die Wandergeschwindigkeit des Volkes schließt Goethe ausgehend von der Mitteilung in Num 10,11, nach der Israel am 20. Tag des 2. Monats im 2. Jahr nach dem Auszug aus Ägypten vom Sinai aufbrach, dass Israel noch in der Mitte dieses zweiten Jahres nach dem Verlassen Ägyptens das Ostjordanland erreicht haben müsse. Die Berechnung wird dadurch unterstützt, dass die Erzählung über die Wüstenwanderung weniger Stationen erwähnt als das Stationenverzeichnis in Num 33,1-49. Aus beidem ergibt sich der Schluss, dass die vierzig Jahre nachträglich als runde heilige Zahl mit der Wüstenwanderung verbunden wurden, während die eigentliche, ursprüngliche Erzählung nur von etwa zwei Jahren erzählte (vgl. FA I 3 / 1, 239-246).

Mose wird nach Goethe durch die Verkürzung der Wanderzeit gegen alle Einwände „in seinem ganzen Werthe wieder hergestellt“ (FA I 3 / 1, 246). Dabei wird seine Bedeutung nicht dadurch gemindert, dass ihm nach wie vor keine Führungsqualitäten zugeschrieben werden können. Seine Bedeutung beruht nicht auf seinen Talenten, sondern auf dem Grundzug seiner Persönlichkeit als „Mann der That“. So verstanden bietet Mose „von dem ersten Meuchelmord an, durch alle Grausamkeiten durch, bis zum Verschwinden“ – also nach Goethes Mutmaßung: bis zum gewaltsamen Tod – „ein höchst bedeutendes und würdiges Bild (…) von einem Manne, der durch seine Natur zum Größten getrieben ist“. Würde der „kurz gebundene, rasche Thatmann“ aber vierzig Jahre lang mit dem Volk in der Wüste herumtaumeln, wäre dieses Bild empfindlich getrübt (FA I 3 / 1, 247).

Diese Argumentation überzeugt nur bedingt. Vor allem bleibt aber zu beachten, dass das Bild des unfähigen Führers weniger durch die Unterstellung einer verkürzten Wanderzeit, also durch eine historische Rekonstruktion, aufgebessert wird als durch „eine Art intuitives Erfassen der Persönlichkeit durch den Autor“ (Zipfel 2005, 200).

Dass Goethe nicht wirklich an einer historischen Rekonstruktion interessiert ist, zeigt sich schon darin, dass ihm offenbar gleichgültig ist, ob die Erzählung, die er als Quellengrundlage verwendet, Historie oder Fabel ist. Sein Mose-Bild ist vor allem durch die Einbildungskraft des Interpreten hervorgebracht. Diese wird aber nicht methodisch kontrolliert, sondern lässt sich vom Interesse an großen Tatmenschen lenken, mit denen sich Goethe um 1797 aus aktuellem Anlass beschäftigte (B. Cellini; französische Revolutionäre, vielleicht Napoleon). Auffällig ist auch die Nähe zur Faust-Figur, zumal Goethe 1797 die Arbeit am Faust-Stoff wieder aufnahm, den er von da an zu dem großen zweiteiligen Drama über den Menschen zwischen Gott und Teufel ausarbeitete (vgl. Zipfel 2005, 208-211; auch Conrady 1985, 314-316; Safranski 2013, 422-425; ein Exkurs am Ende des vorliegenden Abschnitts 3.3. wird auf die Parallelität zwischen Goethes Mose-Bild und der Faust-Figur ausführlicher eingehen).

Nach der Schlussbemerkung zu „Israel in der Wüste“ hat der Aufsatz gezeigt, dass die biblischen Texte gewinnen, wenn durch kritische Exegese „das Ursprüngliche, Bessere“ von nachträglichen Zusätzen gereinigt wird. Der auf diese Weise zu entdeckende „innerliche, eigentliche Ur- und Grundwerth“ (die letzten Zitate in: FA I 3 / 1, 247) ist aber das Bild des Mose als einer zur Tat entschlossenen Persönlichkeit, die den Exodus aus Ägypten ermöglicht, ohne in der Lage zu sein, das Werk zu vollenden. Mose wird sogar vermutlich ermordet, um die Vollendung seines Werkes nicht zu gefährden. Beachtet man noch, dass Goethe den Tod Mirjams und das Verschwinden Aarons in zeitliche Nähe zu ihrer Erhebung gegen Mose bringt, dann erscheint Mose nicht nur als unfähiger Führer, sondern auch als Tyrann, der Opponenten beseitigen ließ, um ihnen schließlich selbst „nachgesendet“ zu werden (FA I 3 / 1, 239): „Der nach dem Gesetz des Mordens Angetretene (…) fällt dem Dolch seiner Nachfolger zum Opfer“; der Tod des Mose wird zum „Danton-Schicksal“ (Galling 1948 / 49, 542; vgl. auch Zipfel 2005, 197). Die Bezüge zur Entstehungszeit im letzten Jahrzehnt des 18. Jh.s sind deutlich.

Auffällig bleibt, dass Goethe zu Beginn von „Israel in der Wüste“ den Konflikt zwischen Unglauben und Glauben als eigentliches Thema der Weltgeschichte genannt und den Inhalt der Pentateuchbücher auf die Schilderung von Glauben und Unglauben aufgeteilt hatte (FA I 3 / 1, 230), während seine Rezeption der Mose-Geschichten diese Thematik gar nicht behandelt, sondern nur menschliche Entscheidungen und Fähigkeiten berücksichtigt. So verzichtet Goethe nicht nur auf die göttliche Berufung des Mose ( Ex 3; Ex 6); er lässt auch in der Behandlung der Amalekiterschlacht (Ex 17,8-16) und der Kundschaftergeschichte (Num 13f.) das Thema Glaube und Unglaube aus, obwohl es in den biblischen Texten in beiden Fällen einen prominenten Platz einnimmt. Diese Unstimmigkeit erklärt sich teilweise daraus, dass die Einleitung mit der Hervorhebung der Thematik von Glauben und Unglauben erst 1819 entstanden ist, während die Bearbeitung der Mose-Geschichten schon dem Jahre 1797 angehört (Linder 1998, 170f.184f.). Der Spannung ist aber auch bei synchroner Lektüre von Goethes Text ein guter Sinn abzugewinnen. Indem das Thema Glaube und Unglaube in der Einleitung zu „Israel in der Wüste“ als Thema des Pentateuch genannt und die Bücher Exodus bis Deuteronomium als Schilderung einer Epoche des Unglaubens bezeichnet werden, erscheint das Fehlen der Glaubensthematik und jedes unmittelbaren Eingreifens Gottes in Goethes Rezeption der Mose-Geschichten als Illustration des Unglaubens. Anders als der biblische Mose ist Goethes Mose-Figur kein Mann des Glaubens und keine → Mittlerfigur zwischen Gott und Volk, sondern den Tatmenschen nachgebildet, die die Epoche der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege bestimmten. Solche Tatmenschen gehören aber ebenso wie das an Mose beispielhaft dargestellte menschliche Scheitern in die Epochen des Unglaubens. Die Parallelen zwischen Goethes Mose-Figur und Persönlichkeiten der eigenen Gegenwart bestimmen die eigene Zeit als Epoche des Unglaubens. Auch Baur 2000, 149 versteht Goethes Charakterisierung der Epochen des Unglaubens in der Einleitung von „Israel in der Wüste“ (FA I 3 / 1, 230) als eine Zeitdiagnose, die der Gegenwart eine tiefe religiös begründete Krise attestiert. Dass es um Zeitdiagnose geht, ergibt sich auch daraus, dass Goethe in der Einleitung das Thema des Konflikts von Glaube und Unglaube als eigentliches Thema der Welt- und Menschheitsgeschichte bezeichnet und auch auf diese Weise Gegenwartsrelevanz herstellt.

In 1.4. wurde auf die Bedeutung hingewiesen, die Goethe dem menschlichen Streben zuweist bis hin zur Ableitung einer Unsterblichkeitshoffnung. Das „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“ des Engelchors aus der letzten „Faust“-Szene wurde dabei als eigenes Bekenntnis Goethes bezeichnet.Die Parallelität zwischen Goethes Faust-Figur und seinem Mose-Bild ergibt sich daraus, dass Faust insbesondere gegen Ende des Zweiten Teils auch tyrannische Züge trägt. Bei Faust muss sogar von widergöttlichen Zügen gesprochen werden. Schon mit dem Anliegen, gegen das Meer zu kämpfen, es zurückzudrängen und zu besiegen (Faust II, 4. Akt. Hochgebirg ZZ. 10198-10233), nimmt er sich mehr vor, als den menschlichen Lebensraum gegen die Gewalten der Natur zu schützen und zu erhalten (vgl. dazu den Kommentar in: FA I 7 / 2, 664.706): Indem er den Lebensraum im Kampf gegen das Meer ausdehnen will, übernimmt er eine Aufgabe, die die Bibel dem Schöpfergott zuspricht. Faust setzt mit eigener Tatkraft das Werk des Schöpfergottes fort, von dem in Hi 38,8-10 zu lesen ist, dass er dem Meer seine (bisherige) Grenze gesetzt hat. Im Gefolge dieses göttergleichen Strebens wird Faust zum Tyrannen, der es nicht erträgt, dass das Grundstück von Philemon und Baucis nicht sein eigen ist und damit seine Macht einschränkt. In der Aneignung des Grundstücks mit Hilfe von Mephistopheles wiederholt sich, wenn auch gegen Fausts Absicht, die Aneignung von → Nabots Weinberg durch den Mord am Besitzer (1Kön 21) (so der Kommentar des Mephistopheles in: Faust II, 5. Akt. Palast Z. 11286). Auf diese Weise wird Faust mit → Ahab, dem biblischen Urbild eines gottlosen Königs, gleichgesetzt. Fausts Gottlosigkeit kommt auch darin zum Ausdruck, dass ihn die Glocke stört, mit der Philemon und Baucis ihr Gebet zum „alten Gott“ einläuten. Der Glockenschlag erinnert ihn daran, dass ihr Grundstück seinem Machtbereich entzogen, d.h. dass seine Macht begrenzt ist (Faust II, 5. Akt. Offene Gegend ZZ. 11139-11142; Palast ZZ. 11151-11162); sein Hass gegenüber dem „morschen Kirchlein“ (Z. 11157) zeigt, dass der traditionelle Glaube für Faust einer absterbenden Epoche angehört. Er selbst gehört damit wie der von Goethe gezeichnete Mose einer Epoche des Unglaubens an.

Goethes Faust und Goethes Mose setzen Dinge ins Werk, die sie letztlich nicht steuern können, womit sie zu Symbolen des neuzeitlichen Menschen werden: Mose steht für den Typus des Tatmenschen, der seit der Französischen Revolution das politische Geschehen bestimmt; Fausts Landgewinnungswerk bildet „die gewaltige neuzeitliche Mobilisierung neuzeitlicher Fähigkeiten und Kräfte ab“ (Kommentar in: FA I 7 / 2, 708). In beiden Figuren spiegelt sich der Charakter der Neuzeit als Zeit des Unglaubens und damit verbundener Krisen. Dabei ist jedoch nicht zu vergessen, dass es Goethe nicht um einen traditionellen Kirchenglauben geht. Allerdings versteht er Glaube aus christlicher Prägung heraus als Vertrauen auf den Gott, der nicht in einer einzelnen Religionsform zu erfassen ist (vgl. oben 2.5.).

3.4. Die Intentionen von Goethes Bibelinterpretationen

Goethe bejaht die historische Erforschung biblischer Texte, weil sie diese in ihrer besonderen Prägung durch historische, geographische und kulturelle Hintergründe wahrzunehmen lehrt. Auf diese Weise werden die Patriarchenerzählungen als Spiegel des Hirtenlebens in den Weidegebieten zwischen den Stadtstaaten Kanaans erkannt (vgl. FA I 14, 145), und der Glaube an einen der eigenen Gruppe besonders verbundenen Gott wird aus den Bedürfnissen landloser Hirten erklärt (s.o. 3.2.).

Vor allem bei der Besprechung von „Israel in der Wüste“ (s.o. 3.3.) war aber deutlich geworden, dass Goethe keine methodisch kontrollierte historisch-kritische Rekonstruktion vorlegt, sondern sich „durch eine Art intuitives Erfassen der Persönlichkeit“ des Mose (Zipfel 2005, 200) leiten lässt. Für dieses Erfassen steht im Goethe’schen Sprachgebrauch der Begriff der „Einbildungskraft“. Diese arbeitet Erfahrungen zu inneren Vorstellungen aus und überführt sie dann in eine Darstellung (nach Adler 1998, 239). Auch im Wissen um die Gefahren einer ungezügelten Einbildungskraft ist sie nach Goethe für die wissenschaftliche Arbeit unverzichtbar, um Synthesen aus den Ergebnissen vorhergehender Analysen herzustellen (vgl. Adler 1998, 242). Überträgt man dieses Modell auf Goethes Bibelinterpretationen, ist festzustellen, dass er seine Einbildungskraft zwar durch Einarbeiten in den kulturgeschichtlichen Hintergrund und in die Literargeschichte der Texte erweitert und schärft, dass er sich aber früher, als es bei einer methodisch kontrollierten Rekonstruktion erlaubt wäre, von existentiellen und gegenwärtigen Fragen leiten lässt.

Dass Goethe dennoch bei der Ausarbeitung einer Bibelinterpretation Ergebnisse der historischen Kritik zu Rate zog, ist für „Israel in der Wüste“ belegt: Während er 1797 am Thema arbeitete, hatte er verschiedene Fachbücher aus der Weimarer Bibliothek entliehen, darunter die „Einleitung in das alte Testament“ von J.G. Eichhorn (Galling 1948 / 49, 539). Darüber hinaus kommt er in der Tat in den besprochenen Interpretationen zu Einsichten, die im Kern von der späteren historischen Kritik anerkannt wurden. Das gilt für das von Wellhausen bestätigte höhere Alter des kultischen Dekalogs von Ex 34 gegenüber dem Dekalog von Ex 20 (s.o. 3.1.2.); auch wurde die Nähe zwischen seiner Charakterisierung der Erzväterreligion in der Genesis-Paraphrase (s.o. 3.2.) zu A. → Alts These vom „Gott der Väter“ bemerkt (Gauss 1961, 71, von Linder 1998, 166 zu Unrecht relativiert).

Andererseits fragt Goethe bei der Genesis-Paraphrase nicht, inwiefern die der Aufklärungsphilosophie entnommene Unterscheidung von natürlicher und offenbarter Religion den alttestamentlichen Texten gerecht wird. Daraus, dass er sie sogleich einer aktuellen Fragestellung unterwirft, erklären sich gewisse Freiheiten im Umgang mit den Texten: Dass er den auf den einen biblischen Gott bezogenen hebräischen Plural אֱלֹהִים ’älohîm mit einem echten Plural („die Elohim“) wiedergibt, ist historisch-philologisch nicht zu verantworten, es erinnert aber an Goethes Bekenntnis, dichterisch Polytheist zu sein (s.o. 1.2.). Goethe trennt an dieser Stelle also nicht zwischen Bibelauslegung und literarischem Schaffen. Bei der Mose-Interpretation kümmert es ihn nicht, dass er eine Charakterstudie vorlegt, wie sie wohl für homerische Figuren möglich wäre, nicht aber für Figuren des Pentateuch, in dem die einzelnen Gestalten nur sehr rudimentär individuell-psychologisch charakterisiert werden (vgl. dazu Zipfel 2005, 212).

Goethe ist also nicht in erster Linie an einer historischen Rekonstruktion gelegen, sondern an einer Begegnung mit dem, was er in „Dichtung und Wahrheit“ (=DW) 12 „das Innere, den Sinn, die Richtung“ eines Textes nennt (FA I 14, 554f.) und was er in der Schlussbemerkung zu „Israel in der Wüste“ als das „Ursprüngliche, Bessere“ bzw. „den innerlichen, eigentlichen Ur- und Grundwerth“ der Texte bezeichnet (FA I 3 / 1, 247). Dieses „Innere“ oder „Ursprüngliche“ ist nicht mit einer ggf. historisch auswertbaren literarischen Grundschicht zu verwechseln, sondern besteht in dem, was die bleibende Aktualität des Textes ausmacht. Diese eigentliche Bedeutung kann nicht ein für allemal objektiv festgestellt werden; vielmehr muss sie jeder Einzelne für sich finden und in einen Dialog mit ihr treten. Dabei bestehen bei verschiedenen Interpreten Unterschiede nach Ort und Zeit, „besonders aber wegen der Verschiedenheit menschlicher Fähigkeiten und Denkweisen“ (FA I 14, 555).

Die besprochenen Bibelinterpretationen Goethes orientieren sich also an dem, was er seinen Landgeistlichen in der Einleitung zu den „Zwo Fragen“ sagen lässt (s.o. 3.1.1.): Das Hauptinteresse liegt in der „Brauchbarkeit“ für das Leben, worin Goethe auch die ihn bewegenden intellektuellen Fragen seiner Zeit einbezieht, die Frage nach dem Verhältnis von vorgegebenen konfessionellen Normen und persönlich erfahrener Religiosität („Zwo Fragen“), die Frage nach dem Wesen, aber auch den Problemen, ja: Abgründen, des Glaubens der Offenbarungsreligion im Unterschied zu der Überzeugung, die die natürliche Religion ausmacht (Genesis-Paraphrase), schließlich die Frage nach dem Streben und Scheitern von Tatmenschen in einer durch Unglauben geprägten Zeit („Israel in der Wüste“).

Die Textauslegung ist von der Person des Exegeten, seinen „Fähigkeiten und Denkweisen“ (s.o.), abhängig oder, nach der Einleitung der „Zwo Fragen“, vom Maß seiner „Empfindung“ oder „Gelehrsamkeit“ (s.o. 3.1.1.). In diesen Grundsätzen hat Goethe bei seinem von allen konfessionellen und dogmatischen Vorgaben freien Umgang mit den Texten Anliegen der pietistischen Exegese bewahrt und fortgeführt.

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  • HA: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, hg. v. E. Trunz, vollständige Neubearbeitung München 1981
  • WA: Goethes Werke. Hg. im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen, 146 Bde., Nachdruck München 1987-1990

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Abbildungsverzeichnis

  • Johann Wolfgang von Goethe (Ölgemälde von Joseph Karl Stieler; 1828).

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