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(erstellt: April 2011)

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1. Terminologie

Das hebräische Wort גַּן gan (Nebenform גַּנָּה gannāh) „Garten“, das von dem Verb גנן gnn „beschützen / hegen“ abgeleitet ist, bedeutet so viel wie Umwallung. Das aus dem Persischen pairidaeza (eigentlich „Umzäunung“; vgl. akkad. pardēsu „eingezäunter Garten“) abgeleitete hebräische Wort pardes „Park“, das im Alten Testament nur in Hhld 4,13, Pred 2,5 und in Neh 2,8 belegt ist, steht vor allem für einen von Mauern umgebenen Garten, meist für den königlichen (Baum-) Garten oder Park. Erst die → Septuaginta hat das Wort zur Bezeichnung des Gartens → Eden in Gen 2-3 eingeführt (→ Paradies). Im Griechischen der Septuaginta und des Neuen Testaments findet sich für Garten der Begriff κῆπoς kēpos.

2. Aussehen und Bedeutung des Gartens

Zum Wesen des Gartens gehört seine Abgrenzung von der Umgebung: Die Umgrenzung, für die man Steine oder Gestrüpp oder beides verwendete (Klgl 2,6), sollte den Garten zum einen vor dem Eindringen wilder Tiere, die ihn verwüsten konnten, schützen, zum andern diente sie dazu, das Eigentum zu kennzeichnen. Wichtig für den Ertrag war eine ausreichende Bewässerung des Gartens (Dtn 11,10; Jes 58,11), so dass man ihn in der Regel an einem Wasserlauf (→ Fluss / Bach / Wadi) oder Kanal anlegte (Num 24,6). Ein Garten mit eigener Quelle galt als besonders wertvoll (Hhld 4,12), da er so nicht von Zuflüssen oder Kanälen abhängig war wie die Gärten in Ägypten und Mesopotamien. Einen Garten konnte man verschließen (Hhld 4,12; ZusDan 1,17f.20), um eine unbemerkte Nutzung zu verhindern.

Innerhalb der Gärten wurden verschiedene Nutzpflanzen angebaut, so z.B. diverse Gemüse- und Kräutersorten (1Kön 21,2; Dtn 11,10; Spr 15,17); auch Reben und → Feigenbäume, → Palmen, → Granatapfel- und Nussbäume sowie → Blumen (Hhld 4; Hhld 6,2.11) fanden sich in ihnen. Darüber hinaus hatten die Gärten auch einen hohen emotionalen und ästhetischen Stellenwert, galt es doch als Ideal, sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum zu wohnen (2Kön 18,31f.; Mi 4,4; Sach 3,10) und sich an der Schönheit des Gartens zu erfreuen. Der Erholungswert der Gärten zeigte sich auch darin, dass man in ihnen spazieren gehen (ZusDan 1,7, vgl. Gen 3,8) oder auch ein erfrischendes Bad nehmen konnte (ZusDan 1,15). Praktisch war es daher, wenn der Garten in der Nähe des Hauses lag (vgl. 1Kön 21,2).

3. Der Garten in der Bildsprache des Alten Testaments

Gärten waren eine wichtige Lebensgrundlage. Sie konnten daher auch Bild sein für ein glückliches, zufriedenes Leben (Jes 58,11). Vor allem der Nutzaspekt des Gartens wird zur Entstehung dieses Bildes beigetragen haben. Blühende Gärten sind Zeichen für → Frieden, Heil und Wohlergehen (Jes 32,15-18), vertrocknete und verwüstete, in denen Dornengestrüpp wächst (Bar 6,70 [Lutherbibel: Bar 6,71]), dagegen Bild für Unheil, Strafe, Tod (Am 4,9; Klgl 2,6). Die Wiederanlage von Gärten nach einer Zerstörung ist ein weiteres Bild für neu entstehendes Heil (Am 9,13f.; vgl. Jer 29,5). Die Möglichkeit, Gärten neu zu pflanzen, zeigt, dass ein Neuanfang möglich ist (Jes 51,3). In der Liebessprache des → Hohenlieds ist der Garten nicht der Treffpunkt der Liebenden, sondern die Geliebte selbst wird zu einem Garten (Hhld 4,12), dessen Attraktivität und Anziehungskraft durch das Vorhandensein von Granatapfelbäumen mit frischen Früchten, duftenden Hennasträuchern, exotischen Narden und → Balsam herausgestellt wird. Eine ähnliche Redeweise findet sich bezogen auf ganz Israel, von dem gesagt wird, es sei schön wie ein fruchtbarer Garten (Num 24,5f.).

4. Die Gärten des Königs

Königliche Gärten, die auch im Alten Testament mehrfach genannt sind (2Kön 9,27; 2Kön 21,18; Jer 39,4; Jer 52,7; Neh 3,15f.), waren ein Prestigeobjekt. Daher rühmt sich der exemplarische König nach Pred 2,4.5, er habe selbst als „Gärtner“ Gärten und Weinberge angelegt und so seinen Amtspflichten als weiser Herrscher entsprochen, der für die sich in den Gärten widerspiegelnde Ordnung und Kultivierung der Welt verantwortlich war (vgl. dazu Fauth 1979; Hutter, 1986). In Mesopotamien (Assyrien, Babylonien, Persien) waren die Gärten der Könige häufig große, mit Pflanzen und Tieren aus verschiedenen Weltgegenden bestückte Parkanlagen (vgl. Galter 1989, 242; Uehlinger 1991, 62f und ZusDan 1,38; Est 1,5; Est 7,7f.; → Paradies Abb. 2), in denen z.T. auch → Jagden stattfanden. Die königlichen Gärten konnten auch Grabanlagen des Königs beherbergen (2Kön 21,18.26).

5. Der Gottesgarten

Angesichts der Bedeutung des Gartens in der Alltagswelt Palästinas, erstaunt es nicht, dass auch Gott als Gartenbesitzer geschildert wird (Gen 2f. vgl. Gen 13,10; Jes 61,11 [in Jes 60,21 wird zuweilen geändert zu „Hüter seiner Pflanzung ist Jahwe“]). Als Urbild des Gottesgartens galt im Alten Orient und im Alten Testament vielfach der Libanon mit seiner Vegetation, die vor allem von duftenden Koniferen, den Gottesbäumen schlechthin, bestimmt war (vgl. Ez 28,13; Ez 31,8f. und Stolz 1972). Die Beziehung dieses Gottesgartens zu dem urzeitlichen Garten → Eden ist nicht restlos aufzuklären. Eden dient zum Teil als Landschaftsbezeichnung (so in Gen 2,8; Ez 28,13); an anderen Stellen ist Eden (= „Wonne“) der Name dieses Gartens (Gen 2,10.15; Gen 3,23f.; Ez 36,35; Jo 2,3; zum Gottesgarten von Gen 2f. → Paradies). Auch der Jerusalemer Tempel dürfte von einem Garten umgeben gewesen sein, ausgestattet mit den prächtigsten Bäumen (Ps 52,10; Ps 92,13-16).

6. Gärten als Orte von Naturriten

Von Gärten, in denen fremde (chthonische ?) Riten und Opferkulte gepflegt wurden, sprechen Jes 65,3 und Jes 66,17. Schon Jes 1,29f. setzt Baumkulte in Gärten voraus, deren Verehrer sich davon Lebenskraft und Vitalität erhoffen. Stattdessen aber drohen Verwelken und Verdorren.

7. Die Adonisgärten Jes 17,10f

Einige Forscher finden in Jes 17,10f., besonders in dem hier belegten Terminus niṭ‘ê na‘ǎmānîm „Pflanzungen des Lieblichen“ einen Hinweis auf den im Mittelmeerraum besonders bei Frauen beliebten Adoniskult und die damit verbundenen Adonisgärtchen (griechisch: oἱ Ἀδώνιδος κῆποι; vgl. dazu schon Plato, Phaidros 276b; Text gr. und lat. Autoren), die man auf den Dächern der Häuser anlegte. Hierbei handelte es „sich um Samen von Getreide, Weizen, von Lattich und Fenchel, der in Terrakottagefäßen heranwuchs und sehr schnell in der Sonne verdorrte“ (Bonnet / Niehr 2010, 126). Das schnelle Emporwachsen und das ebenso schnelle Verdorren sollten das Kommen und Verschwinden des Vegetationsgottes symbolisieren.

8. Der Garten im Neuen Testament

Im Neuen Testament wird fünfmal auf einen Garten Bezug genommen. Während Lk 13,19 von einem Senfkornsamen spricht, der in einem Garten ausgesät wird, berichtet Joh 18,1.26 von einem Garten, in den sich Jesus mit seinen Jüngern immer wieder zurückzog und in dem er schließlich auch gefangen wurde. Joh 19,41 weiß von einem Garten mit einem neuen Grab, in das Jesus schließlich gelegt wird.

Zur Aufnahme der Vorstellung des Paradiesgartens im Neuen Testament → Paradies.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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2. Weitere Literatur

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Abbildungsverzeichnis

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  • Aphrodite und Eros bereiten in Schalen Adonisgärtchen (Aryballos aus Delos, ca. 430 v. Chr.). Aus: aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 208

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