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Gad und Meni

(erstellt: März 2009)

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Gad und Meni sind Glücksgötter, die nach dem einzigen alttestamentlichen Beleg, Jes 65,11, auch im nachexilischen Jerusalem verehrt wurden.

1. Gad

1. „Glück“. Das hebräische Wort גַּד gad „Glück“ stammt von der semitischen Wurzel gdd „abschneiden / zuteilen“. Es ist alttestamentlich nur in Gen 30,11 in einer etymologischen → Ätiologie des Stammesnamens Gad belegt (Ketiv: „im Glück“; → Septuaginta: en tychē „im Glück“, → Vulgata: feliciter „glücklich“). Hinzu kommen auch epigraphisch belegte Orts- und Personennamen, bei denen allerdings nicht immer klar ist, ob gd im Sinne von „Glück“ oder als Gottesname zu verstehen ist.

Personennamen: Gaddiel gaddî’el „mein Glück ist Gott“ (Num 13,10; vgl. keilschriftlich Gadi-ilu); Gaddijahu gdjhw „mein Glück ist Jahwe“ (auf mehreren Siegeln; AHI I, 323f; II, 149); Gaddijau gdjw „(mein) Glück ist Jahwe“ (mehrfach in den Samaria-Ostraka; AHI I, 324); Gaddi gaddî „mein Glück ist (die Gottheit X)“ (Num 13,11; vgl. 2Kön 15,14.17; AHI I, 100.525; gd’ Arad-Ostrakon 72,3). Vgl. HAE II/1, 63.

Ortsnamen: Baal-Gad ba‘al-gād „Baal ist Glück“ (oder: „Gad ist Herr“; Jos 11,17 u.ö.); Migdal-Gad migdal-gād „Turm des Glücks“ (oder: „Turm des Gad“; Jos 15,37).

2. Glücksgottheit. Gad ist eine westsemitische Gottheit, die nach der Etymologie und der Gleichsetzung mit der griechischen Tyche (vgl. die römische Fortuna) als Glücks- oder Schicksalsgottheit bezeichnet und als Personifizierung des Glücks gesehen werden kann. Viele Belege für diese Gottheit – häufig sind es theophore Namen – kranken allerdings daran, dass nicht klar ist, ob gd die Gottheit meint oder „Glück“ bedeutet. Dies gilt vor allem für die Belege vor der Mitte des 1. Jt.s (→ Ugarit; → Lachisch). Sicher findet sich die Gottheit in aramäischen (Zusammenstellung bei Kaizer, 1997-1998), arabischen, phönizischen, punischen und nabatäischen Zeugnissen, nämlich in Namen (Noth 126f) und Inschriften, etwa einer auf Ibiza gefundenen punischen Weihinschrift „für die mächtige Tanit und den Gad“ (2. Jh. v. Chr.; KAI 72). Reliefdarstellungen des 2. Jh.s n. Chr. aus Palmyra und Dura Europos zeigen, dass Gad zumindest in dieser Zeit sowohl als männliche (Dura Europos) als auch als weibliche (Palmyra) Gottheit gelten konnte. Weihinschriften mit Formulierungen wie „dem Gad der Stadt“ weisen sie als Schutzgottheit bestimmter Städte aus (Hörig, 166ff; Dirven, 99ff; Meyer, 251ff). Auf Aelia-Capitolina-Münzen des 2. Jh.s n. Chr. wird Tyche als Schutzgöttin Jerusalems dargestellt. Im Babylonischer Talmud setzt Traktat Sanhedrin 63b – wohl für die römische Zeit – die Verehrung des Gottes Gad in der Nähe des Siloah-Teichs voraus (Text Talmud).

2. Meni

Auch Meni (מְנִי mənî), dessen Name wohl von מנה mnh „teilen / zählen / zuteilen“ (vgl. מָנָה mānāh „Anteil / Schicksal“ in Jer 13,25; Ps 11,6) abzuleiten ist, dürfte als Glücks- und Schicksalsgott zu charakterisieren sein. Dafür sprechen außer der Etymologie die Übersetzung der Septuaginta mit tychē „Tyche“ in Jes 65,11 (s.u.) und die dortige Zusammenstellung mit Gad. Dem Gott Meni entspricht die vorislamisch-arabische Göttin Manat, die auch im Koran in Sure 53,20 erwähnt wird (Text Koran). Nabatäische Inschriften und Personennamen bezeugen sie als mnwtw (Belege s. Sperling, 567f).

3. Gad und Meni im Alten Testament

Im Alten Testament ist Gad nachexilisch bezeugt, jedoch nur in dem Personennamen Asgad ‘azgād „Gad ist stark“ (Esr 2,12 u.ö.) und mit Meni in Jes 65,11. Dort wirft der Verfasser (→ Tritojesaja) Gegnern in Jerusalem vor, nicht Jahwe zu verehren, sondern Gad einen Tisch zu decken und Meni einen Krug zu füllen, also kultische Festmahle zu feiern. Der Anklage entspricht in Jes 65,12 die Ankündigung, diese Gegner dem Schwert zu übergeben (מנה mnh nimmt „Meni“ auf) und in Jes 65,13 die Ankündigung von Hunger und Durst, während die treuen Verehrer Jahwes genug zu essen und zu trinken haben. Unklar bleibt, ob es im nachexilischen Juda tatsächlich einen Kult von Gad und Meni gegeben hat oder wir es mit einer Polemik zu tun haben, die auf vom Hörensagen bekannte Gottheiten anspielt und dabei entweder auf bestimmte Praktiken – etwa üppige Mahlzeiten – Bezug nimmt oder als reine Unterstellung zu verstehen ist. Unklar ist, warum der Verfasser ausgerechnet diese Fremdgötter wählt. Sollte ihn die Suche nach einem Wortspiel auf מנה mnh „zuteilen“ und Meni gebracht haben und zu diesem Gad als sachliches Pendant gekommen sein?

Die → Septuaginta ersetzt Gad und Meni durch „Dämon“ (daimōn) und „Tyche“ (tychē), zwei Glücks- und Schicksalsgottheiten der hellenistisch-ägyptischen Welt. In Alexandrien, dem Entstehungsort der Septuaginta, genoss Agathos Daimon, oft mit Agathe Tyche verbunden, als Beschützer der Stadt besondere Verehrung (zu dieser Übertragung vgl. „die ! Baal“ in Jer 2,8 u.ö. als mögliche Anspielung auf Isis). Die → Vulgata nennt nicht zwei Gottheiten, sondern nur Fortuna. Die Masoreten vokalisieren beide Formen mit Artikel, verstehen sie also nicht als Gottesnamen, sondern im Sinne von „für das Glück“ bzw. „für das Schicksal“.

Für die Zusammenstellung von Gad und Meni wird auf eine im südfranzösischen Vaison gefundene, griechisch-lateinische Altarweihinschrift verwiesen, in der Belus, der syrische Gott → Baal, angeblich als fortunae rector menisque magister „Lenker der Fortuna (= Gad) und Lehrer des Meni“ bezeichnet wird, doch ist nach den Editionen mentisque zu lesen: „Lenker des Glücks und Meister des Geistes“ (z.B. Corpus Inscriptionum Latinarum XII, Berlin 1888, 1277; Wierschowski, 130f).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • The Encyclopaedia of Islam: New Edition, Leiden 1960-2006
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
  • Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Ahlström, G.W., 1983, Was Gad the God of Tell ed-Duweir?, PEQ 115, 47-48
  • Baldacci,M., 1978, Due antecedenti storici in Is. 65,11, BeO 20, 189-191
  • Dirven, L., 1999, The Palmyrenes of Dura-Europos. A Study of Religious Interaction in Roman Syria, Leiden
  • Höfer, M., Die vorislamischen Religionen Arabiens, in: H. Gese / M. Höfner / K. Rudolph, Die Religionen Altsyriens, Altarabiens und der Mandäer, Stuttgart u.a. 1970, 233-402
  • Hörig, M., 1979, Dea Syria (AOAT 208), Neukirchen-Vluyn
  • Kaizer, T., 1997-1998, De Dea Syria et Aliis Diis Deabusque. A Study of the Variety of Appeareances of Gad in Aramaic Inscriptions and on Sculptures from the Near East in the First Three Centuries AD, OLoP 28, 147-166; OLoP 29, 33-62
  • Kaizer, T., 2002, The Religious Life of Palmyra. A Study of the Social Patterns of Worship in the Roman Period (Oriens et Occidens 4), Stuttgart
  • Meyer, M., 2006, Die Personifikation der Stadt Antiocheia. Ein neues Bild für eine neue Gottheit, Berlin u.a.
  • Noth, M., 1928, Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung, Stuttgart
  • Sperling, S.D., 1999, Art. Meni, in: Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden, 566-568
  • Wierschowski, L., 2001, Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr., Stuttgart

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