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Fleisch (NT)

(erstellt: Mai 2017)

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1. Vorkommen

Dass die kreatürliche Existenz des Menschen biblisch im guten Schöpferwillen Gottes gründet, ist ein Eckpfeiler der jüdisch-christlichen Anthropologie, den sie zu allen Zeiten gegen alternative religiöse und philosophische Konzepte zu verteidigen hatte. Das irdische Dasein ist demnach weder als Strafe noch als Unglück im Rahmen eines kosmologischen → Dualismus zu verstehen, sondern als gottgewollte conditio humana. Bestimmte Aspekte des biblischen Menschen werden dabei sowohl im Alten wie im Neuen Testament durch den Begriff „Fleisch“ zum Ausdruck gebracht, der je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungsnuancen tragen kann. Das Spektrum reicht von einem materiell-substanzhaften über ein soziologisches bis hin zu einem dezidiert theologischen Verständnis. Für die christliche → Anthropologie ist vor allem die Interpretation des Begriffs durch → Paulus maßgeblich geworden.

1.1. Altes Testament

Vorzugswort für „Fleisch“ ist im masoretischen Text בָּשָׂר / basar (selten שְׁאֵר / scheer; vgl. Mi 3,2; Spr 5,11, Ps 73,26), das je nach Kontext in seiner Bedeutung variiert: Im engeren Wortsinn bezeichnet es das Körperfleisch (vereinzelt auch die Haut, vgl. Ps 102,6) lebender Menschen (Gen 2,21 u.ö.) oder Tiere, wobei sich letzteres sowohl auf Nahrungsmittel (Ex 16,3.12; Jes 22,13) als auch auf Opferfleisch (Ps 50,13; Jer 11,15) beziehen kann. Als Euphemismus referiert basar singulär auf die weibliche Scham (Lev 15,19) und öfters auf das männliche Geschlechtsorgan (Ex 28,42; Lev 15,2f; metaphorisch Ez 16,26), an dem das Bundeszeichen der Beschneidung vollzogen wird (Gen 17,11ff; Lev 12,3; Ez 44,7.9). Weniger speziell kann basar auch die Gesamtheit des menschlichen Körpers umfassen (Ex 30,32; Lev 13,13; Lev 16,4; 1Kön 21,27; Pred 12,12 u.ö.). Insbesondere in der Kombination „Fleisch und Bein“ bringt basar Verwandtschaftsverhältnisse zum Ausdruck (Gen 2,23; Gen 29,14; Ri 9,2; 2Sam 5,1; Sam 19,13f; 1Chr 11,1; vgl. Neh 5,5: „Fleisch und Blut“; daneben Lev 18,6; Lev 25,49), die bis auf den zum Volk Israel gehörenden Nächsten ausgeweitet werden können (Jes 58,7).

Anthropologisch bedeutsam wird der Begriff, wo er als Synonym für den ganzen Menschen steht (vgl. die Parallelität von basar und אָדָם / adam in Ps 56,5.12). Im Unterschied zur Anthropologie der griechischen Philosophie, die den Menschen an sich in seinem naturhaften Sein zum Gegenstand der Betrachtung macht und ihn als leib-seelisches Kompositum versteht, in dem das Fleisch (σάρξ / sarx) im Gegenüber zur unsichtbaren und unsterblichen Seele (ψυχή / psychē) der sichtbare, vergängliche Stoff des gestalteten Körpers (σῶμα / sōma) ist, denkt das Alte Testament den Menschen grundsätzlich als geschichtliches Wesen von seiner Gottesbeziehung her. Er hat sein Leben durch Gottes → Lebensodem (רוּחַ / rûaḥ) eingehaucht bekommen; von ihm erhält er seine Lebenskraft (נֶפֶשׁ / nefesch) und seine leibliche Existenz (basar), und auf ihn hin soll sein Herz (לֵב / leb) ausgerichtet sein. Grundlegend ist dabei, dass die genannten anthropologischen Termini des Alten Testaments nicht einzelne Teile des Menschen bezeichnen, sondern ihn jeweils als Ganzes unter einem bestimmten Aspekt in den Blick nehmen. Dabei beschreibt basar den Menschen vor allem hinsichtlich seiner Begrenztheit und Vergänglichkeit. Im Gegensatz zu Gott ist die Macht des Fleisches beschränkt, so dass man weder sein Vertrauen darauf setzen soll (Jer 17,5) noch Feinde fürchten muss (Ps 56,5; Jes 31,3; 2Chr 32,8). Weil der Mensch Fleisch ist, ist seine Lebenszeit begrenzt (Gen 6,3); er ist wie Gras (Jes 40,6), wie ein Hauch, der vergeht (Ps 78,39); er muss sterben und zum Staub zurückkehren (Hi 34,15). Eine Abwertung des Fleisches ist damit jedoch nicht intendiert, da die Vergänglichkeit nicht als Folge der Sünde gedeutet wird, sondern kreatürlich bedingt ist.

Als fest geprägte Wendung erscheint der Ausdruck kal basar „alles Fleisch“, der neben der Bezeichnung des ganzen Körpers (Lev 4,11: das ganze Fleisch des Stieres; Lev 13,13: Aussatz; Lev 15,16: Unreinheit; Num 8,7: Enthaarung; Prov 4,22: Heilung; Ez 10,12: der Körper der Cheruben) auch kollektive Funktion hat. Dabei kann „alles Fleisch“ die Gesamtheit der Lebewesen umfassen (Gen 6,12.13.17; Gen 7,21; Gen 9,11.15.17; Num 18,15; Ps 136,25; Dan 4,9), meist bezieht es sich jedoch auf die Menschheit bzw. Teile davon (Ez 21,4.9: die Bewohner eines Landes; Joel 3,1: die Kultgemeinde). Im Zentrum des kollektiven Verständnisses steht wiederum der Aspekt der Vergänglichkeit, Begrenztheit und Abhängigkeit: Alles Fleisch ist auf Gottes lebensspendenden Geist (Num 16,22; Num 27,16; Hi 12,10; Hi 34,15) und seine Versorgung (Ps 136,25) angewiesen, wofür ihm Lob und Dank gebührt (Ps 65,3; Ps 145,21). Im prophetischen Kontext ist „alles Fleisch“ schließlich das Forum, vor dem sich Gott offenbaren (Jes 40,5; Jes 49,26) und an dem sich sein Gerichtshandeln vollziehen wird (Jes 66,16; Jer 12,12; Jer 25,31; Jer 45,5; Ez 21,4.9.10).

1.2. Neues Testament

Die Verfasser der neutestamentlichen Schriften stehen mit ihrem Verständnis des Menschen grundsätzlich in der Traditionslinie des Alten Testaments. Darüber hinaus ist wahrscheinlich, dass sie auch mit Vorstellungen und Motiven ihrer religiösen Umwelt (z.B. hellenistische Kulte (→ Hellenismus), → hellenistisches Judentum, → Apokalyptik, → Qumran) vertraut waren. Ob und wieweit diese sich nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich auf die Interpretation des Begriffs „Fleisch“ (sarx) ausgewirkt haben, ist in der Exegese umstritten und muss im Einzelfall geprüft werden.

1.2.1. Synoptische Evangelien und Apostelgeschichte

Die → synoptischen Evangelien und die → Apostelgeschichte schließen sich in ihrem Sprachgebrauch eng an das Alte Testament an. In Mk 13,20 par. Mt 24,22; Lk 3,6; Apg 2,17 nimmt πᾶσα σάρξ / pasa sarx („alles Fleisch“) die kollektive hebräische Wendung kal basar auf, die sich auf die ganze Menschheit (Lk 3,6 zit. Jes 40,5 LXX; Mk 13,20 par. Mt 24,22) oder die (Kult-)Gemeinde (Apg 2,17 zit. Jo 3,1 LXX) bezieht. Septuagintazitate liegen zudem in Mk 10,8 par. Mt 19,5b (Gen 2,24) und Apg 2,26 (Ps 15,9) vor. Auch im Übrigen bewegen sich die Belege im Rahmen der durch das AT vorgeprägten Interpretationsmöglichkeiten. In Mt 16,17 beschreibt die Wendung „Fleisch und Blut“ die im menschlichen Wesen liegende beschränkte Erkenntnismöglichkeit im Gegensatz zur göttlichen Offenbarung, die allein zur wahren Christuserkenntnis verhilft. „Fleisch und Knochen“ in Lk 24,39 betont die Leiblichkeit des Auferstandenen in Abgrenzung zu doketischen Tendenzen (→ Doketismus) und wenn Jesus den Jüngern in Gethsemane ihr mangelndes Durchhaltevermögen vorhält (Mk 14,38 par Mt 26,41: „der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“), ist wohl weniger ein anthropologischer Dualismus von Leib und Geist vorausgesetzt, sondern mit Ps 51,13-14 die Gegenwart des göttlichen Geistes im Menschen gemeint.

1.2.2. Corpus Paulinum

Mehr als die Hälfte der neutestamentlichen Belege zu sarx (91 von 147) finden sich im → Corpus Paulinum, wobei die Verwendung in den beiden → Thessalonicherbriefen (keine Belege) und den Pastoralbriefen (nur 1Tim 3,6) fast ganz zurücktritt. Hinzu kommen die Adjektive σάρκινος / sarkinos (6-mal) und σαρκικός / sarkikos (7-mal) in der Bedeutung „fleischlich“, die je nur einmal außerhalb des Corpus Paulinum begegnen. Obwohl sarx somit quantitativ einer der Zentralbegriffe paulinischer Anthropologie zu sein scheint, entzieht er sich einer einheitlichen Interpretation: Je nach Kontext kann Paulus unterschiedliche Aspekte des ihm vertrauten alttestamentlichen Bedeutungsspektrums aufgreifen, entwirft von dort aus dann aber im Rahmen seiner → Soteriologie vor allem im → Römerbrief und → Galatalerbrief ein vertieftes theologisches Verständnis, das die christliche Tradition maßgeblich geprägt hat.

  • Sarx als Kreatürlichkeit

Wie im Alten Testament bezeichnet sarx verschiedene Aspekte der leiblichen Verfasstheit des Menschen und ist darin nicht immer scharf von sōma im Sinne von „Körper“ zu trennen. Eine Deutung im rein organischen Sinn (als „Muskelfleisch“) ist bei Paulus an keiner Stelle intendiert. In 1Kor 15,39 geht es nicht um verschiedene Arten von „Fleisch“, sondern um die vielfältigen Erscheinungsweisen kreatürlichen Lebens. Der „Stachel im Fleisch“ des Apostels (2Kor 12,7) ist metaphorischer Ausdruck für eine offensichtliche körperliche Erkrankung (vgl. die „Schwäche des Fleisches“ in Gal 4,13-14) und die „fleischernen Herzen“, in die der Brief Christi geschrieben ist (2Kor 3,3), sind mit der Tradition als Bild für das Lebens- und Willenszentrum des ganzen Menschen aufzufassen. „Im Fleisch“ zu sein (2Kor 10,3; Gal 2,20; Phil 1,22.24), stellt die schöpfungsmäßige Grundkonstitution irdischen Lebens dar, deren Sorge und Beachtung ihr eigenes Recht zugesprochen bekommt (Röm 15,27; 1Kor 9,11), solange sie nicht zum Lebenszentrum wird (Röm 13,14). Erst im Tod kommt die sarx an ihr Ende bzw. wird in das himmlische sōma hinein verwandelt (vgl. 1Kor 15,50-51). Entsprechend steht sarx häufig für den Menschen in seiner Welt, insofern er sich als vergänglich, angefochten und verletzlich erlebt (1Kor 7,28; 2Kor 4,11; 2Kor 7,5).

  • Die Relativität der sarx

Dieser innerweltliche Bezug von sarx kommt auch zum Tragen, wenn damit eine begrenzte Bedeutsamkeit zum Ausdruck gebracht werden soll. So gibt es Paulus zufolge in der korinthischen Gemeinde nur wenige „Weise nach dem Fleisch“ (1Kor 1,26). Sarx kennzeichnet hier wie in 2Kor 1,12 den Maßstab, nach dem innerweltlich gemessen wird. Dass das Absolutsetzen fleischlicher Erkenntnis aber zu grundlegenden Fehlurteilen führen kann, zeigt Paulus an seiner eigenen Christuserfahrung auf. Während er ihn früher „nach dem Fleisch gekannt“, d.h. Jesus Christus aus pharisäischer Perspektive verurteilt hat, kennt er ihn nach seiner Christusoffenbarung so nicht mehr (2Kor 5,16-17). „Im Fleisch“ gut dastehen wollen auch die galatischen Gegner des Paulus, die von den → Heidenchristen die Beschneidung fordern (Gal 6,12-13). Der Ausdruck ist hier wohl bewusst doppeldeutig formuliert und kann im Sinne von „vor Menschen“ (also nach weltlichem Maßstab) verstanden werden, als auch das Mittel meinen, wodurch sie gut dastehen wollen – nämlich die → Beschneidung. Mit letzterem ist eine Konnotation von sarx benannt, die Paulus nach ihrer soziologischen und soteriologischen Bedeutung hin entfaltet. Da durch die Beschneidung am „Fleisch“ die Zugehörigkeit zum Volk Israel konstituiert wird, kann Paulus vom „Israel nach dem Fleisch“ sprechen (1Kor 10,18), aus dem auch Jesus Christus hervorgegangen ist (Röm 1,3; Röm 9,5) und dem er sich selbst zugehörig weiß (Röm 9,3; Röm 11,14). Soteriologisch relevant ist die Teilhabe an dieser soziologischen Größe jedoch nicht, denn das Heil entscheidet sich nicht am Fleisch, sondern am Geist Gottes und an der Verheißung in Christus (Röm 2,28-29; Röm 9,8; Gal 4,23.29; Phil 3,3). Wo aber der Mensch auf sein „Fleisch“ vertraut und sich dessen rühmt, rechtfertigt er sich selbst und verachtet damit das Heilswerk Christi. Dies bezieht Paulus nicht allein auf das Vertrauen in die Erwählung des „Israel nach dem Fleisch“, sondern auch auf jede Form christlicher Hybris, die sich – wie etwa bei seinen korinthischen Widersachern – aus nach außen aufweisbaren geistlichen Fähigkeiten und Begabungen speist (2Kor 11,18). Demgegenüber hält Paulus fest, dass er selbst zwar „im Fleisch“, aber dennoch nicht „nach dem Fleisch“ kämpft, also sein → Apostelamt gegenüber kritischen Infragestellungen nicht durch weltliche Beweise rechtfertigen muss (2Kor 10,2-3).

  • Sarx und Sünde

Der sich selbst rechtfertigende und auf sein Fleisch vertrauende Mensch befindet sich damit im Machtbereich der → Sünde. Wie dieser von Paulus explizit hergestellte (Röm 7,5.14.17-18.23.25; Röm 8,3ff) bzw. implizit vorausgesetzte (Gal 5,12-21) Zusammenhang von „Fleisch“ und „Sünde“ sowie die damit verbundene Opposition von „Fleisch“ und „Geist“ (Röm 8,1-13; Gal 3,3; Gal 4,29; Gal 5,16-17; Gal 6,8) interpretiert wird, hängt von den jeweils vermuteten traditions- und religionsgeschichtlichen Hintergründen paulinischer Theologie ab. Setzt man bei Paulus eine Beeinflussung durch hellenistisches, gnostisches (→ Gnosis) oder frühjüdisch vermitteltes, dualistisch-weisheitliches Denken voraus, wird sarx zum Gegenbegriff von πνεῦμα / pneuma (Geist) und damit zur Negativseite eines anthropologischen Dualismus, der wiederum in einem metaphysischen Dualismus wurzelt. Dadurch erhält sarx den Charakter einer überindividuellen, bösen Machtsphäre, die den natürlichen Menschen in seinem Tun und Denken determiniert. Deutet man Paulus hingegen primär auf der Basis alttestamentlich-jüdischer Tradition, wird die Ganzheitlichkeit des Menschen in seiner Existenz vor Gott festgehalten, was eine dualistisch motivierte Abwertung der Körperlichkeit nicht zulässt.

Zunächst ist festzuhalten, dass Paulus in den entsprechenden Passagen mit sarx keine materiell-substanziellen Vorstellungen verbindet, sondern – wie auch ansonsten – den ganzen Menschen bezeichnet (vgl. das explizierende „in mir, das heißt in meinem Fleisch“ in Röm 7,18). „Fleischlich“ oder „geistlich“ gesinnt sein sind nach Paulus zwei grundlegende Existenzweisen, die sich durch die Christusoffenbarung heilsgeschichtlich unterscheiden. Erst von ihr aus kann definiert werden, was der Mensch vor- und außerhalb ihrer ist. Wenn nun der zentrale Inhalt der Christusoffenbarung für Paulus die Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden ist, dann bestimmt sich fleischliche Existenz von dort aus als das Festhalten des Menschen an der Eigenmächtigkeit (vgl. das „Säen auf Fleisch“ in Gal 6,8). Entscheidend für das paulinische Verständnis von sarx ist dabei, dass der fleischliche Mensch hinsichtlich seiner Eigenmächtigkeit über keine Entscheidungsgewalt verfügt. Die fleischliche Existenz ist verhängnis- und schuldhaft zugleich: Einerseits ist der Mensch ihr verfallen (Röm 7,5) und unter die Sünde verkauft (Röm 7,14); sie wohnt im Fleisch wie in einem Haus (Röm 7,18) und selbst der beste Wille kann sie nicht daraus vertreiben. Andererseits aktualisiert der fleischliche Mensch die Herrschaft der Sünde durch die „Werke des Fleisches“ (Gal 5,19) immer auch selbst. Aus heilsgeschichtlicher Perspektive gehören somit „Fleisch-Sein“ wie „Sünder-Sein“ faktisch zur conditio humana. Dieser Zusammenhang wird erst durch die Sendung des Christus durchbrochen, durch die die Sünde im Fleisch verdammt wird (Röm 8,3), so dass der Mensch, in dem Gottes Geist anstelle der Sündenmacht Wohnung genommen hat (Röm 8,9.11), sein Fleisch gekreuzigt hat (Gal 5,24) und nun nach dem Geist lebt (Röm 8,4). Allerdings wird der Christusgläubige dem Einfluss seines alten „Ich“ nicht quasi-magisch entnommen. Das Fleisch begehrt gegen den Geist auf und steht ihm entgegen (Gal 5,17), so dass die „Werke des Fleisches“ auch für den Christen eine reale Gefahr bleiben. Entsprechend muss Paulus auf die aus dem Herrschaftswechsel erfolgenden ethischen Konsequenzen hinweisen (Röm 8,12f; Gal 5,19-21).

  • Deuteropaulinische Briefe

Die deuteropaulinischen Briefe knüpfen an Paulus an, setzen dabei aber eigene Akzente. Bisweilen scheinen sie sarx rein physisch zu verstehen, etwa wenn es um den Kreuzesleib Christi (Kol 1,22; Eph 2,14), die körperliche Anwesenheit des Apostels (Kol 2,1.5) oder seine Leiden (Kol 1,24) geht. Andererseits kennen auch sie „Fleisch“ als Wesen des Menschen außerhalb des Heils (Kol 2,13), das in der → Taufe ausgezogen wird (Kol 2,11f). Der → Epheserbrief erweitert die paulinische Tradition auf ein dualistisch geprägtes, sphärisches Denken hin, in dem der Mensch unter der Weltherrschaft des „Mächtigen in der Luft“ den sinnlichen Begierden folgt (Eph 2,2-3), so dass die Christen nicht mit „Fleisch und Blut“ – also mit weltlichen Feinden – sondern mit den bösen Gewalten des Himmels zu kämpfen haben (Eph 6,12). „Fleischliche“ Maßstäbe gelten in Anlehnung an Paulus innerhalb der Gemeinde dort, wo Frömmigkeit und Askese (Kol 2,18.23) zur Schau gestellt und von anderen eingefordert werden. Schließlich kann sarx auch die ethnische Zugehörigkeit (Eph 2,11) oder im Rahmen der Paränese den weltlichen Bereich meinen, in dem die → Sklaven dazu aufgefordert sind, ihren „Herren nach dem Fleisch“ zu gehorchen (Kol 3,22; Eph 6,5). Der einzige Beleg in den → Pastoralbriefen (1Tim 3,16) ist nicht aus paulinischer Diktion ableitbar, sondern führt mit seinem inkarnatorischen Verständnis („geoffenbart im Fleisch“) sachlich hinüber zum johanneischen Schrifttum.

1.2.3. Johanneische Schriften

Sowohl der Prolog des → Johannesevangeliums (Joh 1,14) als auch die → Johannesbriefe (1Joh 4,2; 2Joh 1,7) betonen die Fleischwerdung des göttlichen Logos bzw. des Christus, letztere in bewusster Abgrenzung gegen doketische Positionen, für die es keinerlei Verbindung zwischen Fleisch und Geist, Gott und Welt geben kann. Nach Johannes wird dagegen die Herrlichkeit des göttlichen Logos erst und gerade sub contrario im Menschsein Jesu Christi sinnlich wahrnehmbar. Dieser ästhetische Aspekt steht möglicherweise auch im Hintergrund der Brotrede in Joh 6,48-58 (vgl. das vom Himmel gekommene Brot in Joh 6,51.58), nur dass mit dem „Essen des Fleisches“ (Joh 6,53-54.56) die Sinnlichkeit in – insbesondere für Juden – anstößiger Weise auf die Spitze getrieben wird. Von der Menschwerdung des Logos abgesehen, wo Fleisch und Geist im Sohn zusammenkommen, kennt die johanneische Überlieferung jedoch eine klare Scheidung der Bereiche, wobei das Motiv der „Geburt“ die Zuordnung definiert: Nur die aus Gott (Joh 1,13) bzw. aus dem Geist (Joh 3,6) geborenen zählen zu den Kindern Gottes und kennen das Wesen des Sohnes. Alle anderen müssen ihn „nach dem Fleisch“ (Joh 8,15) – also nach seinem Äußeren oder seiner Herkunft – beurteilen und verkennen damit sein wirkliches Sein.

1.2.4. Übrige Schriften

Der → Erste Petrusbrief bietet neben dem Septuaginta-Zitat in 1Petr 1,24 sarx zweimal im Kontext der → Passion Jesu Christi. Dieser ist nach dem Fleisch getötet (1Petr 3,18) und hat im Fleisch gelitten (1Petr 4,1), worin er der angefochtenen Gemeinde als Vorbild und Identifikation im Glauben dient. Durch das Leiden „im Fleisch“ ist sie mit ihrem Herrn verbunden und dadurch faktisch der Sündenmacht entnommen. „Im Fleisch“ in 1Petr 4,2 schließt sich hingegen an den neutralen paulinischen Gebrauch an (vgl. 2Kor 10,3; Gal 2,20; Phil 1,22.24). Die „übrige Zeit im Fleisch“ bezieht sich hier auf die irdische Existenz der Christen. Dagegen tritt in 1Petr 3,21 ein mehr körperliches Verständnis hervor, wenn die Taufe nicht als Reinigung der verschmutzten sarx, sondern innerlich als Bitte um ein gutes Gewissen erläutert wird. Schließlich nimmt der 1Petr in 4,6 die Antithese von Fleisch und Geist auf, um dadurch die eschatologische Hoffnung auf die Wirkmächtigkeit des lebenschaffenden göttlichen Geistes angesichts der Todesverfallenheit menschlichen Lebens zum Ausdruck zu bringen. Der → Zweite Petrusbrief verbindet das Fleisch eng mit der Begierde (2Petr 2,10.18), so dass es zur Metapher für eine gottabgewandte Lebensweise wird.

Von der Inkarnation des Christus her denkt der → Hebräerbrief. Sie ist soteriologisch notwendig, weil der Mensch „Fleisch und Blut“ ist (Hebr 2,14) und auch als solcher erlöst werden muss. Deshalb führte auch Jesus Christus ein irdisches Leben mit allen damit verbundenen Versuchungen (Hebr 5,7) und eröffnete den Glaubenden „durch sein Fleisch“ – das bedeutet wohl „durch seinen Opfertod“ – den Zugang zum Heiligtum (Hebr 10,20).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Schweizer, E. u.a., Art. σάρξ, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 7, Stuttgart 1964, 98-151
  • Seebaß, H., Art. Fleisch, Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Bd.1, Wuppertal 31973, 342-347
  • Gerlemann, G., Art. בָּשָׂר, Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, München / Zürich 51994-1995, 376-379
  • Sand, A., Art. σάρξ, Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart u.a. 21992, 549-557
  • Frevel, C. u.a., Art. Fleisch und Geist, Religion in Geschichte und Gegenwart, Tübingen 42000, 155-158

2. Weitere Literatur

  • Sand, A., Der Begriff „Fleisch“ in den paulinischen Hauptbriefen, Biblische Untersuchungen Bd. 2, Regensburg 1967
  • Brandenburger, E., Fleisch und Geist. Paulus und die dualistische Weisheit, WMANT 29, Neukirchen 1968
  • Wolff, H.W., Anthropologie des Alten Testaments, München, 51990
  • Scornaienchi, L., Sarx und Soma bei Paulus. Der Mensch zwischen Destruktivität und Konstruktivität, NTOA/StUNT 67, Göttingen 2008
  • Reinmuth, R., Anthropologie im Neuen Testament, Tübingen 2006

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