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(erstellt: Mai 2010)

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Im Alten Testament bezeichnet das Wort „Fett“ meist Fettpartien von Tieren, dient als abstrakter Begriff aber auch zur Qualifizierung bestimmter Eigenschaften.

1. Begriffe für „Fett“ im Alten Testament

Der häufigste Begriff für „Fett“ ist im Alten Testament חֵלֶב ḥelæv. Die zugrundeliegende Wurzel „scheint ursprünglich term. techn. für das Zwerchfell zu sein“ (Münderlein, ThWAT 2, 952). Verwandte Formen sind auch in anderen semitischen Sprachen belegt (vgl. syrisch ḥelbo; arabisch ḫilbun). Der Begriff חֵלֶב ḥelæv begegnet vor allem im Pentateuch (z.B. Gen 4,4; Gen 45,18; Ex 29,13; Lev 3,3-4.16; Lev 4,8.9; Lev 7,3; Lev 16,25; Num 18,17; Dtn 32,14.38), seltener in den Geschichtsbüchern (z.B. 1Sam 2,15-16; 1Sam 15,22; 2Sam 1,22; 1Kön 8,64), den Lehrbüchern und Psalmen (z.B. Ps 17,10; Hi 15,27) sowie den Prophetenbüchern (Jes 1,11; Jes 43,24; Ez 34,3; Ez 39,19; Ez 44,7.15). Er bezieht sich in deskriptiver Funktion meist auf das Fett von Tieren, so speziell im Opferkult, kann aber auch überdimensionale physische Proportionen von Menschen bezeichnen (Ri 3,22; → Eglon).

Andere Begriffe für „Fett“ oder „fett“ leiten sich von der Wurzel שׁמן šmn ab: Sie bedeutet als Verb „fett werden“ (Dtn 32,15) bzw. als Adjektiv (שָׁמֵן šāmen) „fett“ oder „reich“ (Jes 28,1); das Nomen שָׁמָן šāmān bzw. שֶׁמֶן šæmæn bedeutet „Fett / Fettigkeit“ (Gen 27,28; Gen 27,39; Gen 28,18; Jes 25,6) sowie „Öl“, und zwar meist Olivenöl oder speziell zubereitetes Salböl (Ex 30,22-33; Lev 8,2; Dtn 32,13; 1Sam 10,1; 1Kön 17,12; 2Kön 9,1). Letzteres dient vor allem der Salbung von Priestern (Ex 29,7; Lev 8,12). Das Nomen מַשְׁמָן mašmān bezeichnet reichhaltiges Essen (Neh 8,10).

2. Der Umgang mit Fett im Opferkult

Nach der Kultkonzeption der → Priesterschrift waren bei bestimmten Opferarten genau spezifizierte Fettanteile von Herdentieren, also von Rindern, Schafen und Ziegen, abzutrennen (Lev 3,3-4; Lev 3,9-10; Lev 3,14-15; Lev 4,8-10; Lev 4,31; Lev 7,3-4; → Opfer). Diese Anteile wurden anschließend von den Priestern auf dem Brandopferaltar als „Feuergabe“ (אִשֶּׁה ’iššæh) und / oder als „wohltuender / beruhigender Geruch für JHWH“ verbrannt (Lev 3,5; Lev 3,14; Lev 3,16; Lev 4,31; Lev 7,5; Lev 8,21; zur Übersetzung dieser beiden kultischen Spezialbegriffe vgl. Eberhart, 2002a, 40-50). Sie werden auf diese Weise zum „→ Qorban“ (קָרְבָּן qårbān), also zur Gabe für JHWH. Der Begriff חֵלֶב ḥeleb bezieht sich dabei auf dasjenige Fett (englisch: „suet“), welches unter der Haut des Opfertieres liegt bzw. seine Organe umgibt. Außerdem war bei → Schafen der Fettschwanz (אַלְיָה ’aljâh, Ex 29,22; Lev 3,9; Lev 8,25) abzutrennen und ebenfalls auf dem Brandopferaltar zu verbrennen. Ein solcher Fettschwanz galt als „besondere Delikatesse, als Ehrenstück für eine bedeutende Persönlichkeit“ (1Sam 9,24 cj.; vgl. Münderlein, ThWAT 2, 953). Er war bzw. ist noch heute eine Eigenart bestimmter Schafrassen in Palästina. Demgegenüber können Fettanteile, die sich im Muskelgewebe der Opfertiere befinden, nicht manuell abgetrennt werden (zum Problem vgl. Milgrom, 205).

Andere Verhältnisse liegen etwa der alten Erzählung über die Kultpraktiken in → Silo einschließlich der Bemerkungen zum Fehlverhalten der Söhne des Priesters → Eli zugrunde (1Sam 2,12-17). Dem Opfertarif in 1Sam 2,13-14 zufolge war es üblich, das Opferfleisch in großen Töpfen zu kochen und anschließend die priesterlichen Anteile einzutreiben, indem mittels einer Gabel bestimmte Portionen aus diesem Topf herausgeholt wurden. Beim Vorgang des Kochens des Opferfleisches trennte sich das in diesem befindliche Fett, konnte abgeschöpft und später auf Räucheraltären verbrannt werden (Zwickel, 174; Eberhart, 2002b, 90-93). In dieser wie in der der Priesterschrift zugrundeliegenden Kultpraxis gilt also der Grundsatz: „Alles Fett ist für JHWH“ (Lev 3,16). Das Kultgeschehen in seinen verschiedenen Ausprägungen diente damit u.a. der Übergabe dessen, was Gott vom Opfer zusteht.

3. Das Verbot von Fett- und Blutverzehr

Solchen alttestamentlichen Kultbestimmungen entspricht, dass der menschliche Verzehr von Fett untersagt ist. Die Verbote beziehen sich auch stets auf Tierblut (Lev 3,17; Lev 7,22-27). Dabei weist das Wort „Verzehr“ auf den Kontext der „Heilsopfer“, „Gemeinschafts-Schlachtopfer“ o.ä. genannten Opferart (זֶבַח שְׁלָמִים zæbaḥ šəlāmîm) hin, bei der die Opfergeber Fleischanteile des Opfertieres verzehren durften (Lev 7,15-21). Vergehen gegen dieses Verbot wurde Lev 7,25 zufolge mit „Ausschneiden“ aus der Volksgemeinschaft bestraft; statthaft blieb lediglich die Verwendung von Fett als Schmiermittel oder Talg (vgl. Rendtorff, 254f). Gründe für das Verbot des Fettverzehrs werden im Alten Testament nirgends expliziert. Allerdings lässt sich mit Blick auf die Begründung des Blutverzehrverbots (Lev 17,10-14) vermuten, dass Tierfett in ähnlicher Weise als „Sitz des Lebens“ galt.

4. Übertragene Bedeutungen des Begriffs „Fett“

Da Fett im alten Orient einerseits – im Gegensatz zu modernen Essgepflogenheiten – als besondere Delikatesse galt und andererseits für kultische Zwecke reserviert war, liegt dessen qualitative Wertschätzung nahe. Daher erklärt sich die übertragene Bedeutung des Begriffs als „das Beste“, der sich auch auf Wein und Korn beziehen kann (Num 18,29-30; s.a. Dtn 32,14-15; Neh 8,10). Allerdings kann der Begriff negative Assoziationen hervorrufen, wenn Fettsein als Bild für Anmaßung zu verstehen ist (Dtn 32,15; Jer 5,28) und das „Herz“ des Gottlosen als „unempfindlich wie Fett“ (Ps 119,70; s.a. Ps 17,10) beschrieben wird.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992

2. Weitere Literatur

  • Eberhart, C., 2002a, Studien zur Bedeutung der Opfer im Alten Testament. Die Signifikanz von Blut- und Verbrennungsriten im kultischen Rahmen (WMANT 94), Neukirchen-Vluyn
  • Eberhart, C., 2002b, Beobachtungen zum Verbrennungsritus bei Schlachtopfer und Gemeinschafts-Schlachtopfer, Bib. 83, 88-96
  • Marx, A., 2005, Les systèmes sacrificiels de l’Ancien Testament. Formes et fonctions du culte sacrificiel à Yhwh (VT.S 105), Leiden / Boston
  • Marx, A., 2006, Tuer, donner, manger dans le culte sacrificiel de l’ancien Israël, in: S. Georgoudi / R. Koch Piettre / F. Schmidt (Hgg.), La cuisine et l’autel. Les sacrifices en questions dans les sociétés de la Méditerranée ancienne (BEHE.R 124), Turnhout, 3-13
  • Milgrom, J., 1991, Leviticus 1-16. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 3), New York u.a.
  • Rendtorff, R., 2004, Leviticus. 1. Teilband (BK.AT 3), Neukirchen-Vluyn
  • Staubli, T., 1996, Die Bücher Levitikus, Numeri (NSK.AT 3), Stuttgart
  • Zwickel, W., 1990, Räucherkult und Räuchergeräte. Exegetische und archäologische Studien zum Räucheropfer im Alten Testament (OBO 97), Freiburg (Schweiz) / Göttingen

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