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Feinde / Feindsymbolik (staatliche)

(erstellt: März 2011)

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1. Historische Feinde von Israel und Juda

Staatliche Feinde sind im Alten Testament häufig erwähnt (vgl. dazu Meyer 1991). Da Palästina / Israel als Landbrücke zwischen Ägypten und Mesopotamien fungierte, versuchten Regional- und Großmächte wie → Aram, Ägypten (→ Neues Reich), → Assyrien, → Babylonien etc. regelmäßig, dieses Gebiet unter ihre Kontrolle zu bekommen (→ Weltreiche). Feindliche Armeen durchzogen daher immer wieder das Land, hinterließen Spuren der Zerstörung, plünderten und entvölkerten die Region (vgl. dazu Keel 5. Aufl. 1996, 89ff). Besonders drastisch war der durch das assyrische Militär unter der Herrschaft → Salmanassars V. herbeigeführte Fall des Nordreiches mit seiner Hauptstadt Samaria 722 v. Chr., der Kriegszug des assyrischen Königs → Sanherib gegen Juda 701 v. Chr. und die Einnahme Jerusalems durch die Babylonier unter dem König Nebukadnezar 597 und 587 v. Chr., der die Zerstörung der Stadt und des Tempels folgten (→ Zerstörung Jerusalems). Beide Ereignisse waren mit der Deportation von großen Teilen der einheimischen Bevölkerung verbunden. Auch mit den Nachbarstaaten Israels / Judas (→ Amalek, → Ammon, → Moab, → Edom, → Philister) kam es zu feindlichen Auseinandersetzungen. Und selbst zwischen dem Nordreich Israel und dem Südreich Juda bestanden wechselvolle, z.T. feindliche Beziehungen, wie z.B. der sog. → Syrisch-ephraimitische Krieg 733 v. Chr. zeigt.

Allerdings kam es in der Geschichte Israels / Judas aufgrund sich wandelnder Machtverhältnisse immer wieder auch vor, dass aus Feinden Verbündete wurden, die man gegen eine (z.T. gemeinsame) Feindbedrohung zu Hilfe rufen konnte (vgl. 2Kön 16,8ff; Jer 37,5ff). In diesem Zusammenhang wird z.B. auf Bündnisse mit Ägypten verwiesen, die zugleich verurteilt werden, da dadurch das Vertrauen auf JHWH untergraben werde (vgl. Jes 30,1-17).

2. Feindsymbolik

Staatliche Feinde symbolisierten im Alten Orient ebenso wie wilde Tiere einen gegenmenschlichen Bereich, der von den herrschenden Königen mit Mitteln des Krieges „befriedet“ und so unter Kontrolle gebracht werden musste. Das Erschlagen der Feinde gehörte daher zu den Pflichtaufgaben des Königs im Alten Orient und in Ägypten, da nur so die Ordnung der Welt aufrechterhalten werden konnte (Hornung 2. Aufl. 1993, 138ff).

Als kämpferischer Krieger zog er gegen die menschlichen Feinde aus, die die Grenzen bedrohten (vgl. Schoske 1996, 6ff; Hornung 2. Aufl. 1993, 77ff), und bekämpfte diese; als Jäger ging er gegen die wilden Tiere, insbesondere Löwen, vor (vgl. Schoske 1996, 418ff; Hornung 2. Aufl. 1993, 155; Maul 1995, 399; → Jagd).

Feinde staatliche 5
Der König fungierte bei diesen Aktionen als Stellvertreter seines Gottes, der ihm den Auftrag zur Wahrung der Ordnung gab und bei der (kriegerischen) Umsetzung dieser Aufgabe begleitete (vgl. Ps 18,38.41; Ps 110). Aber nicht nur der König, sondern auch Gott selbst kann gegen die Feinde seines Volks vorgehen (Ex 23,22) und es aus den durch die Feinde ausgelösten Gefahren erretten (Dtn 6,19; Dtn 33,27; Ps 81,15; Ps 107,2; → Krieg).

Der durch die Feinde repräsentierte Bereich der Antiordnung wurde durch die Mauern einer Stadt von dem der Ordnung getrennt. Besiegte Herrscher mußten zum Zeichen der Niederlage und Unterwerfung häufig wie Wachhunde an Ketten die Tore von Städten bewachen (vgl. dazu Uehlinger 1985; Riede 2002, 82-84). Und auch die Tierskulpturen an den Toren der Paläste repräsentierten die feindlichen Außenbereiche der Welt, die bezwungen worden waren und nun im Dienst der durch den König garantierten Ordnung standen. Zu deren Stabilisierung hatten die besiegten feindlichen Mächte – seien es Tiere oder Menschen – ihre Kräfte nun einzusetzen (vgl. Maul 2000).

In der alttestamentlichen Prophetie und in der Wertung der Deuteronomisten (→ Deuteronomismus) stehen staatliche Feinde im Dienste des göttlichen Gerichts. Als Strafe für die Vergehen des Volkes auf sozialem und kultischem Gebiet fällt es den Feinden anheim (Jes 7,18f; Hos 8,3; Am 3,11; Am 4,3; Am 6,12-14; Am 9,4; Jer 19,7; Ez 39,23; Klgl 2,3; Ri 2,11-23; 1Kön 8,33.46 u.ö.). Eine Steigerung dieser Vorstellung ist gegeben, wenn Gott selbst als Feind seines Volkes auftritt (Klgl 2,4f; Jes 63,10). Die Klage über die Macht der Feinde ist besonders in exilisch-nachexilischer Zeit groß, wie verschiedene Klagelieder des Volkes (vgl. Ps 74,10f), aber auch das Buch der → Klagelieder Jeremias zeigen (Klgl 1,5.10.17; Klgl 4,12).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, München / Zürich 1978-1979
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten Testament, Darmstadt 2006

2. Weitere Literatur

  • Childs, B.S., The Enemy from the North and the Chaos Tradition, in: L.G. Perdue / B.W. Kovacs (Hgg.), A Prophet to the Nations, Winona Lake 1984, 151-161
  • Hermisson, H.-J., „Der Feind aus dem Norden“ (Jer 4-6): Zu einem Gedichtzyklus Jeremias, in: F. Hartenstein u.a. (Hg.), Schriftprophetie (FS J. Jeremias), Neukirchen-Vluyn 2004, 233-251
  • Hornung, E., Geist der Pharaonenzeit, München 2. Aufl. 1993, 138ff
  • Keel, O., Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Göttingen 5. Aufl. 1996, 89-97
  • Maul, St., „Wenn der Held (zum Kampfe) auszieht …“. Ein Ninurta-Eršemma, Or. 60 (1991), 312-334
  • Maul, St., Das „dreifache“ Königtum – Überlegungen zu einer Sonderform des neuassyrischen Königssiegels, in: U. Finkbeiner / R. Dittmann / H. Hauptmann (Hgg.), Beiträge zur Kulturgeschichte Vorderasiens (FS R.M. Boehmer), Mainz 1995, 395-402
  • Maul, St., Der Sieg über die Mächte des Bösen. Götterkampf, Triumphrituale und Torarchitektur in Assyrien, in: T. Hölscher (Hg.), Gegenwelten zu den Kulturen Griechenlands und Roms in der Antike, Leipzig 2000,19-46
  • Meyer, I., Feindbilder. Einige biblische Anmerkungen, BiKi 46 (1991), 53-59
  • Riede, P., David und der Floh. Tiere und Tiervergleiche in den Samuelbüchern, in: ders., Im Spiegel der Tiere. Studien zum Verhältnis von Mensch und Tier im alten Israel (OBO 187), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 2002, 65-106
  • Schoske, S., Das Erschlagen der Feinde. Ikonographie und Stilistik der Feindvernichtung im Alten Ägypten, Ann Arbor 1996
  • Uehlinger, Chr., Das Image der Großmächte. Altvorderasiatische Herrschaftsikonographie und Altes Testament. Assyrer, Perser, Israel, BiKi 40 (1985), 499-526

Abbildungsverzeichnis

  • Besiegte Orte werden als Gefangene dargestellt (Liste der Eroberungen Pharao Scheschonqs, 945-924 v. Chr., in Palästina; Tempel in Karnak). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Die Eroberung von Lachisch und die Deportation der Einwohner (Reliefs aus Ninive; 8. Jh. v. Chr.). Aus: H. Gressmann, Altorientalische Bilder zum Alten Testament, Berlin / Leipzig 2. Aufl. 1927, Abb. 141
  • Der Pharao packt die Feinde am Schopf und erschlägt sie (ptolemäischer Chnumtempel in Esna). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2004)
  • Asarhaddon (681-669 v. Chr.) hält an zwei Bändern die besiegten Könige Taharqo von Ägypten und Balu von Tyrus (Stele aus Sendschirli). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Der Sieg des Horus über Seth und der Sieg des Königs über Feinde werden parallelisiert, d.h. im historischen Geschehen manifestiert sich das mythische Geschehen. Aus: É. Chassinat, Le temple d’Edfou XIII, Kairo, 1934, pl. DXIII
  • Wächtertiere, die Elemente von Löwe, Adler und Mensch verbinden und 3,5 m hoch waren, standen am Eingang des Palastes Assurbanipals II. (883-859 v. Chr.) in Nimrud. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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