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(erstellt: Dezember 2019)

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1. Fayence

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Bei dem antiken Werkstoff Fayence (Hauptbestandteil Quarzsand) handelt es sich um ein künstlich hergestelltes, glasiertes, nicht keramisches Material, das in seiner äußeren Erscheinung eine starke Ähnlichkeit mit Glas aufweist. Aus Fayence können kleine Anhänger, Perlen, Figuren oder Gefäße hergestellt werden. Die typische Farbe dieser Objekte ist ein blasses blau-grün. Durch Experimente in der Fayenceherstellung soll später das → Glas entstanden sein.

Die ägyptischen Begriffe für Fayence sind ṯḥnt von ṯḥn „glatt“ und ḫsbd „Lapislazuli“. Die terminologische Übereinstimmung mit dem Schmuckstein Lapislazuli liegt daran, dass Fayence die gleiche leuchtend blaue Farbe aufweist. Oppenheim nimmt aufgrund seiner Analyse assyrischer Texte an, man habe damals zwischen natürlichen „Lapislazuli aus den Bergen“ und künstlichem „Lapislazuli aus dem Ofen“ unterschieden. Auf dieser Interpretation basierend, kann angenommen werden, dass mit den ersten Fayenceproduktionen versucht wurde, den echten Lapislazuli nachzuahmen.

2. Fayenceobjekte und ihre Herkunft

Fayence war in der antiken Welt von Mesopotamien über den Mittelmeerraum bis hin nach Nordeuropa, sogar bis ins heutige Schottland verbreitet. Das Formenspektrum von fertigen Fayenceobjekten ist groß: Es reicht von Kacheln, Schalen, Vasen, über Figurinen wie Skarabäen bis hin zu Schmuckstücken wie Armreifen und Ohrringen. Viele dieser Objekte konnten aus Grabkontexten geborgen werden – jedoch findet Fayence auch in der Architektur Verwendung.

Im archäologischen Befund sind Glas- und Fayencewerkstätten aufgrund ihrer Ähnlichkeit kaum zu unterscheiden. Bei den Funden handelt es sich um die fertigen Objekte, meist jedoch um Rohmaterialien, Werkzeuge und Tonformen.

2.1. Mesopotamien

In Mesopotamien tauchen Fayenceobjekte erstmals in Form von Perlen in den letzten Phasen der Obed-Periode (ca. 5500-3500 v. Chr.) auf. Im späten zweiten Jahrtausend begann die vermehrte Produktion von polychromen Objekten. Fayence gilt in dieser Zeit als Prestigeobjekt und ist meist bekannt aus palatialen Kontexten. Als Beispiele sind Nuzi und Tell al-Rimah (Koordinaten: N 36° 15' 25'', E 42° 26' 57'') zu nennen. Später, im ersten Jahrtausend veränderte sich die Fayenceproduktion hin zu Perlen, Anhängern und Siegeln.

2.2. Ägypten

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Die prädynastische Zeit (4000-3032 v. Chr.) in Ägypten gilt bezüglich der Fayence als nicht gut erforscht. Bei den Fayenceobjekten dieser Zeit handelt es sich um kleinere Objekte wie Perlen oder Anhänger. Im Alten Reich (ca. 2707-2216 v. Chr.) wurden zwar immer noch Anhänger und Perlen hergestellt, jedoch tauchen in den archäologischen Kontexten auch vermehrt Gefäße und kleinere Figuren auf. In dieser Zeit sind ebenso vermehrt Kacheln aus Fayence belegt (Abb. 2). Der jüngste Hinweis auf eine Fayence-Werkstatt in Ägypten findet sich in Abydos. In der Periode des mittleren Reiches (ca. 2137-1781 v. Chr.) waren Figuren, insbesondere Nilpferde, aus Fayence sowie Krüge und Schalen, meist auch reich verziert, populär. Als bekannte Werkstätten sind hier al-Lišt (Koordinaten: N 29° 34', E 31° 14') und Kerma (Koordinaten: N 19° 38', E 30° 25') zu nennen.

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Das neue Reich (1550-1070 v. Chr.) gilt als Blütezeit der Fayence in Ägypten. Obwohl Ringe, Perlen und Anhänger noch immer produziert wurden, wurden auch größere, polychrome Gefäße hergestellt. Werkstätten befanden sich in Quantir und Amarna (→ Amarna-Zeit). Auch in die Architektur haben Fayenceprodukte in Form von Einlagen ihren Eingang gefunden: Einen bemerkenswerten Fund aus dieser Zeit stellt die Fayence-Grabstele des Rekhamun dar. Ihre Inschrift lässt sich wie folgt übersetzen: „der Osiris [d.h. der verstorbene und dadurch mit Osiris verbundene] Hersteller von [oder Arbeiter in] Fayence für [den Gott] Amun, Rekhamun“.

2.3. Israel / Palästina

In der Forschung wird diskutiert, ob es in Israel / Palästina eine lokale Fayenceproduktion gegeben hat. Aufgrund einiger gefundener Formen in → Bet-Schean (Koordinaten: 1977.2124; N 32° 30' 15'', E 35° 30' 10''), → Geser (Koordinaten: 1425.1407; N 31° 51' 34'', E 34° 55' 15''), Tell el-‘Aǧǧūl (→ Tell el-‘Aǧǧūl; Koordinaten: 0934.0976; N 31° 28' 03'', E 34° 24' 15'') und Rehob / Tell eṣ-Ṣārem (Koordinaten: 1970.2070; N 32° 27' 27'', E 35° 29' 52''; → Rehob) vermuten einige Wissenschaftler eine lokale Produktion, wohingegen andere die Belege als unzureichend ansehen und somit vermuten, dass die zahlreich gefundenen Fayenceobjekte aus Ägypten importiert worden seien.

3. Nomenclatur

Der Begriff „Fayence“ bezeichnet spätmittelalterliche (15./16. Jh.), blei-glasierte Keramik nach der italienischen Stadt Faenza, einem wichtigen Herstellungsort. Dieselbe Keramik wird nach dem italienischen Namen der Mittelmeerinsel Mallorca auch „Majolika“ genannt, da Italien spanische Ware von dort bezog. Der Begriff „Fayence“ wurde im Laufe der Zeit, unter anderem durch frühe Reisende nach Ägypten, auf antike, fein glasierte Objekte übertragen. Daher handelt es sich bei antiken Fayencen nicht um die mittelalterliche Keramik, sondern um eine eigene Objektgattung.

In der deutschsprachigen Forschung wird teilweise der Begriff „Kieselkeramik“ oder „Quarzkeramik“, in der englischen Terminologie wird jedoch weiterhin der Begriff „Fayence“ verwendet. Andere in der Literatur gebräuchliche Begriffe sind „gesinterter Quarz“ oder „Glaspaste“.

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Die antike Fayence wird in der Archäologie oftmals gleichgesetzt mit „Ägyptischer Fayence“, weil die prächtigsten und bekanntesten Objekte in Ägypten gefunden wurden. Da Fayence aber nicht nur in Ägypten, sondern auch in Mesopotamien, der nördlichen und der südlichen Levante im archäologischen Kontext auftaucht und dort meistens lokal hergestellt wurde, ist dieser Begriff irreführend.

4. Abgrenzung zu anderen Materialien

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Problematisch in der archäologischen Forschung ist die Unterscheidung von Fayence-Objekten zu anderen Materialien, insbesondere Glas. So gehört, gerade in der frühen archäologischen Forschungsliteratur, sicherlich das ein oder andere als Glasobjekt angesprochene Fundstück eher in die Gattung der Fayencen.

4.1. Glassy faience

„Glassy faience“ stellt ein Zwischenstadium zwischen Fayence und Glas dar. Der Hauptunterschied zur Fayence ist der, dass sich die Farbe nicht nur auf die Glasur beschränkt, sondern im gesamten Gefäßkörper ausbreitet.

4.2. Fritte

Oftmals als Synonym füreinander verwendet, sind die Begriffe Fayence und Fritte dennoch voneinander zu trennen. Die Fayence weist eine glasierte Oberfläche auf, wohingegen diese bei der Fritte fehlt. Fritte ist ein Zwischenschritt bei der Glasherstellung. So wird die Glaspaste immer wieder zu Fritte erhitzt, um sie von möglichen Verunreinigungen zu befreien.

4.3. Glas

Auch wenn sich die Komponenten in ihren Grundlagen nicht unterscheiden, besteht der Unterschied zwischen Fayence und Glas im Herstellungsprozess: Im Gegensatz zu Glas wird Fayence nicht geschmolzen, sondern entsteht durch Sintern. Durch den Prozess des Sinterns werden die einzelnen Komponenten zwar erhitzt, bleiben jedoch unter ihrem Schmelzpunkt. So wird daraus, im Gegensatz zum Glas, keine einheitlich zusammengeschmolzene Masse.

5. Inhaltsstoffe

Die Zusammensetzung der Fayencepaste kann, abhängig von den lokalen Gegebenheiten, variieren. Die Hauptbestandteile lassen sich dennoch festhalten: Der Großteil (95%) der Fayence besteht aus Siliciumdioxid (SiO2), was sich in der Natur als Quarz in der Form von Sand oder zerstoßenen Kieseln finden lässt. 1-5 % des Gemisches besteht aus Calziumoxid (CaO), welches im natürlichen Kalkstein zu finden ist. Weiterhin enthalten Fayencen noch bis zu 5 % Natron (Na2O). Ebenso sind 0,3-5 % vegetabilische Alkalien in der Paste enthalten, die meist in der Form von Pflanzenasche beigemengt werden.

Auch sind, wie im Rohglas, zusätzlich farbgebende Pigmente in der Fayence enthalten. Meist jedoch hat Fayence die Farbe von frühem Glas – blau-grünlich –, was durch Verunreinigungen der Paste mit Eisen entsteht.

6. Herstellungsprozess

Im Gegensatz zu Ton, wie er zur Keramikherstellung verwendet wird, lässt sich die Paste zur Fayenceherstellung nur schwer formen. Zur Herstellung werden Schmelztiegel verwendet, in denen die kalte Paste geformt wird. Perlen wurden meist um Drähte oder halmartiges Material gewickelt, welches nach dem Brennvorgang herausgezogen werden konnte. Einlagen, Anhänger, Figurinen und dergleichen wurden meist in vorgefertigte Formen gedrückt. Größere Gefäße hingegen wurden meist frei gebildet, wobei kleinere Elemente separat geformt und anschließend angesetzt wurden. Die Herstellung von Fayence wird oftmals als eine „kalte Technologie“ bezeichnet, da hier, im Gegensatz zum Glas, eine kalte Masse bearbeitet wird.

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Die einzelnen Komponenten werden vermischt und zu einer Paste vermengt, die in verschiedenen Prozessen weiterverwendet werden kann. Diese wird auf ca. 800 °C erhitzt, sodass sie nicht zu einer Glaspaste verschmilzt. Vielmehr versintern die einzelnen Elemente. Einer der wenigen bekannten bildlichen Zeugnisse, die wahrscheinlich den Herstellungsprozess von Fayence darstellen, stammt aus dem Grab des Ibi (Abb. 6).

6.1. Effloreszenzmethode

Die wohl am meisten verwandte Methode zur Herstellung von Fayence-Gefäßen ist die Effloreszenzmethode. Hierbei wird die angefertigte Paste in eine Form gegeben und getrocknet. Während des Trocknungsprozesses treten die in der Masse enthaltenen Salze nach außen an die Oberfläche des Objektes und formen dort eine Kruste, die sich beim anschließenden Feuerungsprozess zu einer glasigen Oberfläche verwandelt.

6.2. Applikationsmethode

Bei der Applikationsmethode wird die angefertigte Paste, vermischt mit Wasser, auf den Objektkörper aufgetragen. Danach wird beides bei einer Temperatur von 900-1000 °C gebrannt, sodass sich der Fayenceüberzug mit dem Objekt verbindet.

6.3. Zementationsmethode

Bei der Zementationsmethode wird der zu glasierende Quarzobjektkörper in einem Gefäß in ein trockenes Glasurpuder eingelegt. Durch die beim Erhitzen des Gefäßes entstehenden chemischen Prozesse haftet das Glasurpuder an der Objektoberfläche an. Dadurch entsteht die gewünschte Glasur auf dem Objekt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyrologie und der vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928 ff.
  • Der Neue Pauly, Wiesbaden 1996ff.

2. Weitere Literatur

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  • Sagona, C., 1980, Middle Bronze Faience Vessels from Palestine, ZDPV 96, 101-120
  • Schmidt, K., 2019, Glass and Glass Production in the Near East during the Iron Age. Evidence from Objects, Texts and Chemical Analysis, Oxford
  • Schweizer, F., 2003, Glas des 2. Jahrtausends v. Chr. im Mittelmeerraum, Remshalden
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  • Vanthuyne, B., 2012/2013, Amarna Factories, Workshops, Faience Moulds and their Produce, Ägypten und Levante 22/23, 395-429

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