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Faulheit / Fleiß

(erstellt: Juni 2009)

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1. Hintergrund und Einordnung

„Faulheit“ und „Fleiß“ sind Begriffe, die eng mit dem Verständnis von → Arbeit verbunden sind. Beim alttestamentlichen Verständnis von Arbeit steht – anders als beim heutigen – die Subsistenzwirtschaft im Hintergrund: Menschen arbeiten v.a. in der Landwirtschaft, um sich selbst und ihre Angehörigen zu ernähren. Arbeit gegen Geld nimmt erst ab der Einführung der Geldwirtschaft in der Perserzeit (6.-4. Jh. v. Chr.) zu. Arbeit ist nichts Negatives, sondern gehört zum Leben notwendig dazu. „Faulheit“ ist die Verweigerung oder nachlässige Ausführung von Arbeit dann, wenn sie getan werden sollte, also vor allem zur Erntezeit (der → Sabbat wird alttestamentlich nicht mit Faulheit in Verbindung gebracht); „Fleiß“ ist demgegenüber die engagierte und sorgsame Ausführung einer Tätigkeit.

Die Begriffe „Faulheit“ und „Fleiß“ besitzen – wie die Arbeit – eine soziale Dimension. Vor allem bei „Faulheit“ tritt dies zutage. Denn wer arbeitsfähig ist und nicht arbeitet, riskiert, die Gemeinschaft in eine heikle Situation zu bringen: Nämlich entscheiden zu müssen, ob sie ihre Ressourcen dazu einsetzt, den faulen Menschen vor dem Hungertod zu retten. Vor diesem Hintergrund hat „Faulheit“ den Beiklang des Lebens auf Kosten der Gemeinschaft, „Fleiß“ dagegen ist ein angemessenes oder besonders engagiertes Einbringen der eigenen Arbeitskraft zum Nutzen aller.

2. Begriffe und Bedeutungen

„Faulheit“ und „Fleiß“ werden im Alten Testament überwiegend in der Weisheitsliteratur erwähnt (→ Weisheit). Dabei ist „Fleiß“ begrifflich leichter zu fassen als „Faulheit“.

2.1. Fleiß

Der hebräische Begriff חָרוּץ chārûṣ (vom Verb חרץ chrṣ II „eifrig sein“) kommt in der Bedeutung „fleißig“, „Fleiß“ nur fünf Mal im Alten Testament vor, und zwar in den Sprichwörtern. Dabei ist „Fleiß“ meist das Gegenteil von „Faulheit“. Im Gegensatz zu dieser bringt er Zufriedenheit (Spr 13,4) oder macht sogar reich (Spr 10,4; Spr 12,27). Während die Fleißigen herrschen, müssen die Faulen Frondienste leisten (Spr 12,24). Dass „Fleiß“ nicht zwangsläufig ein hohes Arbeitstempo bezeichnet, sondern reifliche Überlegung einschließt, geht aus Spr 21,5 hervor. Ohne die Verwendung von chārûṣ (aber bei Verneinung von עַצְלוּת ’aṣlût „Faulheit“, Spr 31,27) entwirft Spr 31,10-31 das Bild einer idealen Frau, die als tatkräftig und unermüdlich arbeitend geschildert wird.

2.2. Faulheit

Ein differenzierteres Bild als vom „Fleiß“ lässt sich von der Faulheit zeichnen.

1. חשׁה chšh. In der Nähe zur Faulheit steht die bloße Untätigkeit, d.h. das Unterlassen oder Aufschieben einer Handlung. Dieses „faule“ oder „träge“ Zögern oder Zaudern kann sich auf einen kriegerischen Akt beziehen (Ri 18,9; 1Kön 22,3; 2Kön 7,9). In Situationen der Not wird JHWH seine Untätigkeit vorgeworfen (Jes 57,11; Jes 65,6). Im Hebräischen steht das entsprechende Verb חשׁה chšh (Qal / Hif.), das auch „schweigen“ bedeutet (Jes 42,14; Jes 64,11; Ps 28,1).

2. רפה rfh. „Faulheit“ kann auch diejenige Untätigkeit sein, die auf physische oder psychische Erschöpfung zurückzuführen ist, also auf Müdigkeit und Schwäche, Mut- oder Antriebslosigkeit. Hier wird רפה rfh (Nif. / Hitp.) gesetzt (u.a. Jos 18,3; Spr 18,9; Spr 24,10). Häufiger wird das Verb im Zusammenhang des „Niedersinkens der Hände“ als Ausdruck von Kraftlosigkeit verwendet. Das Gegenteil dieser Ausprägung von Faulheit ist das kraftvolle Zupacken (חזק chzq). An zwei Stellen bezeichnet רפה rfh Nif. die Arbeitsunwilligkeit der israelitischen Zwangsarbeitenden in Ägypten (Ex 5,8.17).

3. עָצֵל ‘āṣel. Der häufigste Begriff für den „Faulen“ ist עָצֵל ’āṣel, abgeleitet vom Verb עצל ‘ṣl. Weitere Ableitungen dieses Verbs sind עַצְלָה ‘aṣlāh (Spr 19,15), עַצְלוּת ’aṣlût (Spr 31,27) sowie עֲצַלְתַּיִם ‘ǎṣaltajim (Pred 10,18), drei Begriffe für Faulheit. Der ’āṣel kommt nur in der Weisheitsliteratur vor, vorzugsweise im → Buch der Sprüche (Spr 6,6.9; Spr 10,26; Spr 13,4; Spr 15,19; Spr 19,24; Spr 20,4; Spr 21,25f; Spr 22,13; Spr 24,30-34; Spr 26,13-16). Der עָצֵל ’āṣel ist insofern „faul“, als er außergewöhnlich viel schläft (Spr 6,9-10; Spr 26,14) oder zur entsprechenden Zeit nicht aussät (Spr 20,4). Das Schicksal eines ’āṣel wird anhand mehrerer Beispiele illustriert. Spr 6,6-11 weist ihm die → Ameise als Vorbild. Wer nicht wie sie zur Erntezeit für den Winter sammelt, dem droht später die Not. Eine andere Szene schildert Acker und Weinberg des Faulen. Sie sind von Unkraut überwuchert, und die schützende Mauer fällt ein (Spr 24,30-31). Mit allem Ernst weisen die Sprichwörter auf die Konsequenzen der Faulheit hin: Armut und Not (Spr 6,10-11; Spr 24,33-34), Hunger (Spr 19,15) und vergebliches Wünschen (Spr 13,4; Spr 21,25). Doch werden die Folgen der Faulheit auch mit übertreibendem Humor dargestellt: Ein Fauler greift zwar in die Essschüssel hinein, seine Faulheit aber lässt ihn die Hand nicht mehr zum Munde führen (Spr 19,24; Spr 26,15), so dass er hungert. Auch erfindet ein solcher Mensch fadenscheinige Ausreden, um nicht nach draußen zur Arbeit gehen zu müssen (Spr 22,13; Spr 26,13). Bei seinem Tun ist der Faule ferner davon überzeugt, weise zu sein (Spr 26,16). So ist es nur verständlich, dass andere davor gewarnt werden, den Faulen mit einer Aufgabe zu betrauen (Spr 10,26). Spr 15,19 bringt die in der Faulheit liegende Dialektik auf den Punkt: Das Leben von Faulen ist gerade nicht leicht, sondern gleicht einem Dornengestrüpp.

Ähnlich wie עצל ‘ṣl wird zur Bezeichnung der Faulheit noch רְמִיָּה rəmijjāh verwendet. Diese Ableitung von רמה rmh II ist am besten mit „Nachlässigkeit“ wiederzugeben. Sie wird parallel zur Faulheit genannt (Spr 19,15); ihre Folge ist der Hunger. An anderer Stelle ist sie das Gegenteil des Fleißes (Spr 10,4; Spr 12,24; Spr 12,27). Ein derart qualifizierter Kriegsbogen erfüllt seine Aufgabe nicht (Hos 7,16; Ps 78,57). Die Bedeutung von rəmijjāh reicht damit bis hin zum Versagen der Funktion.

4. In den deuterokanonischen Schriften (→ Apokryphen) des Alten Testaments wird das Thema Faulheit vor allem im → Sirachbuch erwähnt. Für Faulheit, Muße oder Untätigkeit stehen in der griechischen Version des Sirachbuchs argeō bzw. argos (Sir 37,11i [Lutherbibel: Sir 37,14]; Sir 33,28-29 [Lutherbibel: Sir 33,28-30]), oknēros (Sir 22,1f; Sir 37,11g [Lutherbibel: Sir 37,13]) sowie nōthros (Sir 4,29 [Lutherbibel: Sir 4,34]).

Die alttestamentlichen Texte zu Fleiß und Faulheit fordern nicht aus prinzipiellen Erwägungen zur Arbeitsamkeit auf. Vor allem die weisheitlichen Texte schildern anhand der Konsequenzen, dass faules Verhalten gerade kein Gewinn an Lebensqualität darstellt. Stattdessen führt die Faulheit zur Lebensminderung und bringt im Extremfall die Faulen in Lebensgefahr.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff.
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff (zu den einzelnen hebräischen Begriffen)
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003

2. Weitere Literatur

  • Ebach, J., 1986, Arbeit und Ruhe. Eine utopische Erinnerung, in: ders., Ursprung und Ziel. Erinnerte Zukunft und erhoffte Vergangenheit, Neukirchen-Vluyn, 90-110
  • Ebach, J., 2004, Menschsein mit, nicht durch Arbeit, ThPQ 152, 275-283
  • Hieke, Th., 1998, „Geh zur Ameise, du Fauler …” (Spr 6,6), LebZeug 53, 1, 19-31
  • Lang, B., 2006, Der arbeitende Mensch in der Bibel. Eine kulturgeschichtliche Skizze, in: V. Postel (Hg.), Arbeit im Mittelalter. Vorstellungen und Wirklichkeiten, Berlin, 35-56
  • Segbers, F., 3. Aufl. 2002, Die Hausordnung der Tora, Luzern

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