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Erster Clemensbrief

(erstellt: September 2015)

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1. Name

Der 1. Clemensbrief gehört zu den ältesten literarischen Zeugnissen des frühen Christentums außerhalb des → Neuen Testaments. Sein Name geht zurück auf die seit dem 2. Jh. n. Chr. bezeugte Nachricht, ein gewisser Clemens habe das Schreiben verfasst. Die altkirchliche Tradition kennt diesen Clemens bald als zweiten oder dritten Nachfolger des → Petrus auf dem Bischofsstuhl in Rom.

Nach dem Präskript wendet sich „die Versammlung (ἐκκλησία / ekklēsía) Gottes, die in Rom in der Fremde wohnt“, mit dem Schreiben an „die Versammlung Gottes, die in → Korinth in der Fremde wohnt“; der Name eines einzelnen Verfasser begegnet nirgendwo im Text.

Der 1. Clemensbrief wird seit dem 17. Jh. zur Gruppe der „→ Apostolischen Väter“ gerechnet und ist in den entsprechenden Sammelausgaben stets vertreten.

2. Handschriftliche Überlieferung und Bezeugung

Bis heute sind sechs antike bzw. mittelalterliche Handschriften bekannt, welche den Text, z.T. lückenhaft oder fragmentarisch, überliefern:

Der griechische Text findet sich im → Codex Alexandrinus (5. Jh. n. Chr.) und im Codex Hierosolymitanus (1056 n. Chr.). Eine vielleicht schon aus dem 2. Jh. n. Chr. stammende lateinische Übersetzung ist in einer Handschrift aus dem 11. Jh. bezeugt. Eine syrische Übersetzung (aus dem 7. Jh.?) findet sich in einer neutestamentlichen Handschrift von 1169 / 1170 n. Chr. Fragmente einer koptischen Übersetzung wurden in zwei Handschriften aus dem 4. bzw. dem 7. / 8. (oder 5.?) Jh. n. Chr. entdeckt. In einer der koptischen sowie in der syrischen Handschrift scheint 1Clem als Teil des Neuen Testaments überliefert zu sein, im Codex Alexandrinus folgt er zusammen mit dem 2. Clemensbrief auf die → Offenbarung. Für die Textkritik herangezogen werden auch die Zitate aus 1Clem in den stromateis des Clemens von Alexandrien.

Die erste sichere Bezugnahme in der frühchristlichen Literatur stellt ein bei Euseb (Kirchengeschichte 4,23,11) zitiertes Schreiben des Bischofs → Dionysius von Korinth an Bischof Soter in Rom um 170 n. Chr. dar. Bezeugt ist hier bereits die Verbindung des Textes mit dem Namen Clemens (den Euseb mit dem römischen Bischof Clemens identifiziert) sowie die regelmäßige Verlesung des Schreibens in der Gemeindeversammlung. Nach Euseb (Kirchengeschichte 4,22,1; vgl. 3,16) bezog sich etwas später auch Hegesipp in seinem als ὑπομνήματα / hypomnēmata bezeichneten Werk auf 1Clem.

Eine literarische Beziehung - jedoch ohne wörtliche Zitate und ausdrückliche Erwähnung - des (zweiten) Briefes des → Polykarp von → Smyrna an die → Philipper auf 1Clem ist wegen zahlreicher Anklänge wahrscheinlich. Unsicher ist, ob zuvor schon bei → Ignatius von Antiochien (IgnRöm 3,1) auf 1Clem Bezug genommen wird. Nach Dionysius und Hegesipp wird das Schreiben dann u.a. bei → Irenäus, → Tertullian, → Clemens von Alexandrien, → Origenes und → Euseb angeführt.

3. Datierung, Verfasser und Adressaten

Aus den genannten Bezugnahmen ergibt sich, dass der Text mit hoher Wahrscheinlichkeit vor der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr. verfasst wurde.

Schwieriger ist die Bestimmung des Zeitpunkts, nach dem 1Clem entstanden sein muss. 47,1 u.a. weisen auf eine Bekanntschaft mit dem → 1. Korintherbrief hin; in 35,5-6 scheint der → Römerbrief verwendet zu sein. Bezüge auf andere Paulus-Briefe sind nicht sicher zu erkennen, doch ist der Tod des Apostels (wie derjenige des Petrus) zu Beginn oder in der Mitte der 60er Jahre des ersten Jh.s vorausgesetzt (5,4-7). Die Erwähnung von „Danaiden und Dirken“ (6,2) könnte auf die stadtrömische Christenverfolgung durch → Nero deuten.

Unsicherer ist, ob 1Clem kanonische Evangelien verwendet hat. 36,2-5 zeigt deutliche Übereinstimmungen mit Hebr 1,3-5.7-13; weitere Berührungen zwischen beiden Schriften kommen hinzu, doch ist aus diesen Beobachtungen keine sichere Datierung zu gewinnen. Kaum zu erweisen ist die Bekanntschaft mit Schriften wie → Apostelgeschichte, → Pastoralbriefe, → 1. Petrusbrief oder → Jakobusbrief.

Die in 1,1 (vgl. 7,1) erwähnten „Unglücke und Erfahrungen“ wurden wiederholt, aber wohl zu Unrecht, als Christenverfolgungen verstanden. Die Wendung unterstützt jedenfalls nicht die von Euseb (Kirchengeschichte 3,16) vorgenommene Datierung in die Zeit → Domitians. Die im Text erkennbaren gemeindlichen Funktionen, vor allem das Nebeneinander von „Ältesten“ und „Aufsehern“ sowie die Tatsache, dass ein monarchischer Episkopat in 1Clem (noch) nicht zu erkennen ist, lassen vermuten, das Schreiben sei vor den Briefen des Ignatius und ungefähr zur selben Zeit wie die Pastoralbriefe abgefasst worden. Dass 40,4-5 und 41,2-3 auf das Bestehen des Kultes am Zweiten Tempel in Jerusalem deuten, ist nicht zu erweisen. Auch Passagen wie 44,3; 47,6 und 63,3 lassen keine noch präzisere Datierung zu.

Im Brief spricht stets ein „Wir“, eine einzelne Verfasserpersönlichkeit tritt nicht hervor. Doch wirkt der Text stilistisch so einheitlich, dass man annehmen darf, er stamme von einer Hand. Eine direkte Begründung der eigenen Autorität als Ratgeber erfolgt nicht. Die Textgestalt weist auf einen mit der Bibel in griechischer Sprache vertrauten, stilistisch durchaus geschulten und rhetorisch begabten Verfasser hin.

Das → Gebet in 59,2-61,3 verdankt sich vielleicht in Teilen oder insgesamt der liturgischen Tradition des frühesten Christentums; zu Beginn des Textstücks ist ein syntaktischer Bruch wahrzunehmen.

Adressaten sind die Mitglieder der Gemeinde in → Korinth, die als „Geliebte“ oder „(geliebte) Brüder“ angesprochen werden. Bisweilen wendet sich der Text direkt an die „Aufständischen“. In 45,2 und 53,1 wird die besondere Schriftkunde der Adressaten angesprochen, was ein Indiz für ein auch → judenchristliches oder mit dem → Judentum vertrautes Milieu der intendierten Leser sein könnte.

4. Gattung und Textpragmatik

Einleitung und Schluss des Textes (vgl. auch 63,2) lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um einen – wenn auch nach antikem Maßstab ungewöhnlich langen – Brief, genauer: ein Gemeindeschreiben, handelt. Vermutungen, 1Clem habe eine literarische Funktion oder sei ein Traktat in Form eines Kunstbriefes, haben gegenüber der Annahme der Echtheit keinen Bestand.

Bisweilen nahm man an, der Text gebe mit den von ihm benutzten Begriffen νουθέτησις / nouthétēsis („Ermahnung“, 56,2), συμβουλή / symboulē („Ratschlag“, 58,2) und ἔντευξις / énteuxis („Bitte, Bittschrift“, 63,2) selbst Hinweise auf seine Form und Gattung. Aber die Wörter sind in ihrem Kontext nicht als Gattungsbegriffe verwendet, sondern geben Zweck oder Inhalt des Schreibens an. Stilistisch, rhetorisch und pragmatisch stehen die Ausführungen von 1Clem der beratenden Rede (γένος συμβουλευτικόν / genos symbouleutikón) nahe.

Die Veranlassung des Schreibens, Vorgänge in der christlichen Gemeinde in Korinth, wird schon in Kap. 1 angesprochen und mit dem Stichwort „Aufstand“ (στάσις / stásis) bezeichnet. 3,3 deutet an, dass sich einige Gemeindeglieder gegen die → Presbyter aufgelehnt haben. Ausführlicher wird Kap. 44: Einige, nicht alle, der Presbyter, welche die Gemeinde leiteten, wurden abgesetzt; nach 47,7 hat sich die Nachricht von dem Streit über die Grenzen der christlichen Gemeinden hinaus verbreitet. Über die Hintergründe dieses Konfliktes sind nur Vermutungen möglich. Eine grundsätzliche Ablehnung des Presbyteramtes als Grund des Streits wird im Text nicht angedeutet. Der Ratschlag von 1Clem an die Aufrührer lautet in 57,1: „Ordnet euch den Presbytern unter!“

Die Absicht des Schreibens geht jedoch über die Besprechung des Gemeindekonflikts deutlich hinaus. Wie die Zusammenfassung in Kap. 62 bestätigt, ist eine umfassende Darstellung wichtiger Aspekte der rechten Gottesverehrung und des tugendhaften Lebens angestrebt; die in 62,1 verwendeten Adverbien εὐσεβῶς / eusebōs („fromm“) und δικαίως / dikaíōs („gerecht“) wird auf weit verbreitetes antikes Tugendwissen um zwei grundsätzliche Tugenden angespielt.

Das Schreiben wird mit zwei Gesandten der römischen Gemeinde, Claudius Ephebus und Valerius Bito, nach Korinth gebracht; es wird darum gebeten, diese sowie einen gewissen Fortunatus möglichst bald mit guten Nachrichten nach Rom zurückzuschicken (65).

5. Struktur

Ein klares Bild von der Struktur des umfangreichen und thematisch vielfältigen Textes zu gewinnen, ist nicht einfach. Deutlich hebt sich die → briefliche Rahmung durch Präskript (1Clem praescr.) und Briefschluss (Kap. 65) ab.

Innerhalb des Briefcorpus ist mit dem Rückblick in 40,1 ein deutlicher Einschnitt markiert, so dass man einen ersten und einen zweiten Teil des Textes unterscheiden kann (Kap. 39 bildet eine Überleitung). In 59,3-61,3 hebt sich ein langes Gebet von seinem Kontext ab, dessen Charakter sich deutlich vom brieflichen Abschlussgebet in Kap. 64 unterscheidet.

Weitere Struktursignale sind besonders die regelmäßig wiederkehrenden doxologischen Formeln mit Amen und damit verbundene Formulierungen, die einen Abschluss oder einen Neueinsatz im Argumentationsgang markieren, daneben die zahlreichen direkten Anreden an die Adressaten. Die Beispielreihen und -kataloge zu Eifersucht und Neid (4,1-6,4), → Umkehr (7,5-8,5), → Auferstehung (24,1-26,3), → Liebe (49-50) u.v.a., tragen zum Eindruck eines durchkomponierten Ganzen bei. Auch der wiederholte Wechsel zwischen Ermahnung bzw. Ermunterung einerseits, Warnung und Drohung andererseits bestimmt die Struktur des Textes.

6. Theologisches Profil

Die in 62,2 gegebene Zusammenfassung nennt mit „Glaube“, „Umkehr“, „Liebe“, „Enthaltsamkeit“, „Besonnenheit“, „Beharrlichkeit“, „Gerechtigkeit“, „Wahrhaftigkeit“, „Geduld“, „Frieden“ und „Milde“, daneben (verbal) auch „Eintracht“ und „Demut“, wichtige thematische Stichwörter des Briefes und praktische Tugenden, die in dem aktuellen Konflikt bewährt werden sollen. Besonders die Verbindung von „Eintracht und Frieden“ (63,2; vgl. 20,10f; 61,1) wurde als Leitmotiv des 1Clem mit politischen Konnotationen und Parallelen in griechischer Philosophie identifiziert. Das praktische Ziel, die Wiederherstellung der Ordnung in Korinth, wird verbunden mit dem Konzept der Erziehung (παιδεία / paideía) durch Gott bzw. Christus (56); in 21,8 ist dies ausdrücklich auf Kinder bezogen. Neben den praktischen Tugenden sind auch die Weisungen Gottes (1,3; 2,8; 3,4) oder Christi (13,2; 49,1) Maßstäbe rechten Handelns.

Den theologischen Rahmen der Argumentation bildet die Überzeugung von einer auf Gott, den Schöpfer, zurückzuführenden guten und gerechten kosmischen Ordnung. Zu ihr gehört auch die Auferstehung der Toten (24-26). Dieser Orientierung an der Schöpfungsordnung entspricht die Häufigkeit der → Gottesbezeichnungen δεσπότης / despótēs („Herrscher“), δημιουργός / dēmiourgós („Handwerker, Schöpfer“) und παντοκράτωρ / pantokrátōr („Allherscher“). Als „Vater“ des → Kosmos (19,2) ist Gott auch „unser Vater“ (29,1; vgl. 23,1; 56,16). Besonders eindrucksvoll wird das Lob von Schöpfung und Schöpfer in Kap. 20 gesungen. Insgesamt zeigt 1Clem eine gegenüber den neutestamentlichen Schriften stark ausgeweitete Begrifflichkeit zur Beschreibung von Wesen und → Eigenschaften Gottes.

Dem gegenüber treten die Rede von Christus und dem → Heiligen Geist zurück, ohne jedoch zu fehlen.

Häufigster christologischer Titel neben dem fast als Beinamen gebrauchten χριστός / christós („→ Gesalbter“) ist κύριος / kyrios („→ Herr“), der daneben auch, innerhalb und außerhalb von Schriftzitaten, als Gottesbezeichnung verwendet wird. Auffällig tritt die Titulierung Jesu als υἱός / hyiós („→ Sohn“) zurück, dafür wird im Gebet der Titel παῖς / paīs („Sohn“ oder „ Knecht“) verwendet. An den → Hebräerbrief erinnert die Bezeichnung Christi als „→ Hoherpriester“ (36,1; 61,3; 64). Jesus Christus ist → Gesandter Gottes (16,2; 42,1), seine → Präexistenz ist nur vorsichtig angedeutet (22,1); 32,2 spricht von der menschlichen Herkunft „nach dem Fleisch“. Seine irdische Existenz ist – mit dem ausführlichen Zitat des vierten Gottesknechtsliedes aus Jes 53 – als Selbsterniedrigung interpretiert (16,2.17) und als vorbildlich hingestellt.

Worte Jesu werden als → Gebote verstanden (13,2; 49,1). Durch den heiligen Geist spricht Christus auch in der Schrift (22). Den → Aposteln wurde durch ihn die frohe Botschaft ausgerichtet (42,1) und durch seine Auferstehung bekräftigt (42,3).

Das rettende Wirken Christi, verstanden als Leiden (2,1) und stellvertretende Lebenshingabe (49,6), wird an sein Blut geknüpft (12,7; 21,6) und ermöglicht die Umkehr (7,4). Seine Auferstehung wird als „Angeld“ der Totenauferstehung bezeichnet (24,1). Die Mittlerrolle Christi ist auch in den → Doxologien des Textes impliziert, die „durch“ Jesus Christus an Gott gerichtet sind.

Der heilige Geist wird im 1. Clemensbrief vor allem in seiner hermeneutischen Funktion erwähnt: Die → heiligen Schriften wurden durch den Geist gegeben (45,2); er spricht in der Schrift (13,1; vgl. 8,1) bzw. Christus spricht durch ihn in der Schrift. Auch die Abfassung vom 1. Clemensbrief wird als durch den Geist vermittelt gedacht (63,2). Offenbar ist die Gabe des Geistes nicht streng an die → Taufe geknüpft (2,2; vgl. 42,3f; 46,6). 38,1 kennt den Begriff des → Charismas, doch wird dabei, anders als bei Paulus, keine Verbindung mit dem Geist hergestellt.

Das Wirken Gottes, des Sohnes und des Geistes sind aufeinander bezogen und miteinander verknüpft. Es begegnen trinitarische Formeln (46,6; 58,2), aber keine ausgeführte Konzeption von der Dreifaltigkeit Gottes.

Das sich im Text aussprechende Selbstverständnis der Gemeinde ist bestimmt durch die Gedanken der Geschwisterschaft (2,4 sowie die Anrede „Brüder“), der Erwählung (29,1; 30,1; 58,2) und einer begrenzten Zahl von Erwählten (2,4; 58,2). Dabei wird der Volk-Gottes-Gedanke aufgenommen (59,4; 64), die Patriarchen sind „unsere Väter“ (60,4; 4,8: → Jakob; 31,2: → Abraham). Mit solcher Redeweise ist nicht die Vorstellung der Verwerfung oder Ablösung Israels als → Gottesvolk oder eines neuen oder wahren (christlichen) Israel verbunden. Einmal, in 55,1, spricht der 1. Clemensbrief distanziert von den ἔθνη / éthnē („Völker“, „Heiden“), die Bezeichnung „Christen“ fällt nie. In 38,1 wird die Gemeinde der (aller?) Christus-Gläubigen als „Leib in Christus“ bezeichnet (46,7); die Metapher wird für die Weisung eingesetzt.

Dennoch ist 1Clem kein Zeuge eines frühchristlichen Gleichheitsideals: Auffallend sind besonders die - an den Mann gerichteten! – Ausführungen zur Rolle der Frau in 1,3 und 21,6-7.

Die eschatologische Hoffnung umfasst die Auferstehung der Toten (24,1) und die Wiederkunft Christi bzw. seine königliche Herrschaft (23,5; 50,3).

7. Intertextuelle Bezüge und Traditionen

Zur Frage nach der Verwendung neutestamentlicher Texte im 1. Clemensbrief siehe oben. Bemerkenswert sind besonders die Aufnahme und Veränderung der paulinischen Sprache der Rechtfertigung in 30,3 und 32,4 sowie die Bezugnahme auf Jesus-Worte in der Tradition der → Bergpredigt in in 13,2.

Die zahlreichen biblischen (alttestamentlichen) Zitate – sie machen ein gutes Viertel des Textes vom 1. Clemensbrief aus! - folgenden überwiegend der Textform der Septuaginta. Es begegnen Einzelzitate unterschiedlicher Länge, Mischzitate und Zitatenreihen. Am häufigsten werden die → Psalmen zitiert, gefolgt von → Genesis, → Jesaja und → Hiob. Daneben begegnen einige wenige Zitate unklarer oder unbekannter Herkunft.

Neben wörtlichen Zitaten begegnen zahlreiche Anspielungen und Anlehnungen an biblische und weitere antik-jüdische Schriften. Beachtlich ist die Nähe vom 1. Clemensbrief zu Wortschatz und Motivik im Werk → Philos von Alexandrien. Das u.a. durch Philo repräsentierte stark → hellenisierte Judentum wird vielfach der Vermittler von ursprünglich paganen Motiven an den 1. Clemensbrief gewesen sein. Die Annahme eines direkten → stoischen Einfluss auf 1Clem 20 ist unnötig.

Nur in wenigen Fällen ist direkter Einfluss paganer Traditionen wahrscheinlich – Zitate begegnen nicht –, dies gilt für das (vielleicht römischer Literatur der Zeit verdankte) Beispiel des Vogels Phönix (25,1-5), die Rede von den Welten „jenseits des Ozeans“ (20,8) oder das Motiv der Selbsthingabe von Herrschern zugunsten ihres Volkes (55,1).

8. Wirkung und Rezeption

Der Erste Clemensbrief ist ein in der Geschichte des Christentums oft gelesener und wirkungsvoller Text. Dass er überwiegend keine kanonische Geltung erlangt hat, dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass er keine apostolische Verfasserschaft behauptet.

Der Text ist ein wichtiges Zeugnis des Lebens und der Organisation frühchristlicher Gemeinden und das älteste literarische Monument römischen Christentums. Er gibt einen ausführlichen Einblick in das moralische und theologische Denken im frühen Christentum. In ihm, und nicht schon in den neutestamentlichen Schriften, sind die Anfänge von Tugendlehre, Erziehungsdenken und Gotteslehre im Christentum erst richtig zu greifen. Auch die Auffassung von der → Gottesebenbildlichkeit des Menschen kommt hier erstmals in frühchristlichen Texten ausführlicher zu Wort (33,4-5).

Das lange Gebet in 1Clem 59,3-61,3, besonders die sog. clementinischen Fürbitten in 59,4, haben deutliche Spuren in der liturgischen Tradition der Kirche hinterlassen. In 61,1-2 hat sich das erste christliche Beispiel ausformulierter Fürbitten für die Herrschenden erhalten. Darüber hinaus bezeugt der 1. Clememsbrief erstmals in christlicher Literatur eine feste Form der christologisch vermittelten → Doxologie.

Dadurch, dass die frühkirchliche Überlieferung ab dem 2. Jh. den 1. Clemensbrief mit der Gestalt des Clemens von Rom verband, war der Ausgangspunkt für die sich entwickelnde Tradition über den römischen Bischof geschaffen. Dabei konnte jedoch 1Clem auch - wie in den Pseudo-Clementinen - übergangen werden. Das Eingreifen der römischen Gemeinde in die Angelegenheiten der Korinther arbeitete dem Primatsanspruch der römischen Kirche und seiner Repräsentanten vor, ohne selbst einen solchen Anspruch zu erheben.

Literaturverzeichnis

1. Textausgaben und Übersetzungen

1.1. Einzelausgaben

  • Jaubert, A., 1971, Clément de Rome, Épître aux Corinthiens. Introduction, texte, traduction, notes et index (SC 167), Paris
  • Schneider, G., 1994, Clemens von Rom. Epistola ad Corinthios. Brief an die Korinther (FC 15), Freiburg i. Br. u. a.

1.2. Sammelausgaben frühchristlicher Schriften und der Apostolischen Väter

  • Berger, K. / Nord, C., 2005, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Frankfurt a. M. / Leipzig, 686-723
  • Ehrman, B.D., 2003, The Apostolic Fathers. Vol. I: IClement. IIClement. Ignatius. Polycarp. Didache (LCL 24), Cambridge (Mass.) / London, 17-152
  • Fischer, J.A., 2007, Die Apostolischen Väter (SUC 1), Darmstadt, 1-107
  • Holmes, M.W., 2007, The Apostolic Fathers. Greek Texts and English Translations, Grand Rapids, 3. Aufl., 33-131
  • Lindemann, A. / Paulsen, H. (Hgg.), 1992, Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe auf der Grundlage der Ausgaben von F.X. Funk / K. Bihlmeyer und M. Whittaker, mit Übersetzung von M. Dibelius und D.-A. Koch, Tübingen, 77-150

2. Kommentare

  • Lightfoot, J.B., 1973, The Apostolic Fathers. Part I. S. Clement of Rome, 2 Bände, Hildesheim / New York [Nachruck der Ausgabe London 1890]
  • Lindemann, A., 1992, Die Clemensbriefe (HNT 17 Die Apostolischen Väter I), Tübingen
  • Lona, H.E., 1998, Der erste Clemensbrief (KAV 2), Göttingen

3. Monographien und Aufsätze

  • Bakke, O.M., 2001, „Concord and Peace“. A Rhetorical Analysis of the First Letter of Clement with an Emphasis on the Language of Unity and Sedition (WUNT II / 143), Tübingen
  • Beyschlag, K., 1966, Clemens Romanus und der Frühkatholizismus. Untersuchungen zu I Clemens 1-7 (BHTh 35), Tübingen
  • Erlemann, K., 1998, Die Datierung des ersten Klemensbriefes - Anfragen an eine communis opinio (NTS 44), 591-607
  • Hagner, D., 1973, The Use of the Old and New Testaments in Clement of Rome (NT.S 34), Leiden
  • Harnack, A. von, 2004, Das Schreiben der römischen Kirche an die korinthische aus der Zeit Domitians (I. Clemensbrief), in: C. Breytenbach / L.L. Welborn (Hgg.), Encounters with Hellenism. Studies on the First Letter of Clement (AGJU 53), Leiden / Boston, 1-103 (Nachdruck der monographischen Ausgabe Leipzig 1929)
  • Henne, P., 1992, La christologie chez Clément de Rome et dans le Pasteur d’Hermas (Par. 33), Fribourg
  • Knoch, O.B., 1993, Im Namen des Petrus und Paulus: Der Brief des Clemens Romanus und die Eigenart des römischen Christentums, ANRW II 27 / 1, 3-54
  • Knopf, R., 1899, Der erste Clemensbrief untersucht und herausgegeben (TU 20 [N.F. 5 / 1]), Leipzig
  • Lindemann, A., 2009, Der Erste Clemensbrief, in: W. Pratscher (Hg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung, Göttingen, 59-82
  • Löhr, H., 2001, Zur Paulus-Notiz in 1 Clem 5, in: F.W. Horn (Hg.), Das Ende des Paulus. Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte (BZNW 106), Berlin / New York, 197-213
  • Löhr, H., 2003, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet. Untersuchungen zu 1Clem 59 bis 61 in seinem literarischen, historischen und theologischen Kontext (WUNT 160), Tübingen
  • Schmitt, T., 2013, Des Kaisers Inszenierung. Mythologie und neronische Christenverfolgung, ZAC 16, 487-515
  • Schmitt, T., 2002, Paroikie und Oikoumene. Sozial- und mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen zum 1. Clemensbrief (BZNW 110), Berlin / New York
  • van Unnik, W.C., 2004, Studies on the So-Called First Epistle of Clement. The Literary Genre, in: C. Breytenbach / L.L. Welborn (Hgg.), Encounters with Hellenism. Studies on the First Letter of Clement (AGJU 53), Leiden / Boston, 115-181 (Englische Übersetzung von L.L. Welborn der auf Niederländisch veröffentlichten monographischen Ausgabe Amsterdam 1970)
  • Welborn, L.L., 2004, The Preface to 1 Clement: The Rhetorical Situation and the Traditional Date, in: C. Breytenbach / ders. (Hgg.), Encounters with Hellenism. Studies on the First Letter of Clement (AGJU 53), Leiden / Boston,197-216

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