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Elfenbeinschnitzerei

(erstellt: Januar 2012)

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Elfenbein (dort auch zu biblischen Erwähnungen)

1. Bedeutung

Elfenbein 1

Elfenbein- und Knochenschnitzereien sind die einzigen kunsthandwerklichen Erzeugnisse aus organischem Material, die sich in der Levante in großer Zahl finden lassen, denn Gegenstände aus Holz konnten unter den klimatischen Verhältnissen nur selten überdauern. Die Schnitzereien erlauben daher wichtige Einblicke in verschiedene Verarbeitungstechniken, sie sind unschätzbare Zeugnisse für das Formen- und Bildrepertoire verschiedener Epochen, sie ermöglichen Rückschlüsse auf kulturelle Kontakte, auf religiöse Vorstellungen und anderes mehr.

2. Material

2.1. Allgemein

Der Begriff → Elfenbein bezog sich ursprünglich allein auf die Stoßzähne des Elefanten, wird seit mehreren Jahrzehnten aber für alle Säugetierzähne verwendet, die aufgrund ihrer Größe als Schnitzmaterial in Frage kommen. Diese Begriffserweiterung ist der Tatsache geschuldet, dass das Zahnbein (Dentin) der Säugetiere aus der gleichen Grundsubstanz besteht und daher auch vergleichbare Merkmale aufweist. Mit Knochen, Geweih und Molluskenschalen sind weitere Materialien aus dem Tierreich gegeben, die vergleichbar dem Elfenbein verarbeitet und gelegentlich auch mit ihm kombiniert wurden. Da ihre Oberfläche ein ähnliches Erscheinungsbild zeigt, kann die Abgrenzung vom Elfenbein schwierig sein. Besonders in der älteren Literatur kam es daher immer wieder zu Fehlbestimmungen.

Eine griffige Sammelbezeichnung für alle hier erwähnten Materialien existiert leider nicht; nur Knochen und Elfenbein können unter dem Begriff „Bein“ zusammengefasst werden. Für die Identifizierung der einzelnen Materialien und Zahnarten stehen inzwischen verschiedene naturwissenschaftliche Methoden zur Verfügung (vor allem die zerstörungsfrei arbeitende Infrarot- und Raman-Spektroskopie). Ausgangspunkt bleibt aber stets die Untersuchung mit bloßem Auge oder mit leichter Vergrößerung durch eine Lupe.

2.2. Elfenbein

Im Alten Orient waren nur → Elefant und Flusspferd als Elfenbeinlieferanten von Bedeutung. Die als Schnitzmaterial genutzten Zähne dieser Tiere sind wurzellos; sie weisen eine offene Basalregion auf, die ein lebenslanges Wachstum ermöglichen soll. Für den Schnitzer stellte somit die Zahn- oder Pulpahöhle oft ein erhebliches Hindernis dar, weil sie die Materialausbeute deutlich einschränkte. Doch der hohle Abschnitt ließ sich sehr vorteilhaft für verschiedene Gefäßarten wie Flaschen oder Pyxiden nutzen.

War für das alte Ägypten bereits früh klar, dass zahlreiche Objekte aus den Zähnen des heimischen Flusspferdes bestehen, so galt für den Alten Orient noch bis vor kurzem die Gleichsetzung von Elfenbein mit Elefantenzahn. Erst seit den 1980er Jahren wird auch in der Vorderasiatischen Archäologie eine systematische Identifizierung der Elfenbeinarten nach ihrer Herkunft (Elefant oder Flusspferd) vorgenommen.

2.2.1. Elefantenelfenbein

Elfenbeinschnitzerei 02

Die Stoßzähne der Elefanten sind modifizierte Schneidezähne des Oberkiefers, die einen runden bis leicht ovalen Querschnitt aufweisen. Ihre Pulpahöhle kann beachtliche Ausmaße erreichen, verjüngt sich stetig und läuft schließlich als winziger Nervenkanal im Zahnmittelpunkt bis zur Spitze fort. Die Stoßzähne sind außen auf ganzer Länge von Zahnzement (nicht Zahnschmelz) umgeben, der oft vereinfachend als Rinde bezeichnet wird.

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Quer angeschnitten zeigt Elefanten- (und Mammut-)Elfenbein ein einzigartiges Muster (Schreger- bzw. Retzius-Linien), anhand dessen es eindeutig zu identifizieren ist. Dieses Muster erscheint als regelmäßiges Netzwerk aus zahllosen einander kreuzenden Linien, die bogenförmig vom Zahninneren nach außen verlaufen. Helle und dunkle Linien wechseln dabei einander ab.

2.2.2. Flusspferdelfenbein

Aus dem Gebiss des Flusspferdes kommen die Eck- und Schneidezähne beider Kiefer als Schnitzmaterial in Betracht. Doch nur die mächtigen Eckzähne des Unterkiefers sowie dessen mittlere Schneidezähne weisen eine Größe auf, die eine Verarbeitung lohnend macht.

Die kreisförmig gebogenen Eckzähne besitzen einen dreiseitigen Querschnitt mit abgerundeten Ecken. Die dem Maulinneren zugewandte Seite ist mit Zahnzement überzogen, die beiden äußeren Seiten werden hingegen von Zahnschmelz bedeckt. Bei Letzterem handelt es sich um ein äußerst hartes Material, das nur auf sehr mühsame Weise abgeschliffen werden konnte. Die Verarbeitung von Flusspferd-Eckzähnen war also erheblich aufwendiger als die von Elefantenstoßzähnen.

Elfenbeinschnitzerei 05

Die unteren, mittleren Schneidezähne des Flusspferdes werden in der Größe oft unterschätzt und daher zu selten als mögliches Schnitzmaterial in Betracht gezogen. Tatsächlich können die sehr schlanken, nahezu geraden Zähne aber eine Länge von etwa 50 cm erreichen. Ihre Außenseite ist – vergleichbar den Elefantenstoßzähnen – nur von Zement bedeckt.

2.3. Eberzahn

Die Eckzähne des männlichen Wildschweines werden in der archäologischen Literatur gewöhnlich nicht als Elfenbein bezeichnet, sondern als Eberzahn begrifflich davon abgesetzt. Als Schnitzmaterial eignen sich vor allem die unteren Eckzähne. Sie wirken wie eine deutlich verkleinerte Ausgabe der Flusspferd-Eckzähne, denn Krümmung, Querschnitt und Gestaltung der äußeren Schicht (Verteilung von Zement und Schmelz) sind diesen vergleichbar. In der Levante spielte die Verarbeitung von Eberzähnen keine Rolle. Bei dem angeblichen Exemplar aus dem sog. treasury von Megiddo (Loud 1939, 16 Nr. 129 Taf. 24) handelt es sich vielmehr um den Eckzahn eines Flusspferdes.

2.4. Knochen

Knochen fallen bei der Schlachtung gejagter oder gezüchteter Tiere in großer Menge an und sind daher ein leicht zu beschaffender Werkstoff, der seit Jahrtausenden zu vielfältigen Gegenständen verarbeitet wird. Knochen bilden das Gerüstwerk des Körpers der Wirbeltiere und liegen in verschiedenen Formen vor. Ihr Aufbau folgt stets dem Prinzip, bei höchstmöglicher Materialeinsparung und Gewichtsverminderung ein Maximum an Stabilität zu erzielen. Daher lassen sich zwei verschiedene Knochenstrukturen unterscheiden: außen eine kompakte Schicht, innen die sog. Schwammsubstanz. Es ist die kompakte Schicht, auf die es der Schnitzer als Material bzw. als Oberfläche abgesehen hat. Je nach Art der gefertigten Gegenstände und ihres Erhaltungszustandes kann aber der Blick auf die darunterliegende Schwammsubstanz möglich und damit ein wichtiges Indiz für die Materialbestimmung gegeben sein. Verwechslungsgefahr besteht dann nur mit dem Material Geweih, das ebenfalls eine Schwammstruktur im Inneren aufweist. Als Rohstoff waren besonders die langen Röhrenknochen der Extremitäten sowie die platten Knochen der Schulterblätter und Rippen gefragt. Auch die knöchernen Hornkerne bestimmter Tiere wurden verwendet.

2.5. Geweih

Der Begriff Geweih steht für die paarigen Stirnwaffen, die bei den männlichen Tieren der meisten Hirscharten anzutreffen sind (im Alten Orient Rot- und Damhirsch; → Hirsch; → Damhirsch). Es setzt sich aus zwei Stangen zusammen, von denen Enden oder Sprossen abzweigen, während eine stark verbreiterte Abflachung zur Entstehung von Schaufeln führt. Da das Geweih jährlich abgeworfen und neu gebildet wird, ist es ein leicht zu beschaffender Werkstoff, der nicht die Tötung der Tiere voraussetzt.

3. Techniken

Das Elfenbeinhandwerk ist mit der Holzschnitzerei (→ schnitzen) vergleichbar, es können aber nur spanabhebende und schabende Verfahren zum Einsatz kommen. Das modellierende Schnitzen in rundplastischer Form (Abb. 9) oder als Relief (Abb. 10) sowie das Gravieren (Abb. 11) waren gleichermaßen geläufig. In der Regel wurde Ersteres mit Letzterem kombiniert, da anatomische Details oder andere Merkmale zumeist nur in linearer Weise angedeutet wurden. Eine wirklich plastische Formgebung aller Details blieb die Ausnahme, denn sie war sehr aufwendig. Gravuren sind oft durch eine eingeriebene, dunkel gefärbte Masse akzentuiert worden.

Elfenbeinschnitzerei 07

Bei Durchbruchsarbeiten (Ajour-Technik) wurde der Hintergrund komplett entfernt, um die gerahmten Motive freizustellen (Abb. 6, 12 und 13). Bei der Silhouettentechnik wurde dagegen der Darstellungsgegenstand insgesamt oder in Form einzelner Elemente ausgesägt und in ein anderes, farblich kontrastierendes Material eingelegt.

Das recht selten bezeugte Scheinrelief ist eine besondere Variante des modellierenden Schnitzens, denn hier wurden einzeln gearbeitete Motive auf einem glatten Untergrund aus dem gleichen Material montiert.

Elefanten- und Flusspferdelfenbein erhält durch Politur eine schön schimmernde Oberfläche – ein Vorzug, der die hohe Wertschätzung des Materials wesentlich mitbestimmt, auch wenn bei altorientalischen und ägyptischen Elfenbeinen die Oberfläche nicht selten durch Farbauftrag oder Vergoldung großflächig maskiert wurde. Dieses Veredeln fand noch eine Steigerung, wenn wertvolle Steine oder Glas eingelegt wurden und so zu einem besonders reichen Gesamteindruck führten. Durch Erhitzen unter kontrollierten Bedingungen konnte Elfenbein eine dunkelbraune Farbe annehmen. Dieser Vorgang wird als Ebonisierung bezeichnet, da auf diese Weise dunkles Edelholz imitiert wurde.

4. Repertoire

4.1. Allgemein

Das vielfältige Repertoire levantinischer Beinschnitzereien lässt sich in drei große Kategorien untergliedern, wobei die Grenzen fließend bleiben. Das gilt vor allem für die Unterscheidung zwischen Statuetten und figürlich gestalteten Gerätebestandteilen oder Behältnissen.

4.1.1. Rundbilder und Teile davon:

  • Statuetten in anthropomorpher und zoomorpher Gestalt
  • Elemente von Statuetten, die aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt waren, wobei Elfenbein bevorzugt für unbedeckte Körperteile (Gesicht, Arme, Beine) verwandt wurde
  • Augeneinlagen, wobei die Iris aus dunklerem Material bestand

4.1.2. Gefäße, Geräte und Schmuckelemente:

  • Behältnisse: Kästchen, Flaschen, Pyxiden, Hülsen, Schalen, Löffel
  • Toilettengeräte: Kämme, Schminkstäbchen, Spatel, Haarnadeln
  • Griffe: in geometrischer Form oder figürlich gestaltet
  • Musikinstrumente: Klappern, Blashörner (→ Musikinstrumente)
  • Spielgeräte: Spielbretter und -kästen, Spielsteine, Astragale und Würfel (→ Spiele)
  • Zaumzeug: Scheuklappen, Stirnplatten
  • Glyptik: Roll- und Stempelsiegel (→ Siegel)
  • Schmuck: Knöpfe und Perlen, Trennelemente für mehrreihige Ketten, Anhänger (→ Schmuck)
  • Sonstiges: Stäbe und Stabsegmente, Spindeln und Spinnwirtel (→ weben).

4.1.3. Dekorelemente von hölzernen → Möbeln und Behältnissen:

  • strukturelle Bestandteile: zoomorph gebildete Beine und Füße, volutenartige Standfüße, Knäufe, Verbindungselemente
  • Protome und Appliken: in Gestalt von anthropomorphen oder zoomorphen Körperteilen, in Form bestimmter Symbole
  • Paneele und Einlagen: unverziert und damit auf bloße Kontrastwirkung berechnet; mit geometrischem oder figürlichem Dekor.

Die Beinschnitzerei veranschaulicht deutlich, wie aufgeschlossen das levantinische Kunsthandwerk gegenüber Anregungen aus benachbarten Kulturen war. Fremdes Formen- und Bildgut und damit verbundene stilistische Eigenheiten wurden jedoch nicht einfach übernommen und nachgeahmt, sondern schöpferisch verarbeitet. Als besonders stark und prägend erwiesen sich ägyptische Einflüsse, in der Späten Bronzezeit kam noch die Rezeption ägäischer Vorbilder hinzu.

4.2. Steinzeit (Epipaläolithikum, Neolithikum)

Knochenwerkzeuge des Natufien (Epipaläolithikum, 12.000-10.000 v. Chr.) können geometrische Ritzverzierungen oder plastischen Dekor in Form von Tierköpfen aufweisen. Aus Knochen wurden auch Tierfiguren sowie Schmuckelemente wie Perlen und Anhänger gefertigt. Entsprechende Funde stammen aus den Höhlen von el-Wad (Koordinaten: N 32° 40' 14'', E 34° 57' 58''), Kebara (Koordinaten: N 32° 34' 25'', E 34° 58' 08'') und Hayonim (Koordinaten: N 32° 55' 12.32'', E 35° 13' 05.75''), aus Eynan / ‘Ēn Mallaha (Koordinaten: N 33° 04' 31", E 35° 34' 50") und Naḥal Oren (Koordinaten: N 32° 42' 51'', E 34° 58' 31'').

Sieht man von Werkzeugen / Geräten ab, so liegen aus dem Neolithikum kaum Beispiele für Knochenschnitzereien vor. Umso bemerkenswerter sind vier kleine anthropomorphe Köpfe aus der Höhle von Naḥal Ḥēmār (Koordinaten: 1854.0611; N 31° 08' 30'', E 35° 22' 20''; vorkeramisches Neolithikum B, 7. Jt. v. Chr.), bei denen Inkarnat und Augen, Kopf- und Barthaar durch unterschiedliche Farbschichten betont waren.

4.3. Kupfersteinzeit (Chalkolithikum)

Elfenbeinschnitzerei 09

Der erste Höhepunkt levantinischer Elfenbeinschnitzerei wurde in der späten Kupfersteinzeit erreicht (4. Jt. v. Chr.), wobei vornehmlich Zähne des Flusspferdes Verwendung fanden. Aus den unteren Schneidezähnen wurden männliche und weibliche Statuetten gefertigt, die eine Höhe von mehr als 30 cm erreichen konnten (Funde aus der Region von → Beerscheba).

Die Eckzähne des Flusspferdes dienten zur Herstellung verschiedener Objekte, deren Funktion oft rätselhaft bleibt. Sie können mit kleinen Bohrungen versehen sein, die zu Mustern angeordnet und mit dunklem Pigment gefüllt wurden. Besonders bemerkenswert sind die großen Zähne aus der Schatzhöhle von Naḥal Mišmār (Koordinaten: N 31° 22' 51.37'', E 35° 21' 51.65''), die völlig durchlöchert erscheinen, weil sie dicht an dicht große, durchgehende Bohrungen aufweisen.

4.4. Frühe Bronzezeit

Eine charakteristische Gattung der Frühen Bronzezeit bilden kleine, rundplastisch gearbeitete Rinderköpfe aus Elfenbein und Knochen (Funde aus → Ai [Koordinaten: 1748.1471; N 31° 55' 00'', E 35° 15' 40''], → Arad [Koordinaten: 1620.0767; N 31° 16' 50", E 35° 07' 34"], Bāb eḏ-Ḏrā‛ [Koordinaten: 2008.0736; N 31° 15' 14'', E 35° 32' 03''], Chirbet el-Kerak [Koordinaten: 2040.2360; N 32° 43' 4.65", E 35° 34' 18.71"], → Jericho [Koordinaten: 1921.1420; N 31° 52' 15'', E 35° 26' 39''], Jarmut [Koordinaten: 1478.1241; N 31° 42' 30'', E 34° 58' 28'']). Eine weitere, nicht weniger typische Gattung vertreten die ritzverzierten Knochenhülsen, die wahrscheinlich als Kosmetikbehälter dienten (→ Kosmetik). Andere beinerne Gegenstände wie Kämme, Griffe und Nadeln sind bislang nur vereinzelt belegt, auch beinerne Rollsiegel bleiben relativ selten.

4.5. Mittlere Bronzezeit

Während der Mittleren Bronzezeit wurden erstmals in großem Umfang Einlagen aus Knochen und Flusspferdelfenbein gefertigt. In der einfachsten Form handelt es sich um lange, schmale Streifen mit geometrischem Ritzdekor, die in vielen Fundorten zutage kamen. Aufwendiger herzustellen waren Intarsien in Silhouettentechnik (z.B. aus el-Ǧisr [Koordinaten: 1269.1478; N 31° 55' 21'', E 34° 44' 40''] und → Ebla [Koordinaten: N 35° 47' 56'', E 36° 47' 55'']) und rechteckige Einlagen mit figürlicher Ritzzeichnung (u.a. aus → Hazor [Koordinaten: 2035.2693; N 35° 34' 04'', E 33° 01' 04''], Tell Bēt Mirsim [Koordinaten: 1415.0960; N 31° 27' 21", E 34° 54' 37"] und Tell el-‘Aǧǧūl [→ Tell el-‘Aǧǧūl; Koordinaten: 0934.0976; N 31° 28' 03'', E 34° 24' 15'']). Zwei besonders bemerkenswerte Paneele aus Ebla wurden beidseitig als Scheinrelief ausgeführt und geben figurenreiche Szenen wieder. Aus Elfenbein und Knochen wurden auch Spielgeräte, Dolch- und Messergriffe sowie Knäufe hergestellt.

4.6. Späte Bronzezeit

TochterZion 2

Im Kunsthandwerk der Späten Bronzezeit nimmt die Elfenbeinschnitzerei eine herausragende Stellung ein. Wichtige Fundkomplexe stammen aus dem sog. treasury von → Megiddo (Koordinaten: 1675.2212; 32°35'7.58" N, 35°11'5.18" E), dem Grabentempel von Lachisch (Koordinaten: 1357.1082; N 31° 33' 54'', E 34° 50' 59''), dem Königsgrab von Kāmid el-Lōz (Koordinaten: N 33° 37' 00'', E 35° 48' 00'') und dem Königspalast von → Ugarit (Koordinaten: N 35° 36' 07'', E 35° 47' 08''). Besonders interessante Einzelfunde kamen in Pella (Koordinaten: 2078.2064; N 35° 36' 41'', E 32° 27' 02'') und Tell el-Fār‘a (Süd; Koordinaten: 1006.0770; N 31° 16' 56'', E 34° 28' 57'') zutage.

Elfenbeinschnitzerei 11
Im Rundbild überwiegen kleinformatig oder miniaturhaft gearbeitete Figuren, es sind vereinzelt aber auch Körperteile belegt, die fast Lebensgröße erreichen. Gefäße und Geräte zeigen erstmals ein sehr breit gefächertes Formenspektrum. Viele dieser Objekte wurden dekoriert und ermöglichen zusammen mit Paneelen und Einlagen sehr aufschlussreiche Einblicke in die zeitgenössische → Ikonographie. Zu den wiederholt dargestellten Themen gehören Bankett, Kampf und → Jagd sowie Tierüberfälle und Tierkämpfe. Sehr geläufig war auch die Wiedergabe von Sphingen und von stilisierten Pflanzen, die von Tieren oder → Mischwesen flankiert sein können.

4.7. Eisenzeit

Während der Eisenzeit war das levantinische Elfenbeinhandwerk äußerst produktiv; zahlenmäßig stellen die Erzeugnisse aus dieser Epoche alles Bisherige in den Schatten. Doch in der Levante selbst wurde nur ein Bruchteil davon entdeckt, während in Assyrien tausende Schnitzereien zutage kamen, denn Möbel mit reichem Elfenbeindekor sowie Gefäße, Zaumzeug und andere Objekte waren in großem Umfang als Tribute und Beutestücke in den Besitz der assyrischen Könige gelangt und von diesen in Schatzkammern und Magazinen gelagert worden. Es sind daher vor allem die Funde aus Nimrud (Koordinaten: N 36° 05' 55'', E 43° 19' 40''), denen wir unser Wissen zur levantinischen Elfenbeinschnitzerei verdanken. In Palästina wurden in → Samaria (Koordinaten 1680.1870; N 32° 16' 33'', E 35° 11' 21'') im → Palast der Könige Israels viele Fragmente von Elfenbeinschnitzereien gefunden.

Loewe 7

Unter den Schnitzereien dominieren Paneele und Einlagen mit figürlichem Dekor, der vor allem Gottheiten, Genien und → Mischwesen zeigt. Auch Darstellungen von → Rindern (entweder Stiere oder Kuh mit Kalb), → Hirschen und von stilisierten Pflanzen sind häufig vertreten. Zahlreiche Platten, die gleiche Motive in nur leicht variierender Ausführung zeigen, weisen auf eine Serienproduktion hin, an der mehrere Handwerker beteiligt waren. Das umfangreiche Material ermöglicht erstmals auch die Unterscheidung von Werkstätten oder Werkstattkreisen, deren Lokalisierung aber schwierig bleibt.

5. Werkstätten

Konkrete Hinweise auf Werkstattplätze des Elfenbeinhandwerks bleiben bislang selten. Als ältester Beleg kann die Kammer 642 der unterirdisch angelegten Höhlen in → Beerscheba gelten (Chalkolithikum, 4. Jt. v. Chr.). Hier fanden sich eine in den Boden eingelassene Kalksteinplatte mit Arbeitsspuren, Werkzeuge, ein Flusspferd-Schneidezahn sowie Elfenbeinfragmente, die auf dem Boden verstreut lagen. Werkstatträume, in denen die Verarbeitung von Elfenbein, Knochen oder auch Geweih erfolgte, wurden im Palast P von → Ebla, im Unterstadtpalast von Qatna (Koordinaten: N 34° 50' 12", E 36° 51' 55"), im Nordpalast von Rās Ibn Hāni (Koordinaten: N 35° 35' 08'', E 35° 44' 45'') und im Gebäude V von Hamat (Koordinaten: N 35° 08' 09'', E 36° 44' 53'') entdeckt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East, Oxford / New York 1997
  • British Museum Dictionary of the Ancient Near East, London 2000
  • The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Oxford 2001

2. Weitere Literatur

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  • Barnett, R.D., 1982, Ancient Ivories in the Middle East (Qedem 14), Jerusalem
  • Ben-Tor, A., 2009, A Decorated Jewellery Box from Hazor, TA 36, 5-67
  • Busch, A., 2008, Elfenbein im Alten Ägypten. Eine Zusammenstellung der altägyptischen Schrift-, Bild- und Materialquellen aus der Zeit des Neuen Reiches, Saarbrücken
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  • Herrmann, G., 1986ff, Ivories from Nimrud IV-VI, London
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Abbildungsverzeichnis

  • „Frau im Fenster“ (Elfenbeinplakette; Arslan Tasch, Nordsyrien; 9.-8. Jh. v. Chr.; BIBEL+ORIENT Datenbank Online). © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Elefantenstoßzahn. Aus: U.S. Fish & Wildlife Service, © public domain (http://www.lab.fws.gov/ivory_defined.php); Zugriff 22.12.2011, Beschriftung ins Deutsche übersetzt
  • Schreger- bzw. Retzius-Linien. Aus: U.S. Fish & Wildlife Service, © public domain (http://www.lab.fws.gov/images/elepschr.jpg), Zugriff 22.12.2011
  • Flusspferdschädel. Aus: Wikimedia Commons; © Raul654, Wikimedia Commons, lizenziert unter GNU-Lizenz für freie Dokumentation; Zugriff 22.12.2011
  • Querschnitt eines Flusspferd-Eckzahns. Aus: U.S. Fish & Wildlife Service, © public domain (http://www.lab.fws.gov/images/hipcanin.jpg), Zugriff 22.12.2011
  • Das Fragment einer Durchbruchsarbeit zeigt eine Kuh mit saugendem Kalb (Libanon; 9. Jh. v. Chr.; BIBEL+ORIENT Datenbank Online). © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Einlagen in Silhouettentechnik aus el-Ǧisr (18./17. Jh. v. Chr.). Aus: J. Ory, A Middle Bronze Age Tomb at el-Jisr, QDAP 12 (1946), 31-42, Taf. XIV
  • Element eines Scheinreliefs mit zwei Bohrungen aus Bet-Schean (14./13. Jh. v. Chr.). Aus: A. Rowe, The Four Canaanite Temples of Beth-Shan I. The Temples and Cult Objects, Philadelphia 1940, Taf. LXXIA,6
  • Weibliche Statuette aus Beerscheba. Aus: O. Keel / S. Schroer, Eva – Mutter alles Lebendigen. Frauen- und Göttinnenidole aus dem Alten Orient, Freiburg (Schweiz) 2004; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Stillende Göttin (Elfenbeinrelief aus Ugarit; um 1380 v. Chr.). Aus: U. Winter, Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und in dessen Umwelt (OBO 53), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1983, Abb. 409; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Bankettszene auf einer Elfenbeinplatte aus Megiddo (13./12. Jh. v. Chr.). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg 5. Aufl. 2001, Abb. 65; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Sphinx (levantinische Elfenbeinschnitzerei; Nimrud; 8. Jh. v. Chr.). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; ME 134322
  • Ein Löwe tötet einen Stier (Elfenbeinschnitzerei; Samaria; 9./8. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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