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Casanova, Giacomo

(1727-1798)

(erstellt: November 2007)

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Der Venezianer Giacomo Girolamo Casanova, der vor allem für seine erotischen Abenteuer bekannt ist, hat außer seinen berühmten Memoiren auch ganz andere Schriften publiziert, darunter einen Roman mit exegetischen Ausführungen zu Gen 1-3. In ihnen erklärt er die Differenzen zwischen den beiden Schöpfungsberichten. Gen 1-3 bieten nicht zwei Erzählungen unterschiedlicher Verfasser – das hatte z.B. Jean → Astruc in einer 1753 anonym erschienen Schrift behauptet, die Casanova als Bibliothekar gekannt haben mag –, sondern einen Bericht von zwei unterschiedlichen Schöpfungstaten Gottes.

Der utopische Roman – ein Vorläufer von Jules Vernes Werk „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ – erschien 1788 in fünf Bänden unter dem Titel L’Icosaméron ou Histoire d’Edouard et d’Elisabeth (deutsch: 1968/69 Eduard und Elisabeth oder Die Reise in das Innere des Erdballs; verkürzt schon 1922 unter dem Titel Eduard und Elisabeth bei den Megamikren). Ihm ging ein Widmungsbrief mit exegetischen Bemerkungen an den Grafen von Waldheim voran, der Casanova nach seiner Verbannung aus Venedig von 1785 bis zu dessen Tod Zuflucht gewährte. Zudem wird der Roman – sehr zum Ärger mancher Leserinnen und Leser – von einer über 100-seitigen Auslegung zu Gen 1-3 eröffnet, ehe die eigentliche Handlung beginnt. Das jugendliche Geschwisterpaar Eduard und Elisabeth wird 1533 nach einem Schiffsunglück im Nordmeer durch einen Sturz in das Innere unseres Erdballs gerettet, von wo sie erst nach 81 Jahren durch eine Explosion wieder auf die Erdrinde geschleudert werden, um dann einen zwanzigtägigen Bericht über ihre Erlebnisse zu liefern (Icosaméron „Zwanzigtagewerk“). In der Mitte der Hohlkugel haben sie einen paradiesischen Protokosmos kennen gelernt, der von einer Sonne im Zentrum erleuchtet wird und in dem auf der Innenseite der Erdkruste androgyne Menschen leben, die Megamikren („Großkleinen“). Diese Menschen stammen nicht von Adam ab, gehören also zu einer Menschheit ohne Erbsünde. „Dürfen wir annehmen, daß es sich hier um jenes Geschlecht handeln könnte, das von dem ersten Menschenpaar abstammt, wie wir es in der unfehlbaren Genesis, Kap. 1 Vers 26, bezeugt finden? Der Heilige Geist nennt uns ihre Namen nicht, er teilt uns nur im folgenden Vers mit, daß dieser Mensch aus zwei Geschöpfen bestand, von denen jedes männlich und weiblich war. Im 28. Vers sagt er ihnen ausdrücklich: ‚Implete terram’ (‚Füllet die Erde’)“ (S. 48). Aus diesem „füllet“ schließt Casanova, dass die Menschen von Gen 1 in einem Hohlraum leben, denn sonst dürfte es nicht „füllet“, sondern müsste „bedecket“ heißen. Die Menschen von Gen 1 leben also im Inneren der Erde und sind gesegnet, die Menschen von Gen 2-3 leben dagegen auf der Erde und ihnen fehlt der Segen.

Literaturverzeichnis

  • Bayard, P., Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat, München 2007
  • Schenk, W., Giacomo Casanova als Ausleger der Schöpfungsgeschichte der Genesis, Communio viatorum 33 (1990), 85-115

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