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Bildworte / Bildreden (AT)

(erstellt: Oktober 2006)

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1. Bildsprache und theologische Ausdrucksform (Klaus Koenen)

Das Alte Testament zeichnet sich über weite Strecken durch eine sehr bildreiche Sprache aus. Von Gott kann als einem Felsen (Ps 62,8), einer Burg (Ps 46,8.12), einem Hirten (Ps 23,1), einer Frau (Dtn 32,18; vgl. Num 11,12), einem Bogenschützen (Klgl 2,4), einem Adler (Dtn 32,11), einem Löwen (Hos 5,14), einem Panther (Hos 13,7) und einem Bären (Klgl 3,10), ja sogar als einer Motte (Hos 5,12) die Rede sein. Solche Bildsprache drängt sich auf, wo beschreibende Sprache an ihre Grenzen stößt, also insbesondere bei Aussagen über Gott. Sie kann Gott nicht beschreiben, aber aspektiv etwas über ihn sagen.

Bildersprache ist offen und mehrdeutig. Die Rede von einem Löwen kann auf Gott bezogen die brutale Gewalt des richtenden Gottes drastisch vor Augen führen (Klgl 3,12; Jes 38,12), Jahwe jedoch auch als schützenden und rettenden, ja liebenden Gott darstellen (Hos 11,10; Jes 31,4). Diese Offenheit animiert den Leser zum Weiterdenken. Er muss sich die Bildsprache selbst erschließen, muss überlegen, inwiefern der Vergleichsspender (Löwe) den Vergleichsempfänger (Gott) und umgekehrt der Vergleichsempfänger (Gott) den Vergleichsspender (Löwe) beleuchtet. Erst wenn der Leser Gott kennt, weiß er, welcher Aspekt bei dem Vergleich mit dem Löwen anklingt, und umgekehrt muss er auch eine Vorstellung von einem Löwen haben, um den Vergleich zu verstehen.

Inhaltlich kann man die Bilder des Alten Testaments nach Vergleichsspendern – z.B. Tieren, Pflanzen und Bauten – und nach Vergleichsempfängern – z.B. Gott, schwachen Betern und mächtigen Feinden – ordnen. Sie zielen vielfach darauf, die Aussage des jeweiligen Textes zu intensivieren, indem sie die Wirklichkeit steigern (Feind als Löwe). Dabei sprechen sie den Leser auch emotional an, indem sie z.B. Mitleid heischen („ich vergehe wie Moder“ Hi 13,28) oder Angst und Schrecken erzeugen („Löwe“).

2. Bildsprache als sprachliche Ausdrucksform

Bildsprache ist ein verbreitetes Phänomen. Das Alte Testament teilt seine Bildsprache weitgehend mit der Literatur des Alten Orients, und vielfach ist sie nur auf dem Hintergrund altorientalischer Text- und Bildquellen verständlich (vgl. Keel, 1972; → Ikonographie). Die Bildreden / Bildworte lassen sich in ein weites Gebiet von sprachlichen Ausrucksformen einordnen, die von einer konkret sinnenfälligen Sprache bis zu komplexen Allegorien reichen; im Rückbezug auf die rhetorische Tradition der Antike wurden weite Teile dieses Gebiets sprachlicher Gestaltung unter dem Begriff „Tropen“ zusammengefasst. Darunter sind aber nur jene sprachlichen Bilder subsumierbar, die ein „Bild“ in übertragener Bedeutung verwenden. Im Gefolge antiker Traditionen kennt die Rhetorik hierfür die Begriffe Metapher, Metonymie, Synekdoche, Gleichnis, Symbol, Allegorie, Personifikation usw.

Der bildlichen Sprache und dem sprachlichen Bild wurden in der Literaturwissenschaft vor dem „linguistic turn“ besonders in Darstellungen der Werkinterpretation und des New Criticism große Bedeutung zugemessen. Sie erschienen dort geradezu als das wesentliche Kennzeichen künstlerischer Sprache (Seidler, 1963, 270ff; Wellek / Warren, 1972, 198ff).

In der neueren literaturwissenschaftlichen Diskussion ist der Begriff „Bildsprache“ etwas in den Hintergrund getreten, weil mit „Bild“ höchst unterschiedliche Phänomene bezeichnet wurden, so dass es dem Begriff an Schärfe fehlt (freilich scheint sich in der Diskussion um die Metapher wiederum eine Einschätzung auszusprechen, die jener, die mit dem „Bild“ verbunden war, analog ist). Und doch beschreibt „Bildsprache“ ein Phänomen, das in literarischen und damit auch in alttestamentlichen Texten zu häufig auftaucht und zu bedeutsam ist, um unberücksichtigt bleiben zu können.

Das im Text verwendete „Bild“ ist ein Begriff (oder ein Zusammenhang von Begriffen), der gewöhnlich auf einen konkreten Gegenstand oder Sachverhalt in der außersprachlichen Wirklichkeit (den Referenten) verweist. Ist dieser Gegenstand oder Sachverhalt direkt gemeint, so liegt ein einfaches, nicht übertragenes sprachliches Bild vor: „Besser ein trockner Bissen mit Frieden als ein Haus voll Geschlachtetem mit Streit.“ (Spr 17,1).

Bei übertragener, bildhafter Sprache ist der Referent, der konventionell mit dem Begriff verbunden ist, nicht gemeint: Wenn etwa in Jes 5 die Leser aufgefordert werden: „Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg!“ (Jes 5,3) so ist deutlich, dass nicht von einem realen Weinberg die Rede sein kann. Vielmehr steht „Weinberg“ für etwas anderes – nämlich Israel. Bildliche Sprache verbindet häufig einen Begriff mit einem neuen Referenten, der von Haus aus mit diesem Begriff nicht verbunden ist.

Es lassen sich unterschiedliche Weisen des Bezugs von „Bild“ und gemeinter Sache und damit auch unterschiedliche Arten von sprachlichen „Bildern“ unterscheiden.

3. Vergleich

Neben dem Bild, das lediglich in einer anschaulichen Darstellung besteht, bietet der Vergleich die nächst höhere Stufe der Komplexität. Zwischen sprachlicher Darstellung und dem gemeinten Referenten besteht keine Identität, sondern mit der Vergleichspartikel „wie“ wird ausgedrückt, dass keine Übereinstimmung zwischen den beiden im Vergleich genannten Polen besteht. Vielmehr ist einer von beiden das Gemeinte, während der andere als Bild dient, das den gemeinten Ausdruck kommentiert, verdeutlicht oder konturiert: „Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut.“ (Ps 1,4) – die Gottlosen sind in diesem Vergleich auf die Seite der wertlosen, leichten Spreu gerückt, dem das wertvolle, schwere Getreide gegenübersteht; sie werden durch den Vergleich als instabil, ja, haltlos gezeichnet.

4. Gleichnis

Das Gleichnis – eine Form, die in den synoptischen Evangelien eine herausragende Rolle spielt – lässt sich am leichtesten verstehen als ein Vergleich von komplexen Sachverhalten, gewöhnlich in narrativer Gestalt, dem aber oft die Vergleichspartikel fehlt. Am deutlichsten tritt die Form in Gestalt der Parabel auf, bei der gemeinter Sachverhalt und dargestelltes Bild sich in nur einem Punkt berühren: Die Nathan-Parabel (2Sam 12) erzählt die Geschichte vom armen Mann, dessen einziges Schaf vom Reichen genommen wird. Das Gleichnis deckt sich nur darin mit dem gemeinten Verhalten König Davids, dass beide Protagonisten (der Reiche wie König David) ihre Macht missbrauchen und damit anderen das Unrecht zufügen, jenen etwas zu nehmen, was sie selbst in reichlichem Maße besitzen.

5. Metapher

Wohl keinem Begriff der antiken Rhetorik ist so viel Beachtung geschenkt worden wie dem der Metapher. Nicht selten wird das Wesen der Metapher in Parallele gesetzt zu dem Wesen der Literatur, wenn nicht mit dem Wesen der Auseinandersetzung des Menschen mit der Realität außerhalb des Bewusstseins wie sie in der Sprache überhaupt stattfindet (so z.B. Ricœur in Haverkamp, 373f.).

Diese Parallelisierung dürfte durchaus ihre Berechtigung haben. Sie lässt sich mit Lotman (122ff) so verstehen, dass Literatur zwar auf die natürliche Sprache zurückgreift, diese jedoch als ihr Material verwendet, aus dem die Literatur gewissermaßen eine Sprache zweiter Ordnung bildet. Diese Sprache der Literatur basiert jedoch ebenso wie die natürlichen Sprachen auf Mechanismen der Auswahl entlang der Achse der Kombination einerseits, die in den natürlichen Sprachen z.B. die syntaktischen Fügungen reguliert, und der Achse der Selektion andererseits, die aus äquivalenten Elementen das passende auswählt. Der Metapher entspräche in den natürlichen Sprachen die Zuordnung von Bezeichnendem (den Lauten, die ein Wort bilden) und dem Bezeichnetem (dem gemeinten Gehalt eines Wortes). Und tatsächlich erneuert und verändert sich jede Sprache zu einem erheblichen Teil auf der Grundlage von Metaphern. Manchen Wörtern ist diese Entstehung aus einer ursprünglichen Metapher kaum noch anzumerken, so etwa dem deutschen Verb „schildern“ (Bussmann, 485).

Mit anderen Begriffen der antiken Rhetorik gibt es zum Teil Überschneidungen, etwa den Begriffen

● Metonymie (der verwendete Begriff und das Gemeinte weisen eine Gemeinsamkeit auf, z.B. dort, wo der Vorfahr für eine Gruppe von Nachkommen steht: Am 7,9 „Isaak“),

● Katachrese („missbräuchliche Verwendung“ eines Wortes für eine damit ursprünglich nicht bezeichnete Sache; König [9] nennt die Verwendung des Wortes „Vater“ zur Bezeichnung des Großvaters und weiterer Ahnen z.B. Gen 28,13),

● Synekdoche (nach König [50] „die Verwendung eines Ausdruckes, welcher mit der nächstliegenden Bezeichnung eines Objektes nur äußerlich-quantitativ zusammenhängt“; als Beispiel nennt König [57] die Bezeichnung „Vater“ für alle Vorfahren).

All diese Begriffe unterscheiden sich letztlich nur geringfügig von der Metapher im weiteren Sinne.

Auch die gelegentlich vertretene strikte Unterscheidung von Metapher einerseits und Metonymie bzw. Synekdoche andererseits dürfte so kaum haltbar sein (Ruwet in Haverkamp, 281). R. Jakobsons Zuordnung der Metapher zur Poesie und der Metonymie zur Prosa (in Haverkamp, 174) ist angesichts der Relativierung des Unterschiedes zwischen Poesie und Prosa, wie Lotman (Lotman, 143ff) sie vornimmt, nicht mehr unbedingt aussagekräftig.

Eine einfache, auf antike Autoren (Quintillian) zurückgehende Definition nennt die Metapher einen Vergleich ohne Vergleichspartikel: „Denn wer ist Gott, wenn nicht der HERR, oder ein Fels, wenn nicht unser Gott?“ (Ps 18,32). In jedem Fall ist die Metapher – wie alle Tropen – ein Phänomen der semantischen Ebene, bei dem die sonst konventionell vorgegebene Beziehung zwischen einem Lexem und seinem durch den Kontext signalisierten Referenten aufgegeben ist, oder bei dem ein Wort abweichend von lexikalischen Konventionen eingesetzt ist (z.B. Substantiv oder Adjektiv als Verb; → Semantik).

Besonders bei den Propheten werden im Alten Testament ganze semantische Bereiche metaphorisch eingesetzt, so z.B. das Bild der Ehe, das ab Hosea als Metapher in unterschiedlicher Weise verwendet wird (Hos 2; Hos 3; Jer 3), um das Verhältnis zwischen Gott und Israel zu deuten und zu veranschaulichen. Wird in dieser Weise ein ganzer semantischer Bereich zum Bildgeber für mehrere Metaphern, spricht man von Metaphorik.

6. Allegorie

Auch die Allegorie konfrontiert den Leser mit mehreren Metaphern, diese sind jedoch nicht einem semantischen Bereich entnommen, sondern stammen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Die Allegorie verknüpft mehrere Metaphern zu einem Zusammenhang, der nur durch korrekte „Entschlüsselung“ der einzelnen Metaphern verstehbar wird. Ohne diese Entschlüsselung ergeben Allegorien oftmals keinen sinnvollen Zusammenhang. So ist etwa die Beschreibung in Pred 12 nur verständlich, wenn man weiß, dass hier nicht die tatsächlich genannten Zusammenhänge gemeint sind, sondern dass an dieser Stelle eine Allegorie auf das Alter vorliegt: „…zur Zeit, wenn die Hüter des Hauses (= Arme) zittern und die Starken (= Beine) sich krümmen und müßig stehen die Müllerinnen (= Zähne), weil es so wenige geworden sind, und wenn finster werden, die durch die Fenster sehen (= Augen)…“

Die Allegorie ist eine Form der Kommunikation, die voraussetzt, dass der Leser Kenntnisse mitbringt, mit deren Hilfe er die Allegorie entschlüsseln kann. Allegorien finden sich deshalb eher in Literatur für den gruppeninternen Gebrauch als in Schriften, die neue Leserschaften erschließen wollen.

7. Symbol

In der Alltagssprache wird der Symbolbegriff in verschiedenen Zusammenhängen verwendet. So spricht man z.B. von mathematischen oder chemischen Symbolen, wenn man ein willkürlich festgelegtes, konventionell auf eine Bedeutung festgelegtes Zeichen meint. Andererseits werden aber auch die christlichen Glaubensbekenntnisse als Symbole bezeichnet.

In literarischen Zusammenhängen bezeichnet der Begriff „Symbol“ gewöhnlich einen Begriff, der eine übertragene Bedeutung angenommen hat, ohne jedoch seine ursprüngliche Bedeutung abzulegen. Ein Symbol ist in diesem Sinne eine konventionell gewordene Metapher, die jedoch nicht zu einem Wort mit neuer Bedeutung geworden ist, sondern die Doppelbödigkeit der Metapher behalten hat. Im Alten Testament könnte man an Begriffe wie „Zion“ oder „Ägypten“ denken.

Eine engere Bedeutung hat der Begriff „Symbol“ in der Zeichentheorie Ch.S. Peirces. Dort werden drei Typen von Zeichen unterschieden, nämlich Ikon (engl. icon), Symbol (engl. symbol) und Index (engl. index). Beim ikonischen Zeichen besteht zwischen Zeichen und Bezeichnetem eine Ähnlichkeitsbeziehung (Schaubilder, aber auch Lautmalerei), das symbolische Zeichen ist durch Konvention auf die bezeichnete Sache bezogen (Wörter), beim indexikalischen Zeichen besteht eine reale Verbindung zwischen Zeichen und Bezeichnetem: Rauch ist in diesem Sinne Zeichen für Feuer.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff.
  • The Interpreter’s Dictionary of the Bible, New York 1962-1976
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Alonso Schökel, Luis, 1971, Das Alte Testament als literarisches Kunstwerk, Köln
  • Bühlmann, Walter / Scherer, Karl, 1972, Stilfiguren der Bibel. Ein kleines Nachschlagewerk, Fribourg
  • Bussmann, Hadumod, 1990, Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart, 2. Aufl.
  • Haverkamp, Anselm (Hg.), 1996, Theorie der Metapher, Darmstadt, 2. Aufl.
  • Hawthorn, Jeremy, 1994, Grundbegriffe moderner Literaturtheorie, Tübingen / Basel
  • Jauss, Hannelore, 1991, Tor der Hoffnung. Vergleichsformen und ihre Funktion in der Sprache der Psalmen (EHS.T 412), Frankfurt u.a.
  • Kayser, Wolfgang, 1968, Das sprachliche Kunstwerk. Eine Einführung in die Literaturwissenschaft, Bern / München, 13. Aufl.
  • Keel, Othmar, 1972, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Köln / Neukirchen
  • König, Eduard, 1900, Stilistik, Rhetorik, Poetik in Bezug auf die biblische Literatur komparativisch dargestellt, Leipzig
  • Lotman, Jurij M.M., 1981, Die Struktur literarischer Texte, München, 2. Aufl.
  • Seidler, Herbert, 1963, Allgemeine Stilistik, Göttingen
  • Seifert, Brigitte, 1996, Metaphorisches Reden von Gott im Hoseabuch (FRLANT 166), Göttingen
  • Staiger, Emil, 1961, Grundbegriffe der Poetik, Zürich, 5. Aufl.
  • Wellek, René / Warren, Austin, 1972, Theorie der Literatur, Frankfurt/Main
  • Wilpert, Gero v., 1989, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart, 7. Aufl.

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