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Andere Schreibweise: Beth-Horon; Bethoron

(erstellt: Februar 2022)

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Bet-Horon (בֵּ͏ית חֹרוֹ͏ן bêt ḥorôn; Βαιθωρων Baithōrōn und Bethoron) bezeichnet in der Hebräischen Bibel zwei Ortschaften, die teilweise als unteres (בֵּ͏ית חוֹ͏רוֹ͏ן הַתַּ͏חְתּ͏וֹ͏ן bêt ḥôrôn hattaḥtôn; Βαιθωρων ἡ κάτω Baithōrōn hē katō und Bethoron inferior) und oberes Bet-Horon (בֵּ͏ית חוֹ͏רוֹ͏ן הָﬠֶ͏לְיוֹ͏ן bêt ḥôrôn hāʿæljôn; Βαιθωρων ἡ ἀνωτέρα Baithōrōn hē anōtera und Bethoron superior) unterschieden werden. Diese Ortschaften sind mit Bēt ʿŪr el-Fōqā (Koordinaten: 1608.1436; 31° 53′ 08″ N, 35° 06′ 49″ E) und Bēt ʿŪr et-Taḥtā (Koordinaten: 1582.1445; 31° 53' 40'' N, 35° 05' 03'' E) zu identifizieren.

Die beiden Bet-Horon, deren Gründung – einzigartig für die Hebräische Bibel – einer Frau, Scheera, der Tochter Efraims, zugeschrieben wird (1Chr 7,24; vgl. Japhet 2002, 196), sind Grenzstädte zwischen Efraim und Benjamin (Jos 16,3.5; Jos 18,13f) und werden als Teil Efraims den Leviten übergeben (Jos 21,22 par. 1Chr 6,53). Die Bezeichnung → Sanballats als Horoniter könnte auf seine Herkunft aus Bet-Horon verweisen (Neh 2,10.19; Neh 13,28). Weiter könnte es sich bei dem Ort / den Orten um eine Kultstätte der chthonischen Gottheit → Horon gehandelt haben, die vor allem aus Ugarit bekannt, aber auch in Ägypten verehrt worden ist. Ähnliches wird für den ostjordanischen Ort → Horonajim (Jes 15,5; Jer 48,3.5.34; KAI 181:31f [→ Mescha-Stele]) vermutet (vgl. Reed 1962, 393; zur Gottheit Rüterswörden 1999). Außerbiblisch ist Bet-Horon auf der Liste → Scheschonq I. (946/45-924 v. Chr.; biblisch: Schischak; TUAT.NF 2, 264f: II,24), auf einem Ostrakon von Tell Qasile (Qas[8]:2), im → Jubiläenbuch (Jub 34,4) sowie auf der Kupferrolle aus Qumran (IX,7-9) belegt. Der Identifikation von Bet-Horon mit Bit-dNIN.URTA folgend, könnte in EA 290 (→ Amarnabriefe) der älteste Beleg für Bet-Horon vorliegen (zur Identifikation s. Kallai / Tadmor 1969). Zahlreiche Erwähnungen finden sich in rabbinischen Texten (Reeg 1989, 105f). Weiter ist nach Vitae prophetarum Daniel 2 → Daniel im oberen Bet-Horon geboren worden. Die Madebakarte (→ Madeba) zeigt mit einer Vignette Bet-Horon unmittelbar westlich von Jerusalem.

Archäologisch sind Bēt ʿŪr el-Fōqā und Bēt ʿŪr et-Taḥtā nur im Rahmen von Surveys untersucht worden, die schwerpunktmäßig Keramik der → Eisenzeit II aufnahmen. Architekturale Reste stammen vor allem aus römischer und byzantinischer Zeit.

Die beiden Bet-Horon haben eine herausragende strategische Bedeutung für die in der Antike wichtige Verbindungsstraße von der Küstenregion nach Jerusalem bzw. nach Transjordanien. Von dieser Bedeutung zeugen die Erwähnungen von der Befestigung der Stadt durch → Salomo (1Kön 9,17 par. 2Chr 8,5; vgl. Jos. Ant. 8,152; Text gr. und lat. Autoren), durch Bakchides (1Makk 9,50; vgl. Jos. Ant. 13,15; Text gr. und lat. Autoren) und gegen Holofernes (Jdt 4,4 [nicht in der Lutherbibel 1984]) sowie die Schilderung verschiedener Kriegszüge in der Hebräischen Bibel: die Schlacht → Josuas gegen die Amoriterkönige (Jos 10,1-15), die Auseinandersetzung zwischen → Saul bzw. → Jonatan und den Philistern (1Sam 13,17f), ein Plünderungszug zur Zeit → Amazjas (802/1-773 v. Chr.; 2Chr 25,13), die Schlacht zwischen Nikanor und → Judas Makkabäus (166/65-161 v. Chr.) um 161 v. Chr. sowie die zwischen Judas Makkabäus und Seron, dem Befehlshaber der seleukidischen Streitkräfte in Syrien (1Makk 3,13-26). In diese Liste fügt sich die katastrophale Niederlage des Cestius Gallus, Legat der syrischen Provinz von 65 bis zu seinem Tod 67 n. Chr. (Jos. Bell. II,513-555; Text gr. und lat. Autoren).

1. Identifikation

Die Identifikation der zwei Orte, unteres und oberes Bet-Horon, mit den modernen arabischen Dörfern Bēt ‘Ūr el-Fōqā und Bēt ‘Ūr et-Taḥtā wurde erstmals von Clarke unter Verweis auf → Eusebius von Caesarea (vor 265-339/40 n. Chr.), auf Flavius → Josephus (37/38-100 n. Chr.) und auf das Buch Josua vorgenommen (Eus. Onom. 46,21-25; Eusebs Onomastikon; Jos. Ant. 20,113; Text gr. und lat. Autoren; Jos. Bell. II,513-555; Text gr. und lat. Autoren und Jos 10,10f). Demnach liegt Bet-Horon auf der Route von Lydda (el-Ludd, Koordinaten: 1405.1515; 31° 57′ 23″ N, 34° 53′ 54″ E), Nikopolis / Emmaus (‘Amwās, Koordinaten: 1493.1387; N 31° 5 22'', E 34° 59' 38'') über → Gibea (Tell el-Fūl, Koordinaten: 1719.1367; N 31° 49' 22'', E 35° 13' 53'') nach Jerusalem (vgl. auch → Hieronymus [331/348-419/420 n. Chr.] Ep. 108,8) sowie in einem Abstand von ca. 12,5 römischen Meilen (= 20 km) von Jerusalem (Clarke 1812, 628-630). Beides trifft auf Bēt ‘Ūr el-Fōqā bzw. Bēt ‘Ūr et-Taḥtā zu (vgl. dazu auch Delgarte 1918, 76f). Zudem lässt sich die Namensgleichheit mit Robinson / Smith und Elitzur anführen (vgl. Robinson / Smith 1856, 251; Elitzur 2004, 45.234.297). Der arabische Name Bēt ‘Ūr lässt sich nicht innerarabisch ableiten.

2. Lage

Die Bedeutung der Orte, oberes und unteres Bet-Horon, liegt in der an ihnen vorbeiführenden Straße, die in antiker Zeit eine wichtige Verbindung Jerusalems zur Küste darstellte, respektive in umgekehrter Richtung von der Küste durch eine Abzweigung vor Jerusalem ins Jordantal und damit ins Ostjordanland führte. Der Weg gabelt sich nach dem unteren Bet-Horon auf und geht entweder nordwestlich über Lydda (el-Ludd) nach → Jaffa (Yāfā / Joppe, Koordinaten: 1267.1623; N 32° 03' 15'', E 34° 45' 11'') oder zweigt nach Süden zum Tal von → Ajalon ab und führt dann am Westrand des judäischen Berglands weiter in Richtung Süden (vgl. Robinson / Smith 1865, 252; Delgarte 1918, 78; ausführlich Dorsey 1991, 181-185; s. für das komplexe Wegnetz die folgende Abbildung, die genannten Städte sind farblich markiert).

Bet-Horon 01
Der auf einer Wasserscheide gelegene Höhenweg stellte dabei eine sichere Heerstraße dar, die nur an der Stelle zwischen unterem und oberem Bet-Horon steil abfiel. Dieser strategische Wert der beiden Orte wird noch durch die leicht von der Straße erhobene Lage (zwischen 25 und 30 m) und eine gute Sicht, die bis zum Meer reicht, verstärkt. Das untere Bet-Horon liegt etwa auf 432 m über NN und das obere 619 m (vgl. Delgarte 1918, 73f.76; Bar-Kochva 1976, 13f; Robinson / Smith 1865, 253-255).

3. Bezeichnung

Nach Reed ist die Etymologie des Ortes nicht gesichert. Er erwähnt eine Herleitung ausgehend von hebräisch חֹר ḥor II „Loch, Höhle“, die von den Höhlen in der Umgebung der Orte ihren Ausgang nimmt. Alternativ könnte der Name von der Gottheit → Horon herrühren, die eventuell in Bet-Horon verehrt wurde (vgl. Reed 1962, 393). Für diese Gottheit wurde eine Etymologie von arabisch ḥaur „Boden eines Brunnens, (breite) Senke“ vorgeschlagen, die dem chthonischen Charakter der Gottheit entspreche (Rüterswörden 1999, 425).

Auf Grund der strategischen Bedeutung Bet-Horons wird die Straße nach den Ortschaften benannt (דֶּ͏רֶךְ בֵּ͏ית חֹרוֹ͏ן dærækh bêt ḥorôn; 1Sam 13,18; vgl. auch Jos. Bell. II, 228; Text gr. und lat. Autoren). Auch der besonders gefährliche Streckenabschnitt zwischen dem oberen und unteren Bet-Horon wird in der Hebräischen Bibel eigens mit מוֹ͏רַד בֵּ͏ית חוֹ͏רֹן môrad bêt ḥôron „Abstieg Bet-Horons“ (Jos 10,11) oder mit מַﬠֲ͏לֵה בֵית חוֹ͏רֹן maʿǎleh bêt ḥôron „Aufstieg Bet-Horons“ (Jos 10,10) und in der Forschung stellenweise als "Steige von Bet-Horon" bezeichnet.

4. Biblische Überlieferung

4.1. Festungsbau

Aufgrund der beschriebenen strategischen Lage der beiden Bet-Horon verwundert es nicht, dass der biblische Befund die militärische Bedeutung der Ortslagen widerspiegelt. Dies zeigt sich deutlich in der mehrfachen Erwähnung der Befestigung des Ortes. Zuerst ist der Festungsbau Salomos zu nennen, der im Königebuch nur das untere Bet-Horon, in der Chronik auch das obere Bet-Horon umfasst (1Kön 9,17 par. 2Chr 8,5; vgl. Jos. Ant. 8,152; Text gr. und lat. Autoren). Vermutlich handelt es sich um einen Schreibfehler im Masoretischen Text des Königebuchs (vgl. Japhet 2003, 110). Die Liste der befestigten Städte könnte nach Knauf auf eine Ortsliste des → Rehabeam (926-910 v. Chr.) zurückgehen (Knauf 2016, 292), wird aber auch für völlig fiktiv gehalten (Fritz 1996, 105f). Bei den weiteren Erwähnungen des Festungsbaus in 1Makk 9,50 (vgl. Jos Ant. 13,15; Text gr. und lat. Autoren) – im Zuge der Auseinandersetzung zwischen Bakchides, dem Heerführer des Seleukidenkönigs → Demetrios I. Soter (162-151/50 v. Chr.), und dem Makkabäer Jonatan Apphus (161-142 v. Chr.) – und der Befestigung gegen den heranziehenden → Holofernes in Jdt 4,4 (nicht in der Lutherbibel 1984) wird nur allgemein von Bet-Horon gesprochen, das sich vermutlich auf beide Ortschaften bezieht. In der fiktiven Erzählung von der Bedrohung Jerusalems durch Holofernes wird Bet-Horon in eine Reihe von realen und fiktiven Orten (z.B. Choba und Kona) gestellt. Dieses erzählerische Mittel soll nach Schmitz und Engel eine Übertragung des Geschehens auf die eigene Zeit erleichtern (vgl. Schmitz / Engel 2014, 56-59.142).

4.2. Kriegszüge

Des Weiteren spielen die Orte in verschiedenen Kriegszügen eine Rolle. Als erstes ist auf die Schlacht bei → Gibeon zwischen Josua und den amoritischen Königen zu verweisen (Jos 10,1-15; vgl. Jos. Ant. 5,60; Text gr. und lat. Autoren), die narratologisch einen Wechsel darstellt, insofern hier die kanaanäischen Könige zum ersten Mal aus der passiven in die aktive Rolle wechseln (vgl. Rösel 2011, 160). Die anschließende Flucht der → Amoriter führt am oberen Bet-Horon vorbei (Jos 10,10) und erfährt einen ersten dramatischen Höhepunkt an der Steige von Bet-Horon (Jos 10,11). Hier, also an der schwierigsten Stelle des Weges, griff Jahwe nach der Erzählung ins Geschehen ein, indem er Steine auf die fliehenden Amoriter warf.

Weiter ist auf den Krieg zwischen Saul bzw. Jonatan und den Philistern einzugehen. Die beiden Heere stehen sich in → Michmas (Muḫmās, Koordinaten: 1764.1423; N 31° 52' 16'', E 35° 16' 40'') und Gibea (Tell el-Fūl) gegenüber und werden durch ein nach Dietrich schwer zu überwindendes Tal getrennt (Dietrich 2015, 48), als die → Philister beschließen, das Land Sauls auf verschiedenen Routen, von denen eine in Richtung Bet-Horon führt, zu durchziehen und auszurauben (1Sam 13,17f). Diese Handlung soll die Macht der Philister demonstrieren, könnte aber auch einen gewissen Leichtsinn verraten, da nur ein kleiner Teil des Heeres in Michmas verblieben sei (Bar-Efrat 2007, 196; Dietrich 2015, 48). Tatsächlich wird das Lager in Michmas der Ausgangspunkt des Sieges Sauls bzw. Jonatans (1Sam 14,1-15). Mit dem lukianischen / antiochenischen Text der → Septuaginta könnte gegen den Masoretischen Text der Fluchtweg der Philister über Bet-Horon (Βαιθωρων Baithōrōn) und nicht über → Bet-Awen (Bet-El / Lus, Bētīn Koordinaten: 1727.1482; N 31° 55' 32'', E 35° 14' 20'') geführt haben (1Sam 14,23; Dietrich 2015, 48; Delgarte 1918, 81).

Ein weiterer Plünderungszug in Juda wird ebenfalls durch die Angabe von Bet-Horon beschrieben: Während des Kriegszugs des judäischen Königs Amazja (802/1-773 v. Chr.) gegen → Seïr fallen die von ihm auf göttliches Geheiß aus seiner Streitmacht ausgesonderten israelitischen Söldner über judäische Städte zwischen „Samaria und Bet-Horon“ (2Chr 25,13) her. Die merkwürdige Nennung → Samarias, das im Nordreich liegt, erklärt Japhet mit der Annahme, es habe sich bei dem Überfall um judäische Städte in Israel gehandelt (Japhet 2003, 318).

Von einer weiteren Schlacht nahe Bet-Horon erzählt 1Makk 7,26-49 (vgl. Jos. Ant. 12,408; Text gr. und lat. Autoren). Hier stehen sich Nikanor, der in Bet-Horon lagert (1Makk 7,39f), und Judas Makkabäus (166/65-161 v. Chr.), der in Adasa (Chirbet ‘Adāsa? Koordinaten: 1727.1372, 31° 49′ 39″ N, 35° 14′ 19″ E) sein Lager aufgeschlagen hat, gegenüber. Das 6 km nördlich von Jerusalem gelegene Adasa stellt dabei nach Delgarte den einzigen strategischen Punkt dar, auf dem man den Zugang von Bet-Horon nach Jerusalem verteidigen könne (Delgarte 1918, 82-84).

Die Schlacht zwischen Seron, dem Befehlshaber der Streitkräfte in Syrien, und Judas Makkabäus (1Makk 3,13-26; vgl. Jos. Ant. 12,289; Text gr. und lat. Autoren) fand vermutlich direkt an der Steige von Bet-Horon statt (vgl. Delgarte 1918, 82; ebenso Bar-Kochva 1976, 17). Die Handlung ist stark an der Erzählung von Jos 10,1-15 orientiert (Tilly 2015, 117). Bar-Kochva hat das Narrativ in 1Makk 3,13-26 angezweifelt, da der Titel „Befehlshaber“ vermutlich nicht dem tatsächlichen Rang Serons entspreche und damit dessen Truppenstärke deutlich geringer angesetzt werden müsse. Dennoch spricht Bar-Kochva von einer Heldentat („feat“), da er dem Seron eine thrakische Herkunft und damit Erfahrung im Kampf in unwegsamem Gelände attestiert (Bar-Kochva 1976, 16f).

4.3. Bet-Horon als Teil Efraims

Neben ihrer militärischen Bedeutung sind das obere und untere Bet-Horon in der Hebräischen Bibel auch als Grenzstädte zwischen den Stämmen Efraim und Benjamin bekannt: In Jos 16,3 wird die Südgrenze u.a. durch die Nennung von → Jericho (Tell es-Sulṭān, Koordinaten: 1921.1420; N 31° 52' 15'', E 35° 26' 39''), → Bethel (Bet-Awen / Lus), → Atarot (Chirbet ‘Aṭāra, Koordinaten: 1707.1430, 31° 52′ 48″ N, 35° 13′ 04″ E) und das untere Bet-Horon definiert. In Jos 16,5 läuft die Südgrenze nur über Atarot-Addar (Atarot) und das obere Bet-Horon ans Meer. Dagegen wird in Jos 18,12f die Nordgrenze von Benjamin ähnlich ausführlich beschrieben wie in Jos 16,3. Die Nordgrenze verläuft aber an Bergen südlich von Bet-Horon, so dass die beiden Orte Bet-Horon zu Efraim zu zählen sind (vgl. Fritz 1994, 183; Rösel 2011, 293). Demgemäß erscheint Bet-Horon als eine der Städte, die Efraim in Jos 21,22 par. 1Chr 6,53 an den Stamm Levi (→ Levi / Leviten / Levitenstädte), genauer an die Nachkommen Kehats, abtritt, um das Gebot des → Mose aus Num 35,1-8 zu erfüllen. 1Chr 6,53 weist gewisse Änderungen gegenüber Jos 21,22 auf. Dabei gelte die Liste von Josua allgemein als die ältere, gebende Liste (vgl. Japhet 2002, 167; Rösel 2011, 332). Die Ähnlichkeit zwischen den Listen von Jos 16,1-3 und Jos 18,12f könnte nach Rösel auf eine gemeinsame Quelle, die ursprünglich die Grenze zwischen Juda und Israel beinhaltete, zurückzuführen sein (vgl. Rösel 2011, 267). Gegenläufig wird für die Liste der Levitenstädte aufgrund der idealen Darstellung der fiktive Charakter betont und die Liste als literarisches Konstrukt der anderen Listen aus Josua gesehen und somit eine späte oder eine nachexilische Datierung favorisiert (vgl. Fritz 1994, 210-212; Rösel 2011, 332f).

4.4. Sanballat aus Bet-Horon?

Eventuell könnte → Sanballat, Statthalter von Samaria (vermutlich Sanballat II. unter → Artaxerxes II. [405/04-359/58 v. Chr.]), aus Bet-Horon stammen. In Neh 2,10.19 und Neh 13,28 wird er als Horoniter (הַחֹרֹנִי haḥoronî) bezeichnet, das auch mit Horonajim (Jes 15,5; Jer 48,3.5.34) oder mit Hauran (Ez 47,18) in Beziehung gesetzt wird. Auch wenn für Schunck einiges für Bet-Horon spreche, stehe doch insgesamt fest, dass durch die Bezeichnung die Fremdheit des Sanballat ausgedrückt werden solle – als Samarier (Bet-Horon), als Moabiter (Horonajim) oder als aus dem nördlichen Ostjordanland stammend (Hauran; Schunck 2008, 46f).

5. Außerbiblische Erwähnungen

In EA 290 beklagt → Abdi-Chepa, König von Jerusalem im 14. Jh. v. Chr., gegenüber dem Pharao durch Hapiru verursachte Gebietsverluste, zu denen auch der der Stadt Bit-dNIN.URTA zählt, die von Kallai und Tadmor mit Bet-Horon identifiziert wird (Kallai / Tadmor 1969). Das Triumphrelief Scheschonq I. (946/45-924; biblisch: Schischak) auf dem Bubastidentor in Karnak kommemoriert den Palästinafeldzug des ägyptischen Pharaos (eher die Palästinafeldzüge s. Gaß 2015 und Knauf / Niemann 2021, 163-171) – für gewöhnlich auf 926 v. Chr. datiert (Text und Einleitung: TUAT.NF II, 246-271). Auf dem Relief sind verschiedene Gottheiten zu sehen, die dem siegreichen Pharao Ortsnamen an einem Seil zuführen. Bet-Horon erscheint in einer Abteilung, die von → Amun geleitet wird (Zeile II, 24). Nach Moers sprechen einige Indizien dafür, in der Liste ein Dokument mit hohem Wert für die historische Geographie Palästinas zu sehen (s. TUAT.NF II, 251), auch wenn aus der Erwähnung nicht das Schicksal dieser Ortschaften rekonstruiert werden kann (vgl. Frevel 2018, 196).

Darauf folgt zeitlich die Erwähnung auf einem fast quadratischen Ostrakon (6x6 cm), das bei Tell el-Qasile (antike Hafenstadt im Stadtgebiet von Tel Aviv) als Oberflächenfund aufgelesen wurde (Text und Einleitung: HAE III, 229-231; Qas[8]:2). Die zweizeilige Inschrift, die von Renz ins letzte Viertel des 8. Jh. v. Chr. datiert wird, lautet, wie folgt: „Gold aus Ophir für Beth Horon: / 30 Šeqel“. Die Notiz wird von Renz als Lieferschein bzw. Rechnung klassifiziert. Ein Trenner zwischen „Beth“ und „Horon“ schließe dabei einen Ortsnamen nicht aus, könne aber auch dafürsprechen, dass es hier eigentlich um einen „Tempel des Horon“ gehe.

In Jub 34,4 (datiert um 150 v. Chr.) wird → Jakob u.a. von einem König aus Bet-Horon vor einer Allianz amoritischer Könige gewarnt, die sich der Herde des Jakob bemächtigen wollen, eine Konstellation, die an Jos 10,1-15 denken lässt.

Zuletzt führt die Schatzliste auf der so genannten Kupferrolle aus Höhle 3 in Qumran (→ Qumran-Handschriften) für Bet Horon (im Text החורון hḥwrwn, nach den Herausgebern ersetzt der Artikel das Determinativ „Bet“) einen Schatz mit 22 Talenten Gold und Silber, die sich in einem Grab befänden (DJD III, 268.293; 3Q15 IX,7-9). Da nach wie vor umstritten ist, ob es sich um eine rein fiktive Liste handelt, lässt sich auch für Bet-Horon nicht sagen, ob es diesen Schatz je gegeben hat (Stökl Ben Ezra 2016, 164).

6. Archäologie

Bet-Horon 02
Bisher ist Bet-Horon bzw. Bēt ‘Ūr el-Fōqā und Bēt ‘Ūr et-Taḥtā nur im Rahmen von Surveys untersucht worden. 1873 konnte nach Ovadiah eine kleine byzantinische Kirche, von der ein Teil der Nordmauer und ein Mosaikboden sowie zwei Türsturze erhalten sind, für das untere Bet-Horon verzeichnet werden (vgl. Ovadiah 1970, 27). Weitere architektonische Elemente dieser Kirche wurden bei einer Begehung 1976 an Häusern und der örtlichen Moschee festgestellt (s. Abb. 2, vgl. Bagatti 1979, 106f).

In den 1980ern koordinierte die Israel Antiquities Authority (IAA) einen Survey, der das Bergland des Stammesgebietes von Benjamin und Teile Efraims umfasste. Bēt ‘Ūr et-Taḥtā war schon zuvor zweimal im Rahmen von kleineren Surveys der IAA untersucht worden. Sowohl in Bēt ‘Ūr et-Taḥtā (Survey-Nr. 22) als auch an den beiden in Bēt ‘Ūr el-Fōqā untersuchten Stellen (Survey-Nr. 28 und 143) wurde schwerpunktmäßig Keramik aus der → Eisenzeit II gefunden. Weitere Streufunde stammen aus einem Zeitraum von der → Eisenzeit I bis zur osmanischen Zeit. Für Bēt ‘Ūr el-Fōqā Nr. 28 werden darüber hinaus einzelne Scherben aus der Mittelbronzezeit erwähnt. Eine weitere nach einem Grabraub untersuchte Grabanlage wies vereinzelte Keramikfragmente aus der späthellenistischen / römischen Zeit auf (Peleg). Neben den oben genannten Resten byzantinischer Architektur weist Bēt ‘Ūr et-Taḥtā Überreste einer Weinpresse, einer Grabanlage, einer Färbeeinrichtung, die bereits auf einem anderen Survey festgehalten worden ist (IAA 1969), sowie einer Ölpresse auf. Ein bei einem Survey von 1971 vermerktes Silo und eine direkt daran anschließende römische Grabanlage werden dagegen nicht erwähnt (IAA 1971). Auch für Bēt ‘Ūr el-Fōqā (Nr. 28 und 143) listet der Survey industrielle Anlagen (u.a. eine Ölpresse und mehrere Weinpressen), Wasserinstallationen, Grabhöhlen und weitere architektonische Überreste sowie Überreste einer römischen Straße (Finkelstein / Magen 1993, 43-45.49.142). Dass es sich bei der Straße von Bet-Horon insgesamt um eine Römerstraße gehandelt hat, belegen Funde von Meilensteinen und ein Grabungsschnitt (vgl. Roll / Ayalon 1984; weitere Literatur Bar-Kochva 1976, 14).

7. Bet Horon ab römischer Zeit

Bet-Horon ist auch von Bedeutung zur Zeit der Spannung zwischen Juden und Römern, die sich im Jüdischen Aufstand (66-70 n. Chr.) entluden. Der Vorfall um einen Sklaven des Kaisers Claudius (41-54 n. Chr.), der bei Bet-Horon überfallen wurde, zeigt die schon zuvor erregte Lage, als ein Soldat im Zuge einer Vergeltungsmaßnahme ein jüdisches Gesetzbuch schmähte. Die aufgebrachte Bevölkerung ließ sich nur durch die Hinrichtung des Soldaten wieder beruhigen (Jos. Bell. II,228-231; Text gr. und lat. Autoren; vgl. Jos. Ant. 20,113-117; Text gr. und lat. Autoren).

Der Kriegszug des Cestius Gallus (Jos. Bell. II,513-555; Text gr. und lat. Autoren), der ausweislich der Worte des Josephus den Aufstand im Keim hätte ersticken können (Jos. Bell. II,531; Text gr. und lat. Autoren), endete beinahe in einer vernichtenden Niederlage. Dem Legaten der syrischen Provinz (von 65 bis zu seinem Tod 67 n. Chr.) wurde die Steige von Bet-Horon zum Verhängnis (vgl. Bar-Kochva 1976, 18-20; dagegen Delgarte 1918, 88f).

In römischer Zeit könnte auch Paulus auf seinem Weg nach Caesarea über Antipatris (Rās el-‘Ēn, Koordinaten: 1435.1680, 32° 06′ 19″ N, 34° 55′ 47″ E) auf dem Weg von Bet-Horon unterwegs gewesen sein (Apg 23,31-33; vgl. Robinson / Smith 1856, 251). Ab der byzantinischen Zeit verliert sich das Schicksal Bet-Horons im Nebel. Eine byzantinische Kirche sowie die Eintragung auf der Madeba-Karte zeigen, dass der Ort bzw. die Orte in dieser Zeit noch eine Bedeutung hatten (vgl. Ovadiah 1970, 27; Wilkinson 2002, 152). Der Ort war im 12. Jh. ein Lehen der Grabeskirche in Jerusalem (vgl. Conder / Kitchener 1883, 17; Bagatti 1979, 106f; für weitere Erwähnungen in byzantinischen Quellen s. Bagatti 1979; Wilkinson 2002, 286). Für die anschließende Zeit fehlen nach Robinson Erwähnungen von Pilgern, Kreuzfahrern oder Orientreisenden, bis Clarke 1801 den Ort wieder besuchte und mit dem antiken Bet-Horon in Beziehung setzte (Robinson / Smith 1856, 252).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
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Abbildungsverzeichnis

  • Plan des Wegnetzes, das das nördliche Juda mit der Küste verband. 590a bezeichnet das „obere Bet-Horon“. Aus: Dorsey 1991, 182 (farbliche Markierungen hinzugefügt)
  • Kapitell aus einer byzantinischen Kirche an einem modernen Gebäude. Aus: Bagatti 1979, Tf. 41, Abb. 2

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