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Art / Spezies

(erstellt: April 2011)

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1. Terminologie

Der Allgemeinbegriff für botanische oder zoologische Arten lautet im Hebräischen מִין mîn „Art / Spezies“. Es ist ein Kollektivbegriff, der die verschiedenen Arten, die zu einer Hauptgattung gehören, meint (vgl. Gesenius, 18. Aufl., 668f). Der Begriff ist im Alten Testament (ohne Apokryphen) insgesamt 31-mal belegt, davon zehnmal in der Schöpfungsgeschichte und siebenmal in der → Sintflutgeschichte der → Priesterschrift sowie 13-mal in den Listen der unreinen Tiere (Lev 11; Dtn 14). Auf Pflanzen wird er im Alten Testament einmal angewendet; alle übrigen Belege beziehen sich auf Tiere (zu den Ausnahmen bei Sirach s. 4.). Der Begriff, dessen Herleitung im Dunkeln liegt, ist etymologisch mit tǝmûnāh verwandt. In der → Septuaginta findet sich zumeist die Wiedergabe mit ὅμοιος (20-mal) bzw. γένος (11-mal).

2. „Art“ (מִין) in der Priesterschrift (Gen 1; 6,20; 7,14)

„Die Verschiedenheit der Arten gründet im Plan der Schöpfung. Wie die unvergänglichen Werke dem Prinzip der Separation (hibdîl) unterworfen sind, so die vergänglichen Werke dem Prinzip der Differenzierung (mîn)“ (Beauchamp 1984, 867). Erst das Erkennen des Verschiedenen ermöglicht es dem Menschen, den Kosmos vom Chaos zu unterscheiden und die Welt insgesamt als „gut“ zu qualifizieren (vgl. Müller 1995, 140).

In Gen 1 bezieht sich das Nomen mîn zum einen auf die verschiedenen Pflanzenarten, die den Gattungen der Gräser / Kräuter und der fruchttragenden Bäume zugeordnet und so voneinander unterschieden werden (Gen 1,11f). Zum andern werden die tierischen Bewohner der Gewässer und des Himmels (Gen 1,21) sowie des Landes (Gen 1,24) nach Arten differenziert. Bei den Landtieren fällt die gattungsmäßige Untergliederung in Haustiere, Tiere des Feldes (Wildtiere) und Reptilien auf. Im Hintergrund der im Rahmen der Gattungen vorgenommenen Differenzierung der Arten steht das Interesse der Weisheit an Klassifikation bzw. Taxonomie. Nicht nur die Bedeutung der Arten für den Menschen ist im Blick; „es ist vielmehr ein objektives Interesse an der Vegetation in ihrer Gliederung in Arten zu erkennen“ (Westermann 1976, 66); und auch bei den Tieren „wird versucht, den ganzen Bereich der Fauna in große Gruppen gegliedert darzustellen“ (Westermann 1976, 67).

Diese verschiedenen Arten werden in Gen 1,26.28 der Herrschaft des Menschen unterstellt, dem als „Bild Gottes“ für die gesamte Schöpfungswelt Verantwortung übertragen wird (vgl. Janowski 1993). Die durch die Gewalt allen Fleisches (Gen 6,11-13), also von Menschen und Tieren, ausgelöste Zerstörung der „Integrität der gemeinsamen Lebenswelt“ (Link 1991, 396) hat das sich in der Sintflut manifestierende göttliche Gericht zur Folge. Die Sintflut aber soll, so die Aufforderung in Gen 6,19, das Leben auf der Erde nicht völlig auslöschen. Vom „Ende alles Fleisches“ sollen neben Noah und seiner Frau, seinen drei Söhnen und deren Frauen je ein männliches und ein weibliches Exemplar aller Tierarten ausgenommen werden, „damit sie am Leben bleiben“. Dabei fällt auf, dass die Fische – anders als die Vögel, die Landtiere und die Kriechtiere – nicht genannt werden, denn natürlich „wußte auch P, dass man mit einer Überschwemmung keine Fische ausrotten kann“ (Stipp 1999, 180). Gen 7,14 berichtet dann von der Umsetzung der göttlichen Aufforderung zu Beginn der Sintflut, durch die der Arterhalt bei den Tieren gesichert war. Und nach Gen 7,16b sorgt Gott selbst für das sichere Überleben von Menschen und Tierarten während der Sintflut, wenn es heißt: „JHWH schloss hinter ihm (sc. Noah) [die Arche] zu“. Der Bestand der Arten sollte also auch für die Zeit nach der Sintflut bewahrt bleiben.

3. „Art“ (מִין) in Lev 11 und Dtn 14

In den Listen der reinen und unreinen Tiere Lev 11 und Dtn 14 sind es vor allem die Weihe (Lev 11,14; Dtn 14,13), der Rabe (Lev 11,15; Dtn 14,14), der Sperber (Lev 11,16; Dtn 14,15), der Häher (Lev 11,19; Dtn 14,18) und der Gecko (Lev 11,29), bei denen jeweils extra betont wird, dass die gesamte Tierklasse mit all ihren Arten unrein sei. Dagegen gelten die verschiedenen in Lev 11,22 aufgezählten Heuschreckenarten als rein und durften verzehrt werden. In Lev 11 und Dtn 14 ist z.T. unklar, welche Tierart genau mit den hebräischen Termini bezeichnet wird (siehe dazu die Einzelartikel). Um das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Antiordnung zu wahren, war die genaue Erfassung des gegenmenschlichen Wirklichkeitsbereichs und aller dazu gehörigen Tierarten nötig.

4. Übrige Belege

Die Heilszeit wird dadurch gekennzeichnet sein, dass selbst das Tote Meer von zahlreichen Fischarten bevölkert sein wird (Ez 47,10).

Sir 43,25 (Lutherbibel: Sir 43,27) spricht von den Arten aller Lebewesen (מין כל חי). Sir 13,15f (Lutherbibel: Sir 13,19f) formuliert die Suche nach dem Gleich„artigen“, die das Leben in der Menschenwelt und in der Tierwelt bestimmt.

Literaturverzeichnis

1. Literatur

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992

2. Weitere Literatur

  • Beauchamp, P., Création et Separation, Paris 1969, 240-247
  • Beauchamp, P., Art. מִין mîn, in: ThWAT IV, Stuttgart 1984, 867-869
  • Cazelles, H., MYN – espèce, race ou resemblance? École des langues orientales anciennes de l’Institut catholique de Paris: Mémorial du cinquantenaire, 1914-1964, Paris 1969, 105-108
  • Janowski, B., Herrschaft über die Tiere. Gen 1,26-28 und die Semantik von rdh, in: G. Braulik u.a. (Hgg.), Biblische Theologie und gesellschaftlicher Wandel (FS N. Lohfink), Freiburg 1993, 183-198
  • Janowski, B., Schöpferische Erinnerung. Zum „Gedenken Gottes“ in der biblischen Fluterzählung, in: ders., Die Welt als Schöpfung. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 4, Neukirchen-Vluyn 2008, 172-198
  • Link, Chr., Schöpfung. Schöpfungstheologie angesichts der Herausforderungen des 20. Jahrhunderts (HAST 7/2), Gütersloh 1991
  • Müller, H.-P., Das Problem der Tierbezeichnungen in der althebräischen Lexikographie, SEL 12 (1995), 135-147
  • Steck, O.H., Der Schöpfungsbericht der Priesterschrift (FRLANT 115), Göttingen 2. Aufl. 1981
  • Stipp, H.-J., „Alles Fleisch hatte seinen Wandel auf der Erde verdorben“ (Gen 6,12). Zur Mitverantwortung der Tierwelt an der Sintflut nach der Priesterschrift, ZAW 111 (1999), 167-186
  • Westermann, C., Genesis 1-11 (BK I/1), Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 1975, 174f
  • Westermann, C., Schöpfung (TT 12), Stuttgart 2. Aufl. 1976

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