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Areopagrede

(erstellt: August 2015)

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Die Areopagrede bezeichnet die in Apg 17,22b-31 dargestellte Paulusrede an pagane Hörer, als deren beziehungsreiches Setting der Areopaghügel der geschichts- und kulturträchtigen Polis Athen dient (siehe auch: → Polis; → Athen), wobei zugleich deren altehrwürdige Leitungs- und Gerichtsbehörde → Areopag vor Augen tritt (vgl. Apg 17,16-22a; Apg 17,32-34). Die in weiten Teilen philosophisch klingende Rede, einem „sokratisch“ wirkenden → Paulus zugeschrieben, gilt als klassischer Beleg für die Begegnung zwischen urchristlichem Evangelium und griechischer Bildungswelt bzw. für das lukanische Bemühen um die Integration des Christusglaubens in die zeitgenössische Mehrheitskultur.

1. Forschungsgeschichte

Die literarische und konzeptionelle Eigenart der Areopagrede sicherte ihr außergewöhnliches Forschungsinteresse. 1913 wurde sie mit der Studie „Agnostos Theos“ von Eduard Norden (1868-1941) zum Gegenstand lebhafter Kontroversen zwischen Altphilologen und Neutestamentlern. Norden führte einen Teil ihres Inhalts auf eine theologische Erörterung des neupythagoreischen Wanderphilosophen Apollonios von Tyana aus der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts zurück; in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts habe der epigonenhafte Redaktor der → Apostelgeschichte sie, um biblisch-christliche Topoi erweitert, Paulus in den Mund gelegt. Demgegenüber wertete der Theologe → Adolf Harnack (1851-1930) die Rede als ursprünglichen Bestandteil der Apostelgeschichte; sie gehe in Grundzügen auf Paulus und in der literarischen Gestalt jedenfalls auf dessen Begleiter Lukas zurück. Obschon die These Nordens sich zunächst unter Altphilologen durchsetzte, wurde sie – auch von Norden selbst – später aus quellenkritischen Gründen aufgegeben. In der Folgezeit blieb die Frage nach dem Verhältnis von philosophischem und spezifisch christlichem Denkstil in der Areopagrede umstritten. Besonders eingehend wurde diskutiert, inwiefern die lukanische Komposition, die als Musterbeispiel einer Missionspredigt an die → Heiden galt, mit ihrer Auffassung von der allgemein-menschlichen Gottesverwandtschaft und Gotteserkenntnis stoisch inspiriert sei, sich als Beleg einer „natürlichen Theologie“ verstehen lasse und insofern die urchristliche Endzeit- und Umkehrbotschaft sprenge. Aus dieser Sicht wurde der Redeschluss (Apg 17,30f) als Anhang an einen geschlossenen philosophisch geprägten Gedankengang gewertet (Dibelius, 1939; Pohlenz, 1949). Demgegenüber wurde betont, dass die biblisch-frühjüdischen Verstehens- und Verkündigungsprämissen die Rede grundlegend kennzeichneten, während die stoischen Aussageelemente eher vordergründig auf Anschlussfähigkeit zielten (Gärtner, 1955). Nuancierter wurde aufgewiesen, dass die Areopagrede die im → hellenistischen Judentum herrschende Neigung zu einer selbstbewussten, aber kulturell offenen Theologie widerspiegle und christlich adaptiere. In dieser Sicht bildet der Redeschluss eher den konsequenten Zielpunkt der Verkündigung (Nauck, 1956; Lebram, 1964; Haenchen, 71977). Zweifellos dienen die stoischen Aussagen nicht der Verkleidung, sondern der Verkörperung des Evangeliums, aber dieses wurzelt für „Lukas“ allein im → biblischen Schöpfungsglauben und urchristlichen Christus-Kerygma (Weiser, 1985; Löning, 1992; Klauck, 1996, 88-111). In dieser Richtung wird neuerdings das Specificum Christianum der Areopagrede noch entschiedener hervorgehoben: Statt dem Sog der versprengten Stoikerzitate zu verfallen, habe der Ausleger die makro- wie mikrokontexuelle Konfliktsituation zwischen dem lukanischen Paulus und seinen nicht-christlichen Hörern ebenso wie die ironische Doppeldeutigkeit der Verkündigungsrede zu würdigen: Lukas übersetze den Geltungsanspruch des Evangeliums nicht affirmativ in stoische Sprache, sondern präsentiere das christliche Sinnsystem als ausschließende Alternative zum philosophischen Lebensentwurf (Rowe, 2011; vgl. Jipp, 2012).

Der skizzierten Problemstellung benachbart ist die Frage, inwiefern die Areopagrede der historischen Botschaft des Apostels Paulus entspricht. Während in jüngerer Zeit nur selten bezweifelt wurde, dass die Areopagrede sich als Ganze lukanischer Komposition verdankt, wird kontrovers darüber geurteilt, inwieweit sich der Offenbarungsanspruch der paulinischen Bekehrungspredigt (vgl. bes. Röm 1,18-2,16; 1Thess 1,9f) mit der Areopagrede vereinbaren lässt: Die beiden Ansätze schließen einander theologisch aus (Dibelius, 1939; Pohlenz, 1949), setzen verschiedene Akzente (Nauck, 1956; Haenchen, 1977) oder sind, ungeachtet der je eigenen Sprachwelt, durchaus miteinander verwandt (Weiser, 1985; Klauck, 1996; Marguerat, 2015). Unter dem Einfluss der jüngeren geschichtstheoretischen Diskussion sieht die aktuelle Apg-Exegese in der Areopagrede ein Erinnerungsbild, das zwar nicht eine tatsächlich in Athen gehaltene Paulus-Predigt wiedergibt, aber die geschichtlich wirksame Brückenfunktion des Völkermissionars in ihrer Gegenwartsrelevanz deutend verdichtet (Schröter, 2004, 213-217).

2. Kontext und Setting

Auf seiner „zweiten Missionsreise“ hat Paulus auf der Route von Makedonien nach → Korinth in Athen auf → Silas und → Timotheus zu warten. Er nutzt die Gelegenheit zur Verkündigung. Während er sich in der athenischen → Synagoge wie üblich an Juden und → Gottesfürchtige wendet, spricht er auf der Agora die Passanten an, unter denen sich epikureische und stoische Philosophen befinden. Die erste Gruppe verspottet ihn, die andere verdächtigt ihn, fremdartige Gottheiten zu verkünden, wobei (in lukanischer Ironie) an ein Götterpaar „Jesus und Anastasis“ gedacht zu sein scheint. Wie auch sonst hat sich Paulus vor der Bevölkerung und der mit ihr vereinten lokalen Behörde – in Athen: dem → Areopag – zu rechtfertigen. Die kritische Anfrage stellt das Neuartige und Befremdliche an der „Lehre“ des Paulus heraus. In einem seiner seltenen Erzählerkommentare bescheinigt Lukas – mit einem verbreiteten Klischee (vgl. z.B. Thukydides 3,38,4f; Chariton, Kallirhoe 1,11,6) – Volk und Beisassen von Athen außerordentliches Interesse an der Verbreitung und Aufnahme von Neuigkeiten.

Das Paulusbild trägt Züge des prophetischen Zornes über die „→ Götzenbilder“ in der Stadt, in der sich viele Heiligtümer befanden und deren Frömmigkeit landläufig hervorgehoben wurde (vgl. z.B. Josephus, Contra Apionem 2,130; Pausanias 1,17,1). Vor allem ist es von einer Sokrates-Mimesis geprägt, die dem antiken Leser kaum entgehen konnte: Paulus spricht auf der Agora des Weges Kommende an (vgl. Platon, Apologia 17c.29d-e; Xenophon, Memorabilia 1,1,10); er wird irrtümlich verdächtigt, neue Gottheiten einzuführen (vgl. Platon, Apologia 24b; Xenophon, Memorabilia 1,1,2); er muss sich – wenn auch nicht formal angeklagt – vor dem athenischen Volk verantworten, wobei auch die (allerdings allgemein gebräuchliche) Anrede ándres Athēnaíoi an Sokrates erinnert (vgl. Platon, Apologia 17a). Diese Bezüge werden eher konnotiert als durchgespielt: Paulus ist kein zweiter Sokrates, sondern das von ihm verkündigte Evangelium wird durchschaubar auf die philosophische Aufklärung des „edelsten Griechen“, den es zugleich hinter sich lässt.

Die Reaktion auf die Paulusrede erscheint abermals gespalten: Die → Epikureer, die von ihren Grundauffassungen her keinen Zugang zum Auferstehungsglauben gewinnen können, spotten erneut; die Stoiker nehmen (kaum als Ironie) eine Fortsetzung des Gesprächs in den Blick. Nur wenige Hörer finden zum Glauben. Lukas nennt den Areopagiten Dionysios, also ein Mitglied der örtlichen Elite, und eine sonst unbekannte Frau namens Damaris. Möglicherweise birgt diese Schlussnotiz historische Erinnerung. Es wurde vermutet, dass die Erwähnung des Areopagiten den Anstoß zum Setting der Rede an symbolträchtiger Stätte gegeben habe.

3. Reden in der Apostelgeschichte

Nach der bereits im sog. Methodenkapitel des „Peloponnesischen Krieges“ (Thukydides 1,22,1) besprochenen und in der griechisch-römischen Geschichtsschreibung verbreiteten Praxis dienen die vom Historiographen ausgearbeiteten Redefiktionen dazu, den Richtungssinn des geschichtlichen Verlaufs, gerade auch Höhe- oder Wendepunkte, zu beleuchten. Die komponierte Rede soll rhetorisch eindringlich sein und zum geschichtlichen Akteur, Ort und Adressatenkreis der Rede passen. Die Apostelgeschichte bietet in diesem Sinn drei ausgeführte paulinische Programmreden: an Juden und Gottesfürchtige in der Synagoge des → pisidischen Antiochien (Apg 13,16b-41), an heidnische Stadtbevölkerung auf dem Areopag und an christliche Verantwortungsträger in der Abschiedsrede vor den → Presbytern von → Ephesus (Apg 20,18b-35). Die Areopagrede besitzt in der Rede des Paulus vor paganer Landbevölkerung in Lystra (Apg 14,15-17) ein knapperes Gegenstück, in dem die Missionare → Barnabas und Paulus angesichts der derben Volksreligiosität freilich erst den jüdischen Monotheismus zu verkünden haben und zur Christus-Verkündigung gar nicht gelangen (vgl. Apg 14,8-20). Wie die Areopagrede vor der athenischen Kulturwelt mit stoischen Anklängen Anschluss sucht, knüpft die im Schöpfungsbild verwandte Rede vor den ländlich geprägten Hörern zu Lystra an Naturerfahrungen an. In diesem Licht verliert die Areopagrede etwas von ihrer Ausnahmestellung: Das Evangelium wird stets konkret-hörerbezogen verkündet.

4. Aufbau und Inhalt

Die Areopagrede ist nach Komposition, Stil und Sprachfarbe sorgfältig gestaltet und offenkundig darum bemüht, „philosophischen“ Klang anzunehmen. Gliederungsvorschläge orientieren sich teilweise an bestimmten rhetorischen Strukturschemata, die in dieser literarisierten Rede jedoch lediglich stückweise wahrzunehmen sind.

Apg 17,22b-23 Redeeingang: Themenangabe mit captatio benevolentiae

Apg 17,24-29 Schöpfungstheologische Grundlegung: Kritik am paganen Kultwesen und Aufweis der Gottesnähe aller Menschen

Apg 17,30f Endzeitliche Zielführung: Christliche → Umkehrbotschaft.

In der Exegese werden einzelne hervorstechende Bestandteile der Rede, vor allem die „Stoikerzitate“ besonders aufmerksam – mitunter auch vom Erzählzusammenhang isoliert – wahrgenommen. Die Interpretation wird sowohl die kontextuelle Einbettung als auch den Gesamtverlauf der Rede berücksichtigen.

(a) Redeeingang: Als Ausgangspunkt seiner Ansprache wählt Paulus die von ihm bei der Stadtbesichtigung entdeckte Altaraufschrift: „Dem unbekannten Gott!“ (Agnṓstōi theṓi). Solche Widmungen (vgl. Pausanias 1,1,4; 5,14,8; Philostrat, Vita Apollonii 6,3) dienten der scheuen Berücksichtigung von Gottheiten, denen man die namentliche Verehrung schuldig blieb (vgl. van der Horst, 1989). Vermutlich hat Lukas selbst den verbreiteten Plural in den Singular verwandelt (vgl. Tertullian, Ad nationes 2,9,4; Hieronymus, In epistolam ad Titum 1,12-14): Paulus vereinnahmt die Altaraufschrift für den jüdisch-christlichen Monotheismus. Seine Verkündigung ist freilich gerade nicht auf fremde und neuartige Gottheiten ausgerichtet, sondern auf den seit jeher waltenden einen Gott, der den Heiden allenfalls als Ahnung bekannt werden konnte. Das Adjektiv „ausgesprochen gottesscheu“ (deisidaimonestéroi) ist ironisch doppeldeutig: Auf der Ebene der erzählten Welt verbeugt sich der Redner mit einem rhetorischen Eingangskompliment vor seiner frommen Zuhörerschaft; auf der Ebene der kommunizierten Welt entlarvt der Erzähler gegenüber seinen Lesern diese Frömmigkeit als Aberglauben – der üblicherweise von der paganen Umwelt gegenüber den Christen erhobene Vorwurf.

(b) Kritik am paganen Kultwesen: Die den Mittelteil der Rede rahmende Zurückweisung des als Dienstleistung verstandenen Kulthandelns und des damit verbundenen anthropomorphen Gottesbilds gehört zu den gängigen Motiven der philosophischen und theologischen Religionskritik. Sie wird besonders scharf von der → prophetischen (vgl. z.B. Jes 40,15-20; Jes 44,9-20) und der → weisheitlichen (Weish 13,10-16; Weish 15,15-19) sowie der → stoischen (Seneca, Ad Lucilium 95,47.50) und, auf andere Weise, der → epikureischen Gotteslehre (Lukrez, De rerum natura 1,54-61; 2,1090-1104) vorgetragen: Die Gottheit in ihrer universalen Vollkommenheit darf nicht mit menschlichem Machwerk verwechselt werden, sprengt die Grenzen irdischer Behausung und ist über menschliche Bedürfnisse erhaben (vgl. Apg 7,48-50). In dieser religionskritischen Bestimmung liegt das eigentliche Schnittfeld zwischen philosophischer und urchristlicher Tradition.

(c) Aufweis der Gottesnähe aller Menschen: Affirmativ wird die Gottheit mit biblisch-traditionsgebundener Sprache, der im hellenistischen Judentum verbreiteten Tradition folgend, als Schöpfer und Erhalter des Alls beschrieben (vgl. z.B. Dtn 32,8; Ps 74,17; Jes 42,5f; Weish 13,4f). Der Zusammenhang von Gottheit und Weltordnung war ein Leitthema der Stoa, gerade auch in ihrer Auseinandersetzung mit der epikureischen Schule. Die Rede bewegt sich in der Nähe zu stoischen Leitgedanken, die freilich längst auch jüdische Theologie erreicht hatten. Der Redner untermalt die dem Menschen zugewiesene Ordnung der Schöpfung und seine Fähigkeit zur Gottsuche sowie die grundlegende Verwandtschaft der Menschen mit Gott durch ein Zitat: „denn von dessen Geschlecht sind wir auch“ (toú gár kaí génos esmén). Der Teilvers (Phaenomena 5) stammt aus einem in hellenistisch-reichsrömischer Zeit sehr bekannten astrologischen Lehrgedicht des Stoikers Aratos von Soloi (um 310-250 v. Chr.). Bei diesem Dichter bezeichnet die Aussage in einem pantheistischen Sinn die Verwobenheit des menschlichen Seins mit dem allumfassenden göttlichen Sein, die es ermöglicht und fördert, dass der Mensch das Göttliche erkennt. Aratos mag seinerseits von Kleanthes von Assos, dem Nachfolger Zenons als Schulhaupt der Stoa, inspiriert sein, der die Zeusverwandtschaft des Menschen ebenfalls pantheistisch versteht (Zeushymnus 3-5). Eine pantheistische Auffassung dürfte ursprünglich auch hinter der Aussage „In Ihm nämlich leben wir und bewegen wir uns und sind wir“ stehen. Es wird nicht ersichtlich, dass Lukas den ursprünglichen Ort des Zitats oder der Anklänge kennt („wie auch manche eurer Dichter gesagt haben“). Eine ähnliche Theologie war – auch außerhalb des stoischen Schulsystems – vielseitig vertretbar (vgl. Seneca, Ad Lucilium 41,1f; Dion Chrysostomos 12,27f; 30,26; Josephus, Antiquitates Iudaicae 8,107f; bes. – mit Zitat von Aratos, Phaenomena 1-9 – Aristobulos, fr. 4 nach Eusebios, Praeparatio evangelica 13,12,6-8). In keinem Fall liegt Lukas an der nicht-christlichen Bedeutung der Verse. Vielmehr ordnet er sie ganz der schöpfungstheologischen Sinndynamik unter: Das pantheistisch Eine – also das Prinzip, aus dem das Menschengeschlecht stammt – wird in gezielter Doppeldeutigkeit auf den biblisch bezeugten „Einen“ durchsichtig, nämlich → Adam, der nach Gottes Bild geschaffen ist (vgl. Gen 1,27f). Die Verwandtschaft des Menschen mit Gott führt somit nicht zu einer optimistischen Einschätzung menschlicher Erkenntnisfähigkeit, sondern zu der kritischen Einsicht, dass Gott nicht in das Menschenmaß einzusperren, der Mensch aber nach ihm, dem je Größeren, ausgerichtet ist. Was – genauer: wer – das Göttliche eigentlich ist, wird erst durch die christliche Predigt offenbar.

(d) Christliche Umkehrbotschaft: Das der Areopagrede oft zugeschriebene apologetische Anliegen liegt also im Brückenschlag zu paganen Plausibilitäten, tangiert jedoch die christliche Botschaft als solche nicht. Der Redeschluss beschwört zunächst – mit deutlichem Unterschied zum Motiv des endzeitlichen → Gotteszorns (vgl. z.B. Röm 1,18-2,11) – die Großherzigkeit, mit der Gott die Unkenntnis der früheren Generationen übersieht. Damit schließt sich der Ring zum Redeeingang. Dann aber folgt in dramatischer Wende mit Blick auf die → Endzeit (tá nún) der christliche Umkehrruf. Er ist gezielt allgemein gehalten: Der Tag des Endgerichts betrifft alle Menschen. Christus wird nicht namentlich genannt, sondern in einer dem Verstehenshorizont der Zuhörer angepassten Weise als Gerichtsmandatar Gottes beschrieben; seine Auferstehung wird mit einem ungewöhnlichen Motiv als göttliche Bekräftigung dieser endzeitlichen Stellung dargestellt.

Die Kunst der Areopagrede liegt nicht in ihrem – häufig überschätzten – Bildungswissen. Sie zitiert „geflügelte Worte“, ohne sie gedanklich zu durchdringen. Kunstfertig wirken dagegen der Brückenschlag zwischen frühjüdisch-urchristlicher und paganer Sprachwelt, das ironische Doublespeak und das eindrückliche Szenenbild. Ihr Geltungsanspruch ist durchaus offensiv: Das antike Kultwesen ist Illusion, die griechische Theologie Selbstmissverständnis und allenfalls tastende Ahnung; der Erdkreis ist dem Bevollmächtigten Gottes – nicht dem Kaiser, sondern dem → Messias – unterworfen. Das vor Augen gemalte Gedächtnisbild zeugt von christlichem Selbstbewusstsein: Das Evangelium pflanzt sein Panier in der symbolischen Mitte der griechisch-römischen Kultur auf. Letztlich beugt sich diese entgegenkommende Botschaft der paganen Kultur nicht, sondern bietet ihr die „Taufe“ an.

Literaturverzeichnis

1. Kommentare

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