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Arbeiter / Arbeiterinnen

(erstellt: Oktober 2013)

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1. Zum Begriff

Der griech. Begriff für den Arbeiter oder auch die Arbeiterin (so Avemarie, 461), ergátēs, ist Teil des Wortfeldes, dem auch die Begriffe ergázomai (arbeiten, tätig sein …) und érgon (Betätigung, Arbeit, Werk …) zugeordnet werden können. Ergátēs bezeichnet im Profangriechischen zunächst allgemein denjenigen, der etwas tut (etwa Philo, Legum Allegoriarum I 54; Lk 13,27), dann auch den, der für Lohn arbeitet, den Landarbeiter (Philo, De agricultura 5; Josephus, De bello Judaicao IV 557) oder den → Sklaven (Josephus, Antiquitates XII 194). Als Landarbeiter ist der ergátēs auch im NT anzutreffen (Mt 9,37f. par. Lk 10,2; Mt 20,1f; Mt 20,8; Jak 5,4).

Das NT kennt Arbeiterinnen und Arbeiter (ergátēs) auch in übertragener Bedeutung, wenn etwa → Apostel oder Lehrer als „betrügerische Arbeiter“ (2Kor 11,13) und „schlechte Arbeiter“ (Phil 3,2) beschrieben werden oder – in den → Pastoralbriefen nicht mehr ganz so negativ – von einem „Arbeiter, der sich nicht zu schämen braucht“ (2Tim 2,15) die Rede ist. Auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (synergoí) ist v.a. in den Briefen die Rede. → Paulus nennt diejenigen, die ihn bei der Verbreitung des Evangeliums unterstützen, seine „Mitarbeiter (in Christus)“ (Röm 16,3; Röm 16,9; Röm 16,21; Phil 2,25; Phil 4,3 u. ö.) oder „Gottes Mitarbeiter“ (1Kor 3,9).

Was die Arbeiterinnen und Arbeiter zu erdulden haben, wird im NT mit Begriffen wie „Mühe/Anstrengung“ (neben kópos auch móchthos, etwa 2Kor 11,27) und „Arbeit/Mühsal/Schmerz“ (pónos, etwa Kol 4,13) beschrieben, die dem Wortfeld Arbeit eine deutliche Prägung verleihen und die körperliche Arbeit als das ausweisen, was sie für ca. 80 % der Bevölkerung (von Reden, 965) wohl zur Hauptsache war, nämlich Mühe und Anstrengung. Kópos und móchthos beschreiben bei Paulus sowohl die handwerkliche Arbeit als auch – im übertragenen Sinne – die Verkündigungstätigkeit, entweder seine eigene oder die von anderen (Röm 16,6; Röm 16,12; 1Kor 3,8; 1Kor 4,12; 1Kor 15,10; 1Kor 16,16; 2Kor 6,5; 2Kor 11,23–29; 1Thess 2,9; 2Thess 3,8 u. ö.; vertiefend Ebner, 69.152f.161–172).

2. Berufe und Tätigkeitsfelder von Arbeiterinnen und Arbeitern im NT

Darüber hinaus finden sich an vielen Stellen verstreut im NT Informationen zu Berufen, die die Genannten indirekt als Arbeiterinnen und Arbeiter – z.T. auch im Sklavenverhältnis – ausweisen, selbst wenn sie nicht direkt als Arbeiterinnen und Arbeiter vorgestellt werden. Wie im AT (→ Arbeit [AT]) sind auch im NT deutliche Tätigkeitsschwerpunkte im Bereich des Handwerks sowie der Land- und Viehwirtschaft zu erkennen (Herz, 197f.). Jesus selbst wird als téktōn/Bauhandwerker bezeichnet (Mk 6,3 par.; Mt 13,55), zu seinen Jüngern zählen Fischer und Zöllner (Mk 1,16; Mk 2,14). Christinnen und Christen im 1. Jh. sind in den unterschiedlichsten Berufen tätig: als Gerber (Apg 9,43), Hauptmann im Militär (Apg 10,1), als Purpurhändlerin (Apg 16,14), Schneiderin (Apg 9,39) oder Schmied (2Tim 4,14). Paulus sowie seine Mitarbeiter → Priska und Aquila werden als Zeltmacher präsentiert (Apg 18,3). Auskunft über Berufsgruppen in den frühen Gemeinden geben auch die Grußlisten paulinischer wie deuteropaulinischer Briefe (→ Brief / Briefformular), die einen Stadtverwalter (Röm 16,23) oder einen Arzt (Kol 4,14) kennen. Eine Auseinandersetzung zwischen Christen und der Berufsgruppe der Silberschmiede in → Ephesus wird in Apg 19,23–40 beschrieben. Demetrius, der kleine Artemis-Tempel aus Silber fertigt, bringt seine Zunftgenossen gegen Paulus auf, der durch seine Predigt dem Artemision den Rang abläuft, was zu Absatzschwierigkeiten bei den Devotionalien führt.

Darüber hinaus lassen sich viele weitere Berufsgruppen nennen, die im NT – zum großen Teil am Rande – erwähnt werden: vom Händler, der im Tempelbezirk Tauben als Opfertiere verkauft, bis hin zum Geldwechsler, der sein Geschäft ebenfalls im Tempelareal ausübt (Mt 21,12 par.; Mk 11,15; Joh 2,14). Auch die → Gleichnisse Jesu verarbeiten in ihrem Bildrepertoire viele Aspekte der Arbeitswelt des 1. Jh. n. Chr. (s. dazu unter 3.2.3.). Interessant: Viele abhängig Beschäftigte treten – rein sprachlich gesehen – im Griechischen überhaupt nicht in Erscheinung. Auf sprachlicher Ebene sät selbstverständlich der Großbauer selbst (Mt 13,24) und der Besitzer des Weinbergs hat seinen Weinberg selbst angelegt (Mt 21,33), auch wenn faktisch Arbeiterinnen und Arbeiter bzw. Sklavinnen und Sklaven dafür zuständig gewesen sein dürften (Mt 13,27f.!). „Dieses Phänomen der antiken Herrschaftssprache ist so verbreitet, daß in manchen Grammatiken von einem ‚kausativen Aktiv‘ gesprochen wird“ (Schottroff 1983, 182). Auch das ist also ein Aspekt der Rolle von Arbeiterinnen und Arbeitern im NT: Häufig sind sie unsichtbar.

3. Bewertung von Arbeiterinnen und Arbeitern

3.1. In der Umwelt des NT

Im AT ist die menschliche Arbeit (→ Arbeit [AT]), v. a. der Ackerbau, Schöpfungsauftrag und damit eine grundsätzliche Aufgabe des geschaffenen Menschen (Gen 2,15; Gen 3,23). In rabbinischer Zeit findet sich eine hohe Wertschätzung für handwerkliche Tätigkeiten. Die Rabbinen selbst seien neben ihrer geistigen Arbeit u. a. auch als Böttcher (Fassmacher), Weinhändler, Holzhauer oder Schreiber tätig gewesen (eine Liste der Tätigkeiten findet sich bei Krauss, 254).

In der griechisch-römischen Antike wurde die Arbeit nicht „als freie, schöpferische Tätigkeit verstanden, sondern auf die für den Lebensunterhalt zu leistende körperliche Arbeit bezogen“ (Hengel, 426). Arbeit war für die meisten Menschen der antiken Gesellschaft notwendig, um den Lebensunterhalt zu sichern. Zeit zur Muße hatte nur eine relativ kleine gesellschaftliche Oberschicht. Die politische Theorie in Griechenland und Rom, die eher die Sicht der sogenannten „Oberschicht“ widerspiegeln dürfte, schätzte jegliche Form von Handwerk und Lohnarbeit nur gering und ging von einer natürlichen Aufteilung der Talente und des menschlichen Könnens aus, woraus sich die Arbeitsteilung und die lebenslange Bindung an einen bestimmten Beruf ergaben (Platon, Politeia 370, 374, 421d, 434; Nomoi 846f.; Aristoteles, Politeia I,5; III,4f.; Cicero, De Officiis I,42, 150f.; vgl. zur Sache Schweer, 144–148). Positiver fällt die Beurteilung der Arbeitsleistung durch die stoische Philosophie aus, wie etwa bei Mark Aurel zu lesen ist (Selbstbetrachtungen V,1), der v. a. die Bestimmung des Menschen zur Zusammenarbeit betont (Selbstbetrachtungen II,1; VII,13).

Wenn zuweilen versucht wird, die Arbeit der Frau auf den häuslichen Bereich zu beschränken (etwa Xenophon, Oikonomikos 7), so können sich gerade die ärmeren Bevölkerungsgruppen eine solche Arbeitsteilung kaum leisten, weshalb Arbeiterinnen in verschiedenen Erwerbszweigen durchaus belegt sind (von Reden, 968; Scheidel).

3.2. In der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu

M. Hengel bezeichnet das Reich Gottes (basileía toῦ theoῦ), das zentrales Thema der Botschaft Jesu ist, als die „große, endgültige ‚Unterbrechung‘“ (Hengel, 442; vgl. Mk 1,15). Eine solch einschneidende und wirklichkeitsverändernde theologische Botschaft hat entsprechend Konsequenzen für diejenigen, die sich täglich als Arbeiterinnen und Arbeiter abmühen: „Es soll nicht mehr weitergehen wie bisher: der Familienalltag, die tägliche Sorge um den Lebensunterhalt, der ständige Gleichklang mühevoller Arbeit“ (Hengel, 442).

3.2.1. „Sorgt euch nicht“

Die Sprüche vom Sorgen (Q 12,22–32 = Mt 6,25–34 par. Lk 12,22–32) bringen dies anschaulich zum Ausdruck. Als Vorbilder aus der Natur werden die Raben vorgestellt, die gerade das nicht tun, was Arbeiter und Arbeiterinnen gewöhnlich unternehmen: „Sie säen nicht und ernten nicht und sammeln nicht in Scheunen, und Gott ernährt sie“ (Q 12,24; Q-Texte werden jeweils zitiert nach Hoffmann/Heil). Und auch die Lilien werden als positives Beispiel für Sorglosigkeit vorgestellt: „Sie mühen sich nicht ab und sie spinnen nicht“ (Q 12,27). Dieser Appell dürfte wohl weniger als Aufforderung zur Faulheit verstanden werden (vgl. Spr 6,6–11), als vielmehr bedeuten: „Natürlich soll man von den Raben und den Lilien lernen, aber nicht ihr Nichtstun, sondern die Bedingung ihres Nichtstuns, nämlich die verläßliche Fürsorge Gottes“ (Schmeller, 86; vgl. Heil, 148f.). Wenn Jesus auch nicht die äußeren Rahmenbedingungen des Arbeitslebens verändert, so scheint er doch wenigstens von der „gottlosen Sorge befreien“ (Hengel, 444) zu wollen (vgl. auch die Brotbitte im → Vaterunser, Mt 6,11 par. Lk 11,3; dazu Pichler, 13).

3.2.2. Arbeiter für die Ernte

Die Sprüche vom Sorgen sind sicherlich auch in die Richtung derer gesprochen, die Haus und Hof verlassen haben, um sich als Arbeiter der Sache Jesu, d. h. der Bewegung der Wanderradikalen, anzuschließen (Schmeller, 86f.). Jesus selbst spricht die berufenen Jünger mit der Metapher der Arbeiter an:

„Die Ernte (ist) zwar groß,

Arbeiter (ergátai) aber (gibt es) wenige;

bittet daher den Herrn der Ernte,

dass er Arbeiter (ergátas) in seine Ernte hinausschicke.“ (Q 10,2 = Mt 9,37f. par. Lk 10,2)

Der Text, v. a. das Bild der Ernte, hat apokalyptisches Gepräge. Die Arbeiter, gemeint sind wohl die Jünger Jesu, stehen im Dienst des „Herrn (kýrios!) der Ernte“, der die Rolle eines Landbesitzers einzunehmen scheint und mit Gott identifiziert werden kann. Sie werden ausgesandt, um im Auftrag dieses Herrn Israel zu sammeln, im Bild gesprochen: mit der Ernte des Gerichts zu beginnen. Dies geschieht durch ihre Verkündigung der Reich-Gottes-Botschaft sowie durch Wundertaten. Die Idee des „schon und noch nicht“ der Gottesherrschaft spiegelt sich hier insofern, als die Erntearbeiter zwar mit dem Erntegericht beginnen sollen, aber zugleich ihre Abhängigkeit vom Herrn, konkretisiert in der Bitte um mehr Arbeiter, betont wird, womit die allzu Übereifrigen von vornherein gebremst werden (vgl. zur Stelle insgesamt Zimmermann). Die Arbeiter in der Ernte Gottes können gewiss sein, dass Gott bzw. die Gemeinde vor Ort für ihre Grundversorgung einsteht (vgl. 3.2.1.), „denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert“ (Q 10,7 = Mt 10,10 par. Lk 10,7; vgl. 1Tim 5,18; → Didache 13,1).

3.2.3. Die Arbeitswelt in den Gleichnissen

Jesu Botschaft vom → Reich Gottes schlägt sich auch in zahlreichen Gleichnissen nieder, deren Bildwelt stark von Arbeiterinnen und Arbeitern sowie ihrer Lebenswelt und ihrem Tagesgeschäft geprägt ist.

Das Gleichnis vom → Pharisäer und → Zöllner (Lk 18,9–14) spielt mit dem Ansehen verschiedener (Berufs-)Gruppen, wobei für Jesus eine Tendenz gegen den damaligen Mainstream festzustellen ist, wenn er etwa mit Zöllnern und Sündern verkehrt (vgl. Mt 21,32; Lk 7,34 par. Mt11,19; Lk 15,1f.).

Arbeit im Haushalt wird ebenso als Bildspender verwendet (Q 13,20f.; Q 17,34f.; Mk 4,24) wie die Arbeit auf dem Feld (etwa in den Gleichnissen vom Sämann: Mk 4,3–20; vom Unkraut unter dem Weizen: Mt 13,24–30; Mt 13,36–43; vom reichen Kornbauern: Lk 12,16–21; von der nahen Ernte: Joh 4,35–38) oder im Weinberg (Gleichnisse von den bösen Winzern: Mk 12,1–12; den Arbeitern im Weinberg: Mt 20,1–16; von Weinstock, Winzer und Reben: Joh 15,1–8).

Die Parabel von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16) führt mitten in die Welt der Arbeiterinnen und Arbeiter (ergátēs) hinein, die hier neben dem Haus- bzw. Gutsherrn (oikodespótēs) und seinem Verwalter (epítropos) als Akteure auftreten. Die Arbeiter in der Parabel kann man sich als Tagelöhner vorstellen, die jeden Tag aufs Neue darauf hoffen müssen, irgendeine Arbeit zu finden, um ihr Überleben für einen Tag wenigstens annähernd sichern zu können. Ob ein Denar „ein durchschnittlicher bis guter Tageslohn“, wenngleich auch kein „ungewöhnlich großzügiger“ (beide Zitate: Avemarie, 466), ist oder ob ein Denar das absolute Existenzminimum ist, das keinesfalls zur Versorgung einer Familie ausreicht und die anderen Familienmitglieder also auch zur Erwerbsarbeit gezwungen sind (Schottroff 2005, 277f.), ist nicht ganz klar. In jedem Fall war die Versorgungslage der Tagelöhner grundsätzlich prekärer als die der meisten Sklaven, deren Besitzer wenigstens ein grundsätzliches Interesse an der Erhaltung ihrer Arbeitskraft hatte und sich folglich um ihre Grundversorgung kümmerte.

Die Parabel thematisiert nicht in erster Linie das Problem der prekären Beschäftigung von freien Landarbeitern, wenngleich sie ein sehr realistisches Bild ihrer Beschäftigungssituation im 1. Jh. zeichnet (Schottroff 2005, 279), sondern möchte diese Erzählung übertragen wissen auf das „Königreich der Himmel“ (V. 1). Der Haus- bzw. Gutsherr – in V. 8 als „Herr (kýrios!) des Weinbergs“ bezeichnet – ist transparent auf Gott zu interpretieren (Avemarie, 466). Seine Güte, die sich in der Versorgung seiner Arbeiter mit dem Lebensnotwendigen zeigt, ist letztlich unabhängig von ihrer tatsächlichen Arbeitsleistung, womit der alte proportionale Gerechtigkeitsbegriff außer Kraft gesetzt wird (Avemarie, 464). Auf die Ganztagsarbeiter wirkt seine Güte deshalb äußerst provozierend (Avemarie, 463). Möglicherweise ist auch dieser Text an die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu adressiert („Arbeiter für die Ernte“, s. o. unter 3.2.2.), in deren Reihen es diejenigen gibt, die von Anfang an dabei waren und die im Blick auf die später Hinzugekommenen einen Vorteil für sich wähnen (Avemarie, 468), entweder eschatologisch (vgl. das Erntemotiv) oder ekklesiologisch (Schottroff 2005, 281–285).

Eine Spannung bleibt: Warum gibt der Weinbergbesitzer trotz all seiner Güte nur das absolute Existenzminimum? L. Schottroff (2005, 283) schlägt vor: „Das Gleichnisbild ist […] als Antithese zum Königtum Gottes entworfen. […] Die Güte dieses Grundbesitzers bietet nur eine schwache Andeutung dessen, was Gottes Güte bedeutet.“

In der Bilderwelt der Gleichnisse Jesu sind Arbeiterinnen und Arbeiter oft Teil eines hierarchischen Abhängigkeitsgefüges. Das kommt etwa zum Ausdruck in den Gleichnissen vom Doppeldienst (Q 16,13 = Mt 6,24 par. Lk 16,13), vom treuen und untreuen Haushalter (Q 12,42–46 = Mt 24,45–51 par. Lk 12,42–46), vom spät heimkehrenden Hausherrn (Mk 13,34–37), vom unbarmherzigen Knecht (Mt 18,23–35) oder dem Gleichnis vom Reichen und seinem Verwalter (Lk 16,1–8). Arbeiterinnen und Arbeiter werden in den Gleichnissen – direkt oder indirekt – auch als Fischer (Mt 13,47–50) oder Hirten (Lk 15,4–7; Joh 10,1–5; Joh 10,12f.) vorausgesetzt. Nicht verschwiegen wird auch das Schicksal derer, die so reich sind, dass sie gar keiner Arbeit nachzugehen brauchen (Lk 16,19–31).

3.3. Bei Paulus

Die Jünger der ersten Stunde, zumeist Bauern und Fischer, haben ihren Beruf aufgegeben, um Jesus nachzufolgen. Paulus hingegen verzichtet auf das Privileg, als Wandermissionar von den Ortsgemeinden versorgt zu werden (s. o. unter 3.2.2.) und übt sein mobiles Handwerk des Zeltmachers weiter aus (vgl. 1Kor 4,12; 2Kor 12,14–16; 1Thess 2,9). Dies tut er wohl, um den Gemeindemitgliedern, die schließlich diejenigen, „die draußen sind“ (1Thess 4,12), mitversorgen müssen, nicht unnötig zur Last zu fallen und dadurch „die Akzeptanz des Evangeliums nicht zu behindern“ (Hoppe, 101). Einzige Ausnahme ist die Gemeinde in Philippi, deren Unterstützung er einmal in Anspruch nimmt (Phil 4,15).

Auch bei Paulus wird Arbeit im übertragenen Sinn für die „Glaubensarbeiter“ verwendet, wenn etwa in 1Thess 1,3 die Trias „Glaube, Liebe, Hoffnung“ mit „Werk (érgon!), Mühe (kópos!), Geduld (hypomonē)“ verbunden wird (Hoppe, 99f.).

Die strenge Mahnung des deuteropaulinischen 2 Thess („Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen“, 2Thess 3,10) schärft die Regel, nach der Paulus selbst lebte, allen Gemeindemitgliedern nachdrücklich ein. Möglicherweise reagiert Pseudo-Paulus damit auf die allzu naherwartungsvollen Schwärmer, deren Arbeitsscheu der Gemeinde finanzielle Probleme bereitet. „Ein Schwärmertum, das auf Kosten der Gemeinde geht, wird in diesem Brief abgelehnt“ (Pichler, 19; vgl. Hengel, 451f.; Hoppe, 101f.).

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