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Antipas (Herodes)

(erstellt: Oktober 2015)

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1. Bedeutung

Herodes Antipas (ca. 25 / 23 v. Chr. bis 39 n. Chr.) ist einer der Söhne und Erben → Herodes des Großen (ca. 73-4 v. Chr.). Die Politik seines Vaters setzt er fort mit dem Versuch, → jüdische Tradition und → hellenistische Kultur miteinander zu vermitteln. Sein eng begrenzter Herrschaftsbereich - → Galiläa und Peräa - macht ihn als einen → römischen Klientelfürsten zum Nachbarn des aufstrebenden Nabatäerreiches.

Im NT tritt er als „Landesherr“ → Johannes des Täufers und → Jesu von Nazareth in Erscheinung.

2. Quellen

Die wichtigste Quelle stellen die Werke des → Flavius Josephus dar, der im Bellum und in den Antiquitates ausführlich, wenngleich in rhetorischer Stilisierung und Profilierung, über die Dynastie der Herodianer berichtet (Vogel, 2002). Dabei kommt Antipas vor allem in der Erzählung vom Tod Herodes des Großen und dessen Testament zur Sprache; das Ende des Antipas ist verbunden mit der Erzählung vom Aufstieg → Agrippas I. Nur in den Antiquitates findet sich auch eine kurze Erzählung von der Hinrichtung des Täufers Johannes.

* Bell I 562-563 / Ant XVIII 127-142: Position des Antipas im Kreis der Herodessöhne

* Bell I 646.664.668-669 / Ant XVII 146-147.188-190: Antipas im Testament des Herodes

* Bell II 14-38.80-100 / Ant XVII 219-249.299-323: Vollstreckung des Testaments durch den → Kaiser Augustus

* Bell II 168 / Ant XVIII 27: Bautätigkeit des Antipas

* Ant XVIII 109-126: Konflikt des Antipas mit → Aretas IV. - Ende des Täufers Johannes

* Ant XVIII 147-150: Konflikt zwischen Antipas und Agrippa I.

* Bell II 178-181 / Ant XVIII 161-239: Intrige Agrippas I. gegen Antipas

* Bell II 182-183 / Ant XVIII 240-256: Verbannung des Antipas

Ansonsten wird Herodes Antipas in der Geschichtsschreibung nur sporadisch erwähnt:

* Strabon, Geographika XVI 765: nennt ohne Namen die Söhne Herodes des Großen und weist auf Anschuldigungen gegen sie hin (vermutlich im Zusammenhang der Testamentsvollstreckung); weiß von der Verbannung des einen (→ Archelaos) und der Zuweisung einer Tetrachie an die beiden anderen (Antipas und → Philippus)

* Cassius Dio, LV 27,6: „der Palästinier Herodes“ sei, von seinen Brüdern verklagt, an einen Ort jenseits der Alpen verbannt worden

* Cassius Dio, LIX 8,2: erwähnt den Aufstieg Agrippas, dazu (ohne Namensnennung) das Ende des Antipas.

Im NT wird Herodes Antipas ausschließlich bei den → Synoptikern und in der → Apostelgeschichte erwähnt. Das größte Interesse widmet ihm Lukas.

* LkS 3,1: Synchronismus

* Mk 3,6; Mk 12,13 / Mt 22,15-16: Gruppe von „Herodesleuten“

* Mk 6,14-16 / Mt 14,1-2 / Lk 9,7-9: Jesus von Antipas als Johannes redivivus betrachtet

* Mk 6,17-29 / Mt 14,3-12, anders Lk 3,19-20: Hinrichtung des Täufers Johannes

* Mk 8,15: Warnung vor „dem Sauerteig des Herodes“

* LkS 8,3: Chuza, ein Epitropos (Verwalter) des Herodes A.

* LkS 13,31-33: Antwort Jesu an Herodes A., „diesen Fuchs“

* LkS 23,6-12: zusätzliches Verhör Jesu vor Herodes A.

* LkS 23,13-16: Solidarisierung des Pilatus mit Herodes A.

* Apg 4,27: Rückverweis auf Herodes A. und Pilatus im Gemeindegebet

* Apg 13,1: Manaën, ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes

* Apg 23,35: Palast des Herodes A. in Cäsarea maritima

Bei den → Apostolischen Vätern sowie in den → christlichen Apokryphen spielt Herodes Antipas nur noch eine marginale Rolle.

- Häufig wird er nur beiläufig erwähnt - in Form eines Synchronismus oder als Akteur in der Jesusgeschichte.

- In der → apokryphen Pilatusliteratur wird er (gegen die Darstellung des Lukas) zum Feind des Pilatus und trägt nun die Hauptverantwortung am → Tod Jesu.

* EvgPetr 1,1: Antipas wäscht sich nicht wie Pilatus die Hände und befiehlt, Jesus abzuführen

* kopt. Buch der Auferstehung Jesu: Antipas gibt Jesus einen Backenstreich

* Josephus, slavBell IX 1c-e: der Täufer kritisiert Antipas, weil er mit der Frau des Bruders nicht Nachkommen (im Sinne der → Leviratsehe) gezeugt, sondern lediglich seine Lust befriedigt habe; daraufhin habe Antipas ihn niederhauen lassen; diese Darstellung verbindet Ant XVIII mit Mk/Mt

3. Biographische Bausteine

3.1. Name

Das NT bezeichnet Herodes Antipas ausschließlich mit dem Namen „Herodes“ und stiftet damit gelegentlich Verwirrung. Träger des Namens Herodes bzw. weitere Herodianer kommen mehrfach vor:

- → Herodes der Große / „König Herodes“: Mt 2,1-23 (Geburtsgeschichte mit Magierepisode und → Kindermord); Lk 1,5 (Beginn der Geburtsgeschichte)

- → Herodes Antipas / „Herodes“, „König Herodes“: s. oben unter Quellen

- Herodes Agrippa I. / „König Herodes“: Apg 12,1-19 (tötet Jakobus, inhaftiert Petrus), Apg 12,20-23 (erleidet in Cäsarea maritima ein grausiges Ende)

- → Herodes Agrippa II. / „König Agrippa“: Apg 25,13-26,32: Paulus verteidigt sich in Cäsarea maritima vor Festus, → Berenike und Agrippa II.

Noch breiter wird das Spektrum bei Flavius Josephus, der über die Genannten hinaus weitere Träger dieses Namens kennt. In der hellen. Welt ist der Name weit verbreitet (PRE VIII/1, 1912, 916-954).

Mit dem Namen „Antipas“ wird dieser eine Sohn Herodes des Großen vor allem von Josephus bezeichnet. Im NT kommt der Name Antipas sonst nur ein einziges Mal für einen anderen vor:

- ein Märtyrer in der Gemeinde von Pergamon: Apk 2,13 („Antipas, mein treuer Zeuge“)

Der Name „Ἡρῴδης / Herodes“ bedeutet so viel wie „Heroen-Spross“; dem entspricht auch die weibliche Form „Ἡρῳδιάς / Herodias“.

Der Name „Ἀντιπᾶς / Antipas“ ist eine relativ selten bezeugte Kurzform des sehr viel häufigeren „Antipatros“ oder „Antipater“ und bedeutet so viel wie „anstelle des Vaters / Vertreter oder Ebenbild des Vaters“. In der hellen. Welt erfreut sich der Name „Antipatros“ großer Beliebtheit (PRE I/2, 1894, 2501-2518).

Anhand von Bell II 167 hat man gelegentlich vermutet, Antipas habe erst bei seinem Regierungsantritt im Jahr 4 v. Chr. den Namen Herodes angenommen (Vogel, 295). Auf seinen Münzprägungen verwendet er ausschließlich den Namen „Herodes“ (Hoehner, 1972, 104-106). Indem auch die Evangelisten nur von „Herodes“ sprechen, präsentieren sie Antipas noch viel deutlicher als einen wahren „Sohn seines Vater“ und unterstreichen damit einmal mehr den dynastischen Zusammenhang der „Herodianer“.

3.2. Geburt und Erziehung

Herodes Antipas (ca. 25 / 23 v. Chr. - 39 n. Chr.) ist der zweite Sohn der Samaritanerin Malthake, der vierten Frau Herodes des Großen. Die Familienverhältnisse im Hause Herodes des Großen sind nur schwer zu entwirren (übersichtlich Vogel, 2002). Nach einer ersten Ehe mit der Jerusalemerin Doris und einer zweiten mit der Hasmonäerin Mariamme bringt er es im Laufe der Jahre auf zehn Ehen, die weitgehend unglücklich verlaufen. Es liegt nahe, dass unter den Söhnen der verschiedenen Frauen schon bald Rivalitäten um ihr künftiges Erbe ausbrechen mussten. Zunächst steht dabei in der Reihenfolge → Antipater, der Sohn der Doris, als der Älteste voran, gefolgt von Alexander und Aristobul, den beiden Söhnen der Mariamme. Ihnen folgt ein weiterer Herodes, Sohn einer weiteren Mariamme (der erste Ehemann der Herodias, die später zu dem Tetrarchen Antipas überwechselt). Erst dann kommen die Söhne der Malthake ins Spiel, → Archelaos und Antipas. Ein letzter Erbe in dieser Reihe ist Philippus, Sohn einer Kleopatra.

Auf die Erziehung seiner Söhne und Enkel verwendet Herodes der Große viel Mühe und kümmert sich auch intensiv um ihre ehelichen Verbindungen. Vorzugsweise nutzt er dafür seine guten Kontakte nach Rom - nicht zuletzt mit dem Ziel, auch seine Nachkommen schon frühzeitig auf der großen politischen Bühne zu etablieren.

In Ant XVII 20 heißt es etwa: „Archelaos und Antipas wurden zu Rom von einem Privatmann erzogen.“ Sie folgen damit einer Tradition, die ihre älteren Brüder schon begründet hatten. In Rom wird Antipas auf die Rolle vorbereitet, die ihm als einem möglichen Nachfolger seines Vater einmal zufallen könnte.

Apg 13,1 nennt unter den „Propheten und Lehrern“ der christl. Gemeinde von → Antiochia auch einen gewissen „Manaën, der mit dem Tetrarchen Herodes erzogen worden war“. Hier ist wohl eher an eine frühere Zeit und weniger an Rom zu denken, denn der Begriff „σύντροφος / Mitaufgezogener“ kann auch den „Milchbruder“ oder überhaupt einen Vertrauten aus Kinder- und Jugendtagen bezeichnen.

Die familiären Beziehungen im Hause Herodes des Großen sind von Konflikten und Dramen bestimmt. Der alternde König sieht sich von Verschwörungen, Verleumdungen und Anschlägen umstellt. Er reagiert mit Härte und scheut auch nicht davor zurück, Todesurteile an Familienangehörigen zu vollstrecken. Eine Schlüsselepisode ist in dieser Hinsicht die Hinrichtung seiner eifersüchtig geliebten zweiten Frau, der Hasmonäerin Mariamme. Ihr Schicksal ereilt in der Folge auch drei seiner Söhne und schränkt damit den Kreis der Nachfolger zusehends ein.

3.3. Machtantritt

Schon früh hatte Herodes der Große seine Nachfolge testamentarisch geregelt, dieses Testament aber immer wieder - je nach wechselnder Gunst und Missgunst - geändert. Zunächst war darin sein ältester Sohn Antipater (Sohn der Doris) als Thronerbe vorgesehen, gefolgt von Alexander und Aristobul (den beiden Mariammesöhnen). Nach der Hinrichtung ihrer Mutter geraten die letzteren jedoch in einen Strudel aus verschiedenen Intrigen und werden von Herodes dem Großen ebenfalls hingerichtet. Antipater (Sohn der Doris) kann davon nur kurzzeitig profitieren. Längst schon hat er sich in seinen eigenen Ränken verstrickt und wird von Herodes dem Großen inhaftiert. Das Testament setzt nun Antipas (Sohn der Malthake) an die Stelle des Antipater (Bell I 646); dabei übergeht Herodes der Große sowohl Herodes (Sohn der zweiten Mariamme), Archelaos (den älteren Sohn der Malthake) sowie Philippus (Sohn der Kleopatra) - den ersten möglicherweise seiner persönlichen Bedeutungslosigkeit wegen, die letzten wohl auf Grund der von Antipater gestreuten Verdächtigungen. Von zunehmendem Verfolgungswahn getrieben, lässt der König noch fünf Tage vor seinem Tod Antipater hinrichten und ändert - bereits auf dem Sterbebett - ein letztes Mal sein Testament. Nun setzt er Archelaos als Thronfolger ein und ernennt Antipas zum Tetrarchen, Philippus aber überträgt er die Trachonitis und einige angrenzende Gebiete (Bell I 664).

Nach dem Tod Herodes des Großen (4 v. Chr.) wird bei einer Volksversammlung im Theater von Jericho dieses Testament letzter Hand eröffnet und öffentlich verlesen (Bell I 668).

Unverzüglich beginnt daraufhin der Kampf um die Bestätigung bzw. Anfechtung der testamentarischen Regelungen, für deren Vollstreckung der Kaiser zuständig ist (Bell I 669). Während dieser Zeit kommt es im Land zu verschiedenen Unruhen und Aufständen, in denen sich verstärkt auch messianische Hoffnungen artikulieren (Bell II 55-79 / Ant XVII 269-298). Der röm. Legat der Provinz Syrien, Varus, schlägt die Aufstände blutig nieder. Rom ist bemüht, möglichst schnell zu stabilen Verhältnissen zurückzukehren.

Bei Augustus werden nun drei Parteien mit unterschiedlichen Interessen vorstellig (Bell II 18.20.80 / Ant XVII 222.224.300). Antipas, der eine große Zahl an Unterstützern auf seine Seite ziehen kann, verteidigt das Recht des älteren Testaments; zugleich beschuldigt sein Anwalt den Archelaos, der Königswürde noch vor ihrer Verleihung durch den Kaiser unrechtmäßig vorgegriffen zu haben (Bell II 20-33 / Ant 224-240). Archelaos weist alle Vorwürfe zurück und wirft sich Augustus zu Füßen (Bell II 34-37/ Ant XVII 240-248). Eine unabhängige jüdische Gesandtschaft wiederum verklagt sowohl den verstorbenen König als auch Archelaos wegen zahlreicher Blutbäder und Gewalttaten; sie fordern die Eingliederung des Landes in die Provinz Syrien und damit ihre Unterstellung unter direkte römische Verwaltung (Bell II 80-92 / Ant XVII 299-314). Nach diesen Anhörungen vertagt der Kaiser die Entscheidung noch einmal und vollstreckt schließlich das Testament gemäß seiner letzten Fassung (Bell II 93-100 / Ant XVII 317-323): Archelaos erhält die Hälfte des Königreiches und den Titel eines → Ethnarchen mit der Option auf die spätere Königswürde, „wenn er sich dessen würdig zeige“; unter Antipas und Philippus, die beide den Titel eines Tetrarchen erhalten, wird die andere Hälfte aufgeteilt.

Damit ist die Nachfolge des Herodes entschieden. Eine fortgesetzte Opposition von Seiten des Volkes gibt es allein gegen Archelaos, der auch nach einer kurzen und glücklosen Willkürherrschaft bereits 6 n. Chr. von Augustus wieder abgesetzt und in die Verbannung geschickt wird. Philippus regiert bis 33 n. Chr., Antipas bis 39 n. Chr.

3.4. Regierung

Die Erwartung, die alleinige Nachfolge seines Vaters im Rang eines Königs antreten zu können, muss Herodes Antipas preisgeben. Er verfügt indessen noch immer über eine Machtbasis, die ihm verschiedene Spielräume eröffnet.

Der Titel „Tetrarch“ (= Herrscher über den vierten Teil; Luther: „Vierfürst“) leitet sich von der Aufteilung des Territoriums ab: die Hälfte entfällt auf Archelaos, je ein Viertel auf Antipas und Philippus (Bell II 93-94 / Ant XVII 317-318). Rangniedriger als der „Ethnarch“ (= Volksherrscher) ist Herodes Antipas demnach bereits durch seinen Titel als ein relativ kleiner, von Rom abhängiger Klientelfürst gekennzeichnet.

In Mk 6,14.22.25.26.27 und Mt 14,9 (Hinrichtung des Täufers) wird dem Tetrarchen Herodes auch der Titel „König“ zugeschrieben, was jedoch nicht den realen Verhältnissen entspricht. Darin äußert sich lediglich die der Erzählung eigene Volksperspektive, die zudem von der Bedeutungsoffenheit des aramäisch umgangssprachlichen mlk (König / Herrscher) beeinflusst sein könnte (so Bruce, 1963, 9). Der spätere Versuch des Antipas, auf Drängen seiner Frau Herodias schließlich doch noch in Rom den Titel „Basileus / König“ zu erlangen, scheitert.

Antipas-1-Territorien

Das Territorium, in dem Herodes Antipas als Tetrarch herrscht, ist zerrissen - dafür aber (im Unterschied zu den Gebieten des Archelaos und Philippus) ethnisch weitgehend homogen. Der eine Teil - Galiläa - erstreckt sich westlich des Sees → Genezareth; der andere Teil - Peräa - zieht sich östlich des → Jordan entlang. Dazwischen liegt die → Dekapolis. Eine Art Verbindung stellt der Jordan dar. Mit beiden Brüdern sowie den Verwaltern der angrenzenden römischen Territorien lebt er weithin in Frieden. Konfliktreicher ist die Nachbarschaft zu den Nabatäern im SO Peräas.

Antipas-2-Sepphoris

Wie schon sein Vater fördert auch Herodes Antipas die hellen. Stadtkultur. In Galiläa baut er Sepphoris wieder auf und gründet Tiberias; in Peräa baut er Betharamphtha aus und benennt es zu Ehren der Kaisersgattin zunächst Livias und später Julias (Bell II 168; Ant XVIII 27). Sepphoris wird ab 3 v. Chr. zur Hauptstadt der Tetrarchie. Diese Stadt (ca. 8 km von Nazaret entfernt), die im Jahr zuvor von dem syr. Legaten Quintilius Varus zerstört worden war, führt Antipas nun zu neuer Blüte. Sie enthält nun alles, was hellenistische Stadtkultur zu bieten hat. Dank ihrer günstigen Lage an der via maris erlebt sie auch einen wirtschaftlichen Aufschwung. In den Jahren 17-20 n. Chr. verlegt Antipas seine Residenz dann in das neu gegründete Tiberias. Der Ort, am SW-Ufer des Sees Genezareth und in der Nähe heißer Quellen gelegen, ist nach → Kaiser Tiberius benannt. Dass er auf einer Gräberstätte errichtet wird, trägt dem Tetrarchen jedoch die Kritik seiner gesetzestreuen Untertanen ein (Ant XVIII 36-38).

Grundsätzlich ist Herodes Antipas, der in Rom erzogen wurde, um den Schutz der jüd. Lebensweise in seinem Herrschaftsbereich bemüht. Er vermeidet Münzprägungen mit Porträtbildern und respektiert die Gesetzestreue seiner Untertanen. Bei der Gründung von Tiberias setzt er sich jedoch über alle religiösen Bedenken hinweg. Nach Mk / Mt richtet sich die Kritik des Täufers Johannes gegen seine ungesetzliche Ehe mit der Herodias (als der Frau seines Halb-Bruders). Im Volk wird sein „Judentum“ wie schon das seines Vaters mit Vorbehalten betrachtet.

Ein Konflikt mit verschiedenen Facetten resultiert aus der Ehegeschichte des Herodes Antipas (Ant XVIII 109-126). Zunächst heiratet er - wohl aus politischem Kalkül - eine nabatäische Prinzessin, eine Tochter des Königs Aretas IV. Als er - bereits im fortgeschrittenen Alter - bei einem Aufenthalt in Rom Herodias kennenlernt, die Frau seines Bruders Herodes (eines Sohnes der zweiten Mariamme), beschließt er, die Aretastochter zu verlassen. Herodias wiederum ist eine Tochter des Aristobul, des zweiten Sohnes der ersten Mariamme (also seine Nichte) und Schwester des Agrippa (der später gegen Antipas intrigieren und ihn beerben wird). Antipas verspricht der Herodias die Ehe, die daraufhin ihren bisherigen Ehemann verlässt. Noch vor seiner Rückkehr erfährt die Aretastochter indessen von der Liason und flieht über die Festung Machärus zu ihrem Vater, der nun 35 n. Chr. Antipas den Krieg erklärt. Weil die Hilfe röm. Truppen nur halbherzig erfolgt, erleidet Antipas 36 n. Chr. eine empfindliche Niederlage.

Dieser Konflikt schlägt sich bei → Josephus und bei den → Synoptikern auf unterschiedliche Weise nieder:

- Josephus berichtet, das Volk habe die Niederlage gegen Aretas IV. als eine Strafe Gottes für die Hinrichtung des Täufers Johannes betrachtet. Von einer Kritik des Täufers an der ungesetzlichen Ehe des Herodes Antipas weiß Josephus jedoch nichts. Bei ihm wird der Täufer vielmehr beseitigt, weil Herodes Antipas ganz allgemein dessen Einfluss im Volk fürchtet.

- Für die Synoptiker jedoch wird gerade die Kritik des Täufers an der ungesetzlichen Ehe des Herodes Antipas zum Auslöser für seine Hinrichtung. Dabei nennen Mk 6,17 / Mt 14,3 den früheren Ehemann der Herodias Philippus (und nicht wie Josephus: Herodes). Nun wird Herodias, die sich beleidigt fühlt, zur Intrigantin und bewerkstelligt mit List die Hinrichtung des Täufers.

Insgesamt entwirft Josephus hier ein Bild, das Herodias als die ambitionierte und machthungrige Frau an der Seite des Herodes Antipas zeigt. Dem entspricht auch das Bild, das die Synoptiker von ihr zeichnen.

In seinem Selbstverständnis als Jude beteiligt sich Herodes Antipas auch am kultischen Leben in → Jerusalem. Nach Ant XVIII 122 nimmt er an einem Fest teil und bringt ein Opfer dar; nach Lk 23,7 hält er sich gerade zum → Passafest in Jerusalem auf. Als Residenz dient ihm dazu vermutlich der alte Hasmonäerpalast oder eine anderes luxuriöses Quartier. Jedenfalls wird man seine regelmäßige Präsenz auch in Jerusalem voraussetzen können.

3.5. Verbannung und Ende

Das Ende des Herodes Antipas (Bell II 182-183 / Ant XVIII 240-256) verbindet sich mit dem Aufstieg des Herodes Agrippa I., Sohn des Aristobul (eines Sohnes Herodes des Großen und der ersten Mariamme, also eines Neffen des Antipas und Bruders seiner Frau Herodias). Agrippa, ein wahrer Enkel seines Großvaters Herodes des Großen, wird im Jahr 36 in Rom bei Kaiser Tiberius vorstellig, um seine prekäre finanzielle Situation zu bessern, findet jedoch kein Gehör. Daraufhin sucht er die Gunst des Gajus (→ Caligula) und schmeichelt ihm als dem künftigen Herrscher - was ihm Tiberius mit Haft vergilt. Nach dem Tod des Tiberius aber wendet sich das Blatt. Caligula lässt Agrippa frei, überträgt ihm die inzwischen verwaiste Philippustetrarchie und verleiht ihm den Titel „König“.

Nun sucht auch Antipas die Gunst des neuen Kaiser, angestachelt durch den Ehrgeiz der Herodias. Er hofft, die einst von seinem Vater in Aussicht gestellte Königswürde am Ende doch noch erlangen zu können. Zu diesem Zweck reist er nach Rom, wird aber von Caligula abgewiesen. Agrippa, der inzwischen weiter intrigiert und seinen Onkel einer Verschwörung beschuldigt hatte, erhält nun zur Philippus- auch noch die Antipas-Tetrarchie hinzu. Antipas hingegen wird seiner Stellung enthoben und nach Hispanien (Bell II 183) bzw. Lugdunum in Gallien (Ant XVIII 252) verbannt. Herodias, als Schwester Agrippas vom Kaiser begnadigt, folgt ihrem Gatten freiwillig in die Verbannung (Ant XVII 253-255).

Herodes Antipas kehrt aus der Verbannung nicht mehr zurück. Möglicherweise hat er dort ein gewaltsames Ende erlitten (Metzner, 2008, 35). Cassius Dio (LIX 8,2), der den Aufstieg Agrippas I. kurz erwähnt, verweist in diesem Zusammenhang (ohne Namensnennung) auf einen Sohn des Herodes, den Gajus (Caligula) „nicht nur des väterlichen Erbes beraubt, sondern sogar noch ermordet“ habe. Damit kann nur Herodes Antipas gemeint sein.

3.6. Charakterbild

Herodes Antipas sorgt während seiner langen, 43jähigen Regierungszeit (4 v. bis 39 n. Chr.) für relativ stabile politische Verhältnisse. In der Rolle eines Förderers hellenistischer Kultur wie eines Schutzherrn jüdischer Lebensweise folgt er dem Vorbild seines Vaters.

Die Persönlichkeit des Herodes Antipas erscheint hingegen ambivalent. Nach dem Tod seines Vaters entwickelt er Ehrgeiz und Machtstreben, insistiert auf der ursprünglich zugesagten Thronfolge im Rang eines Königs und weiß sich dafür auch eine breite Unterstützung gegen seinen Bruder Archelaos zu sichern. Wenn Jesus ihn in Lk 13,32 einen „Fuchs“ nennt, dann assoziiert er damit den verschlagenen Taktierer. Gegen „Unruhestifter“ wie den Täufer Johannes geht Herodes Antipas mit Härte vor und versucht, die Opposition des Volkes schon im Keim zu ersticken.

Anders als sein Vater oder sein Bruder Archelaos scheint er jedoch kein ausgesprochener Gewalttäter zu sein. Blutbäder und fortwährende Morde weiß Josephus von ihm nicht zu berichten. Seine Niederlage bei der Testamentsvollstreckung in Rom akzeptiert er ohne weiteren Widerstand. Der Krieg gegen Aretas IV. wird ihm aufgenötigt, ohne dass er den Konflikt gesucht hätte. Militärisch bleibt er erfolglos. Bemerkenswert ist seine Charakterisierung in Ant XVIII 245-246: Herodes Antipas habe „Ruhe und Bequemlichkeit“ geliebt und das „aufregende Treiben in Rom“ gefürchtet. Nur widerstrebend habe er schließlich dem Drängen der Herodias nachgegeben und den letzten, verhängnisvollen Schritt zur Erlangung der Königswürde unternommen, „konnte er sich doch überhaupt nicht leicht dem entziehen, was sie einmal beschlossen hatte.“ Josephus zeichnet ihn als Marionette in der Hand einer ehrgeizigen und tatkräftigen Frau. Damit folgt er einem beliebten und verbreiteten literarischen Topos. Das gilt auch für die Darstellung der Synoptiker, die der Herodias und ihrer gekränkten Ehre die Hauptschuld am Tod des Täufers Johannes zuschreiben. Herodes Antipas indessen habe - einmal in die Falle eines leichtfertig gegebenen Versprechens getappt - der Hinrichtung gegen seinen Willen zustimmen müssen. Nach Mk 6,20 fürchtete Herodes Antipas den Täufer und hielt ihn für einen „gerechten und heiligen Mann“ - „und wenn er ihn hörte, war er sehr unruhig, doch er hörte ihn gern.“ Markus beschreibt damit einen Herrscher, dem noch das Gewissen schlägt. Das Bildwort Jesu vom „schwankenden Rohr“ und dem „Mann mit weichen Kleidern“ in Lk 24-25 / Mt 11,7-8 zielt wohl ebenfalls auf Herodes Antipas, dessen Münzen mit ihrer Pflanzensymbolik das Schilfrohr des Jordantales assoziieren könnten: das Wort bezeichnet ihn damit als einen „Meister der klugen Anpassung“ und „einen zögernden Menschen“ (Theißen, 1992, 38); zugleich kritisiert es sein Luxusleben, das dem Lebensstil des Täufers kontrastierend gegenübersteht.

Antipas-3-Münzpräg

In seinem Verhalten gegenüber Jesus scheint sich das Verhaltensmuster gegenüber dem Täufer mit einigen Modifikationen zu wiederholen. Hier schildert vor allem Lukas den nachdenklichen und neugierigen Herrscher (Lk 9,9; Lk 23,8-9), der sich im Prozess Jesu jedoch der stärkeren Seite anschließt. Allein das Schweigen Jesu quittiert er mit Verachtung (Lk 23,11).

Der unrühmliche Abgang des Herodes Antipas von der politischen Bühne wirft noch einmal Licht auf seine gesamte Persönlichkeit. Machtinstinkt und Durchsetzungskraft sind seine Sache nicht. Anfangs setzt man auf ihn, nur um Archelaos zu verhindern. Herodias wechselt an seine Seite, weil sie sich von einem Tetrarchen mehr an Einfluss erhofft. Sein Schwiegervater Aretas erteilt ihm militärisch eine bittere Lektion. Die Römer halten sich in diesem Konflikt dezent zurück. Das Volk sieht den Herrscher in seinem Luxusleben kritisch; „schwankendes Rohr“ und „Fuchs“ klingen nach verhaltenem Spott. Herodes Antipas lässt sich offenbar stärker von den Umständen beeinflussen und leiten, als dass er sie selbst zu gestalten versucht. In allen Belangen bleibt er hinter seinem Vater zurück.

4. Herodes Antipas im NT

Das NT nimmt Herodes Antipas als jenen Machthaber in den Blick, dem der Täufer Johannes sowie Jesus und sein Anhängerschaft politisch unmittelbar unterstellt sind. Der Tetrarch erscheint dabei als ein distanzierter, wenngleich wacher Beobachter aller religiösen Bewegungen in seinem Herrschaftsbereich. Im entscheidenden Moment steht er auf Seiten der Gegner des Täufers und Jesu.

4.1. Markus und Matthäus

Bei beiden Evangelisten dominiert die Erzählung vom Konflikt zwischen Herodes Antipas und dem Täufer Johannes (Mk 6,17-29 / Mt 14,3-12). Sie wird als Rückblende eingespielt, weil das Auftreten Jesu im Umfeld des Herodes Antipas an den Täufer und damit auch an sein gewaltsames Ende erinnert. In Mk 6,14-16 hat diese Erinnerung den Charakter eines Meinungsbildes im Volk, das an Herodes Antipas herangetragen und von ihm bestätigt wird; in Mt 14,1-2 stellt er selbst fest, dass Jesus der Johannes redivivus sei. In der Perspektive des Herodes Antipas musste zwischen Täufer- und Jesusbewegung ein sichtbarer Zusammenhang bestehen. Die verschiedenen Rückzüge Jesu in das Gebiet des Philippus, in die Dekapolis, nach Tyrus und Sidon und schließlich der Weg nach Jerusalem lassen sich durchaus auch als Ausweichbewegungen vor der Nachstellung des Herodes Antipas verstehen (Tyson, 1960).

Die Erzählung vom Tod des Täufers hat zuerst Mk plastisch und detailreich gestaltet (Mk 6,17-29). Auslöser ist die Kritik des Täufers an der Ehe des Herodes Antipas mit Herodias. Nach Mk 6,17 ist Herodias die Frau seines Bruders Philippus und nicht die jenes anderen Herodes, des Sohnes der zweiten Mariamme (Ant XVIII 209). Entweder liegt hier ein Versehen vor, weil die Tochter der Herodias namens Salome nach Ant XVIII 136-137 später den Tetrarchen Philippus heiratet (Theißen, 1992, 94-96), oder Herodias ging nach der Trennung von ihrem ersten Mann noch eine zweite Ehe mit Philippus ein, bevor sie Antipas heiratete (Kokkinos, 1998, 237.266-267). Das letztere bleibt freilich ein Rettungsversuch, der sich mit den Angaben bei Josephus nicht oder nur mühsam zur Deckung bringen lässt. Herodes Antipas jedenfalls verhaftet nach Mk 6,17 den Täufer aufgrund dieser Kritik, hält ihn aber in einem eher schonenden Gewahrsam: „er fürchtet ihn“ und „er hört in gern“ (Mk 6,20). Zum Eklat kommt es während eines Gelages am Geburtstag des Tetrarchen (Mk 6,21); diese Bemerkung ist einer der wenigen Hinweise auf die Praxis der Geburtstagsfeier in der Antike überhaupt. Ihr Ort scheint nach Mk 6,21 eher in Galiläa zu liegen, während man nach Ant XVIII 119 auch an die Festung Machärus denken könnte. Schon die Szene als solche - der (erotische?) Tanz der Adoptivtochter vor der zechenden männlichen Tischgesellschaft - soll den Sittenverfall am Hof des Herodes illustrieren. Dazu passt sein gedankenloses Versprechen, der Tänzerin jeden Wunsch „bis zur Hälfte meines Königreiches“ zu erfüllen (ein verbreitetes Motiv), in dem er sich selbst fängt. Hinter dem Wunsch der Tochter aber wird nun die Rache der Mutter sichtbar. Herodes ist darüber „tief betrübt“ und löst sein Wort nur zur Wahrung des Gesichtes ein, was jedoch nichts zu seiner Entlastung beizutragen vermag. Mk zeichnet ihn als einen verkommenen, schwachen Lebemann in der Hand einer intriganten Frau.

Dass die bei Mk/Mt namenlose Tochter der Herodias Salome heißt, erfährt man nur bei Josephus (Ant XVIII 136). In der Rezeption der synoptischen Erzählung findet dieser Name dann sekundär jedoch seinen festen Platz, nachgetragen aus Josephus. Der „Tanz der Salome“ wird in der Kunstgeschichte zu einem beliebten und verbreiteten Motiv.

Antipas-4-TanzSalome

Die wichtigste Modifikation in Mt 14,3-12 besteht darin, die Ambivalenz in der Haltung des Herodes Antipas zu tilgen. Nicht er selbst hält den Täufer für einen gerechten und heiligen Mann - es ist vielmehr die Volksmenge, die den Täufer für einen → Propheten hält; seine Betrübnis hat nichts mehr mit versteckter Sympathie zu tun sondern gilt nur noch der Rücksicht auf die Tischgäste als Zeugen der Szene. Das Negativbild des Herodes Antipas ist damit von Mt weiter verschärft und ausgebaut worden.

Lk übergeht die ganze Szene mit Schweigen. Unmittelbar an die Täuferpredigt fügt er die Bemerkung an, Johannes habe die Ehe des Herodes Antipas kritisiert und sei deshalb von ihm ins Gefängnis geworfen worden (Lk 3,19-20). Von einem gewaltsamen Ende des Täufers aber liest man bei ihm beiläufig erst in Lk 9,7-9: nach der Aussendung der Zwölf wird dem Herodes nun zugetragen, jener Jesus könne der von ihm „enthauptete“ Johannes redivivus sein.

In Mk 8,15 warnt Jesus seine Schüler vor „dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes“. Das ist eine merkwürdige Koalition; die Variante in Mt 16,6 („Sauerteig der → Pharisäer und → Sadduzäer“) macht die Sache nicht einfacher. Die Gemeinsamkeit beider Gruppen besteht hier jedoch weniger in vergleichbaren Interessen als in einer vergleichbaren Eigenart: so wie der Sauerteig unaufhaltsam alles durchdringt und deshalb vor Pessach penibel aus jeder Küche entfernt werden muss, so raumgreifend und durchdringend ist auch der Anspruch der Pharisäer wie der des Herodes - wenngleich auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Herodes Antipas erscheint in diesem Bild als einer, der die vollständige Kontrolle seiner Untertanen erstrebt.

Pharisäer und „Herodesleuten“ treten indessen noch öfter gemeinsam auf (Mk 3,6; Mk 12,13 / Mt 22,15-16). Sie sind sich dabei allein in ihrer Feindschaft gegen Jesus einig. Mk/Mt unterstreichen an diesen Stellen den Gegensatz zwischen Jesus und seinem „Landesherrn“.

4.2. Lukas

Anders als bei Mk/Mt ist die Figur des Herodes Antipas in dem großen Erzählwerk des Lk durchgängig präsent. Sie hat einen festen Platz auf der politischen Bühne, auf der Lk seine Jesus-Christus-Geschichte spielen lässt. Vom Beginn der Täufergeschichte an (Lk 3,1) bis hin zu den Verhören des Paulus im Palst des Herodes in Cäsarea maritima (Apg 23,35) verkörpert Herodes Antipas die zuständige staatliche Autorität.

Mit dem Synchronismus in LkS 3,1-2 leuchtet Lk die politische Szene aus und bringt dabei „Herodes, den Tetrarchen von Galiläa“ erstmals ins Spiel. In Lk 3,19-20 kommt der „Tetrarch Herodes“ das nächste Mal mit seiner Verhaftung des Täufers in den Blick; der Täufer habe den Herodes jedoch nicht nur der Herodias wegen zurechtgewiesen, sondern auch „wegen all des Bösen, das Herodes getan hatte“; dem fügt der Tetrarch nun als weiteres Übel auch noch die Verhaftung seines Kritikers hinzu. Damit trägt die Figur von vornherein ein negatives Vorzeichen, das alle weiteren Erwähnungen und Episoden bestimmt. Um so bemerkenswerter ist es, dass zu der Frauengruppe um Jesus auch „Johanna, die Frau des Chuza, eines Epitropos (Verwalters) des Herodes“ gehört; der Einfluss Jesu reicht also bis in den ‚inner circle‘ des herodianischen Hofes hinein. Das Gerücht vom Johannes redivivus (Lk 9,7-9) bringt Herodes Antipas zwar in Verlegenheit; doch allein die Lk-Fassung erweckt hier den Eindruck, dass der Tetrarch diesem Gerücht keinen Glauben schenkt. In LkS 13,31-33 ist von der Absicht des Herodes die Rede, Jesus zu töten; den Pharisäern, die ihn deshalb vor Herodes warnen, gibt Jesus eine Botschaft an „diesen Fuchs“ mit; die Beziehung ist nun eindeutig auf Konfrontation gestimmt.

Ihre auffälligste Besonderheit gewinnt die lkn. Darstellung jedoch in der → Passionsgeschichte. Hier fügt der Evangelist über Mk/Mt hinaus noch eine weitere Verhörszene ein (LkS 23,6-12), in der nun auch Herodes Antipas aktiv in das Geschehen eingreift. Als Pilatus von der galiläischen Herkunft Jesu hört, überstellt er ihn an den Tetrarchen, der sich aus Anlass des Passafestes gerade in Jerusalem aufhält. Lk gelingt es auf diese Weise, aus der Mk-Vorlage ein ordentliches, auch formal stimmiges römisches Akkusationsverfahren zu machen (Heusler, 2000).

Das Negativbild des Herodes Antipas erreicht damit seinen Höhepunkt. Er freut sich über die schon lange ersehnte Gelegenheit einer Begegnung; dazu motiviert ihn jedoch nicht Wertschätzung, sondern schlichte Neugierde und die Hoffnung auf ein Mirakel; als Jesus seiner wortreichen Befragung mit Schweigen begegnet, reagiert er mit Verachtung; nun sind es bei Lk auch nicht mehr die römischen Soldaten des Pilatus, sondern die jüdischen des Herodes Antipas, die Jesus verspotten und mit einem prächtigen Gewand verhöhnen. Zum Schluss vermerkt Lk ausdrücklich, dass Herodes und Pilatus an diesem Tag Freunde wurden; der politische Hintergrund mag in dem Versuch des Prokurators liegen, seine Beziehung zu dem Tetrarchen zu festigen; auf der Erzählebene rücken beide als diejenigen zusammen, die im Prozess Jesu gemeinsame Sache machen. Daran ändert sich auch nichts, wenn Pilatus im Folgenden bei der Entlastung Jesu auch noch einmal das gleichlautende Urteil des Herodes Antipas erwähnt (LkS 23,13-16). Im Gebet der Jerusalemer Gemeinde (Apg 4,27) wird man sich später beider Machthaber als Verbündeter „gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast“ erinnern. War Herodes schuldig am Tod des Täufers Johannes, so trägt er nun auch Mitverantwortung am Tod Jesu.

Personelle Verbindungen zwischen der christlichen Gemeinde und den Herodianern bleiben bestehen. War es zur Zeit der Jesusbewegung Johanna aus dem Kreis des Hofes (Lk 8,3), so begegnet nun in der Gemeinde von → Antiochia „Manaën, ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes“ als Prophet und Lehrer (Apg 13,1).

Herodes Antipas steht bei Lk als jüdische Herrscherpersönlichkeit nicht allein. Er fügt sich vielmehr in das Gesamtbild der herodianischen Dynastie ein, die durch Herodes den Großen, seine drei Söhne, Agrippa I. und Agrippa II. umfangreich zur Darstellung gelangt. In historischer Hinsicht weiß Lk hier sehr genau zu unterscheiden. Literarisch und theologisch aber fließen bei ihm die Herodianer letztlich zu einer einzigen, komplexen „Herodes-Figur“ zusammen. Das hat zu der These von „Herodes“ als einem „composite character“ in Lk / Apg geführt (Dicken, 2014). Zwei auffällige Anomalien fungieren als Ansatzpunkt für diese These: nur in Lk 1,5 trägt Herodes den Titel „König von Judäa“ (sonst heißt er stets „König der Juden“); nur in Act 12 führt Agrippe den Namen „König Herodes“. Erzählstrategisch werden alle Träger dieses Namens mit vergleichbaren Zügen ausgestattet.

Ihr gemeinsamer Nenner besteht darin, als Erzählfigur „Herodes“ zum Repräsentanten der politisch / satanischen Opposition gegen die Verkündigung und Ausbreitung des Evangeliums zu werden. Darin geht Lk deutlich über Mk/Mt hinaus und setzt einen Akzent, der rezeptionsgeschichtlich auch für die Figur des Herodes Antipas weitreichende Wirkung erlangt.

Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

  • Herodes des Großen Erben und ihre Territorien Vogel, Herodes, 2002, 281
  • Sepphoris Foto C. Böttrich, 2013
  • Münzprägungen des Herodes Antipas, 26/27 n. Chr. aus: Theißen, Lokalkolorit, 1992, 30
  • Tanz der Salome Bernwardsäule im Dom zu Hildesheim, um 1000, Foto Thangmar, 2005, Wikimedia Commons

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