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(erstellt: April 2013)

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„Amen“ bedeutet „so sei es!“ und signalisiert insbesondere in liturgischem Kontext die Zustimmung des Sprechers.

1. Herkunft und Bedeutung

Amen ist ein aus dem Hebräischen (אָמֵן ’āmen) übernommenes Wort, das bereits in der → Septuaginta (z.B. Neh 5,13) und im Neuen Testament (z.B. Mt 5,18) als Lehnwort (ἀμήν amēn) belegt ist. Heute kann es geradezu als „Markenzeichen des christlichen Glaubens über alle Konfessionsgrenzen hinweg“ gesehen werden (Neef, 363).

Das hebräische Wort אָמֵן ’āmen ist ein Verbaladjektiv der Wurzel אמן ’mn, deren Grundbedeutung „fest / zuverlässig / sicher sein“ lautet. Diese Grundbedeutung ist auch in dem häufig formelhaft verwendeten Amen erkennbar. Es bestätigt, dass etwas Ausgesprochenes als gewiss und zuverlässig erkannt und anerkannt wird, etwa im Sinne von „so sei es“. Die genaue Bedeutung des Amen ergibt sich aus seiner jeweiligen Verwendung.

2. Verwendung

Amen kommt im Alten Testament 30-mal vor, textkritisch nicht ganz eindeutig sind die beiden Belege in Jes 65,16 (s.u. 2.4.). Charakteristisch ist, dass Amen an allen Stellen entweder direkte Rede oder Anweisung zu einer direkten Rede ist und sich als zustimmende Antwort auf eine vorher von einer anderen Person ergangene Rede bezieht. Erst in Tob 8,8 (nicht in Lutherbibel) kann Amen auch das eigene Gebet bekräftigen. Ein von manchen (Wildberger, 195) im Anschluss an die Septuaginta am Anfang von Jer 15,11 rekonstruiertes Amen wäre die einzige alttestamentliche Ausnahme von diesem responsorischen Gebrauch. Doch diese Konjektur ist sehr unsicher und kann deshalb hier unberücksichtigt bleiben.

Sprecher des Amen können sowohl Einzelne als auch das Volk, die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde sein. Alle alttestamentlichen Belege stehen außerdem in einem unmittelbar theologischen Zusammenhang.

2.1. Zustimmung zu einem Fluch

Zwölf der dreißig alttestamentlichen Belege gehören in Dtn 27,15-26 zu einem Fluchzeremoniell (→ Fluch). Auch das doppelte Amen in Num 5,22 und Neh 5,13 antwortet auf einen Fluch. Die Flüche richten sich vor allem gegen Taten, die im Verborgenen geschehen sind. Durch das Amen akzeptieren die Angesprochenen die Gültigkeit des Fluches und damit die Verurteilung der betroffenen Personen durch Gott selbst. Wer eine der genannten Taten begangen hat, richtet sich durch das Amen selbst.

In Jer 11,5 antwortet der Prophet auf eine von JHWH ausgesprochene Verfluchung: „Amen, JHWH!“ In Verbindung mit dem Fluch wird dort zugleich an den → Segen des → Bundes erinnert, beides zusammen ist Teil eines Verkündigungsauftrages. Die Antwort Jeremias lässt sich auf alle drei Aspekte beziehen: Er akzeptiert den Auftrag und stimmt dem Inhalt der auszurichtenden Botschaft zu, dem Fluch und dem Segen: „Ja, das soll geschehen!“

2.2. Bestätigung einer heilvollen Ankündigung

In Jer 28,6 antwortet der Prophet auf Ankündigungen des Propheten → Hananja: „Amen, so tue JHWH! JHWH bestätige deine Worte, die du geweissagt hast …“ Auch hier hat Amen bestätigenden Charakter: „Ja, das soll geschehen!“ Allerdings zeigt der Zusammenhang, dass Jeremia der Ankündigung Hananjas letztlich mehr als skeptisch gegenübersteht. Die Bestätigung ist deshalb vor allem ein Wunsch, der auch mit einem ironischen Unterton gehört werden kann.

In 1Kön 1,36 antwortet → Benaja auf die Anweisungen → Davids zur Einsetzung → Salomos: „Amen! So spreche JHWH, der Gott meines Herrn, des Königs!“ Damit wünscht Benaja, dass Gott selbst die Anordnungen Davids durch sein Amen bestätigt und in Kraft setzt (Neef, 364). In Analogie zu Jer 28,6 wird der Text hier manchmal in „so tue JHWH“ geändert (Wildberger, 195; vgl. bereits die Septuaginta), so dass das Amen Benajas eigene Zustimmung zum Ausdruck bringen würde.

2.3. Einstimmen der Gemeinde in das Gotteslob

In den Schlussdoxologien der ersten drei Psalmenbücher findet sich in Ps 41,14; Ps 72,19 und Ps 89,53 jeweils ein doppeltes Amen als Antwort der Gemeinde (vgl. auch Neh 8,6). Am Ende des vierten Psalmenbuches heißt es in Ps 106,48: „Gelobt sei JHWH, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit, und alles Volk spreche: Amen! Halleluja!“ (→ Halleluja). Das am Ende der ersten drei Psalmenbücher belegte zweite Amen wird hier – dem Kontext des Psalters entsprechend –, durch „Halleluja“ ersetzt. Der Psalter insgesamt schließt dann in Ps 150,6: „Alles, was Odem hat, lobe JH! Halleluja!“, letztlich also mit einem doppelten „Halleluja“ (= „lobe JH!“). Allen fünf Büchern des Psalters ist also gemeinsam, dass sie mit einer doppelten Antwort oder der Aufforderung dazu schließen.

Joachim Jeremias (387) erklärte das doppelte Amen in Ps 41,14; Ps 72,19 und Ps 89,53 durch Hinweis auf den später üblichen literarischen Brauch, Buchabschriften mit Amen zu schließen (vgl. etwa Tob 14,15 im Codex Sinaiticus und im Codex Vaticanus; 1Kor 16,24 ebenfalls im Codex Sinaiticus oder im Alexandrinus). Dagegen spricht, dass die alttestamentlichen Belege in den älteren Büchern des Psalters stehen. Die spätere Stelle Ps 106,48, die den von Jeremias angeführten Belegen zeitlich näher steht, geht dagegen eindeutig von einer liturgischen Antwort aus (vgl. dazu auch unten die Belege in den Qumrantexten). Eine direkte Verbindung zur Verwendung am Ende von Buchhandschriften ist damit nicht gegeben.

1Chr 16,36 zitiert im ersten Teil des Verses genau Ps 106,48. Der zweite Teil nimmt ebenfalls die einzelnen Worte aus Ps 106,48 auf, verändert zur besseren Einbettung in den Erzählzusammenhang aber die Aufforderungen in Narrative: Aus der Aufforderung zum Lob wird so der Vollzug des Lobes.

2.4. Der „Gott des Amen“ in Jesaja 65,16

Jes 65,16a kann man wörtlich so übersetzen: „Wer sich im Land segnet, wird sich bei dem ‚Gott des Amen’ (בֵּאלֹהֵי אָמֵן be’lohê ’āmen) segnen, und wer im Land schwört, wird bei dem ‚Gott des Amen’ schwören.“ Amen wäre dann nominal verwendet, ähnlich wie in Offb 3,14. „Das würde bedeuten, daß Segen und Schwur bei dem Gott gesprochen werden sollen, der Segen und Schwur bekräftigt, weil er auch zu seinem eigenen Wort ein ‚Amen’ sagt und dazu steht“ (Jepsen, 347; vgl. auch Lau, 200; Neef, 367).

Durch eine Änderung in der Vokalisation lässt sich hier alternativ auch die Lesart „Gott der Treue“ rekonstruieren (Jeremias, 386; Wildberger, 196; vgl. die gängigen deutschen Bibelübersetzungen).

2.5. Amen auf einem Ostrakon aus Məṣad Ḥăšavjāhû?

Auf einem 1960 gefundenen Ostrakon steht die Petition eines Erntearbeiters, dessen Gewand gepfändet wurde und der es zurück bekommen möchte. In Zeile 11 übersetzt Conrad (250): Meine Brüder „werden zu meinen Gunsten aussagen. Es ist wahr, ich bin frei von Sch[uld.]“ Für „es ist wahr“ geht er von der Lesart אמן ’mn aus. Weippert (2010, 371-372) übersetzt dagegen: „Meine Genossen können für mich zeugen. Wenn ich von Sch[uld] frei bin …“

Statt אמן ’mn liest er אם ’m „wenn“ und sieht das נ n als ersten Buchstaben des nächsten Wortes: ננקתי nnqtj. Die ungewöhnliche Doppelung des Nun am Wortanfang sei entweder eine Dittographie, da das Ostrakon auch sonst eine Reihe orthographischer Fehler enthält. Oder es sei eine Nebenform ohne Assimilation des silbenschließenden Nun (diese Begründung in Weippert, 1990, 461).

Eine dritte Deutung bietet Pardee (1982, 21-22). Er übersetzt: „… they will testify for me that this is true. I am guiltless …“. Für ihn ist Amen damit das erste Wort, das die vor den Statthalter zitierten Genossen des Erntearbeiters sagen werden, wenn sie zu der Behauptung des Bittstellers gehört werden.

Die ausschließlich responsorische Verwendung von Amen in alttestamentlichen Texten spricht eher gegen die Übersetzung von Conrad. Zumindest kann das Ostrakon alleine einen anderen Gebrauch nicht eindeutig belegen.

2.6. Amen in den Qumrantexten

Bis in die 70er Jahre waren aus den → Qumrantexten nur einzelne Belege bekannt, vor allem in 1QS I-II. Nach der vollständigen Veröffentlichung der Texte ist die Zahl der Belege nun aber auf immerhin 59 gestiegen. An 26 Stellen steht jeweils ein doppeltes Amen. Dazu kommen sieben Stellen mit einem einfachen Amen. Da alle einfachen Belege unmittelbar neben einer Textlücke stehen, kann man davon ausgehen, dass das zweite Amen im Original jeweils enthalten war (Hamidović, 217).

Inhaltlich ist das Amen in den Qumrantexten eine liturgische Formel zur Bekräftigung vorausgehender Aussagen. Es steht immer am Satzende und bezieht sich auf Segen oder Fluch, ein Gebet oder einer Liturgie. „Die Doppelung des אמן erlangt ihre besondere Eigenschaft gegenüber dem Alten Testament in der quasi superlativischen Steigerung der Selbstvergewisserung um Gottes Eingreifen für den Gerechten und gegen den Gottlosen“ (Hamidović, 219).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977ff
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., München / Zürich 2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Theologisches Wörterbuch zu den Qumrantexten, Stuttgart u.a., 2011ff

2. Weitere Literatur

  • Abegg, Martin, 2003, The Dead Sea scrolls concordance: The non-biblical texts from Qumran, Band 1, Leiden.
  • Conrad, Diethelm, 1983, Ersuchen um Rechtshilfe, in: TUAT I, Lfg. 3, 249-250.
  • Hamidović, David, Art. אָמַן ’āman, in: Theologisches Wörterbuch zu den Qumrantexten, Bd. 1, Stuttgart u.a. 2011, 209-219.
  • Jepsen, Alfred, Art. אָמַן, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. 1, Stuttgart u.a. 1973, 313-348.
  • Jeremias, Joachim, Art. Amen I. Biblisch-theologisch, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 2, Berlin / New York 1978, 386-391.
  • Lau, Wolfgang, 1994, Schriftgelehrte Prophetie in Jes 55-66. Eine Untersuchung zu den literarischen Bezügen in den letzten elf Kapiteln des Jesajabuches (BZAW 225), Berlin u.a.
  • Neef, Heinz-Dieter, 2008, Amen. Beobachtungen zur Verwendung einer alttestamentlichen Formel, Theologische Beiträge 39, 363-375.
  • Pardee, Dennis, 1982, Handbook of Ancient Hebrew Letters, Chico/Ca.
  • Pfeiffer, Egon, 1958, Der alttestamentlich Hintergrund der liturgischen Formel „Amen“, KuD 4, 129-141.
  • Weippert, Manfred, 1990, Die Petition eines Erntearbeiters aus Məṣad Ḥǎšavyāhū und die Syntax althebräischer erzählender Poesie, in: E. Blum u.a. (Hgg.), Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte (FS R. Rendtorff), Neukirchen-Vluyn.
  • Weippert, Manfred, 2010, Historisches Textbuch zum Alten Testament (GAT 10), Göttingen.
  • Wildberger, Hans, Art. אמן ’mn fest, sicher, in: Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, München / Zürich, 6. Aufl. 2004, Bd. 1, 177-209.

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