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(erstellt: April 2013)

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1. Altar

1.1. Zur Begrifflichkeit

In der Welt der Kulte des Mittelmeerraumes gehörten Altäre zu den unverzichtbaren Bestandteilen von Tempelanlagen. In aller Regel standen diese Altäre nicht im → Tempelgebäude selbst, sondern diesem gegenüber im Freien. Auf ihnen wurden die Teile des → Opfertieres verbrannt, die für die Gottheit bestimmt waren. Der sichtbar aufsteigende Opferrauch symbolisierte die Verbindung zwischen dieser Welt und der himmlischen Wohnstatt der Götter. Im Griechischen nannte man die Altäre meist βωμός (bōmos). Dieser Name leitet sich vom Verb βαίνω (bainō, aufsteigen) ab, und hält die Erinnerung daran wach, dass es sich bei Altären um erhöhte Plätze handelte. Dem lateinischen altare liegt eine ähnliche Etymologie zugrunde.

Im biblischen Hebräisch heißt der Altar מזבח (mizbeach), und bezeichnet damit den Ort, an dem die Handlung vollzogen wird, die in der Wurzel זבח (zabach) zur Sprache kommt, nämlich die Schlachtung des Opfertiers. Die Übersetzer der → LXX haben sich an dieser Wortbildung orientiert und ein neues Wort geschaffen, um das hebr. מזבח (mizbeach) zu übersetzen: θυσιαστήριον (thysiastērion). Dazu verbanden sie das Vorzugswort für Opfer, θυσία (thysia), mit der Endung –τηριον (tērion), die eine Örtlichkeit bezeichnet. Das deutsche Wort Opferstätte entspricht der griechischen Wortbildung genau (ab Gen 8,20). Mithilfe dieses Wortes konnte die LXX legitime, dem Gott Israels geweihte Altäre von solchen anderer Gottheiten unterscheiden. Letztere wurden mit dem in der griechischsprachigen Umwelt gebräuchlichen βωμός (bōmos) benannt.

Das NT steht ganz in der Sprachtradition der LXX und verwendet θυσιαστήριον (thysiastērion), wenn es vom Altar bzw. von Altären spricht, die dem Gott Israels geweiht sind. Nur an einer Stelle begegnet βωμός (bōmos), und zwar ganz sachgemäß in der Erzählung vom Besuch des → Apostel Paulus auf dem Areopag in Athen, wo er den Altar für den unbekannten Gott (Apg 17,23) zum Ausgangspunkt seiner Verkündigung macht. Auch wenn Paulus den unbekannten Gott mit dem Gott Israels gleichsetzt, ist der Altar in Athen diesem doch nicht geweiht, und heißt darum βωμός (bōmos).

1.2. Altäre im Neuen Testament

In den ntl. Texten werden zwei unterschiedliche Altäre erwähnt. Am häufigsten der nicht näher spezifizierte große Brandopferaltar, der im Hof vor dem Heiligtum stand (vgl. Ex 27,1-8), dann aber auch der vergoldete Weihrauchalter (τὸ θυσιαστήριον τοῦ θυμιάματος, to thysiastērion tou thymiamatos [Lk 1,11]; τὸ θυσιαστήριον τὸ χρυσοῦν, to thysiastērion to chrysoun [Offb 9,13]), der sich innerhalb des Tempelgebäudes vor dem Allerheiligsten befand (vgl. z.B. Ex 40,26).

Schon die Tora differenziert Opfervollzüge, die an unterschiedlichen Bereichen des großen Brandopferaltars stattfanden. Oben auf dem Altar wurden die Teile des Opfers verbrannt, die ganz Gott zufielen. An den Hörnern des Altars und der Altarwand fanden unterschiedliche Blutriten statt. Außerdem wurde Blut an das Fundament des Altars gegossen.

Vor allem das → Matthäusevangelium erwähnt den Opferaltar im Jerusalemer Tempel: In Mt 23,16ff findet sich eine Diskussion über die Verwendung von Ersatzformeln beim Schwören. Sinn eines Schwurs bzw. Eides war es, Gott selbst als Garant oder Zeuge für die Wahrheit des Gesagten aufzurufen. In der Tradition von Ex 20,7 und Lev 24,16 (LXX) scheute man sich aber, den Namen Gottes direkt auszusprechen. Darum griff man stattdessen auf Ersatzformeln zurück (z. B. "Himmel" statt "Gott" [vgl. Lk 6,20 mit Mt 5,3]), die einen Bezug zum eigentlich Gemeinten wahren, ohne es direkt zu nennen.

In Mt 23,16 wendet sich Matthäus gegen eine Unterscheidung, die eigentlich bei der Formulierung von Gelübden relevant ist. Nur, wenn man in einem Gelübde etwas nennt, was man der Gottheit zumindest in der Theorie auch darbringen kann, ist das Gelübde gültig. Darum ist ein Gelübde beim Tempel nicht gültig, eines beim Gold, das man dem Tempel weiht, schon. Matthäus unterscheidet hier nicht zwischen Eiden und Gelübden - wie viele seiner Zeitgenossen auch nicht, die das Gelübde für eine harmlosere Variante des Eides gehalten haben, und weist nun nach, dass auch ein Schwur unter Verwendung von Ersatzformeln einen direkten Bezug zu Gott herstellt, und es deshalb nicht möglich ist, Gottes Heiligkeit durch die Verwendung von Ersatzformeln zu schützen. Dabei teilt er die kultische Logik, nachdem der Altar das heiligt, was auf ihm dargebracht wird (Ex 29,37). Der Altar wiederum empfängt seine heiligende Kraft von dem Ort, an dem er steht - und dieser von der Gegenwart Gottes selbst (vgl. Ex 29,43 [vgl. zum Ganzen Vahrenhorst, 2002, 362ff]).

Ebenfalls eine Rolle spielen Altäre in der Offenbarung. Sie kennt einen himmlischen Tempel mit einem Altar (6,9; 8,3; 14,18; 16,1.7 [nach den meisten Handschriften spricht der Altar]; 16,17) und einem goldenen Weihrauchaltar (8,3; 9,13). Dieser Tempel korrespondiert offenbar dem salomonischen Heiligtum, denn in seinem Inneren befindet sich die Bundeslade (11,19), andererseits wird er auch mit der Stiftshütte identifiziert (15,5), die im LXX Pentateuch allerdings nie ναός (naos) genannt wird, was die übliche Bezeichnung der Offenbarung für den himmlischen Tempel ist. Kultvollzüge in diesem Heiligtum sind Weihrauchzeremonien (5,3; 8,3.4), wobei der Weihrauch die Gebete der Christen (die Offenbarung nennt sie in urchristlich-paulinischer Tradition Heilige) repräsentiert.

Der himmlische Tempel ist Ort der Gegenwart Gottes. Von dort her ergehen die Offenbarungsmitteilungen durch Stimmen oder Engel. Als paralleles Bild verwendet die Offenbarung das vom himmlischen Thronsaal, das schon in Jes 6 mit dem des Tempels verschmilzt. An diesem Ort befindet sich auch der Gesalbte aber auch die Seelen der Ermordeten sind dort unter dem Altar (6,9).

2. Weitere Kultinstallationen

2.1 Das Ilastērion (Röm 3,25; Hebr 9,5)

In Hebr 9,5 ist mit dem ἱλαστήριον (Ilastērion) eindeutig eine Kultinstallation aus der biblischen Tradition gemeint, nämlich der Deckel, der sich auf der Bundeslade befand. Er wird in Ex 25,17 zum ersten Mal erwähnt: „Und du sollst als Sühnestätte eine Deckplatte aus reinem Gold machen, zweieinhalb Ellen lang und anderthalb Ellen breit“ (LXX.D). Damit wäre diese Platte 1,15 x 0,70 m groß gewesen. Diese Platte wurde von zwei → Keruben „überschattet“, wie der Hebr. im Anschluss an Ex 25,18ff sagt.

Die LXX übersetzt mit ἱλαστήριον das hebr. כפורת. Darin ist die Wurzel כפר (kāfār) enthalten, die gewöhnlich mit → „Sühne schaffen“ übersetzt wird. In der LXX entsprechen dem Ableitungen von ἱλάσκομαι (ilaskomai, klassisch: “geneigt machen”). Wie schon beim Altar folgt die LXX dieser Etymologie und schafft ein bisher kaum gebräuchliches Wort (vgl. Kraus, 27f): ἱλαστήριον (Sühnestätte). Dabei handelt es sich um den Ort, „an dem Gott erscheint (Lev 16,2) und von dem aus er mit Mose spricht (Ex 25,22; Num 7,89)“ (Vahrenhorst, 270). In Hebr 9,1-5 wird das ἱλαστήριον (ilastērion) in einer Aufzählung von Kultinstallationen aus dem Wüstenheiligtum genannt, ohne dass diese Gegenstände näher gedeutet würden. Sie werden aufgezählt, um zu verdeutlichen, dass „auch der erste (Bund) Bestimmungen heiligen Rechts und das für die Welt wesentliche Heiligtum“ hatte (Hebr 9,1 [Übersetzung: Karrer, 131]).

Theologisch gewichtiger (und in der Deutung umstrittener) ist die Erwähnung des ἱλαστήριον (ilastērion) in Röm 3,25. Eine Übersicht über die Deutungsvorschläge findet sich bei Kraus (2008), 192ff. Am größten ist die Wahrscheinlichkeit, dass Paulus – bzw. die Tradition, die er hier aufgenommen hat (vgl. Kraus [1991], 15ff) – dem in der LXX dominanten Sprachgebrauch folgt und mit ἱλαστήριον tatsächlich die Sühnestätte im Gefälle von Ex 25,17 meint. Röm 3,25 verbindet mit dem Ort die Wendung „durch sein Blut“. Die gleiche Verbindung findet sich in der Beschreibung der Vollzüge des Yom Kippur. „Nach Lev 16,14 soll der Hohepriester zuerst vom Blut des Jungstiers an die Sühnestätte – an den Deckel auf der Bundeslade – sprengen. In einem zweiten Ritus soll das Gleiche mit dem Blut des Bockes geschehen, auf den das Los „für den Herrn“ gefallen ist (Lev 16,9). Worauf dieses Ritual zielt, formuliert Lev 16,16: `und er soll Sühne schaffen für das Heiligtum von den Unreinheiten der Kinder Israels und ihrer Unrechtstaten…`. Das Ritual zielt also nicht auf Sühne, die am Volk vollzogen wird, sondern auf die Reinigung des Heiligtums“ (Vahrenhorst [2008], …).

Die Tradition, die Paulus aufgreift, hätte den → Tod Jesu vor diesem Hintergrund als „Heiligtumsreinigung“(Kraus spricht von „Heiligtumsweihe“) verstanden. Möglich wäre auch, dass diese Tradition (und Paulus nach ihr) Bezüge zum Geschehen am Yom Kippur herstellen wollte, um die positiven Folgen des Todes Jesu aufzuzeigen, ohne auf die Details der Vollzüge an diesem Tag näher einzugehen.

2.2. Der Vorhang im Tempel

Die → Synoptiker berichten nahezu wortgleich davon, dass unmittelbar vor Jesu Tod (Lk) bzw. kurz danach der Vorhang im Tempel in zwei Teile "zerriss" (so die übliche Übersetzung von σχίζω, skhízō [Mt 27,51; Mk 15,38; Lk 23,45]). Es könnte sich nach dem biblischen Sprachgebrauch dabei entweder um den Vorhang, der nach Ex 26,33 das Allerheiligste vom Heiligen trennt, und bei den Blutriten beim Sühnopfer für den Hohenpriester und die Gesamtheit des Volkes eine Rolle (Lev 4,6.17) spielt, handeln. Oder aber es geht um den Vorhang vor den Türen des Heiligtums (vgl. Ex 26,37). Auf der Ebene des MkEv entspricht die Teilung des Tempelvorhangs wörtlich der Teilung der Himmel bei der Taufe Jesu (Mk 1,10). Sollte Markus den Vorhang vor den Türen zum Heiligtum im Blick gehabt haben, der nach Josephus, Bell 5,214 mit einer Darstellung des Himmels verziert war, wäre diese Korrespondenz noch deutlicher. In beiden Fällen wird etwas geöffnet, was sonst unzugänglich ist, entweder Gottes himmlische oder seine irdische Wohnstatt. Die markinische Darstellung könnte man demnach als positive Deutung des Todes Jesu verstehen: Mit dem Tod Jesu wird der Zugang zum Ort der Gegenwart Gottes selbst geöffnet. Grundsätzlich ist das auch bei Matthäus möglich, der mit dem Motiv der gespaltenen Felsen und der Auferstehung der Toten einen Bezug zu Heilstexten wir Sach 14,4f und Hes 37 herstellt. Es ist also alles andere als ausgemacht, dass es sich beim "Zerreißen" bzw. neutraler bei der der "Spaltung" des Tempelvorhangs um eine Unheilsankündigung handelt. Möglich ist diese Deutung aber dennoch (vgl. Josephus, Bell 6,293-295.299). Der Sprachgebrauch und die zeitgenössischen bzw. biblischen Bezüge sind offen für beide Deutungen. Diese Mehrdeutigkeit fügt sich gut zum Matthäusevangelium, das den Tod Jesu einerseits als Heilsgeschehen deutet und andererseits in ihm den Grund für die Zerstörung des Tempels sieht (vgl. Fiedler, 417f).

Literaturverzeichnis

  • Busink, Th. A., Der Tempel von Jerusalem, Band 2: Von Ezechiel bis Middot, Leiden 1980
  • Fiedler, P., Das Matthäusevangelium, Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 1, Stuttgart 2006
  • Karrer, M., Der Brief an die Hebräer, Kapitel 1,1-5,10, ÖTK, Gütersloh 2002
  • Karrer, M., Der Brief an die Hebräer, Kapitel 5,11-13,25, ÖTK, Gütersloh 2008
  • Kraus, W., Der Erweis der Gerechtigkeit Gottes im Tod Jesu nach Röm 3,21-26, in: Doering, L. / Waubke, H.-G., / Wilk, F. (Hg.), Judaistik und neutestamentliche Wissenschaft, FRLANT 226, Göttingen 2008, 192-216
  • Kraus, W., Der Tod Jesu als Heiligtumsweihe. Eine Untersuchung zum Umfeld der Sühnevorstellung in Römer 3,25-26a, WMANT 66, Neukirchen-Vluyn 1991
  • Vahrenhorst, M., Ihr sollt überhaupt nicht schwören. Matthäus im halachischen Diskurs, WMANT 95, Neukirchen-Vluyn 2002
  • Vahrenhorst, M., Kultische Sprache in den Paulusbriefen, WUNT 230, Tübingen 2008

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