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Andere Schreibweise: Alalakh

(erstellt: März 2011)

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1. Lage

Alalach (Alalaḫ, modern Tell Açana / Atchana) liegt in der Südtürkei 20 km östlich von Antakya, dem früheren Antiochia, und 70 km westlich von Aleppo (Koordinaten: N 36° 14' 22'', E 36° 23' 01''). Die Stadt befindet sich auf einem 750 × 325 × 9 m großen künstlichen Hügel und ist über den nahen → Orontes mit dem Mittelmeer verbunden. Sie bildete ein regionales Zentrum in der Amuq-Ebene, die aufgrund ihrer Fruchtbarkeit schon früh relativ dicht besiedelt war (300-400 archäologischen Stätten), und darüber hinaus eine wichtige Kontaktzone der großen Kulturen und politischen Zentren Mesopotamiens, Anatoliens, des Mittelmeerraumes und der levantinischen Küste, in deren Rahmen sie während der Bronzezeit eine bedeutende Rolle spielte.

2. Erforschung und Textfunde

Das Interesse an der Amuq-Ebene und seinen bedeutendsten Orten, Tell Açana und das benachbarte Tell Ta‘yīnāt, erwachte in den 1930er Jahren, als R. Braidwood (Oriental Institute of Chicago) mit Surveys begann. Die ersten Ausgrabungen am Tell Açana / Alalach wurden, mit Unterbrechungen durch den II. Weltkrieg, unter der Leitung von Sir Leonard Woolley von 1937-1949 durchgeführt. Bedeutende Überreste eines Archivs mit rund fünfhundert akkadischen Keilschrifttafeln konnten in den Jahren 1938-1939 in zwei unterschiedlichen Schichten der Siedlung geborgen werden.

Unterstützt vom Oriental Institute of Chicago (The Alalakh Expedition) leitete von 1995 an Kutlu Aslıhan Yener ein regionales Projekt, das sich der Siedlungsarchäologie der Amuq-Ebene widmete. Im Zuge dessen wurden seit 2003 auch neue Ausgrabungen in Tell Açana / Alalach unternommen (seit 2006 vom Ministerium für Kultur und Tourismus der Türkei, der Mustafa Kemal Universität / Antakya und der Koç Universität / Istanbul finanziert). Während der Kampagnen 2009-2010 konnte durch Sondagen und erneute Untersuchungen die Chronologie Alalachs, die bis dahin weitgehend auf Wooleys Angaben beruhte, besonders im Hinblick auf das 2. Jt. v. Chr. korrigiert und verfeinert werden. Da die Ergebnisse von Yener bislang nur durch öffentliche Vorträge bekannt geworden sind, beziehen sich die nachfolgenden Angaben auf die "traditionelle" Chronologie Wooleys.

Bei den Keilschrifttafeln, die v.a. in den Schichten VII (17. Jh. v. Chr.) und IV (15. Jh. v. Chr.) gefunden wurden, handelt es sich vor allem um Wirtschaftstexte, z.B. Personenlisten und Landbesitzurkunden, aber auch Verträge. Sie liefern wichtige Informationen sowohl für die Geschichte Syriens im 2. Jt. v. Chr. als auch für die zeitgenössischen politischen Mächte wie → Mari, Jamchad, → Mitanni und Hatti (→ Hethiter).

Einen großen Teil der Texte hat Wiseman (1953) katalogisiert und teilweise in einer Erstbearbeitung vorgelegt (D.J. Wiseman, The Alalakh Tablets, London 1953, abgekürzt AlT). Alle Tontafeln aus Alalach (auch solche, die zuvor nicht katalogisiert waren) erhielten zwischenzeitlich neue Nummerierungen und sind von Zeeb und Niedorf publiziert worden, die das Material der Schichten VII-VI (siehe Zeeb 2001) und V-0 (siehe Niedorf 2008) behandeln.

3. Geschichte

3.1. Mittlere Bronzezeit IIA: Schichten XVII-X (ca. 1710-1680)

Alalach 2

Die ältesten Schichten von Alalach (XVII-VIII) datieren in die frühe Mittlere Bronzezeit und sind archäologisch durch zwei Tiefschnitte nachweisbar, die Woolley unterhalb der Mauern von Schicht VII öffnete. Auf den ältesten Tempel stieß man in Schicht XVI (nach Heinz, 1992: Schicht XIV), doch das am besten erhaltene Heiligtum gehört der Schicht XII an. Es bestand aus einer Cella, einem Hof und einem Vorraum. In Schicht XII konnten Säulengänge, wie sie durch Sondagen im Palast der Schicht VII bereits bekannt waren, auch an dem ersten offiziellen Gebäude von Alalach nachgewiesen werden.

3.2. Mittlere Bronzezeit IIB

3.2.1. Schichten IX-VIII (ca. 1680-1650)

Die Keramik deutet darauf hin, dass es sich bei den architektonischen Überresten der Schichten IX-VIII um Vorläuferbauten des Palastes und des Tempels der Schicht VII handelt. Kultbereiche sind nur spärlich dokumentiert: Lediglich Spuren einer stützenden Plattform für den Tempel und einige Mauerreste konnten während der Grabung identifiziert werden. Unterhalb des Palastes von Schicht VII wurden dicke Mauern und kleine Räume entdeckt, die möglicherweise Teile eines Arbeitsbereichs bilden, der zu den Schichten IX-VIII gehörte.

3.2.2. Schicht VII (Königtum von Jamchad; ca. 1650-1600)

Alalach 3

Schicht VII datiert in die altbabylonische Zeit und stellt den ältesten Fundort eines großen Archivs mit Keilschrifttafeln dar. Archäologisch herausragend ist der Monumentalbau, der traditionell als „Palast des Jarim-Lim“ bezeichnet wird und an dessen westlichem Flügel sich ein Tempel erstreckt. Der Palastkomplex im Nordosten der Akropolis besteht aus zwei Blöcken, die sich an einer Hauptaxis orientieren: Eine Empfangshalle, die man durch einen großen Hof (Raum 9) im Norden betrat und einen Annexbau mit Vorratsräumen bzw. Diensträumen im Süden. Das Hauptarchiv wurde in Raum 11, südlich vom Hofplatz, gefunden, andere kleinere Tafelfunde befanden sich in angrenzenden Räumen und in den nördlichen Quartieren. Der Tempelbezirk ist Richtung Nordwest-Südost ausgerichtet und mit dem südlichen Anbau des Palastes verbunden. Der Grundriss stimmt mit den Traditionen überein, die auch in → Megiddo und → Sichem vorzufinden sind: Ein großer Hof führt zu einem quadratisch ausgestalteten Tempel, der aus einem Vorraum und einer Cella besteht. Eine Bank, die entlang der nordwestlichen Mauer verläuft, war der Fundort von mehreren Keilschrifttafeln. Der einzige substantielle Teil eines Festungssystems, der datierbar ist, besteht aus einem monumentalen dreifachen Tor im nordwestlichen Bezirk der Akropolis. In ihm finden sich viele Ähnlichkeiten zu den frühbronzezeitlichen Traditionen Westanatoliens.

In den Zeiten, aus denen das Archiv der Schicht VII stammt, war Alalach Teil des Königtums von Jamchad, der zu diesem Zeitpunkt wichtigsten politischen Größe in Syrien. Jamchad beherrschte von seiner Hauptstadt → Aleppo (Ḫalab) aus fast die ganze Region zwischen dem mittleren Euphrat und dem Mittelmeer. Der erste König dieses Reiches war Sumu-epuch, ein Zeitgenosse des Königs Jachdun-Lim von Mari. Unter dem Sohn und Nachfolger Sumu-epuchs, Jarim-Lim (I.), erblühte Jamchad zu einer einflussreichen Macht, die den Königtümern Schamschi-Addus von → Assyrien, Zimri-Lims von → Mari und → Hammurabis von → Babylon entsprach.

Einer Reihe von Briefen aus Mari kann man entnehmen, dass Grund und Boden von Alalach (in der Schreibung Alaḫtum) Gegenstand von Rechtsgeschäften zwischen Hammurabi (I.) von Jamchad (Jarim-Lims Sohn) und Zimri-Lim war. Doch die Königinmutter Jamchads, Gaschera, konnte mit Unterstützung der Priesterschaft des Gottes Addu von Kallazu eine Übernahme der Stadt seitens des Königtums von Mari verhindern und damit verblieb Alalach (Alaḫtum) in der Hand der aleppinischen Königsfamilie.

Die Briefe aus Mari legen ein erstes Zeugnis darüber ab, welche Bedeutung Alalach während der altbabylonischen Zeit zukam. Die eigene schriftliche Überlieferung der Stadt beginnt, als Abban von Jamchad, Sohn des Hammurabi (I.), sich entschloss, Alalach und andere Ortschaften seinem jüngeren Bruder Jarim-Lim zu übertragen. Diese Schenkung war als Ersatz für die Stadt Irrite (modern Urfa) vorgesehen, die ursprünglich dem Herrschaftsbereich des Jarim-Lim angehörte, dann aber Jamchad in Folge einer Revolte gegen das Königtum verloren ging. Sobald Jarim-Lim in Alalach residierte, erbaute er den Palast der Schicht VII und begründete Dynastien von Lokalherrschern, blieb jedoch formal unter der Oberherrschaft von Jamchad und Aleppo. Unmittelbar nach seinem Tod, wahrscheinlich in der Regierungszeit des Niqmi-epuch von Jamchad, folgte Jarim-Lim sein Sohn Ammitaqum in das Amt des Gouverneurs von Alalach. Seit dieser Zeit erscheint in der schriftlichen Überlieferung der Herr von Alalach als šarrum „König“, ein Titel, der bislang den herrschenden Familien von Aleppo vorbehalten war. Möglicherweise sind diese Veränderungen in der Königsideologie Ausdruck einer erhöhten Autonomie Alalachs, die mit einer Schwächung von Jamchads Oberherrschaft über das Gebiet einhergeht. Eine gewisse Instabilität in Jamchads Verfügungsbereich scheint jedenfalls in der Reihung von fünf Königen angezeigt, die innerhalb eines kurzen Zeitraums regierten und denen in Alalach nur zwei Regierende entsprachen. AlT *6 zufolge erwähnt Ammitaqum als Erben von Alalach seinen Sohn Hammurabi, allerdings folgt dieser seinem Vater in der Zeit von Schicht VII nicht auf den Thron.

Folgt man den Annalen Hattuschilis I. von Hatti (→ Hethiter), so konnte der hethitische König Alalach VII vernichten und den Palast Jarim-Lims während seines zweiten Feldzugs nach Nordsyrien verbrennen. Trotz der Zerstörung des Palastes der Schicht VII nahm die Dynastie von Alalach kein Ende, sondern wurde von dem bereits erwähnten Hammurabi fortgeführt, der AlT *39 (siehe unten) zufolge seinem Vater Ammitaqum während der Schicht VI folgte.

3.3. Mittlere Bronzezeit II C - Späte Bronzezeit I A: Schichten VI-V (16. Jh.)

Während einer Zeitspanne von ungefähr hundert Jahren, vom Beginn des 16. Jh.s v. Chr. bis zum Beginn des 15. Jh.s v. Chr., folgt die sogenannte Übergangsphase mit den Schichten VIA-B und VA-B. Die Schichten VI-V sind wegen der Abtragungen und Änderungen, die von den Bauhandwerkern der Schicht IV vorgenommen wurden, nicht gut erhalten. Während der durch zwei unterschiedliche Phasen repräsentierten Periode wurde die Fläche, auf der sich der Palast der Schicht VII befand, zugunsten einer privaten Nutzung aufgegeben. Der einzige alte Palastbau blieb mit der Mauer im Osten erhalten, die als Stadtmauer weitere Verwendung fand. Als erste große Anlage der Schichten VI-V ist der Palast VB anzusprechen. Er bestand aus einem großen Hof, der von repräsentativen und administrativen Räumen umgeben und mit der nördlichen sogenannten „Zitadelle“ verbunden war. Einen sichtlichen Traditionsbruch, der vielleicht mit größeren sozio-politischen Veränderungen einherging, stellt die Lage des Monumentalbaus im Nordwesten nahe bei den städtischen Verteidigungsanlagen und fernab des Tempelareals (dieses blieb an derselben Stelle wie die Vorgängerbauten und war entsprechend den traditionellen Konzepten axial ausgerichtet) dar.

Alalach 4

Da die Schichten VI-V ebenso wie der größte Teil des kontemporären Vorderen Orients nahezu schriftlos geblieben sind, gestaltet sich eine Darstellung der politischen Geschichte schwierig. Offensichtlich regierte Hammurabi, Sohn des Ammitaqum, dessen Akzessionsjahr in einem der wenigen keilinschriftlichen Dokumente, AlT *39, bezeugt ist, während der gesamten Zeit der Schicht VI. In den Schichten VI-V gibt es keinerlei Anzeichen größerer Zerstörungen in der Stadt, auch wenn die Restaurierung der Verteidigungsanlagen auf Unruhen hinweisen könnte. Die Auswirkungen des endgültigen, von Murschili I. von Hatti verursachten Zusammenbruchs von Aleppo und Jamchad spiegeln sich in Alalach während der Übergangsphase von Schicht VI nach Schicht V wider. Trotz des Niedergangs Jamchads ist es wahrscheinlich, dass Aleppo weiterhin einigen Einfluss, vielleicht sogar die Vorherrschaft über Alalach behielt. Jedenfalls verwendet der König Niqmepa (siehe unten) während seiner Regierungszeit in Schicht IV das Siegel eines Abban, Sohn des Scharran weiter. Dessen Name und Titel („starker König, Diener des Addu, Geliebter des Addu, Kleinod [akkadisch sikiltum] der Hebat“) lässt an eine Beziehung zu der früheren Familie in Jamchad denken. Darüber hinaus beansprucht Niqmepas Vater Idrimi, ein Sohn des Ilimilimma zu sein, der, wenn auch nicht explizit, als Herrscher von Aleppo dargestellt wird.

Möglicherweise ist ein Haus, das Idrimi nach eigenen Aussagen anlässlich seiner Thronbesteigung gebaut hat, mit den palastartigen Bauten in Schicht VB in Verbindung zu bringen, doch muss diese heftig debattierte Annahme weiterhin als ungesichert betrachtet werden.

3.4. Die Späte Bronzezeit I B: Die Vorherrschaft des Mitanni-Reiches (15. Jh.)

3.4.1. König Idrimi (Mitte 15. Jh.)

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Etwa hundert Jahre nach dem Untergang der Dynastie von Jamchad erscheint Idrimi als König von Alalach aus dem Dunkel der Geschichte. Seine Regierungszeit in der Mitte des 15. Jh.s v. Chr. ist auf der wohl bekanntesten Hinterlassenschaft aus Alalach dokumentiert, der rundum beschrifteten Statue des Königs, deren Inschrift seine „Autobiographie“ enthält. Die Statue wurde in einer Grube im nord-östlichen Annexbau des Tempels der Schicht I gefunden (siehe nun aber Fink 2007). Damit ist ein chronologischer Kontext gegeben, der später als das 15. Jh. anzusetzen ist (siehe unten). Dennoch spricht alles dafür, dass der in den Quellen der Schicht IV erwähnte König Idrimi mit der gleichnamigen Person der Statue zu identifizieren ist. Es besteht darüber hinaus breiter Konsens, Idrimi als Gründer der Dynastie zu sehen, die Alalach im 15. Jh. regierte.

Folgt man der Statueninschrift, so war Idrimi der Abkömmling einer herrschenden Familie in Aleppo, den eine „üble Angelegenheit“ (akkadisch mašiktum) zwang, seine Heimat zu verlassen. Es folgten schwierige Jahre, in denen er von Emar am mittleren Euphrat nach Kanaan und in die nördliche Levante zog. Idrimi gelang es schließlich, Personen unterschiedlichster Herkunft an sich zu binden, eine Armee aufzustellen und Alalach, welches er als seine „eigene Stadt“ bezeichnet, sowie das Umland, Mukisch genannt, zu erobern. Trotz dieses Erfolges zeigte sich sehr schnell, dass Idrimi einem mächtigeren Gegner gegenüberstand. Barattarna, der König des Landes Mitanni, forderte ein Bündnis, das einer formellen Unterwerfung entsprach. Durch den damit einhergehenden Schutz des mitannischen Oberherren konnte der neu inthronisierte König Raubzüge gegen die nördlich seines Herrschaftsbereiches gelegenen hethitischen Grenzorte führen und, bedingt durch die Kriegsgewinne, seine Anhängerschaft bezahlen, das Königtum konsolidieren und einen Palast für sich selbst erbauen.

Alalach 6

Neben der Inschrift auf seiner Statue sind nur wenige Dokumente vorhanden, die die Regierungszeit des Idrimi näher beleuchten. Einzig AlT 3, ein Text der Schicht IV, enthält noch historisch relevante Daten. Es handelt sich dabei um einen paritätischen Staatsvertrag zwischen Idrimi und Pillija von Kizzuwatna. Im abschließenden Paragraphen des Vertrages wird noch einmal die Unterwerfung unter Barattarna von Mitanni erwähnt, wodurch die Aussagen der Inschrift der Statue des Idrimi bekräftigt werden.

3.4.2. Schicht IV

Aus dem großen Archiv mit Keilschrifturkunden der Schicht IV stammen die letzten Inschriftenfunde von Alalach. Sie dokumentieren einen Zeitraum von ca. 80 Jahren und erstrecken sich vom 15. Jh. v. Chr. bis an den Beginn des 14. Jh.s v. Chr. Archäologisch ist die Schicht IV durch den Palast geprägt, der im nordwestlichen Bereich der Akropolis erbaut wurde. Einhergehend mit einem radikalen Traditionsbruch gegenüber den älteren Schichten wurde der östliche Flügel der „Zitadelle“ aus Schicht V abgetragen und das Gebäude in einer Orientierung von Nordosten nach Südwesten ausgerichtet. Der in seinen Ausmaßen recht bescheidene Palast ist zweistöckig errichtet: Er besteht aus zwei nebeneinander stehenden Flügeln, dessen jüngerer anscheinend der östliche ist. Neben dem Palast blieb der westliche Flügel der „Zitadelle“ aus Schicht V weiter in Gebrauch. Die bedeutendsten Fundorte von Tontafelarchiven befinden sich in Raum W1 der „Zitadelle“ und in Raum 33 des Palastes, in dem auch in den Räumen C1, 22 und 10 einige epigraphische Zeugnisse gefunden werden konnten. Abseits der Palastbauten behielt der dreiteilige „Ischtar“-Tempel seine traditionelle Lage und die axiale Ausrichtung. Von der in Schicht IV in Gebrauch stehenden Befestigungsanlage sind bis heute nur wenige Trümmer freigelegt worden: Überbleibsel einer Mauer auf der östlichen Seite des Hügels und zwei Tore, dessen eines bereits in Schicht V (s.o.) bestand und in die Palastanlage eingebunden war. Aus archäologischer Perspektive war der Übergang von Schicht V nach Schicht IV von Kontinuität und ohne markante Veränderungen geprägt: Es bleibt kaum mehr als der neue Palast, der als Kennzeichen für die Schicht IV steht.

Den verbliebenen Evidenzen zufolge, wurde die Dynastie des Idrimi durch seinen Sohn Niqmepa, den durch die Archive am besten bezeugten König dieser Zeit, in Schicht IV fortgesetzt. Während der Regierungszeit des Niqmepa verblieb Alalach formal unter der Vorherrschaft des Mitanni-Reiches, das in die innen- wie außenpolitischen Angelegenheiten seines Vasallen eingriff. Eine Rückberufung auf den mitannischen Oberherren wird besonders deutlich in dem paritätischen Staatsvertrag (AlT 2) zwischen Niqmepa und Ir-Teschub, König von Tunip (wahrscheinlich modern Tell Asharne, Syrien), auch wenn der König von Mitanni nicht direkt genannt ist. Der Vertrag regelt bilaterale Vereinbarungen wie etwa über Emigranten und den internationalen Schmuggel. Erwähnenswert bleibt, dass Niqmepa in diesem Text als „König von Alalach“ tituliert ist, während sein Rollsiegel die Inschrift „König des Landes Mukisch (akkadisch māt Mukiš)“ trägt. Die geographische Bezeichnung Mukisch, die ebenso unter den Ländern verzeichnet ist, die Niqmepas Vater Idrimi zu seinem Reich zählte, bezieht sich auf die Kernregion von Alalachs Verfügungsgewalt und entspricht in etwa der modernen Amuq-Ebene. Zahlreiche administrative Texte bezeugen auch eine Stadt mit dem Namen Mukisch (akkadisch āli Mukiš), die Hauptstadt der gleichnamigen Region. Offensichtlich war in der Regierungszeit Niqmepas die Stadt und das Gebiet von Mukisch bedeutend genug, um, wie in AlT 2, als Synonym für das „Königreich von Alalach“ zu stehen. Nach der Eroberung und Zerstörung von Alalach IV durch die Hethiter, wurde Mukisch der eigentliche Name einer unter hethitischer Herrschaft neu geschaffenen Provinz.

Als letzter König, der in den Archiven der Schicht IV bezeugt ist, bestieg Niqmepas Sohn Ilimilimma den Thron von Alalach. Leider stehen nur wenige Quellen aus seiner Regierungszeit zur Verfügung und aus Alalach selbst gibt es kein einziges Dokument, das uns über die folgenschwersten Ereignisse der Zeit, den Aufstieg der hethitischen Macht in der nördlichen Levante und den Niedergang des Mitanni-Reiches, informiert. In der historischen Einleitung des Vertrages zwischen Hatti und Tunip (CTH 135 [L. Laroche, Catalogue des textes hittites, Paris 1966], gefunden in der hethitischen Hattuscha, modern Boghazköy / Türkei) wird Ilimilimma von Alalach als Gegner der hethitischen Seite in einem früheren Krieg erwähnt. Da der Name des hethitischen Königs in diesem Vertrag verloren ist, es handelt sich entweder um Tutchalija I./II. oder, zeitlich etwas später, Schuppiluliuma I., kann das Dokument nicht einer verlässichen Rekonstrukion der politischen Ereignisse dienen. Vielleicht hatte sich Tunip als Reaktion auf einen Angriff des Ilimilimma mit einem Hilferuf an das mächtige hethitische Reich gewendet, dessen Armee daraufhin gegen Alalach vorging und den Palast der Schicht IV zerstörte. Sollte es so gewesen sein, dann können die Ereignisse als eine Folge des Krieges Tutchalijas I./II. gegen Aleppo und Mitanni gewertet werden, der in der historischen Rückblende des Vertrages zwischen Muwatalli II. von Hatti und Talmi-Scharruma von Aleppo (CTH 75 [L. Laroche, Catalogue des textes hittites, Paris 1966]) dokumentiert ist.

Mit oder kurz vor der Zerstörung des Palastes der Schicht IV nimmt die schriftliche Überlieferung der Archive ein Ende. Das gilt allerdings nicht für die Schicht IV selbst, die noch einige Jahrzehnte überdauerte. Während dieser letzten Phase siedelte der königliche Hof möglicherweise nach Mukisch über (von Dassow 2005, 51-52). Ein letztes Aufbäumen der Stadt Alalach IV wurde zwei Generationen später durch Schuppiluliuma I., der Nordsyrien eroberte und die mitannische Hegemonie beendete, zunichte gemacht. Während seiner Feldzüge in der Mitte des 14. Jh.s v. Chr. stand er einer starken Koalition syrischer Fürstentümer gegenüber, der Nija, Nuchasche und auch Mukisch angehörten. Den Armeen des letztgenannten Landes stand ein ansonsten unbekannter Itur-Addu voran, möglicherweise der letzte Nachkomme der herrschenden Dynastie von Alalach IV.

3.5. Die Späte Bronzezeit II: Schichten III-0 (Die Vorherrschaft des Hethiter-Reiches; 14.-12. Jh.)

Alalach 7

Nach der Zerstörung der Schicht IV wurde ein gewaltiges Gebäude, die sogenannte „Festung“, über den ehemaligen Palast und die Zitadelle der Schichten V-IV gebaut, während ein neuer Tempel mit einem östlich angelegten „Schrein“ dem Vorgängerbau folgte. Die auf einem künstlich erhöhten Standplatz gelegene „Festung“ weist mit ihren außergewöhnlich dicken und massiven Mauern imposante Bauten auf. Auch wenn eine militärische Nutzung möglich gewesen ist, handelt es sich mit Sicherheit auch um ein Verwaltungsgebäude. Am Ende der Schicht II wurde die „Festung“ zerstört und in bescheidenerem Umfang wieder aufgebaut. Für die Späte Bronzezeit II in Alalach darf man den Tempel der Schicht III gewiss als das am besten erhaltene kultische Gebäude ansprechen. Der Tempel bestand aus zwei entgegengesetzt ausgerichteten Schreinen und war durch Tore mit Säulengängen zu betreten. Nach wiederholten Umbauten in jeder der nachfolgenden Schichten auf etwa dem gleichen Platz wurde der Tempel zwischen den Phasen A und B der Schicht I zerstört. Eine Neubewertung der gesamten Stratigraphie von Alalach III-0 mit besonderer Berücksichtigung der Tempel wurde kürzlich von Fink (2007) vorgelegt.

Die Geschichte von Alalach während der letzten Schichten kann nur skizziert werden: Quellen aus Alalach finden sich in der Zeit der hethitischen Verwaltung selten, es handelt sich lediglich um wenige Tafeln, einige Stempelsiegel und einen Orthostaten mit hieroglyphenluwischer Inschrift. Daher müssen auch externe Quellen aus Hattuscha, Ugarit und Emar hinzugezogen werden.

Nach der Zerstörung von Alalach IV war die Reorganisation der neuen „Provinzen“ Mukisch und Alalach zur Sicherstellung der hethitischen Vorherrschaft in der nördlichen Levante vorrangiges Ziel Schuppiluliumas I. Besonderes Augenmerk wurde auf die territoriale Rechtsprechung zwischen Alalach / Mukisch und den benachbarten Lokalfürstentümern unter hethitischer Kontrolle gelegt: So behandelt beispielsweise ein Vertrag des hethitischen Königs mit Niqmaddu von Ugarit die neue Grenzziehung zwischen den beiden syrischen Provinzen. Ein Stellvertreter wurde in der bereits erwähnten „Festung“ der Schicht III eingesetzt.

Wir kennen die Namen von drei hethitischen Funktionären, die in Alalach residierten und für die Verwaltung der Provinz Mukisch verantwortlich waren. Sie alle trugen den Titel „Sohn des Königs”, der sicherlich nicht wortwörtlich zu verstehen ist, sondern als Bezeichnung eines hohen Ranges innerhalb der hethitischen herrschenden Klasse diente. In chronologischer Reihenfolge waren dies zuerst Tutchalija, der durch den Orthostaten mit hieroglyphenluwischer Inschrift aus Schicht IA, ein Brieffragment (ATT 35 [Tel Atshana / Alalakh Text]) und ein oder zwei Texte aus Hattuscha (CTH 63.A [L. Laroche, Catalogue des textes hittites, Paris 1966] und, mit Niedorf 2002, 522, KBo IX 83 [Keilschrifttexte aus Boghazköi]) belegt ist. Dank der, wenn auch spärlichen, Quellen wissen wir, dass dieser Tutchalija solch eine hohe Position innehatte, dass er von einem hethitischen Großkönig, wahrscheinlich Murschili II. (am Ende des 14. Jh.s v. Chr.), als „Bruder“ bezeichnet wurde.

Der zweite bekannte Statthalter in Alalach war der „Sohn des Königs“ Schukur-Teschub, der einleitend, wahrscheinlich anlässlich seiner Amtseinführung, in einem Brief an Ammischtamru II. von Ugarit (RS 20.03 [Ras Schamra]) erwähnt ist. Unter diesen Umständen wären Schukur-Teschubs Tätigkeiten in die Regierungszeiten Urchi-Teschubs und Hattuschilis III. etwa in die Mitte des 13. Jh.s v. Chr. zu datieren.

Der letzte bezeugte hethitische Funktionär in Alalach ist Palluwa. Zwei Stempelsiegel mit der hieroglyphenluwischer Inschrift „Sohn des Königs, Aufseher des Landes“, weisen ihm diesen Titel zu. Möglicherweise ist Palluwa von Alalach mit der Person identisch, die sich in einem Brief des hethitischen Königs aus Emar (Msk. 73.1097 [Texts from Meskene]), in Verbindung mit Zu-Ba‛la, der zu der Zeit führenden religiösen Autorität in Emar, findet.

Mit Sicherheit folgten andere Statthalter während der mehr als 150jährigen hethitischen Oberhoheit in Alalach, doch sind ihre Namen in keinerlei Quellen erhalten. Archäologisch lassen sich die letzten Schichten von Alalach, I-0, zwischen das Ende des 13. Jh.s v. Chr. und den Beginn des 12. Jh.s datieren und damit in einen Zusammenhang mit der Ankunft der „Seevölker“ in Syrien stellen.

Literaturverzeichnis

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  • http://www.alalakh.org/intro_alalakh.html

Abbildungsverzeichnis

  • Karte zur Lage von Alalach. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Der Palast von Schicht XII. Aus: Wikimedia Commons; © Udimu, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 1.4.2011
  • Der Palast von Schicht VII. Aus: Wikimedia Commons; © Udimu, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 1.4.2011
  • Urkunde des Archivs von Schicht IV mit dem Siegelabdruck von König Abban (AlT 15). Aus: Wikimedia Commons; © Udimu, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 1.4.2011
  • Statue von König Idrimi (Mitte 15. Jh.). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum
  • Vertrag zwischen Idrimi und Pillija von Kizzuwatna. Aus: Wikimedia Commons; © Udimu, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 1.4.2011
  • Der Tempel von Schicht I. Aus: Wikimedia Commons; © Udimu, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-3.0; Zugriff 1.4.2011

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