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Akklamation

(erstellt: Januar 2019)

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1. Definition

Abgeleitet von lateinisch acclamare beschreibt Akklamation einen verbalen oder zumindest vokalen Zuruf. Solche Äußerungen – meist kurze, geprägte Wendungen – dienen der Zustimmung oder Bestätigung, seltener auch der Ablehnung. Damit handelt es sich um einen performativen Sprechakt, der die Wirklichkeit verändern (deklarative Wirkung) und / oder ein Werturteil abgeben will (expressive Wirkung; jeweils Wagner, 314f.). Akklamationen haben daher oft eine legitimierende Wirkung. Akklamieren kann sowohl eine kleinere oder größere soziale Gruppe wie der Hofstaat oder das Volk (z.B. 1Sam 10,24; 2Kön 11,12), als auch punktuell ein Einzelner (etwa Batseba 1Kön 1,31; insbesondere aber Gott, vgl. beispielsweise die Adoptionsformel in Ps 2,7).

Wer oder was akklamiert wird, ist von Kontext zu Kontext sehr unterschiedlich, denn Akklamationen kommen in politischen, religiösen und auch rechtlichen Zusammenhängen vor. Die Kernfunktion ist dabei immer die Anerkennung eines Umstands oder einer Autorität: So können Amtsträger (vor allem Könige, s.u.) in ihrer Position bestätigt werden; es können Beschlüsse gefasst werden (Bestätigung des → Bundesbuches durch die Volksversammlung in Ex 24,3.7); aber auch Eheschließungen können auf diese Weise bekräftigt werden (vor allem für das antike Rom belegt; im Alten Testament eventuell erkennbar z.B. in Jer 33,11). In liturgischen Kontexten bezeichnet die Akklamation das responsorische Rufen der Gemeinde (Bieritz).

Die Akklamation ist ein weit verbreitetes Phänomen. Belege dafür finden sich durch alle Zeiten hindurch sowie in nahezu allen antiken Kulturen (Übersichten in: Der Neue Pauly; Reallexikon für Antike und Christentum; vgl. auch Kreuzer; Dietrich).

Die Akklamation kann kaum auf eine eigene Gattung oder eine bestimmte Begrifflichkeit oder Tradition eingegrenzt werden. Sie stellt vielmehr eine spezifische Funktion des sprechenden Handelns dar, die in vielerlei Gestalt auftritt. Die Grenzen von der Akklamation zu verwandten Phänomenen sind daher fließend, und es fällt schwer zu benennen, wo die Akklamation endet und anderes beginnt – wie beispielsweise der bloße Beifall, bekenntnishaftes Reden, die Gattungen des Hymnus und des Berufungsberichts oder sogar das Motiv der Erwählung.

2. Akklamation im Alten Testament

Aspekte des Akklamierens können in vielfältigen Kontexten und Formen eine Rolle spielen. Im Folgenden werden die wichtigsten und griffigsten Beispiele erläutert. Zunächst werden narrative Darstellungen akklamierenden Handelns präsentiert (s.u. 2.1.), dann die wichtigsten Akklamations-Wendungen (s.u. 2.2.) und schließlich längere Textpassagen, denen als Ganze eine akklamierende Funktion zukommt (s.u. 2.3.).

2.1. Narrative Darstellungen akklamierenden Handelns

Dass das Konzept der Akklamation im alten Israel bekannt war, lässt sich am deutlichsten an den narrativen Vermittlungen erkennen. Hier wiederum sind es die Bestätigungen von Königen (→ Königtum), die am klarsten das Muster der Akklamation widerspiegeln. Mehrfach wird im Alten Testament ein König (bzw. Königsprätendent) durch den Ruf „es lebe der König“ (יְחִי הַמֶּלֶך jəḥî hammælækh) als Herrscher anerkannt (Kreuzer; altorientalische Parallelen liegen in Inthronisationshymnen vor, vgl. Dietrich). Im Einzelnen sind dies (in Klammern die jeweils bestätigten Personen): 1Sam 10,24 (→ Saul); 2Sam 16,16 (→ Absalom); 1Kön 1,25 (→ Adonija); 1Kön 1,31 (→ David); 1Kön 1,34 (→ Salomo); 1Kön 1,39 (→ Salomo); 2Kön 11,12 par 2Chr 23,11 (→ Joasch).

Auffällig ist, dass diese Form der Akklamation nur in jenen Passagen Verwendung findet, in denen der Herrschaftsantritt oder die Nachfolge alles andere als selbstverständlich ist. Der Ausruf erhält damit vor allem legitimatorische Funktion. Besonders deutlich wird dies im Kontext des Machtkampfs um die Nachfolge Davids, in welchem die Formel fünfmal bemüht wird, bis Salomo schlussendlich vom ganzen Volk anerkannt wird (1Kön 1,39).

Weiterhin wird an dieser Formel des Hochlebens deutlich, dass eine solche Akklamation zwar meist von größeren Gruppen, insbesondere dem Volk, vorgenommen wird. Punktuell kann aber sogar ein Einzelner akklamieren (2Sam 16,16; 1Kön 1,31) – selbst wenn die Formel dann eher Ausdruck der Loyalität ist.

Akklamationen können jedoch auch in anderer Form erfolgen. In 2Sam 5,1-3 beispielsweise wird David von allen Nordreichsstämmen (V. 1) bzw. deren Ältesten (V. 3) zum König erkoren. Eine akklamatorische Pragmatik ist insbesondere in V. 1-2 erkennbar, selbst wenn die Formel des Hochlebens nicht bemüht wird und die Königswahl nicht alleine durch Akklamation erfolgt. Ähnliches gilt für Adoptionsformeln wie Ps 2,7 oder 1Chr 28,6, die aber Akklamationen durch einen Einzelnen, nämlich Gott, darstellen. Das Motiv der Erwählung ist damit eng verwandt (vgl. u.a. Gen 12,2f.; Jes 41,8f.; Jes 44,1f.). Allerdings sei einschränkend erwähnt, dass in diesen Fällen meist keine geprägten Wendungen zum Einsatz kommen. Dennoch liegen durchweg bestätigende Zurufe, mithin Akklamationen vor. Zudem ist die Akklamation nicht auf das Amt des Herrschers beschränkt, wie an den genannten Perikopen sowie der Berufung des Stiftshütten-Künstlers Bezalel deutlich wird (Ex 31,2f.; Ex 35,30f.). Entsprechend verschwimmen die Grenzen zur Gattung des Berufungsberichts, der ebenfalls akklamatorische Züge aufweist.

Wichtig zu erwähnen ist überdies die Akklamation JHWHs etwa durch die Ausrufung des göttlichen Namens – ob durch die himmlische Thronversammlung der → Serafim (Jes 6,3), durch Propheten (1Kön 18,24-26) und Priester (Ps 99,6) oder durch das ganze Volk (negiert in Jer 10,25). Solche Anrufungen JHWHs wurden ganz offensichtlich als Loyalitätsbekundung und Anerkennung der Autorität Gottes verstanden. Narrativ entfaltet wird dies beispielsweise am Schluss des Buches → Hiob, wenn der Protagonist die Macht JHWHs anerkennt (Hi 42,1-6) und daraufhin ins Recht gesetzt wird.

An einer zentralen Stelle liegt sogar die Akklamation eines ganzen Rechtskorpus durch das Volk vor: In Ex 24,3.7 verpflichtet sich Israel, sich den vorgegebenen Regelungen des Bundesbuches zu unterwerfen (ein Aspekt, der beispielsweise in Dtn 31,45-47 nicht vorkommt). Möglicherweise ist darin sogar so etwas wie die Ratifizierung einer Art bürgerstaatlichen Verfassung erkennbar (Oswald). In jedem Fall erfolgt hier – wie bei der Einsetzung der Könige – die Anerkennung der Autorität durch bestätigenden Zuruf.

Eine besonders umfangreiche und komplexe Darstellung akklamierenden Handelns liegt in Neh 9-10 vor. Zunächst wird JHWH als alleiniger Gott anerkannt (Neh 9,6). Im weiteren Verlauf ist eine der wenigen negativen Akklamationen der Könige, Obersten, Priester und Väter greifbar (Neh 9,34f.). Zuletzt wird analog zur Anerkennung des Bundesbuches die gesamte → Tora Gottes durch eidesstattlichen Zuruf vom gesamten Volk anerkannt (Neh 10,29f.).

In ähnlicher Weise stellen die beiden Hymnen Ex 15,1-18 (Lied des Mose) und Ex 15,21 (Lied der Mirjam) im narrativen Bogen der Exoduserzählung die Höhe- und Schlusspunkte dar (Utzschneider / Oswald; ähnlich Albertz, 229.252f.), mit denen die Herrschaft Gottes akklamierend anerkannt wird (explizit Ex 15,18).

Ob man Stellen wie Jes 42,8 oder den wiederkehrenden „Refrain“ „Ich bin JHWH“ (אֲנִי יְהוָה ’ǎnî jhwh) im Heiligkeitsgesetz als eine Art der Selbst-Akklamation Gottes verstehen will, sei hier dahingestellt. Angesichts der Akklamation von Autoritäten durch JHWH andernorts ist es allerdings zumindest zu erwägen.

2.2. Formelhafte Wendungen

Im Folgenden werden jene Wendungen neben „es lebe der König“ (s.o. 2.1.) vorgestellt, die am ehesten als Akklamation zu identifizieren sind. Darüber, ob sie jenseits der akklamierenden Sprachfunktion innerhalb ihres Kontextes auch Verwendung in Kulthandlungen o.ä. gefunden haben, kann mangels eindeutiger Darstellungen in narrativen Kontexten oft nur gemutmaßt werden (vgl. Reventlow). Ein liturgischer Gebrauch ist jedoch durchaus denkbar.

Die Phrase „Denn seine Gnade währt ewig“ (כִּי־לְעוֹלָם חַסְדּוֹ kî lə‘ôlām ḥasdô) ist jene Akklamation, die wohl am sichersten belegbar liturgisch gebraucht wurde (vgl. Jer 33,11) und als offenkundiger Refrain auch bekenntnisartige → Psalmen wie Ps 136 prägt (ähnlich Ps 118).

Die explizite Bezugnahme auf den Gottesnamen in der Wendung „JHWH Zebaoth ist sein Name“ (יְהוָה צְבָאוֹת שְׁמוֹ JHWH ṣəvā’ôt šəmô; z.B. Jes 54,5 oder Jer 46,18; Jer 51,57; leicht modifiziert Am 4,13 u.ö.) ist als Akklamation zu verstehen zum Zweck, die jeweilige prophetische Botschaft zu legitimieren und zu affirmieren.

Erstaunlich selten und weit überwiegend in recht jungen Texten begegnet das → Amen als Bekräftigung. Die häufigsten Belege finden sich in den Psalmen (Ps 41,14; Ps 72,19; Ps 89,53), wo es jeweils doppelt genannt wird. Dafür belegt die einfache Formulierung in Ps 106,48 („und das ganze Volk sage: Amen“) die tatsächliche akklamierende Verwendung. Auch die übrigen Nennungen (Num 5,22; Dtn 27,14-26; 1Kön 1,36; 1Chr 16,36; Neh 5,13; Neh 8,6) weisen auf einen kultischen oder zumindest rituellen Gebrauch hin. Einzig die Belege in Jer 11,5; Jer 28,6 fallen etwas aus der Reihe – allerdings lässt sich der performative Charakter jener Reden ebenfalls durchaus rituell verstehen.

Akklamierende Wirkung hat auch das → Halleluja in verschiedenen Psalmen (vgl. vor allem das Schluss-Hallel Ps 146-150; → Hallel). Sprachlich schwierig ist daran allerdings, dass es als Imperativ eigentlich eine Anrede darstellt, was eine responsorische Verwendung zwar nicht ausschließt, aber erschwert.

In Ps 106,48 wird Halleluja sicherlich gemeinsam mit Amen genannt. Gleichwohl wird der gesamte Psalm durch das Halleluja gerahmt, weswegen nicht ganz klar ist, ob Letzteres noch als Teil der Redeaufforderung zu verstehen ist oder nicht doch eher wörtlich als „Preist Jah!“

Das Hosianna im Gebet → Hiskias (2Kön 19,19) könnte ein weiteres Beispiel für die Akklamation Gottes durch einen Einzelnen sein. Den Gebrauch als stehende Wendung lässt aber eher die neutestamentliche Rezeptionsgeschichte (Mk 11,9f. parr) erkennen als die wenigen alttestamentlichen Belege (vor allem Ps 118,24; an anderen Stellen wie 2Sam 14,4 oder Ps 12,2 fehlt das markante nachfolgende נָא nā’ „doch“).

Ob hinter dem Begriff → Sela im → Psalter (z.B. Ps 3,3.5.9) eine akklamierende Handlung steht, kann angesichts der unklaren Semantik nicht letztgültig gesagt werden (vgl. Kraus, XXVf.).

Andere Wendungen wie beispielsweise die sog. Bundesformel (z.B. Ex 6,7; → Bund) oder das „Höre Israel“ (Dtn 6,4) bieten sich aufgrund ihrer Formulierung (Ich-Perspektive Gottes bzw. Anrede Israels) weniger als responsorische Akklamationswendung an, selbst wenn den entsprechenden Phrasen durchaus ein akklamierendes Moment eignet. Sie sind daher eher der nächsten Kategorie zuzuordnen.

2.3. Akklamierende Sprachfunktion in längeren Texten

Insbesondere verschiedene Psalmengattungen enthalten per se akklamatorische Elemente. Dies gilt zuvorderst für den Hymnus, der als Ganzes als bestätigender Zuruf an JHWH zu gelten hat. Besonders hervorzuheben sind hier wiederum die sog. JHWH-Königs-Psalmen (Ps 47; Ps 93; Ps 95-99; ähnlich im Übrigen auch Jes 33,17-24). Aber auch das Klagelied des Einzelnen bzw. des Volkes enthält nach dem sog. „Stimmungsumschwung“ mal mehr, mal weniger deutlich ein akklamierendes Moment (z.B. Ps 13,6; Ps 22,29; Ps 74,16; Ps 86,15). Ähnliches gilt für das Danklied (vgl. etwa Ps 103,8; Ps 116,4.13.17; Jon 2,7.10).

3. Rezeptionsgeschichtlicher Ausblick

Im sich ausbildenden Christentum und im rabbinischen Judentum begegnet man der Akklamation vor allem in den responsorischen Elementen der Gottesdienstliturgie zur Bestätigung der göttlichen Hoheit. Schon früh dürften sich relativ fixierte Formen herausgebildet haben (vgl. exemplarisch für das Judentum Leiter; für das Christentum Peterson). In der Liturgik ist dem ein eigener Forschungsbereich gewidmet (vgl. Bieritz; Brenner).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff.
  • Evangelisches Kirchenlexikon, 3. Aufl., Göttingen 1986-1997.
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001.
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001.
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003.
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007.

2. Weitere Literatur

  • Albertz, R., 2012, Exodus 1-18 (ZBK.AT 2.1), Zürich.
  • Bieritz, K.-H., 2004, Liturgik (de Gruyter Lehrbuch), Berlin / New York.
  • Brenner, T., 2001, Gottes Namen anrufen im Gebet. Studien zur Acclamatio Nominis Dei und zur Konstitution religiöser Subjektivität (PaThSt 26), Paderborn u.a.
  • Dietrich, M., 1998, buluṭ bēlī „Lebe, mein König!“ Ein Krönungshymnus aus Emar und Ugarit und sein Verhältnis zu mesopotamischen und westlichen Inthronisationsliedern, UF 30, 155-200.
  • Kraus, H.-J., 1966, Psalmen. 1. Teilband Ps 1-59, (BK XV/I), 3. Aufl., Neukirchen-Vluyn.
  • Kreuzer, S., 1985, Zur Bedeutung und Etymologie von hištaḥawāh / yštḥwy, VT 35, 39-60.
  • Leiter, S., 1973/74, Worthiness, Acclamation, and Appointment. Some Rabbinic Terms, PAAJR 41/42, 137-168.
  • Oswald, W., 2012, Die Exodus-Gottesberg-Erzählung als Gründungsurkunde der judäischen Bürgergemeinde, in: K.-P. Adam / F. Avemarie / N. Wazana (Hgg.), Law and Narrative in the Bible and in Neighbouring Ancient Cultures (FAT II 54), Tübingen, 35-51.
  • Peterson, E. / Markschies, C., 2012, Heis Theos. Epigraphische, formgeschichtliche und religionsgeschichtliche Untersuchungen zur antiken „Ein-Gott“-Akklamation (Erik Peterson. Ausgewählte Schriften 8), Würzburg.
  • Reventlow, H. Graf, 1983, Art. Formeln, Liturgische. I. Altes Testament, TRE 11, Berlin / New York, 252-256
  • Utzschneider, H. / Oswald, W., 2013, Exodus 1-15 (IEKAT), Stuttgart.
  • Wagner, A., 2007, Sprechaktsequenzen und Textkonstitution im Biblischen Hebräisch, in: L. Morenz / S. Schorch (Hgg.), Was ist ein Text? Alttestamentliche, ägyptologische und altorientalistische Perspektiven (BZAW 362), Berlin / New York, 310-333.

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