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Akiba, Rabbi

Andere Schreibweise: Akiva; Aqiba; Aqiva

(erstellt: Januar 2009)

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Rabbi (R.) Akiba ben Josef (רבי עקיבא [עקיבה] בן יוסף; ca. 50-135 n. Chr.), meist nur R. Akiba, war einer der bedeutendsten Rabbinen tannaitischer Zeit (→ Mischna). Nach rabbinischen Quellen wurde er als Märtyrer unter Hadrian im Bar Kochba Aufstand (zweiter jüdischer Krieg gegen Rom) hingerichtet. Ihm werden viele halachische (religionsgesetzliche) Aussagen in der Mischna und anderen Werken dieser Epoche zugeschrieben, ebenso sind über ihn viele aggadische (→ Aggada) Berichte tradiert.

1. Rabbi Akiba und die Halacha

1.1. Die Stellung Akibas

Die herausragende Rolle Akibas in der Entwicklung der Halacha wird in der Vielzahl seiner Aussagen in der Mischna, im halachischen (tannaitischen) → Midrasch, in der → Tosefta und den Baraithot (Sg. Baraitha; außermischnisch-tannaitische Traditionen bes. im → Talmud) sichtbar. Nach dem Talmud sind zudem alle anonymen Traditionen der Mischna auf R. Akiba zurückzuführen (Babylonischer Talmud, Traktat Sanhedrin 86a). Häufig wird R. Akiba in halachischen Kontroversen zusammen mit seinem Zeitgenossen und Kontrahenten R. Jischmael erwähnt. In vielen Kontroversen mit anderen Rabbinen entwickelte sich die Halacha gemäß dem Votum Akibas; so heißt es z.B. im Seder Tannaim we-’Amora’im (ca. 9. Jh.): „Überall, wo R. Aqiba mit einem einzelnen (Rabbinen) geteilter Meinung ist, richtet sich die Halacha nach Akiba“ (Ed. Kahan, 14).

R. Akiba war Schüler von R. Eliezer ben Hyrcanos, R. Jehoschu‘a ben Chananja sowie → Rabban Gamliel II. und wirkte als Lehrer bedeutender Rabbinen wie R. Meir, R. Sime‘on bar Jochai, R. Jose ben Chalafta, R. Eleazar ben Schammu‘a und R. Nechemja. Die Schüler Akibas, insbesondere R. Meir, übermittelten und kommentierten die Aussagen ihres Lehrers und prägten damit einen Großteil der tannitischen Literatur.

1.2. Schriftauslegung

Akiba wird eine ihm eigene Hermeneutik der Schriftauslegung zugeschrieben, welche durch die häufige Verwendung der exegetischen Auslegungsregeln (middot) Wortanalogie (gəzerāh šāwāh), Ein- und Ausschluss (ribbûj und mij‘ûṭ) sowie der Auslegung einzelner Konsonanten der hebräischen Bibel geprägt ist. Diese Auslegungsweise grenzt sich von der R. Jischmael zugeschriebenen ab. Beide Methoden wirkten schulbildend. Die R. Akiba zugeschriebene Terminologie und Methodik charakterisiert eine Gruppe der halachischen Midraschim (Sg. → Midrasch): Mechilta de Rabbi Schime‘on ben Jochai (zu Exodus); ein Großteil von Sifra (zu Leviticus); Sifre Zuta (zu Numeri), ein Großteil von Sifre zu Deuteronomium und Sifre Zuta Deuteronomium (Ed. Kahana 2002). Trotz der verschiedenen Gruppen ist die Zuschreibung verschiedener Methoden an Akiba und Jischmael historisch nicht beweisbar und vielmehr ein Produkt später Auslegung.

2. Rabbi Akiba in der Aggada

In Talmud und Midrasch wird R. Akiba anhand vieler Legenden und biographischen Erzählungen verehrt. Nach einer Überlieferung beginnt R. Akiba das Gesetzesstudium als Unwissender mit 40 Jahren, bevor er schließlich Lehrer über tausende Schüler wird (Babylonischer Talmud, Traktat Ketubbot 62b-63a; Babylonischer Talmud, Traktat Nedarim 50a). Der Beginn des Studiums im mittleren Alter wird in vielen talmudischen Berichten ausgeführt und auch Hillel nachgesagt. Eine andere Erzählung berichtet von der Fähigkeit Akibas, aus jedem Häkchen der Tora (Verzierungen der hebr. Quadratschrift) Berge von Gesetzen abzuleiten. Die Begabung wird dabei auch anhand des Unterrichts Akibas im Lehrhaus illustriert, dem selbst → Mose nicht mehr folgen kann. Auf die Frage der Schüler nach dem Ursprung der gelehrten Traditionen verweist Akiba auf die Sinaioffenbarung (Babylonischer Talmud, Traktat Menachot 29b). Gemäß einer weiteren Tradition proklamierte Akiba den Anführer des Aufstandes der Juden gegen Rom, Bar Kochba (Bar-Kochba-Krieg, 132-135 n. Chr.), unter Verweis auf Num 24,17 („Stern Jacobs“) zum → Messias (Jerusalemer Talmud, Traktat Ta‘anit 4,7 68d; Midrasch Klagelieder Rabba 2,4). Die Forschung deutet dies als möglichen Hinweis für eine aktive Rolle Akibas im Kriegsgeschehen. Der messianische Gedanke passt zudem in den Rahmen weiterer Überlieferungen Akibas: Schiffsreisen nach Rom, Gespräche mit dem römischen Stadthalter Tineius Rufus, Gefangenschaft, Verurteilung und Märtyrertod. Diese nur in der rabbinischen Literatur belegten Aussagen sind jedoch aus historisch-kritischer Perspektive nicht zu beweisen (Schäfer).

R. Akiba wird ebenfalls mit mystischen Spekulationen in Verbindung gebracht. Von vier Weisen ist er der Einzige, welcher den Eintritt in den sogenannten PaRDeS (gemeinhin als Paradies assoziiert) unbeschadet übersteht (Tosefta, Traktat Chagiga 2,3-4; Jerusalemer Talmud, Traktat Chagiga 2,1 77b; Babylonischer Talmud, Traktat Chagiga 14b).

3. Nachleben von Rabbi Akiba

R. Akiba gilt als die rabbinische Autorität seiner Zeit, doch sein Nachleben wirkt bis heute. Nach ihm werden Straßen, Toraschulen und Organisationen (z.B. „Bnei Akiba“, religiös-zionistische Jugendbewegung) benannt. Lieder und Kinderbücher greifen die Figur auf. Nach jüdischer Tradition wurde er in Tiberias begraben, die Grabstelle wird bis heute gepflegt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Encyclopaedia Judaica, Berlin 1928-1934
  • Encyclopaedia Judaica, 2. Aufl., London 2007
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007

2. Weitere Literatur

  • Albeck, Ch., 1927, Untersuchungen über die halakischen Midraschim, Berlin
  • Bacher, W., 1903, Die Agada der Tannaiten, Bd. 1, Straßburg
  • Finkelstein, L., 1962, Akiva, Scholar, Saint and Martyr, 2. Aufl., New York
  • Friedman, S., 2004, A good story deserves retelling – The unfolding of the Akiva Legend, JSIJ 3, 1-39 (http://www.biu.ac.il/JS/JSIJ/)
  • Goldberg, A., 1982, Das Martyrium des Rabbi Aqiva. Zur Komposition einer Märtyrererzählung (bBer 61b), FJB 12, 1-82
  • Guttmann, A., 1942-1943, Akiba, „Rescuer of the Torah“, HUCA 17, 395-421
  • Hoffmann, D., 1887, Zur Einleitung in die halachischen Midraschim (Beilage zum Jahresbericht des Rabbiner-Seminars zu Berlin), Berlin
  • Ilan, T., 2001, „Daughters of Israel, weep for Rabbi Ishmael“: the schools of Rabbi Akiva and Rabbi Ishmael on women, in: Nashim 4, 15-34
  • Konovitz, I., 1965, Rabbi Akiva. Collected Sayings, in Halakah and Aggadah in the Talmudic and Midrashic Literature (hebr.), 2.Aufl., Jerusalem
  • Lenhardt, P. / Von der Osten Sacken, P., 1987, Rabbi Akiva. Texte und Interpretationen zum rabbinischen Judentum und Neuen Testament (ANTZ 1), Berlin
  • Safrai, S., 1970, Rabbi Akiba ben Josef. His Life and Teaching (hebr.), Jerusalem
  • Schäfer, P., 1980, R. Aqiva und Bar Kokhba, in: ders., 1978, Studien zur Geschichte und Theologie des rabbinischen Judentums (Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums 15), Leiden, 65-121
  • Shahar, Y., 2003, Rabbi Aqiba and the Destruction of the Temple: The Establishment of the Fast Days (hebr.), Zion 68/2, 145-165

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