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(erstellt: November 2011)

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1. Name

Die Bedeutung des Namens Agag (אֲגָג ’ǎgāg / אֲגַג ’ǎgag) ist unsicher. Zur Ableitung wird meist auf akkadisch agāgum „ergrimmen / zürnen“ und arabisch ’aǧǧa „brennen“ verwiesen (vgl. Gesenius, 18. Aufl.). Erwogen wird aber auch ein nichtsemitischer Ursprung (Görg). Gegen die These, Agag sei kein Name, sondern Titel des Königs von → Amalek gewesen (so z.B. Caspari, 181), spricht die Bezeugung von Agag als Personenname in einer phönizischen Inschrift (Corpus Inscriptionum Semiticarum I 3196,3). Möglicherweise verwandt mit dem Namen bzw. der in ihm enthaltenen Wurzel sind der ägyptische Personenname jkk / jkkj (Görg) und der griechische Personenname Ὤγυγος Ōgygos (Astour, 200).

2. Agag, der König von Amalek

2.1. 1Sam 15

In der großen Lehrerzählung von der Verwerfung → Sauls (1Sam 15), die auf strikten Gehorsam gegenüber dem Wort Jahwes zielt und gleichzeitig das Ende von Sauls Königtum sowie den Übergang zu → David erklärt, begegnet Agag als „König von → Amalek“ (1Sam 15,8.9.20.32.33): Nachdem Saul die Amalekiter besiegt hat, nimmt er Agag gefangen, um ihn, ebenso wie das wertvollste Vieh der Amalekiter, vor dem → Bann zu verschonen (1Sam 15,8-9). Weil Saul damit den Auftrag, den er von Jahwe erhalten hat (1Sam 15,2-3), nicht vollständig erfüllt, wird er von diesem „verworfen“ (1Sam 15,23.26), was ihm von → Samuel mitgeteilt wird (1Sam 15,13-26). Die Begegnung zwischen Saul und Samuel endet mit Agags Hinrichtung: Samuel lässt Agag herbeibringen, was dieser mit den Worten „Fürwahr, bitter ist der Tod!“ kommentiert (1Sam 15,32 [Lutherbibel 1984] nach der → Septuaginta; der masoretische Text bietet einen anderen Wortlaut: „Wahrlich, gewichen ist die Bitternis des Todes.“ [Übersetzung: Stoebe, 1973, 289]). Samuel hält Agag entgegen: „Wie dein Schwert Frauen ihrer Kinder beraubt hat, so soll auch deine Mutter der Kinder beraubt sein unter den Frauen.“ (1Sam 15,33a [Lutherbibel 1984]). Dies scheint eine Vorgeschichte anzudeuten, die in 1Sam 15 nicht erzählt wird (vgl. jedoch 1Sam 15,2 mit Ex 17,8-16). Schließlich tötet Samuel Agag eigenhändig „vor Jahwe in → Gilgal“ (1Sam 15,33b).

Über die Entstehung der Erzählung und ihre historischen Hintergründe herrscht keine Einigkeit (vgl. Dietrich / Naumann, 1995, 41-45). Weithin anerkannt ist, dass das Kapitel Bezüge zu verschiedenen alttestamentlichen Texten aufweist, v.a. aus dem spätdeuteronomistischen Bereich. Umstritten ist dagegen, ob die Erzählung im Ganzen jung ist oder ob sich in ihr ein alter, königszeitlicher Kern erhalten hat. Damit bleibt offen, ob sich hinter der Figur des Agag eine historische Erinnerung verbirgt.

2.2. Num 24,7

Eine zweite Erwähnung Agags, möglicherweise literarisch unabhängig von 1Sam 15, findet sich im dritten Orakel des → Bileam (Num 24,3-9): „Sein [Israels] König wird höher werden als Agag, und sein Reich wird sich erheben.“ (Num 24,7b [Lutherbibel 1984]). Wenn „Agag“ hier dieselbe Figur wie in 1Sam 15 bezeichnet (die abweichende Lesart „Gog“ [Septuaginta, Samaritanus, Aquila, Symmachus, Theodotion] dürfte wegen der einschlägigen eschatologischen Rolle Gogs in Ez 38-39 lectio facilior sein), könnte ein Indiz dafür vorliegen, dass die Überlieferung von Sauls Sieg über Agag einen alten Kern enthält: Wenn der in Num 24,7b erwähnte König als Saul zu identifizieren ist (so z.B. Seebass, 2007, 95), kann die Passage kaum schon in Kenntnis der vorliegenden Fassung von 1Sam 15 entstanden sein; denn die scharfe Kritik an Saul, die dort geäußert wird, ist in Num 24,7b nicht im Blick. Die Gleichsetzung des im dritten Bileamspruch genannten israelitischen Königs mit Saul ist freilich nicht gesichert, ebensowenig die des hier genannten Agag mit dem Amalekiterkönig aus 1Sam 15.

3. Haman, der Agagiter

Der Masoretische Text des Buches → Ester stellt → Mordechai als Nachkommen des Benjaminiters Kisch und damit des Vaters Sauls vor und seinen Gegenspieler, den persischen Fürsten → Haman, der die Vernichtung des jüdischen Volkes plant (Est 3), mehrfach als אֲגָגִי ’ǎgāgî „Agagiter“ (Est 3,1.10; Est 8,3.5; Est 9,24). Der Begriff ist offenbar als Gentilizium zu dem Namen Agag gebildet, wahrscheinlich in der Absicht, Haman durch Anspielung auf 1Sam 15 als Abkömmling der Amalekiter erscheinen zu lassen (vgl. Targum und Josephus, Antiquitates 11,209-211; Text gr. und lat. Autoren); diese galten als Erzfeinde des Gottesvolkes (vgl. Ex 17,14-16; Dtn 25,17-19). Mitunter wird der Beiname „Agagiter“ jedoch anders erklärt (als elamitischer Eigenname oder als Spitzname oder Titel Hamans, vgl. Fretz, 89).

In der → Septuaginta ist der Beiname „Agagiter“ nicht belegt; in Est 3,1 wird Haman stattdessen Βουγαῖος Boygaios genannt. Dies wird entweder als Herkunftsangabe „Bugäer“ gedeutet (so A. Pietersma / B.G. Wright [Hgg.], A New English Translation of the Septuagint, 2007) oder als „Prahlhans“ (so M. Karrer / W. Kraus [Hgg.], Septuaginta Deutsch, 2009). In Est 9,24 wird er als Μακεδών Makedōn „Makedone“ bezeichnet. Angesichts dessen ist umstritten, ob Haman bereits im ursprünglichen Text „Agagiter“ genannt wurde oder einen anderen Beinamen trug, der sich hinter einer der Septuaginta-Lesarten verbirgt (vgl. Fretz, 89f).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin 2009ff

2. Weitere Literatur

  • Astour, M., 1964, Greek Names in the Semitic World and Semitic Names in the Greek World, JNES 23, 193-201
  • Caspari, W., 1926, Die Samuelbücher (KAT VII), Leipzig
  • Christensen, D.L., Art. Agag, in: The Anchor Bible Dictionary, New York 1992, Bd. 1, 88f
  • Dietrich, W. / Naumann, Th., 1995, Die Samuelbücher (EdF 287), Darmstadt
  • Fretz, M.J., Art. Agagite, in: The Anchor Bible Dictionary, New York 1992, Bd. 1, 89f
  • Görg, M., Art. Agag, in: Neues Bibel-Lexikon, Bd. 1, Zürich 1991, 60
  • Seebass, H., 2007, Numeri (BK IV/3), Neukirchen-Vluyn
  • Stoebe, H. J., 1973, Das erste Buch Samuelis (KAT VIII/1), Gütersloh

Abbildungsverzeichnis

  • Samuel tötet Agag (Matthäus Merian d.Ä., 1625-30).

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