Weinen (Tränen)
Andere Schreibweise: weep; cry; tears (engl.)
(erstellt: Juni 2019)
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Von „Weinen“ und „Tränen“ wird im Neuen Testament im Kontext von Tod und Trauer (z.B. Mk 5,38f
1. Begrifflichkeiten
Im Neuen Testament wird Weinen primär durch das Verb κλαίω / klaiō ausgedrückt (vgl. z.B. Mk 5,38f
πενθέω / pentheō („klagen, trauern, traurig sein“, „beklagen“; vgl. z.B. Mt 5,4
θρηνέω / thrēneō („klagen, jammern“, „(be)weinen, (be)klagen“; vgl. z.B. Joh 16,20
κόπτομαι / koptomai („heftig trauern“, „sich an die Brust schlagen“; vgl. z.B. Lk 8,52
ἀλαλάζω / alalazō („laut schreien, klagen“; vgl. z.B. Mk 5,38
ὀλολύζω / ololyzō („laut schreien, heulen“; vgl. z.B. Jak 5,1
Zudem findet wiederholt, insbesondere im Kontext der eschatologischen Paränese, das Nomen κλαυθμός / klauthmos Verwendung („Weinen“, „lautes Weinen“, vgl. z.B. Mt 2,18
2. Kontexte und Verwendungsweisen
2.1. Tod und Trauer
Trauer drückt sich in Weinen und Klagen aus. In diesem Sinn wird vom Weinen der Trauernden im Haus des Synagogenvorstehers Jaïrus erzählt (vgl. Mk 5,38f
Der Gebrauch von κλαίω / klaiō bzw. (oder in Verbindung mit) θρηνέω / thrēneō, πενθέω / pentheō und ὀλολύζω / ololyzō in Bezug auf Tod und Trauer schließt sowohl die individuelle Trauer als auch die rituelle Totenklage im Kontext der Totenpflege ein, die häufig durch professionelle Klagefrauen ausgeführt wurde (vgl. Volp / Zangenberg; → Trauer
2.2. Krieg und Verwüstung (am Ende der Zeit)
Anders als im Alten Testament (→ Weinen
2.3. Eschatologie
Unter eschatologischer Perspektive lassen sich zwei Aspekte differenzieren. Einerseits wird Weinen bzw. Klagen in Hinsicht auf das Gericht in Aussicht gestellt. So wird in den Seligpreisungen etwa die eschatologische Umkehr der Verhältnisse vor Augen gestellt: Lk 6,25
2.4. Ethik und Paränese
Vor allem in der paulinischen Literatur wird wiederholt auf Weinen bzw. Tränen im Kontext der → Paränese
In der Abschiedsrede des Paulus in Milet werden ebenfalls Tränen mit dem rechten Lebenswandel und der apostolischen Paränese in Verbindung gebracht: In Apg 20,19
Die Adressaten des Jakobusbriefs werden explizit dazu aufgefordert, über ihr Fehlverhalten zu weinen und zu klagen (Jak 4,9
2.5. Abschied, Verlust und Angst, aber nicht Freude
Tränen werden aber auch im Kontext alltäglicher trauriger Anlässe erwähnt, so etwa beim Abschied des Paulus in Apg 21,13
Freudentränen hingegen werden im Neuen Testament nicht erwähnt (→ Weinen [AT]
3. Allgemeine Beobachtungen
3.1. Theologische Wertung
Das Weinen bzw. das Vergießen von Tränen wird in den neutestamentlichen Schriften in unterschiedlichen Kontexten erwähnt. Wenngleich ein Ende von Leid, Kummer und Tränen am Ende der Zeiten in Aussicht gestellt wird, so bleibt Weinen doch ein elementarer Ausdruck menschlicher Befindlichkeit und wird weder verurteilt noch unterbunden. Vielmehr spielt es im Rahmen der individuellen Trauer wie auch der Trauerriten eine ebenso wichtige Rolle wie in der ethischen Unterweisung und Paränese, insbesondere in der Funktion der Warnung vor dem Kommenden – dem Gericht wie auch dem Ende der Zeit, mit Zerstörung, Unheil und Verfolgung. D.h., wenngleich Totenauferweckungen bzw. die Auferstehung Jesu dem Leid und Schmerz der Trauer um die Verstorbenen gegenüberstehen, „so ist auch die Trauer und ihr Ausdruck, die Klage, in dieser Welt, in welcher der Tod als der ‚letzte Feind‘ noch mächtig ist, nicht sich selber überlassen, sondern wird bei allem Schmerz aufgefangen und gehalten durch die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten“ (Haarbeck / Frey, 535).
3.2. „Gendering“
Die neutestamentlichen Schriften sprechen von weinenden und trauernden Frauen und Männern, ein „gendering“ des Weinens bzw. der Tränen lässt sich nicht erkennen. Wie die neuere Forschung für die antike Literatur allgemein bestätigt (Suter), bestimmt die Situation das Verhalten von Männern wie Frauen. Weinen wurde auch in der Antike nicht generell als unmännliches Verhalten eingestuft. In den neutestamentlichen Schriften ist vielmehr zu beobachten, dass Jesu Tränen explizit und mehrfach erwähnt werden und dass auch Paulus den Verweis auf seine Tränen nicht scheut, sondern ihn zur Unterstützung seiner Argumentation, seiner Position und Paränese heranzieht.
3.3. Emotionen
Die Emotionsforschung im Bereich des Neuen Testaments hat in den letzten Jahren den Fokus auf die Ursachen, die Natur und die Rolle der gefühlten Erfahrung, deren Wahrnehmung in ihrem kulturellen Kontext und deren literarische Darstellung gerichtet und auf ihre Bedeutung für die in den Schriften vermittelte Theologie und Ethik befragt. Dabei kamen im Spektrum der dargestellten Emotionen – Liebe, Freude, Hoffnung, Eifersucht, Angst, Trauer, Wut etc. – auch diejenigen in den Blick, deren Ausdrucksform das Weinen ist. In der Johannesforschung wurde dieser Zugang z.B. unter der Perspektive der Christologie betrachtet. Denn das Evangelium porträtiert Jesus auch als verstört, tief bewegt und unter Tränen, d.h. mit der Zuschreibung von Gefühlsausdrücken, die Jesu Menschlichkeit (wie z.B. seine Tränen am Grab des Lazarus) oder auch seine Göttlichkeit (wie z.B. die Emotionen in Verbindung mit dem Kreuz) unterstreichen (vgl. Voorwinde).
→ Tod
→ Trauer
Literaturverzeichnis
- Fögen, T. (Hg.), Tears in the Graeco-Roman World, Berlin / New York 2009
- Haarbeck, H. / Frey, J., Art. κόπτω, in: Coenen, L. / Haacker, K. (Hgg.), Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Witten 2010, 533-535
- Rölver, O., Christliche Existenz zwischen den Gerichten Gottes. Untersuchungen zur Eschatologie des Matthäusevangeliums (BBB 163), Göttingen 2010
- Salazar Infante, J., Jesus Shed Tears in Frustration: The Contribution of dakryō and klaiō to the Interpretation of John 11:35, in: Pacifica 27 (2014) 239-252
- Schwarz, G., „Und er begann zu weinen“? (Markus 14,72), in: BN 78 (1995) 18-20
- Suter, A., Tragic Tears and Gender, in: Fögen, T. (Hg.), Tears in the Graeco-Roman World, Berlin / New York 2009, 59-83
- Volp, U. / Zangenberg, J., Begräbnis und Totenpflege, in: Zangenberg, J. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 3: Weltauffassung – Kult – Ethos, Neukirchen-Vluyn 2005, 122-128
- Von der Osten-Sacken, P., Jesu Weinen über sein Volk. Predigt über Lukas 19,41-44, in: Blum, E. / Macholz, C. / Stegemann, E.W. (Hgg.), Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte (FS R. Rendtorff), Neukirchen-Vluyn 1990, 555-559
- Voorwinde, S., Jesus’ Tears – Human or Divine?, in: RTR 56 (1997) 68-81
- Voorwinde, S., Jesus’ Emotions in the Gospels, London 2011
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