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Intertextualität (NT)

(erstellt: Februar 2018)

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1. Intertextualitätsbegriff

1.1. Bedeutung

Mit dem Konzept Intertextualität werden Texte in ihren Bezügen zu anderen Texten analysiert und kategorisiert. Der Terminus Intertextualität verdankt sich (post-)strukturalistischer Theoriebildung in der Literatur- und Kulturwissenschaft der 1960er Jahre; seit Ende der 1980er Jahre gewinnt das Konzept auch zunehmend an Bedeutung in theologischen, insbesondere exegetischen Studien. Grundlegende Überzeugung des Intertextualitätsparadigmas ist es, dass jeder Text in intertextuellen Bezügen zu anderen Texten steht, wenn sich auch der Umfang sowie die Art und Weise dieser Bezugnahme sehr unterschiedlich gestaltet. So entsteht zu jedem Text ‚im Zwischenraum mit anderen Texten‘ ein intertextuelles Sinnpotential, das kein Einzeltext für sich alleine genommen generieren kann.

1.2. Begriffsgeschichte

Der Begriff Intertextualität wurde geprägt von Julia Kristeva:

„Jeder Text baut sich als Mosaik von Zitaten auf, jeder Text ist Absorption und Transformation eines anderen Textes. An die Stelle des Begriffs der Intersubjektivität tritt der Begriff der Intertextualität und die poetische Sprache lässt sich zumindest als eine doppelte lesen.“ (Kristeva 1972, 346)

Kristevas Definition findet ihren theoretischen Rahmen klar in (post-)strukturalistischen und semiotischen Literatur- und Kulturtheorien der späten 1960er Jahre und verdankt diesem Kontext auch ihr Profil:

  • Kristeva beschreibt Intertextualität als generelle Eigenschaft eines jeden Textes, ist also eher texttheoretisch als textanalytisch zu verstehen. Der Prozess der Produktion und Rezeption eines Textes ist immer nur in Beziehung zu anderen Texten vorstellbar. Intertextualität beschreibt damit ein Konstitutivum von Texten überhaupt, ist also ein Teilaspekt von Textualität.

  • Jeder Text ist zugleich Schnittpunkt anderer Texte und selbst Intertext im ‚Mosaik der Zitate‘. Diese Position markiert einen deutlichen Gegenentwurf zum (französischen) Strukturalismus der 1960er Jahre, der Texte als abgeschlossene Strukturen versteht und analysiert.

  • Das Intertextualitätskonzept Kristevas grenzt sich ebenfalls bewusst von subjekttheoretischen Ansätzen ab. Autor und Leser spielen in ihrem Entwurf weder als Person noch als theoretisches Konzept eine Rolle. Autor und Leser treten zugunsten der Vorstellung eines (unpersönlichen) Sich-Überschneidens verschiedener Texte und Kulturen zurück.

  • Kristeva wollte mit dem Intertextualitätskonzept eine Erweiterung der Literaturwissenschaft hin zu einer Theorie der Gesellschaft und Kultur anstoßen; ‚Text‘ ist bei ihr letztlich mit ‚Kultur‘ bzw. ‚Gesellschaft‘ identisch. Da der Begriff Intertextualität in der Literaturwissenschaft jedoch sehr schnell mit textanalytischem Interesse rezipiert wurde, verwendete Kristeva für ihr weites Konzept einige Jahre später den Begriff der ‚Transposition‘.

Kristevas Intertextualitätskonzept lässt sich forschungsgeschichtlich als Weiterentwicklung des Dialogizitätsbegriffs des russischen Literaturtheoretikers Michail Bachtin verstehen, das allerdings zunächst einmal die Vielstimmigkeit innerhalb eines einzelnen Textes beschreibt, also auf einer intratextuellen Ebene arbeitet. Zudem ist jeder Text, jedes Wort bei Bachtin immer nur als Äußerung eines Subjekts in einer konkreten Situation bzw. einem konkreten Kontext mit einer bestimmten Zielgruppe zu verstehen. Jedes Wort steht damit immer schon in einem Dialog mit Äußerungen anderer Subjekte in anderen Kontexten.

Der Intertextualtitätsbegriff hat innerhalb weniger Jahre eine breite Rezeption in sehr unterschiedlichen theoretischen Kontexten in der Literaturwissenschaft erfahren. Die grundlegende Idee Kristevas der Verwobenheit eines jeden Textes mit anderen Texten wurde dabei in unterschiedlichen Konkretionsgraden textanalytisch reflektiert.

2. Intertextualität in der Literaturwissenschaft

In der historischen Literaturwissenschaft wurden bereits vor Kristeva Text-Text-Relationen im Rahmen von Quellenkritik und Einflussforschung untersucht. Mit dem Intertextualitätskonzept werden diese allerdings in einen neuen theoretischen Rahmen gestellt. Besonders die Abkehr von einem für das Herstellen von Textrelationen maßgeblichen Autorsubjekt stellt dabei den deutlichsten Perspektivenwechsel dar. Da Kristevas Konzept sich jedoch auf alle Texte bezieht, ermöglicht es zunächst einmal nicht, gezielte Textanalysen zu konkreten intertextuellen Bezugnahmen einzelner Texte anzustellen bzw. stark intertextuell geprägte Texte von weniger intertextuellen Texten zu unterscheiden. Verschiedene literaturtheoretische Studien haben daher versucht, die weite Perspektive Kristevas mit einem methodisierbaren Konzept zu ergänzen bzw. spezifizieren, so dass eine Textanalyse konkreter Texte möglich wird. Anhand exemplarischer Entwürfe lassen sich wesentliche Felder der Diskussion veranschaulichen:

  • Unterschiedliche Formen von Intertextualität beschreibt der französische Sprach- und Literaturwissenschaftler Gérard Genette. Er verwendet als Sammelbegriff für intertextuelle Phänomene ‚Transtextualität‘ und unterscheidet dann Phänomene unterschiedlicher Bezugnahme (Intertextualität als Präsenz eines Textes in einem anderen, Paratextualität als Beschreibung für Begleittexte wie z.B. ein Vorwort, Metatextualität als die Reflexion der intertextuellen Bezugnahme in einem Text, Architextualität als Zuordnung eines Textes zu Genres und als Zentralbegriff Hypertextualität, der detailreich Analysekategorien für Text-Text-Relationen bereitstellt).

  • Eine sehr differenzierte Systematik zur Beschreibung intertextueller Bezüge haben Ulrich Broich und Manfred Pfister vorgelegt. Neben der Einzeltext-Referenz und Systemreferenz unterscheiden sie zwischen ‚horizontaler‘ (zwischen Autor und Rezipient) und ‚vertikaler‘ (zwischen Text und Prätext) Dimension von Intertextualität. Darüber hinaus entwickeln sie quantitative (nach der Dichte und Häufigkeit intertextueller Verweise in einem gegebenen Text) und qualitative Kriterien zur Untersuchung intertextueller Bezüge: Referentialität (Wird ein Wort oder eine linguistische Struktur verwendet oder wird auf sie verwiesen?), Kommunikativität (Grad der Bewusstheit des intertextuellen Bezugs beim Autor wie beim Rezipienten sowie Deutlichkeit der Markierung im Text selbst), Autoreflexivität (Metakommunikative Reflexion über intertextuelle Bedingtheit im Text selbst), Strukturalität (syntagmatische Integration der Praetexte in den Text), Selektivität (Unterschiedliche Grade in der Prägnanz intertextueller Verweisung) und Dialogizität (Spannung zwischen ursprünglichem und neuem Kontext eines Wortes / Satzes)

  • Schon bei Broich / Pfister wird Intertextualität als Phänomen der Textrezeption beschrieben. Diese rezeptionsorientierte Perspektive nimmt auch Susanne Holthuis ein, die Intertextualität und Textualität nicht als Eigenschaft von Texten, sondern nur als Ergebnis einer Interaktion zwischen Leser und Text in der Lektüre versteht. Holthuis diskutiert in ihrer Dissertation breit das Konzept der ‚intertextuellen Disposition‘, also der Textsignale, die eine intertextuelle Bezugnahme durch den Rezipienten motivieren. Intertextuelle Lektüre lässt in diesem rezeptionsorientierten Ansatz aus syntagmatischer, semantischer und pragmatischer Perspektive analysieren. Ebenfalls innerhalb eines leserorientierten Modells begegnet Intertextualität bei Umberto Eco. Er geht wie Kristeva davon aus, dass kein Text ohne das Herstellen intertextueller Bezüge verstehbar ist. Jede Lektüre eines Textes verlangt vom Leser eine Aktualisierung der vorfindlichen sprachlichen Zeichen. So werden im Lektüreakt immer schon bereits durch die Zuordnung des Textes zu einer ‚Enzyklopädie‘ im Rahmen ‚intertextueller Szenographien‘ Verknüpfungen zwischen Texten hergestellt, die die Semantik und Pragmatik eines gegebenen Textes verändern (Eco 1987).

  • Die Textsignale, die eine intertextuelle Lektüre motivieren, also die Markierung von Intertextualität, sind Gegenstand verschiedener Untersuchungen. Die Studie von Jörg Helbig (1996) hat dabei auch unterschieden, wie und in welchem Grad intertextuelle Dispositionen eines Textes von bestimmten Lesern als solche erkannt werden.

  • Magdolna Orosz (1987) legt schließlich eine Studie zur „Intertextualität in der Textanalyse“ vor, in der sie ein konkretes textanalytisches Instrumentarium für eine intertextuelle Syntagmatik, Semantik und Pragmatik entwickelt.

Während Kristeva sowohl vom Autor (der Verweise auf andere Texte in sein Werk integriert) und vom Leser (der diese Verweise erkennt und intendierte Bezüge herstellt) zugunsten eines Prozesses der unendlichen Semiose abrückt, findet man in den verschiedenen Intertextualitätsansätzen der Folgejahre durchaus starke Leserkonzepte wieder. Der kurze Überblick über intertextuelle Studien in der Literaturwissenschaft zeigt die enorme Bandbreite der Diskussion in den letzten Jahrzehnten. Das Spektrum erweitert sich noch einmal, wenn man neben Text-Text-Relationen (Intertextualität) auch noch Verknüpfungen zwischen Texten und anderen Medien (Intermedialität) berücksichtigt.

3. Intertextualität in der Exegese

Die neu- und alttestamentlichen Texte sind vielfach geprägt von intertextuellen Bezügen. Diese werden zum Teil programmatisch einer Schrift vorangestellt (z.B. die Genealogie des Matthäus als narrative Abbreviatur alttestamentlicher Erzählzusammenhänge oder der Johannesprolog mit einem expliziten, wörtlichen Bezug zu Gen 1), teilweise wird sogar auf einer Metaebene die Funktion anderer Texte reflektiert (z.B. ‚Schrift als Schlüssel der Erkenntnis‘ Lk 11,52). Die sich ausdifferenzierende (historisch-kritische) Bibelauslegung hat sehr differenziert das Aufgreifen einzelner Texte in anderen Texten analysiert. So unterschiedlich die verschiedenen Arbeitsschritte, Kategorisierungen und Textgrundlagen waren, so einheitlich war dabei die zu Grunde liegende Frage: Welche Texte werden von einem Autor (den Autoren, den verschiedenen Redaktoren) aufgegriffen, in welche Traditionslinie stellt dieser sich damit und wie lässt sich auf dieser Basis eine angemessene Rekonstruktion der Autorintention bzw. Textinterpretation erarbeiten? Das Intertextualitätskonzept bietet auch hier Möglichkeiten, diese Fokussierung auf die intentionale Autorenperspektive zu erweitern bzw. in ein texttheoretisches Konzept einzubetten.

Einige Entwürfe zur biblischen bzw. kanonischen Theologie aus den 1970er- und 1980er-Jahren greifen bereits Impulse der Intertextualitätsdebatte auf (vgl. Hans Hübner 1995). Aber erst Ende der 1980er Jahre wurden die ersten umfangreicheren exegetischen Arbeiten publiziert, die versuchten, Textbeziehungen im Rahmen der Intertextualitätstheorie zu beschreiben. Genannt seien an dieser Stelle v.a. die Titel von Richard Hays (1989) und der Sammelband von Draisma (1989). Der Schwerpunkt der grundlegenden Studie von Hays liegt auf den Beziehungen paulinischer Briefe zu alttestamentlichen Prätexten. An einigen Stellen wird zwar eine bestimmte Lesergruppe in den Blick genommen, mit der Fokussierung auf Paulus als Autor liegt jedoch eine deutliche Konzentration auf die Produktionsbedingungen der Texte vor. Auch Hays entwickelt – ähnlich wie viele Ansätze in den Literaturwissenschaften – Kriterien zur Untersuchung intertextueller Bezüge:

  • Availability: Liegt eine vermutete Quelle für ein intertextuelles Echo dem Autor und / oder den Erstlesern vor?

  • Volume: Dieses Kriterium fragt in erster Linie nach dem Grad expliziter Wiederholung von Wörtern oder Satzteilen.

  • Recurrence: Wie oft spielt Paulus an anderen Stellen seiner Briefe auf denselben alttestamentlichen Text an?

  • Thematic Coherence: Wie gut passt die angespielte Stelle in den Zusammenhang der paulinischen Argumentation?

  • Historical Plausibility: Hätte Paulus den durch die Anspielung herbeigeführten Bedeutungswandel intendieren können?

  • History of Interpretation: Haben andere (professionelle oder laienhafte) Leser diesen Schriftbezug entdeckt?

  • Satisfaction: Ergibt die vorgeschlagene Lesart einen zufrieden stellenden Sinn?

Hays ist es mit seiner Monographie gelungen, intertextuelle Fragestellungen international für die Exegese fruchtbar zu machen. Die von Hays vorgeschlagenen Tests bzw. Kriterien bieten eine Möglichkeit, über die starre Klassifikation ‚quantitativ‘ und ‚qualitativ‘ hinaus, die Bezüge biblischer Texte zu analysieren und nehmen historisch plausible Produktions- und Rezeptionsbedingungen in den Blick. Hays hat zudem die hermeneutische Bedeutung intertextueller Bezüge (Echos, Allusionen) über reine Quellenkritik und Zitatenforschung hinaus betont und entsprechende Studien zu paulinischen Texten (Hays 2005) aber auch den Synoptikern (Hays 2016) vorgelegt.

Wie in der Literaturwissenschaft wurde auch in der Exegese das Intertextualitätsparadigma in sehr unterschiedlichen Facetten aufgegriffen, wie einige Beispiele zeigen:

  • Einige exegetische Studien greifen direkt Ansätze aus der Literaturwissenschaft auf. Eine Anwendung des Ansatzes von Broich / Pfister findet sich u.a. in alttestamentlichen Studien von Marianne Grohmann (Grohmann 2000). Wie Grohmann zieht zudem Daniel Boyarin (1994) Verbindungslinien zwischen Intertextualität und jüdischer (Midrasch-)Hermeneutik.

  • Georg Steins (1999) sowie Thomas Hieke / Tobias Nicklas (2003) erarbeiten mit expliziten Rückgriffen auf Intertextualitäts- bzw. Dialogizitätskonzepte das Programm einer kanonisch-intertextuellen Lektüre. Der biblische Kanon dient dabei als Interpretationsraum, der ursprünglich selbstständige Einzelschriften als Leseanweisung in einen neuen intertextuellen Kontext stellt. Diese Studien innerhalb des biblischen Kanons sind als Spezialfall solcher intertextueller Ansätze zu sehen, die rezeptions- bzw. wirkungsgeschichtliche Fragestellungen vor dem Hintergrund der Intertextualitätsforschung neu formulieren.

  • Steve Moyise hat aufgrund der unterschiedlichsten Intertextualitäts-Ansätze innerhalb der Exegese versucht, verschiedene Kategorien intertextueller Studien zu unterscheiden.

  • Im Bereich der Paulusexegese haben Richard B. Hays (2005) und Michael Schneider (2011) mit explizitem Rückgriff auf Intertextualitätskonzepte die grundlegend narrative Substruktur der vordergründig argumentativen paulinischen Texte betont.

Die unterschiedlichen intertextuellen Studien lassen sich nach ihrer Analyseperspektive (Fokus auf die Textproduktion oder Textrezeption) sowie nach dem zugrunde gelegten Text-/Intertextualitätsbegriff kategorisieren (vgl. Schneider 2011).

Ebenfalls eine Kategorisierung intertextueller exegetischer Studien, aber auch eine grundlegende hermeneutische Reflexion und Einbettung in ein Gesamtkonzept einer zeichentheoretisch fundierten Exegese bietet Stefan Alkier, der die Intertextualitätsdebatte im deutschsprachigen Raum angestoßen und maßgeblich geprägt hat. Er beschreibt zunächst einmal produktionsorientierte Ansätze, die intertextuelle Bezüge auf Basis von konkreten Zitaten, Anspielen oder narrativen Abbreviaturen untersuchen. Daneben fasst Alkier rezeptionsorientierte Ansätze zusammen, die solche intertextuellen Bezugnahmen untersuchen, die in bestimmten Rezeptionskontexten tatsächlich oder wahrscheinlich hergestellt wurden. Während exegetische Arbeiten von den meisten Autoren in diese produktions- und rezeptionsorientierte intertextuelle Lektüren eingeteilt werden, weist Alkier noch auf eine weitere Form der ‚generativen Intertextualität‘ als „ein prinzipiell unbegrenztes performatives Verfahren“ (Alkier 2016) der Herstellung intertextueller Bezüge jenseits produktions- oder rezeptionsorientierter Intertextualität hin. Diese Differenzierung zwischen drei prinzipiellen Typen biblischer Intertextualitätsforschung bietet die Möglichkeit, verschiedene konkrete Arbeiten an (biblischen) Texten aufeinander zu beziehen und in einem theoretisch belastbaren Gesamtzusammenhang zu verorten.

Alkier hat dann in jüngerer Zeit im Anschluss an Michail Bachtin und Roland Barthes noch einmal zwischen der Betrachtung von ‚intertextuellen Schreibweisen‘ eines Autors und ‚intertextuellen Leseweisen‘ eines Lesers auf der einen sowie der Reflexion eines kreativen intertextuellen Kompositions- und Schreibprozesses andererseits differenziert (Alkier 2016). Alkier schlägt vor, im Rahmen einer Untersuchung der intertextuellen Schreibweise alle erkennbaren intertextuellen Bezugstexte, den Grad der strukturellen Einspielung sowie deren Häufigkeit und Markierung zu erheben. Schließlich kann erhoben werden, ob die Einspielung eines Textes eher monologisch oder dialogisch geschieht. Eine Analyse intertextueller Leseweisen ist in Alkiers Konzept sowohl für tatsächliche Leser als auch für imaginierte Lektüresituationen vorgesehen.

Im Anschluss an rezeptionsorientierte (Holthuis 1993) und semiotische Ansätze (Eco 1987 und Orosz 1987) aus der Literaturwissenschaft lassen sich syntagmatische, semantische und pragmatische Frageperspektiven für intertextuelle Analyse differenzieren, wie sie in unterschiedlicher Akzentuierung bei Alkier (2016), Diekmann (2003), Steins (1999) und Schneider (2011) für die Exegese aufgegriffen wurden:

Intertextuelle Ansätze haben ihren ersten Ort innerhalb der Literatur- und Kulturwissenschaft und wurden innerhalb der Theologie v.a. in den exegetischen Disziplinen rezipiert. In dem Maße wie die Intertextualitätsforschung in die Bibelhermeneutik aufgenommen wurde, hat sie aber auch Bedeutung für bibeldidaktische Entwürfe bekommen. Beispielhaft kann hier der Ansatz einer ‚bibeltheologischen Didaktik‘ (Schambeck 2009), aber auch weitere bibeldidaktische Entwürfe (vgl. z.B. Grundlinien biblischen Lernens nach Porzelt 2012) genannt werden, denen intertextuelle Perspektiven auf biblische Texte zugrunde liegen.

Schließlich bietet das Intertextualitätsparadigma in seiner weiten Form (‚generative Intertextualität‘ nach Alkier) an der Grenze zu Intermedialität zur Wahrnehmung und Analyse (pop)kultureller Phänomene in der Religionspädagogik. Darauf hat Manfred L. Pirner hingewiesen, der in einem weiten – von Semiotik und Cultural Studies geprägten – Intertextualitätskonzept einen theoretischen Rahmen für die theologische Wahrnehmung popkulturelle Phänomene (vgl. Pirner 2009, bes. 203f) sieht.

Ein etwas kürzerer Artikel mit religionspädagogischem Fokus ist vom selben Autor in WiReLex erschienen (Schneider 2017).

Literaturverzeichnis

Ein ausführliches Literaturverzeichnis findet man für die Literaturwissenschaften in Berndt (2013) und für Theologie/Bibelwissenschaften in Schneider (2011).

  • Aichele, George, 2001, The Control of Biblical Meaning. Canon as Semiotic Mechanism, Harrisburg/Pennsylvania
  • Aichele, George/Phillips, Gary A. (Hg.), 1995, Intertextuality in the Bible, Semeia 69/70, Atlanta
  • Alkier, Stefan, 2003, Intertextualität - Annäherung an ein texttheoretisches Paradigma, in: Sänger, Dieter (Hg.), Heiligkeit und Herrschaft. Intertextuelle Studien zu Heiligkeitsvorstellungen und zu Psalm 110, Biblisch-theologische Studien 55, Neukirchen-Vluyn, 1-26
  • Alkier, Stefan/Hays, Richard B., 2010, Kanon und Intertextualität, Kleine Schriften des Fachbereichs Evangelische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt Main 1, Frankfurt am Main.
  • Alkier, Stefan/Hays, Richard B./Huizenga, Leroy A. (Hg.), 2009, Reading the Bible Intertextually, Waco/Texas
  • Alkier Stefan, 2016, Intertextuality. New Testament, in: Encyclopedia of the Bible and its Reception, Band 13, Berlin u.a.
  • Alkier, Stefan, 2015, Konzeptionen, Beobachtungen und Überlegungen zur intertextuellen Schreibweise des Matthäusevangelium, in: Zeitschrift für Neues Testament 36, 33-44
  • Alkier, Stefan, 2016, Intertextuality Based on Categorical Semiotics, in: Oropeza, B.J./Moyise, Steve (Hg.): Exploring Intertextuality. Diverse Strategies for New Testament Interpretation of Texts, Oregon, 128-150
  • Allen, Graham, 2000, Intertextuality, London
  • Bachtin, Michail, 1979, Die Ästhetik des Wortes, Frankfurt
  • Berndt, Frauke/Tonger-Erk, Lily, 2013, Intertextualität. Eine Einführung, Grundlagen der Germanistik 53, Berlin
  • Boyarin, Daniel, 1994, Intertextuality and the Reading of Midrash, Bloomington
  • Broich, Ulrich/Pfister, Manfred (Hg.), 1985, Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 35, Tübingen
  • Dieckmann, Detlef, 2003, Segen für Isaak: Eine rezeptionsästhetische Auslegung von Gen 26 und Kontexten, Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 329, Berlin
  • Draisma, Sipke (Hg.), 1989, Intertextuality in Biblical Writings. Essays in Honour of Bas van Iersel, Kampden
  • Eco, Umberto, 1987, Lector in Fabula, Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München
  • Genette, Gérard, 1983, Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, Frankfurt
  • Gillmayr-Bucher, Susanne, 2006, Intertextuality: Between Literary Theory and Text Analysis, in: Th. Brodie / D. MacDonald / S. Porter (Hg.), The Intertextuality of the Epistles. Explorations of Theory and Practice, New Testament Monographs 16, Sheffield, 13-23
  • Grohmann, Marianne, 2000, Aneignung der Schrift. Wege einer christlichen Rezeption jüdischer Hermeneutik, Neukirchen-Vluyn
  • Hays, Richard B., 1989, Echoes of Scripture in the Letters of Paul, Yale UP New Haven and London
  • Hays, Richard B., 2005, The Conversion of the Imagination. Paul as Interpreter of Israel`s Scripture, Grand Rapids/Michigan
  • Hays, Richard B., 2016, Echoes of Scripture in Gospels, Waco (Texas)
  • Helbig, Jörg, 1996, Intertextualität und Markierung, Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, 3 Folge 141, Heidelberg
  • Hieke, Thomas/Nicklas, Tobias, 2003, „Die Worte der Prophetie dieses Buches“. Offenbarung 22,6-21 als Schlussstein der christlichen Bibel Alten und Neuen Testaments gelesen, Neukirchen-Vluyn
  • Holthuis, Susanne, 1993, Intertextualität. Aspekte einer rezeptionsorientierten Konzeption, Stauffenburg Colloquium 28, Tübingen
  • Porzelt, Burkard, 2012, Grundlinien biblischer Didaktik, Bad Heilbrunn
  • Hübner, Hans, 1995, Biblische Theologie als Hermeneutik. Gesammelte Aufsätze, zum 65. Geburtstag hg. v. Antje. u. Michael Labahn, Göttingen
  • Kristeva, Julia, 1972, Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman, in: Ihwe, Jens (Hg.), Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven, Band 3: Zur linguistischen Basis der Literaturwissenschaft II, Frankfurt, 345-375
  • Merz, Annette, 2004, Die fiktive Selbstauslegung des Paulus: intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe, NTOA / StUNT 52, Göttingen
  • Moyise, Steve (Hg.), 2000, The Old Testament in the New Testament, Essays in Honour of J. L. North, JSNTSup 189, Sheffield
  • Orosz, Magdolna, 1987, Intertextualität in der Textanalyse, Wien
  • Pirner, Manfred, 2009, Werbung, Kultur und Religion in theologischer Perspektive. Einige offene Fragen, in: Schroeter-Wittke, Harald (Hg.), Popkultur und Religion. Best of, Populäre Kultur und Religion POPKULT, Bd. 1, Jena
  • Schambeck, Mirjam, 2009, Bibeltheologische Didaktik. Biblisches Lernen im Religionsunterricht, Göttingen
  • Schneider, Michael, 2005, Texte – Intertexte – Schrift. Perspektiven intertextueller Bibellektüre, in: Strecker, Christian (Hg.), Kontexte der Schrift II. Kultur, Politik, Religion, Sprache, Stuttgart, 361-376
  • Schneider, Michael, 2011, Gottes Gegenwart in der Schrift. Intertextuelle Lektüren zur Geschichte Gottes in 1 Kor, NET 17, Tübingen/Basel
  • Schneider, Michael, 2017, Art. Intertextualität, in: Das wissenschaftlich-religionspädagogische Lexikon (www.wirelex.de), 2015ff.
  • Steins, Georg, 1999, Die „Bindung Isaaks“ im Kanon (Gen 22): Grundlagen und Programm einer kanonisch-intertextuellen Lektüre, Freiburg

PDF-Archiv

Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:

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