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Wortspiel (AT)

(erstellt: Oktober 2007)

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1. Definition

Als „Wortspiel“ wird die absichtsvolle Verwendung mehrdeutiger Begriffe oder die Kombination von im Laut- oder Schriftbild ähnlichen oder identischen, semantisch aber unterschiedlichen Wörtern bezeichnet. Dabei können die aufeinander bezogenen Wörter entweder im Text enthalten sein, oder ein Wort kann sich auf ein kontextuell zu erschließendes, aber nicht explizit genanntes anderes Wort beziehen. Absicht des Wortspiels ist es, eine (häufig hintergründige) Beziehung zwischen den Denotaten herzustellen, Aufmerksamkeit zu wecken oder einen euphonischen oder onomatopoetischen Effekt zu erzielen.

Die Bibel selbst kennt keinen Begriff für „Wortspiel“, in der rabbinischen Literatur findet sich dafür der Ausdruck lāšôn nôfel ‘al lāšôn „Sprache, die auf Sprache fällt“ (vgl. Bereschit Rabba 18,4; 31,8).

2. Arten

Das Spiel mit der Bedeutungsvariabilität, Vieldeutigkeit und Klangvielfalt nutzt spezifische Eigenschaften von Lexemen, wobei sich für das hebräische Alte Testament folgende Formen unterscheiden lassen:

2.1. Polysemie

Zuweilen beruhen Wortspiele auf der Mehrdeutigkeit (Polysemie) von Wörtern.

So trägt etwa zur Metaphorik von Hi 7,6: „Meine Tage eilen schneller als ein Weberschiffchen, sie sind zuende, sobald תִּקְוָה tiqwāh fehlt“, die doppelte Bedeutung des Wortes תִּקְוָה tiqwāh bei, das a) „Schnur / Faden“ und b) „Hoffnung“ bedeutet. Einerseits wird das Bild vom „Gewebe“ des Lebens aus V. 6a in V. 6b fortgeführt, andererseits die schwindende „Hoffnung“ als der Grund der Klage Hiobs angedeutet.

In Gen 4,13b ist sowohl das Verb נשׂא nś’ als auch das Nomen עָוֹן ‘āwon doppeldeutig. Das Verb bedeutet „tragen“ und „wegnehmen“, das Nomen „Sünde“ und „Strafe“ – die Strafe resultiert aus der Sünde. Der Ausruf Kains גָדוֹל עֲוֹנִי מִנְּשׂוֹא gādôl ‘āwonî minnəś’o meint deswegen einerseits: „Meine Strafe ist zu groß zum Tragen“, andererseits: „Meine Sünde ist zu groß zum Wegnehmen (= Vergeben)“. Damit legt der Entsetzensschrei die Ursache des Entsetzens offen.

Ein Spezialfall von Wortspielen mit polysemen Begriffen ist die Verwendung desselben Wortes in konkreter und in übertragener Bedeutung (Amphibolie).

Die Nathansverheißung in 2Sam 7,1-17 etwa spielt mit der Bedeutung des Nomens בַּיִת bajit „Haus“, das im übertragenen Sinn dessen Bewohner bezeichnen kann und dann „Familie“, im monarchischen Kontext „Dynastie“ meint.

2.2. Homonymie

Homonyme Begriffe, also Wörter, die von verschiedenen Wurzeln abgeleitet sind und unterschiedliche Bedeutungen haben, aber gleich ausgesprochen (Homophonie) und / oder geschrieben (Homographie) werden, können wortspielerisch miteinander in Verbindung gebracht werden.

In dem auf mündliche Weitergabe zielenden und daher rhetorische Eingängigkeit anstrebenden Prahlspruch Ri 15,16: „Mit dem Kinnbacken eines Esels (הַחֲמוֹר hachǎmôr) habe ich sie gründlich verprügelt (חֲמוֹר חֲמַרְתִּים chǎmôr chǎmartîm); mit einem Eselskinnbacken habe ich tausend Männer erschlagen“, erscheint das Wort חֲמוֹר chǎmôr „Esel“ und direkt im Anschluss (in einer gegenüber dem masoretischen Text zu korrigierenden Vokalisation) der nahezu gleichlautende Infinitivus absolutus von חמר chmr „verprügeln“, dazu ein drittes Mal in der phonematisch und graphematisch erweiterten Verbform חֲמַרְתִּים chǎmartîm „ich habe sie verprügelt“. Die masoretische Punktation verstärkt das Wortspiel, indem sie הַחֲמוֹר חֲמוֹר חֲמׂרָתָיִם hachǎmôr chǎmôr chǎmorātājim liest und damit die Konsonanten חמר chmr dreimal mit identischen Vokalzeichen versieht, wobei allerdings die dabei vorausgesetzte Bedeutung der Wendung unklar bleibt.

Das Sprichwort in Pred 7,6: „Denn wie das Prasseln der Dornen (הַסִּירִים haśśîrîm) unter dem Kessel (הַסִּיר haśśîr), so ist das Lachen des Narren“, spielt mit den beiden homonymen Nomina סִיר śîr „Dorn“ und סִיר śîr „Topf“/ „Kessel“.

2.3. Paronomasie

Die häufigste, oft auch als „Wortspiel“ im eigentlichen Sinn beschriebene Form des Wortspiels ist die Kombination semantisch unterschiedlicher, lautlich aber ähnlicher Wörter mit demselben Grundbestand an Vokalen oder Konsonanten (Paronomasie). Ein solcher lautlicher Bezug bei differierender Bedeutung wird im Hebräischen z.B. bei Verben durch die Verwendung derselben Wurzel in unterschiedlichen Stammformen erzielt.

In Jes 7,9c-d: „Glaubt (תַּאֲמִנוּ ta’ǎminû) ihr nicht, so bleibt (תֵּאָמֵנוּ te’āmenû) ihr nicht!“, entspricht der Zusammengehörigkeit von Tun und Ergehen der zweifache Gebrauch desselben Verbs אמן ’mn für beide Aspekte, zuerst im H-, dann im N-Stamm.

Dieselbe Absicht verfolgt in Jes 1,19-20: „Seid ihr willig und gehorsam, so sollt ihr das Gut des Landes essen (תֺּאכֵלוּ to’khelû); weigert ihr euch aber und seid widerspenstig, so sollt ihr vom Schwert gefressen werden (תְּאֻכְּלוּ tə’ukkəlû)!”, die Verwendung von אכל ’kl im aktiven und passiven G-Stamm.

Bei etymologisch voneinander unabhängigen Wörtern beruht die Paronomasie auf 1) der Klangidentität oder Klangähnlichkeit der Vokale bei leicht abweichendem Konsonantenbestand oder 2) der unterschiedlichen Vokalisation von Wörtern mit gleichen (oder nahe verwandten) Konsonanten.

1) Abweichende Konsonanten. Der erste Fall setzt im biblischen Hebräisch in der Regel die Übereinstimmung von zwei der drei Basiskonsonanten voraus. Das dafür illustrativste Beispiel ist Jes 5,7b: „Er hoffte auf Rechtsspruch (מִשְׁפָּט mišpāṭ) – doch siehe da: Rechtsbruch (מִשְׁפָּח mišpāch), und auf Gerechtigkeit (צְדָקָה ṣədāqāh) – doch siehe da: ein Schrei (צְעָקָה ṣə‘aqāh)“, in dem die antagonistischen Begriffe durch ihren ähnlichen Klang aufeinander bezogen werden.

Oft kann solche Lautähnlichkeit durch die teilweise unterschiedliche Reihenfolge derselben Konsonanten (Metathesis) verursacht sein. In Jes 61,3b: „um ihnen Schmuck (פְּאֵר pə’er) zu geben statt Schmutz (אֵפֶר ’efær)“, etwa sind die inhaltlich gegensätzlichen Begriffe auf diese Weise lautlich aufeinander bezogen.

2) Gleiche Konsonanten. Ein Beispiel für den zweiten Fall ist Jer 1,11-12: „Das Wort des Herrn erging an mich: Was siehst du, Jeremia? Ich antwortete: Den Zweig eines Mandelbaums (שָׁקֵד šāqed) sehe ich. Da sprach der Herr zu mir: Du hast richtig gesehen; denn ich wache (שֹׁקֵד šoqed) über mein Wort und führe es aus.” Wegen der lautlichen Ähnlichkeit beider Begriffe wird der Mandelzweig zum Symbol der angekündigten Tat JHWHs.

2.4. Zweisprachige Wortspiele

Es gibt im Alten Testament einige Beispiele für zweisprachige Wortspiele. Im Vorwurf des Pharao an die Israeliten in Ex 10,10: „Ihr habt Böses (רָעָה rā‘āh) im Sinn!“, etwa klingt ironisierend der ägyptische Gottesname → Re an. Innerhalb des „Lobs der tüchtigen Frau“ in Spr 31,10-31 lautet Spr 31,27: „Sie achtet (צוֹפִיָּה ṣôfîjjāh) auf das, was vorgeht im Haus, und isst nie das Brot der Faulheit.“ Die Verbform ähnelt dabei phonematisch stark dem griechischen Nomen σοφία sophia „Weisheit“.

3. Verwendung

3.1. Magische Vorstellungen

Die ursprünglich enge Verbindung des Wortspiels zu magischen Vorstellungen und Praktiken wird etwa aus ägyptischen religiösen Texten deutlich. Das Wortspiel ist vor allem in Ritualen das sprachliche Instrument schlechthin, mit dem man die kultische und die götterweltliche Sphäre aufeinander bezieht. Auch das Wort des Traumdeuters und Zauberers erweckt den im Lautzusammenhang enthaltenen Sinnzusammenhang und macht ihn sich im Wortspiel durch imitative Magie nutzbar.

3.2. Ausdruck von Wesen und Bedeutung

Anklänge an solche Vorstellungen finden sich im Alten Testament, wenn Wortspiele dazu dienen, das Wesen und die Bedeutung von Orten oder Personen zu erhellen. Das ist z.B. häufig der Fall bei der ätiologischen Erklärung von Personen- oder Ortsnamen durch eine auf einem Wortspiel beruhende etymologische Deutung.

So wird in Gen 2,7 etwa der Name des ersten Menschen Adam (אָדָם ’ādām) durch seine Herkunft von der Erde (אֲדָמָה ’ǎdāmāh) erläutert, oder in Ex 2,10 der des Mose (מוֹשֶׁה mošæh) mit dem Verb משׁה mšh „ziehen“ in Verbindung gebracht, das auf seine Rettung aus dem Nil anspielt: „Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen (מְשִׁיתִהוּ məšîtihû)“.

Gen 11,9 erklärt den Namen der Stadt Babel (בָּבֶל bāvæl) durch das Verb בּלל bll „verwirren“, das auf die Verwirrung der Sprache, die dort ihren Ursprung hat, verweist.

Mit Hilfe von Wortspielen kann die Enthüllung auch des künftigen Geschicks von Personen oder Orten geschehen.

Neben dem schon erwähnten Beispiel Jer 1,11-12 (vgl. 2.3) ist dafür etwa Am 8,1-2 anzuführen, wo der Prophet einen Korb mit Obst (קַיִץ qajiṣ) sieht, der visionär Symbol für das bevorstehende Ende (קֵץ qeṣ) Israels ist.

Im Zusammenhang von Gen 32,23-25 erscheint der Name Jakob (יַעֲקֹב ja‘ǎqov) wie eine Vorherbestimmung des Namensträgers zum Kämpfen ( וַיֵּאָבֵקwaje‘āveq) mit dem Unbekannten am Jabbok (יַבֹּק jabboq).

Das Wesen einer Person kann auch durch ihre Umbenennung aufgrund einer schicksalhaften Erfahrung offengelegt werden.

So enthält Rut 1,20 die Aufforderung: „Nennt mich nicht mehr „Liebliche“ (נָעֳמִי nā‘ămî), sondern „Bitternis“ (מָרָא mārā’); denn der Allmächtige hat mich sehr verbittert (הֵמַר hemar).“

3.3. Rhetorisches Gestaltungsmittel

Das Wortspiel ist in zahlreichen Fällen als rhetorisches Gestaltungsmittel eingesetzt. So dient die Paronomasie häufig zur Formulierung von euphonisch eingängigen Wortpaaren, wie etwa נָע וָנָד nā‘ wānād „rastlos und ruhelos“ in Gen 4,12.14 oder עָפָר וָאֵפֶר ‘āfār wā’efær „Staub und Asche“ in Gen 18,27; Hi 42,6. Wortspiele werden verwendet, um einen Gedanken oder eine Aussage hervorzuheben und zu betonen.

In Jes 24,17 wird die Ankündigung der Vernichtung durch die Wiederholung klanglich nahe stehender Begriffe verstärkt: „Schrecken (פַּחַד pachad) und Grube (וָפַחַת wāfachat) und Strick (וָפָח wāfāch) kommen über dich, Einwohner des Landes!”

In einer längeren Textpassage kann mit dem Mittel der Paronomasie ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Abschnitten hergestellt werden.

Die Ermahnung Labans in Gen 29,26: „Es ist nicht Sitte in unserm Lande, die Jüngere vor der Älteren (בְּכִירָה bəkhîrāh) zur Ehe zu geben!“, etwa soll den Leser daran erinnern, wie Jakob seinen Bruder Esau um das Erstgeburtsrecht (בְּכוֹרָה bəkhôrāh) und den väterlichen Segen (בְּרָכָה bərākhāh) betrogen hat (vgl. Gen 27,36), und ihn Labans Verhalten als Vergeltung dafür verstehen lassen.

3.4. Ironie und Rätsel

Besonders das Stilmittel der Ironie und die Gattung des Rätsels sind vielfach durch Wortspiele konstituiert.

In Jes 30,16 „Ihr habt gesagt: Nein, auf Rossen wollen wir dahinfliegen (עַל־סוּס נָסוּס ‘al-sûs nāsûs). Darum sollt ihr jetzt fliehen (תְּנוּסוּן tənûsûn)“, werden die hochtrabenden Pläne der Angesprochenen ironisch unter Verwendung von durch Paronomasie verbundener Begriffe mit der Realität konfrontiert.

Dan 5 handelt von einer rätselhaften Schrift an der Wand des Palastes Belsazars (Dan 5,5): „Mene mene tekel uparsin“ (מְנֵא מְנֵא תְּקֵל וּפַרְסִין məne’ məne’ təqel ûfarsîn)“ (Dan 5,25). Die Nomina bezeichnen die Geldgewichte „Mine, Schekel und Halbmine“, doch werden sie in Dan 5,26-28 mit aramäischen Verben in Verbindung gebracht, die jeweils dieselben Wurzelkonsonanten aufweisen: Gott „hat gemessen (מְנָא mənāh) … du wurdest gewogen (תְּקִילְתָּה təqîltāh) … es (sc. das Königreich) wurde geteilt (פְּרִסַת pərîsat)“, wobei וּפַרְסִין ûfarsîn zugleich auf die „Perser“ (פָּרָס pārās) anspielt.

3.5. Lautmalerische Funktion

Zuweilen hat die Paronomasie die lautmalerische (onomatopoetische) Funktion, die thematisierten Sachverhalte klanglich abzubilden.

Jes 7,18 vergleicht die Heeresmacht Ägyptens mit den landestypischen Fliegen und ahmt – zumal bei einer gedehnten Aussprache der s-Laute (Frikative) – zugleich das von ihnen verursachte Geräusch nach: „An jenem Tag wird pfeifen (יִשְׁרֹק jišroq) der Herr den Fliegen (לַזְּבוּב lazzəvûv) an den Mündungen des Nils in Ägypten und den Bienen im Land Assur.“

Dabei ist ein Wort zuweilen mit einem semantisch funktionslosen anderen allein um des phonetischen Effekts willen verbunden (engl. Farrago).

In Gen 1,2: „Die Erde war Wüste (תֹּהוּ tohû) und Leere (וָבֹהוּ wāvohû)“ (vgl. Jer 4,23), nimmt die Wortschöpfung בֹּהוּ bohû den langen o-Laut aus dem Nomen תֹּהוּ tohû auf, um den trostlosen Zustand Welt vor dem Schöpfungshandeln Gottes anklingen zu lassen.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Metzler Lexikon Sprache, Weimar 2. Aufl. 2000
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Glück, J.J., 1970, „Paronomasia in Biblical Literature“, Semitics, 50-78.
  • Lausberg, H., 3. Aufl. 1990, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, Stuttgart.
  • Rendsburg, G.A., 1988, „Bilingual Wordplay in the Bible“, VT 38, 354-357.
  • Kalimi, I., 1997, „Paronomasie im Buch der Chronik: Ein Beitrag zur literarischen Forschung an der Arbeitsweise des Chronisten“, BZ 41, 78-88.

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