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Vasall / Vasallität

(erstellt: März 2020)

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1. Vasallität im antiken Vorderen Orient

Vasall/Vasallität 01
Das politische Leben im antiken Vorderen Orient war geprägt durch die Großmächte Assyrien, Babylonien, Ägypten und das Perserreich. Diese Imperien übten ihre Macht über die besiegten Gebiete in unterschiedlichen Formen aus. Länder konnten annektiert und direkt in das Reichsgebiet des Siegers integriert werden (→ Provinz). Häufig wurden früher unabhängige Kleinstaaten zu Vasallenkönigtümern mit einem Abhängigkeitsverhältnis zum jeweiligen Großreich umgewandelt.

Die Vasallität war mit Rechten und Pflichten verbunden. Der Vasall musste der Großmacht gegenüber politisch treu bleiben und durfte keine eigenständige Außenpolitik betreiben. Die Vasallenstaaten waren verpflichtet, die Armeen des Hegemons frei passieren zu lassen und bei Bedarf mit Soldaten, Proviant und Ausrüstung zu versorgen. Als zentrale Vasallenpflicht sind jedoch Tribut- und Steuerzahlungen zu sehen. Wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkamen, wurden die Vasallen mit Feldzügen, Zerstörungen, verschärften wirtschaftlichen Pflichten, Deportationen oder einem Wechsel des Vasallenkönigs gestraft. Als Gegenleistung für ihre Treue hatten die Vasallenstaaten wenigstens ideologisch ein Recht auf militärische Hilfe durch die Großmacht, der sie untertan waren. Die Vasallität konnte durch Vasallenverträge und insbesondere in der neuassyrischen Zeit durch Loyalitätseide (adê) zugesichert werden (Neumann, Parpola / Watanabe).

Ein besonders ausgeprägtes Vasallensystem hatte das Neuassyrische Großreich (→ Assyrien / Assyrer), dessen „Expansionspolitik unter → Tiglat-Pileser III. (745-727) ihren Höhepunkt [erreichte]. Er brachte nahezu ganz Vorderasien unter seine Kontrolle und schuf ein straff organisiertes Vasallensystem, das er religionspolitisch mit dem universalen Anspruch des Staatsgottes Aššur begründete.“ (Schipper 2018, 36). Trotz der unfreiwilligen Einbindung in die sogenannte pax assyriaca konnten die Vasallenstaaten ökonomisch von der abhängigen Position profitieren: Die vorwiegend wirtschaftlichen Interessen der neuassyrischen Verwaltungsreform machten sich in den levantinischen Kleinstaaten bemerkbar. Diese nahmen jetzt am internationalen Handel teil und konnten ihre Produktion erhöhen.

2. Das Nordreich Israel als Vasallenstaat

2.1. von Aram (Ende 9. Jh.)

Im letzten Viertel des 9. Jh.s v. Chr. schwächte der neuassyrische Machtdruck in der Levante ab, sodass Aram-Damaskus an Bedeutung gewinnen konnte. Der Machtzuwachs der aramäischen Könige brachte im 9. Jh. v. Chr. die frühere Machtposition Israels (→ Omri; → Ahab) ins Wanken, sodass die Könige in → Samaria wohl teilweise einen Vasallenstatus innehatten und Aram-Damaskus (→ Aram / Aramäer) tributpflichtig waren (2Kön 8,28-29; 2Kön 9,14-15; 2Kön 10,32-33; 2Kön 13,3-6.22-25).

2.2. von Assyrien (9. Jh; 8.-7. Jh.)

Die aggressive Eroberungspolitik von Assyrien in der ersten Hälfte des 9. Jh.s v. Chr. führte in der Levante zu einer Koalitionsbildung zwischen zwölf Königen. Geleitet wurde die Koalition von Hamat und Damaskus, aber auch → Ahab von Israel (870-851) nahm mit seinen Streitwagen und Männern teil. Das Bündnis kämpfte 853 v. Chr. gegen → Salmanassar III. (859-824) bei Qarqar am Orontesgebirge (Syrien), um eine Annektierung durch das Neuassyrische Großreich zu verhindern (→ Schlacht von Qarqar). Das Alte Testament schweigt über diesen Feldzug, über die Koalition wird jedoch in assyrischen Inschriften ausführlich berichtet (s. insbes. HTAT Nr. 106). Der „vorausgreifende“ Aufstand war erfolgreich, denn Israel wurde erst unter → Jehu (845-817) dem Neuassyrischen Großreich tributpflichtig (HTAT Nr. 112-113).

Nach vielen Versuchen, die Aramäer und ihre Koalitionspartner zu besiegen, gelang es Adad-Nerari III. (810-783), die neuassyrische Hegemonie bis in die südliche Levante zu erweitern. In einer Inschrift wird festgestellt, dass das „Land Omri“ neben vielen anderen Staaten besiegt wurde. Israel wurden Abgaben und Tributzahlungen auferlegt (HTAT Nr. 121). Auch eine Tributzahlung von → Joasch von Israel (801-786) ist in den assyrischen Quellen belegt (HTAT Nr. 122). → Menahem von Samaria (746-737) bezahlte ebenfalls Tribut, nachdem Tiglat-Pileser III. 738 v. Chr. Gebiete in Mittelsyrien unterworfen hatte (2Kön 15,19-20; HTAT Nr. 140).

In den folgenden Jahren gab es einen Versuch, eine neue antiassyrische Koalition zu bilden, bei der u.a. Damaskus und Samaria unter der Herrschaft von → Pekach (735-733) mitwirkten. 733/2 v. Chr. folgte eine Strafexpedition: Viele Städte des Nordreichs wurden zerstört, große Gebiete annektiert und in Provinzen des neuassyrischen Großreichs umgewandelt und Pekach von proassyrischen Gruppen getötet. Vor diesem Hintergrund zahlte sein Nachfolger Hoschea sofort wieder als Vasall Tribut an das Neuassyrische Reich (2Kön 17,3; HTAT Nr. 147-149, 152). Nachdem Salmanassar V. in Assyrien 727 v. Chr. den Thron bestiegen hatte, unterließ → Hoschea (731-722) die Tributzahlungen und nahm gegen seine Vasallenpflichten eigenständig Kontakt mit Ägypten auf (2Kön 17,4). Assyrien reagierte schnell und hart: Salmanassar V. (727-722) wirft Hoschea ins Gefängnis und greift Samaria an. → Samaria fällt 722 v. Chr., und weitere strategisch wichtige Orte werden zerstört (HTAT Nr. 150-152). Die Oberschicht des Nordreichs wird in den Nordosten von Assyrien deportiert – die assyrischen Quellen nennen 27.280 Personen – und an ihrer Stelle werden neue Bewohner angesiedelt. Der Rumpfstaat Israel wird in die assyrische Provinz Samaria umgewandelt – eventuell wurden einige Gebiete der Provinz → Megiddo zugeschlagen (2Kön 17,1-6.24; 2Kön 18,9-12; HTAT Nr. 158-159). Das Ende des Vasallenverhältnisses bedeutet zugleich das Ende jeglicher politischer Selbstbestimmung in Israel.

3. Das Südreich Juda als Vasallenstaat

3.1. von Israel und Aram (9.-8. Jh.)

Im Gegensatz zur biblischen Darstellung ist durch archäologische Befunde und außerbiblische Quellen eindeutig, dass das Südreich Juda in seiner frühen staatlichen Entwicklung um wenigstens ein Jahrhundert hinter dem Nordreich Israel zurückblieb. Juda wurde im 9. Jh. v. Chr. von Israel dominiert. In der Forschung ist schon lange vorgeschlagen worden, dass das Südreich ein Vasall des Nordreichs war (Donner, Finkelstein). Daneben ist neulich für ein stärkeres Abhängigkeitsverhältnis als Satellitenstaat oder im Rahmen eines Filialkönigtums – in dieser Klientelpolitik habe immer ein Mitglied des israelitischen Königshauses als König von Juda regiert – plädiert worden (Frevel, 186-194). Unabhängig von der genauen Definition der Beziehung kann festgehalten werden, dass bis zur Regierungszeit des Königs → Ahas (741-725) in Juda kein vom Norden unabhängiges Königtum nachweisbar ist (anders Naʼaman).

Für ein enges Abhängigkeitsverhältnis sprechen einige biblische Notizen, die den Eindruck erwecken, dass Juda seinen militärischen Vasallenpflichten nachkommen musste. Laut 1Kön 22,1-38 und 2Kön 3,4-27 beteiligte sich → Joschafat von Juda (868-850) in Kriegen des Nordreichs gegen → Aram und → Moab, die auf das Südreich keinen großen Einfluss gehabt haben dürften. Ähnlich können die Berichte über → Ahasja von Juda (845) bewertet werden: Ahasja hilft → Joram von Israel (850-845) nicht nur im Kampf gegen die Aramäer (2Kön 8,28-29), sondern auch während des Militäraufstandes von → Jehu (845-817), der beide Könige tötet (2Kön 9,23-27).

Die politische Bedeutung Israels in der Mitte des 9. Jh.s bezeugt auch die kurze Notiz in 2Kön 3,4. Der moabitische König Mescha (Mitte 9. Jh.) habe dem König → Ahab von Israel (870-851) Lämmer und Widder (als Tribut) entrichten müssen. Vgl. auch die sogenannte Mescha-Stele (→ Mescha / Mescha-Stele; HTAT Nr. 105).

Die Vormachtstellung Israels führte in Juda zu Versuchen, dem Einfluss des Nordens mit Bündnissen zu entgehen. So berichtet 1Kön 15,16-22, wie der König → Asa (908-868) den Aramäerkönig Ben-Hadad I. (ca. 900-880) kontaktiert, damit dieser gegen → Bascha von Israel (905-882) ziehe. Während der Herrschaft → Hasaels (ca. 843-803) sah das Südreich am Ende des 9. Jh.s v. Chr. wieder eine Möglichkeit, sich vom Einfluss des Nordens zu befreien. In diesem Kontext zahlte der König → Joasch (839-800) zunächst Tribut an Hasael (2Kön 12,18-19). → Amazja (800-786), der vermutlich von den Aramäern eingesetzte Nachfolger von Joasch, begehrte in einem misslungenen Aufstand auf, um Jerusalem unabhängig zu machen. Joasch von Israel besiegte ihn auf dem judäischen Gebiet und plünderte den Tempel in Jerusalem als Kriegstribut (2Kön 14,8-14). → Asarja / Usija und → Jotam (756-741) waren die letzten von Samaria abhängigen Könige, da das Nordreich Israel seine führende Stellung durch die aggressive Außenpolitik des Aramäerkönigs → Rezin (ca. 750-732) von Damaskus verlor. Erst danach wurde eine eigenständige staatliche Entwicklung Judas möglich.

3.2. von Assyrien (8.-7. Jh.)

Vasall/Vasallität 02
Juda konnte sich unter dem König → Ahas (741-725) der Vorherrschaft Israels und der Aramäer entziehen. Dies gelang jedoch nur mit Hilfe von Assyrien, dessen Vasall Juda wurde. Israel war schon 738 zum Vasall des Neuassyrischen Großreichs geworden, während Juda noch seine Unabhängigkeit bewahren konnte. 734 rückte → Tiglat-Pileser III. (745-727 v. Chr.) weiter südlich an der levantinischen Küste vor und unterwarf die übriggebliebenen Kleinstaaten → Aschkelon, → Ammon, → Edom, Juda und → Moab. Der Tribut des Königs Ahas ist in den biblischen und assyrischen Quellen belegt (2Kön 16,7-8; HTAT Nr. 140). Ahas von Juda blieb in den Folgejahren ein treuer Vasall, während im Norden ein Aufstand gegen Tiglat-Pileser III. geplant und durchgeführt wurde. Das Alte Testament enthält dazu unterschiedliche Informationen: Es gibt Quellen, die verstehen lassen, dass die Koalition versucht hat, Ahas militärisch zur Teilnahme zu zwingen (2Kön 16,5 Jes 7,1-9; Hos 5,8-14; → Syrisch-ephraimitischer Krieg). 2Kön 16,7-10 berichtet, dass Ahas im Sinne seiner Vasallenrechte Boten nach Assyrien geschickt hat, um militärische Hilfe von Tiglat-Pileser III. zu fordern. Der zusätzliche Tribut von Ahas sicherte die Verschonung Judas während des assyrischen Straffeldzugs gegen die nördliche Koalition.

Während der neuassyrischen Zeit erlebte Juda in mehreren Stufen einen wirtschaftlichen Aufschwung, der archäologisch nachweisbar ist. → Jerusalem wurde ausgebaut und gewann an Größe und Bedeutung: Die Stadtmauern und die Wassersysteme wurden erweitert (HTAT Nr. 180), und es kamen neue Wohnareale hinzu. Die Beziehung dieser Entwicklungen zum Untergang des Nordreichs bleibt umstritten (s. als Überblick Frevel, 278-281). Auch im Süden des judäischen Gebietes und in der Schefela wurden Siedlungen (z.B. → Arad, → Bet-Schemesch und → Lachisch) befestigt und ausgebaut. Die wachsende Anzahl der Siegelabdrücke und Inschriften aus dieser Zeit sprechen für eine verstärkte Verwaltung des Südreichs, wo unter → Hiskia (725-696) und → Manasse (696-641) auch Militär- und Verwaltungsgebäude (u.a. in → Jerusalem, → Lachisch und → Ramat Rahel) nachweisbar werden.

Die Prosperität Judas während der Assyrerzeit verdankte sich der Vasallentreue der Könige. Nach Ahas zahlte auch sein Nachfolger Hiskia zunächst Tribut und beteiligte sich nicht an einem Aufstand, der von Gaza und Hamat 720 v. Chr. angestiftet wurde (HTAT Nr. 154). Die pax assyriaca ermöglichte eine wirtschaftliche Entwicklung und eine Teilnahme am internationalen Fernhandel. In den folgenden Jahren beteiligte sich Hiskia – vielleicht auch aufgrund seiner neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten – an antiassyrischen Koalitionen gegen → Sargon II. (722-705) im Jahr 713, worauf der Assyrerkönig zwei Jahre später mit einem Feldzug gegen die Philistäerstädte, Juda, Edom und Moab reagierte (HTAT Nr. 160-163). Jes 20,1-6 enthält eine prophetische Warnung vor einem Aufstand gegen Assyrien, die kein Gehör bei Hiskia fand. Bei den Unruhen nach dem Tod Sargons II. unterließen viele levantinische Kleinstaaten ihre Tributzahlungen (2Kön 18,7). Bei dieser Koalition, an der auch Ägypten beteiligt war, hatte Hiskia wohl eine führende Rolle. Der Straffeldzug → Sanheribs (705-681) 701 v. Chr. ließ die Koalition sofort auseinander brechen und verursachte verheerende Schäden in den Städten der → Schefela, besonders in Lachisch. Aus der Schefela wurden vermutlich kleinere Gruppen deportiert. Jerusalem blieb verschont, jedoch zahlte Hiskia einen sehr umfangreichen Tribut und war gezwungen, wieder in den Vasallenstatus zurückzukehren. Dabei wurde das Gebiet Judas verkleinert (2Kön 18-20; Jes 36-38; HTAT Nr. 181-183).

Die lange Regierungszeit → Manasses (696-641; 2Kön 21,1) fällt in eine Blütezeit des Neuassyrischen Großreichs, das in der ersten Hälfte des 7. Jh.s seine größte Ausdehnung erreichte. Als treuer Vasall konnte Manasse von diesen Entwicklungen wirtschaftlich profitieren und Juda wiederaufbauen (HTAT Nr. 188). Die Ausdehnung Jerusalems wuchs und Städte in der Schefela wurden erneut besiedelt. Vermutlich leistete er auch den Loyalitätseid adê (Frevel, 302). Die Assyrer unternahmen in der Regierungszeit Manasses einige Feldzüge nach Ägypten, bei denen judäische Truppen mitwirkten (HTAT Nr. 191).

Die Mächte im Vorderen Orient verschoben sich, während der König → Josia (639-609) in Juda regierte. Zwar begann er 639 v. Chr. seine Regierung als neuassyrischer Vasall, doch ging das Neuassyrische Großreich 612 v. Chr. unter. Assyrien war aufgrund vieler Angriffe aus Babylon und Elam zunehmend schwächer geworden, was zum Machtzuwachs Ägyptens in der südlichen Levante führte. Ab Josia balancierten die judäischen Herrscher zwischen den hegemonialen Interessen von Assyrien und Ägypten.

3.3. von Ägypten (spätes 7. Jh.)

Neuere Arbeiten zeigen, dass Juda und andere syro-palästinische Kleinstaaten im letzten Drittel des 7. Jh.s v. Chr. offiziell neuassyrische Vasallen waren, in der Praxis jedoch unter ägyptischer Kontrolle standen (→ Ägypten; s. als Überblick Frevel, 306-307; Schipper 1999, 228-247). Die Tötung Josias durch den Pharao → Necho II. (610-595) 609 v. Chr. hatte vermutlich mit fehlender Vasallentreue zu tun (2Kön 23,29). Der Nachfolger Josias, → Joahas (609), regierte nur drei Monate. Er wurde möglicherweise aufgrund seiner proassyrischen Haltung nach drei Monaten von den Ägyptern abgesetzt. Denn nach ihm stieg der proägyptische Vasallenkönig Eljakim mit dem Thronnamen → Jojakim (609-598) auf den Thron und zahlte Necho II. einen Tribut (2Kön 23,33-35). Spätestens ab Jojakim war Juda offiziell ein ägyptischer Vasall.

3.4. von Babylonien (6. Jh.)

Vasall/Vasallität 03
Am Ende des 7. Jh.s griffen die Neubabylonier (→ Babylonien / Babylonier) Ägypten wiederholt an. Jojakim von Juda leistete Tribut an Babylonien ab 604 v. Chr. Nach einer weiteren Schlacht zwischen dem Neubabylonischen Großreich und Ägypten 601 v. Chr. unterließ Jojakim seine Vasallenpflichten (2Kön 24,1), was 597/6 v. Chr. zu einem Straffeldzug von → Nebukadnezar II. (605-562) führte. Der Nachfolger Jojakims, → Jojachin (598/7), kapitulierte sofort und zahlte Tribut. Damit rettete er Jerusalem vor einer Zerstörung, wurde jedoch selbst mit der Königsfamilie, großen Teilen der Oberschicht und spezialisierten Handwerkern nach Babylon deportiert (2Kön 24,12-16; Jer 52,28-30; HTAT Nr. 258.265-267). Nach Jojachin wurde Mattanja von den Babyloniern mit dem Thronnamen → Zedekia (597-587) auf den Thron von Jerusalem gesetzt (2Kön 24,17). Dieser blieb zunächst treuer Vasall, kündigte den Status jedoch schon nach einigen Jahren auf (2Kön 24,20). Als Folge wurde Jerusalem 587/6 v. Chr. weitestgehend zerstört (→ Zerstörung Jerusalems), Zedekia umgebracht, und Juda in eine neubabylonische Provinz umgewandelt. Große Teile der Bevölkerung wurden deportiert (2Kön 25,1-21; → Exil).

4. Einfluss der Vasallität auf das Alte Testament

Neben den Berichten über Vasallitätsverhältnisse in den → Königsbüchern hat die Vasallität auch andere Spuren in den alttestamentlichen Texten hinterlassen.

4.1. Vasallenverträge

Die hethitischen und assyrischen Vasallenverträge sowie neuassyrische Loyalitätseide (Parpola, Wilhelm) haben alttestamentliche Texte unterschiedlich beeinflusst. Bedeutend sind vor allem die Auswirkungen auf die Bundestheologie (→ Bund): Das Verhältnis zwischen Jahwe und seinem Volk hat viele Parallelen im altorientalischen Vasallenverhältnis. Dass Vasallenverträge auch in Israel und Juda bekannt waren, machen die erhaltenen neuassyrischen Verträge aus Tell Ta‘yīnāt (Koordinaten: N 36° 14' 54'', E 36° 22' 34''; Lauinger) und Verträge mit den Königen von Aram und Tyrus (Parpola / Watanabe; HTAT Nr. 189) wahrscheinlich.

Gen 15,7-21 scheint auf Vereidigungsrituale, bei denen die Vertragspartner sich selbst zur Treue verpflichteten, anzuspielen. Die Sanktionen eines Vertragsbruchs wurden vor allem in den langen, die jeweiligen Verträge abschließenden Flüchen thematisiert. Entsprechende Fluchsammlungen sind in Lev 26,14-39 und Dtn 28,15-68 belegt. Dtn 13 ist seinerseits mit den altorientalischen Vertragsstipulationen in Verbindung gesetzt worden. In der Forschung hat man für direkte Abhängigkeit von bestimmten adê-Verträgen (Otto, Steymans) und für einen allgemeineren Einfluss von altorientalischer Vertragsrechtstradition plädiert (Koch).

4.2. Großmächte als Werkzeuge Jahwes

Die Vasallität von Israel und Juda ist im Alten Testament mit theologischen Fragen nach der Geschichtswirksamkeit und der universalen Macht Jahwes verbunden. So werden die Angriffe der Großmächte auf Juda vor allem im Sinne des → Tun-Ergehen-Zusammenhangs gedeutet: Ein Vertragsbruch – oder ein Bundesbruch – hatte eine göttliche Strafe als Folge. In solchen Überlegungen bekamen die ausländischen Armeen eine Rolle als Werkzeuge Jahwes zugewiesen (vgl. 2Kön 13,1-5; Jes 5,25-30; Jes 7,18-20; Jes 8,6-8; Jes 10,5-11). In dieser Hinsicht erinnern die alttestamentlichen Texten an die Vasallitätsideologie des Neuassyrischen Großreichs (Salo).

Literaturverzeichnis

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  • Finkelstein, I., 2007, The Two Kingdoms: Israel and Judah, in: ders. / Mazar, A., The Quest for the Historical Israel. Debating Archaeology and the History of Early Israel. Invited Lectures Delivered at the Sixth Biennial Colloquium of the International Institute for Secular Humanistic Judaism, Detroit, October 2005, hg. von B.B. Schmidt, Atlanta, 147-157
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  • Younger, K.L., 2016, A Political History of the Arameans. From their Origins to the End of their Polities (ABSt 13), Atlanta

Abbildungsverzeichnis

  • Salmanassar III. (858-824 v. Chr.) empfängt Tribute der Völker, die er unterworfen und zu Vasallen gemacht hat (Schwarzer Obelisk aus Kalchu, 841 v. Chr., 198 cm hoch). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 118885
  • Die Ausdehnung des neuassyrischen Reiches. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Die Ausdehnung des neubabylonischen Reiches. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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