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(erstellt: März 2012)

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1. Botanisch

Der aus den Tropen stammende Rizinus (Rizinus communis) aus der Familie der Wolfsmilchgewächse ist ein schnell wachsender einjähriger Strauch oder auch perennierendes Kraut, das im gesamten Mittelmeerraum heimisch und in Mitteleuropa inzwischen als Zierstrauch verbreitet ist.

Funde aus ägyptischen Gräbern weisen darauf hin, dass er bereits seit 4000 v. Chr. in Ägypten heimisch war. Verbreitet ist der Rizinus in Palästina noch heute an vernachlässigten Plätzen und in einigen Wüstenwadis und im Arnondelta Jordaniens (→ Arnon). Die Wurzel ist stark verzweigt und wächst schnell, wodurch der Rizinus einen guten Halt bekommt. Der Strauch erreicht mit seinem geraden Stamm eine Höhe bis zu 4 Metern und bildet stark gefiederte, violett grüne Blätter aus, die einen Durchmesser von bis zu 60 Zentimeter erreichen können. An der Spitze des Stammes und der Zweige stehen eingeschlechtliche Blüten in rispenartigen Trauben, im unteren Bereich die männlichen Blüten mit ihren gelben Staubblättern, im oberen Bereich die weiblichen roten Blüten. Die Früchte sind 2-3fächrige Kapseln in einem stacheligen Mantel, in einer Größe von 2-3 Zentimetern. Jede Zelle enthält einen Samen, der bis zu 60% aus Öl besteht, aber auch das tödliche Gift Rizin enthält.

Bei geringer Verletzung stirbt der Rizinus so schnell ab, wie er aufgeschossen ist (vgl. Dalman I, 65).

2. Verwendung

Schon seit der Antike wurde durch kalte Pressung des geschälten Samens das ungiftige Rizinusöl (Ricini oleum) gewonnen, das vielfältig verwendet wurde. Für Assyrien und Ägypten ist die Verwendung als Lampenöl belegt. Doch auch als Heilmittel wurde Rizinus früh eingesetzt. Wie beispielsweise Rezepturen des medizinischen Papyrus Ebers (16. Jh. v. Chr.) zeigen, wurde das Öl bei Hautausschlag und Kopferkrankungen verwendet (vgl. pEbers 47,15-48,3) und – wie bis in heutige Zeit - als Heilmittel bei Verdauungsproblemen. So heißt es in pEbers 25 (8,12-16): „ALTERNATIVE REZEPTUR ZUM ENTLEEREN DES BAUCHES UND ENTFERNEN VON KRANKHEITSERSCHEINUNGEN IM BAUCH DES MANNES. Rizinussamen; werde gekaut und mit Bier hinuntergeschluckt, bis alles herauskommt, was in seinem Bauch ist“ (TUAT.NF 5, 233). Neben dem Rizinusöl wurden auch die frisch gepflückten Blätter bei den Ägyptern als Wundverschluss eingesetzt.

In heutiger Zeit findet Rizinusöl als Schmieröl, in der Plastikindustrie sowie der Kosmetikindustrie Verwendung.

3. Biblisch

Nicht ganz sicher ist, ob das hebräische קִיקָיוֹן qîqâjôn, das nur im → Jonabuch vorkommt (Jon 4,6-10), die Rizinuspflanze meint. Zohary (1995) weist jedoch auf Erwähnungen einer Pflanze dieses Namens, aus der man das als Heilmittel bekannte Rizinusöl gewinnt, im Talmud hin.

Die Bibelübersetzungen gehen allerdings sehr unterschiedliche Wege: Aquila (?) und Theodotion (→ Septuaginta) bieten mit κικεών kikeōn wohl nur eine Transliteration von קִיקָיוֹן qîqâjôn. Die → Septuaginta und die → Vetus Latina übersetzen den hebräischen Begriff dagegen mit „Flaschenkürbis“ (κολόκυνθα bzw. cucurbita), vielleicht weil der Kürbis in der griechischen Welt ein Lebenssymbol war, wie es zu Jona passte. Daraus entwickelte sich in der christlichen Grabkunst, in der Jona das Thema „Auferstehung“ verkörpert, die Darstellung des Propheten unter einer Kürbispflanze zu einem festen Motiv. → Symmachus gibt das Wort mit „Efeu“ (κισσός, attisch κιττός) wieder. Dem folgt Hieronymus in der → Vulgata (hedera), doch löst er damit – wohl weil „Kürbis“ fest etabliert war – im nordafrikanischen Oea, dem heutigen Tripolis, wie Augustin berichtet, große Tumulte aus, so dass der Bischof die Übersetzung korrigieren muss. Luther (1545) gibt קִיקָיוֹן qîqâjôn mit „Kürbis“ wieder, die Luther-Übersetzung (1984) dagegen mit „Staude“. Die Elberfelder Bibel (2006) und die Zürcher Bibel (2007) entscheiden sich demgegenüber für „Rizinus“.

Für die Identifizierung von hebr. קִיקָיוֹן qîqâjôn mit dem Rizinusstrauch spricht, dass seine schon oben genannten Eigenschaften gut zu der Jona-Geschichte passen: Als Jona, zornig über die Gnade, die Gott den bußfertigen Bewohnern von Ninive gewährt, die Stadt verlässt und sich eine Hütte baut, lässt Gott einen schnell wachsenden (Rizinus)Strauch emporschießen (allerdings zeigt der Text eine Steigerung ins Wunderhafte, denn Gott lässt ihn in einer Nacht wachsen). Er spendet Jona mit den großen gefingerten Blättern Schutz vor der Hitze (Jon 4,6f). Doch Gott lässt die Pflanze auch schnell wieder verdorren und gibt Jona der Hitze preis. Dem zornigen Jona hält Gott entgegen, dass er Mitleid mit dem Rizinus habe, den er nicht gepflanzt und gehegt hatte, aber Anstoß nehme, dass ER betrübt sei wegen der großen Stadt Ninive mit 120000 Einwohnern und vielem Vieh (Jon 4,9-11). Der Rizinus ist Teil eines gleichnishaften Geschehens, durch das Jona das Mitleid Gottes mit Ninive verstehen lernen soll.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Dalman, G., 1928, Arbeit und Sitte in Palästina I,1, Gütersloh (Nachdruck: Hildesheim / Zürich / New York 1984)
  • Fürst, A., 1994, Kürbis oder Efeu? Zur Übersetzung von Jona 4,6 in der Septuaginta und bei Hieronymus, Biblische Notizen 72, 12-19; auch in: ders., Von Origenes und Hieronymus zu Augustinus. Studien zur antiken Religionsgeschichte, Berlin / Boston 2011, 315-322
  • Graichen, G. (Hg.), 2. Aufl. 2004, Heilwissen versunkener Kulturen. Im Bann der grünen Götter, Berlin
  • Hepper, F.N., 1992, Pflanzen der Bibel. Eine illustrierte Enzyklopädie, Stuttgart
  • Janowski, B. / Schwemer, D. (Hgg.), 2010, Texte zur Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge, Bd. 5: Texte zur Heilkunde, Gütersloh
  • Jeremias, J., 2007, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha (ATD 24,3), Göttingen
  • Neumann-Gorsolke, U. / Riede, P., 2002, Das Kleid der Erde. Pflanzen in der Lebenswelt des alten Israel, Stuttgart / Neukirchen-Vluyn
  • Zohary, M., 3. Aufl. 1995, Pflanzen der Bibel, Stuttgart

Abbildungsverzeichnis

  • Rizinusstrauch. Aus: Wikimedia Commons; © Rickjpelleg, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-2.5 US-amerikanisch; Zugriff 7.3.2012

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