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Pentapolis

(erstellt: Januar 2020)

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Dass es in Palästina – genauer: im Ostjordanland und in Südsyrien – vom 1. Jh. v. Chr. bis ins 2. Jh. n. Chr. eine Dekapolis („Zehn-Stadt“ oder „Zehner-Städtebund“) gegeben hat, ist unstrittig; ihre Existenz und auch ihr Name ist in antiken Quellen (in der Naturalis historia des Plinius, der Geographia des Ptolemäus sowie mehrfach in den synoptischen Evangelien des Neuen Testaments) belegt. Ob es hingegen in Palästina je eine Pentapolis (eine „Fünf-Stadt“ bzw. einen „Fünfer-Städtebund“) gegeben hat, ist nicht sicher.

1. Biblischer Befund

In Gen 14,2 werden fünf, angeblich im Siddimtal nahe dem Toten Meer gelegene Städte aufgezählt: → Sodom, → Gomorra, Adma, Zebojim und → Bela / Zoar. Vier von ihnen sollten wenig später im großen Gottesgericht versinken. Das ist bestenfalls Sagenstoff und historisch nicht verifizierbar. Gleichwohl verwendet die → Sapientia Salomonis (10,6) für diese fünf Städte den Begriff „Pentapolis“: vermutlich nach griechischem Vorbild; denn solche Fünferbünde gab es zuerst unter dorischen Städten in Griechenland und dann in griechisch kolonisierten Gebieten im heutigen Lybien, an der Westküste des Schwarzen Meeres sowie in Kleinasien (von späteren Nachahmungen in Italien, Ungarn und anderswo abgesehen). Die Fünfzahl bot sich für derartige Zusammenschlüsse anscheinend an.

Pentapolis 1
Der einzige ernsthafte alttestamentliche Kandidat für eine Pentapolis ist ein möglicher Städtebund der → Philister, an der südlichen Ostküste des Mittelmeers zu Beginn des 1. Jt.s v. Chr. Allerdings ist weder ihre Existenz noch ihr Name in antiken Quellen eindeutig bezeugt. Das einzige, und auch nur indirekte, Schriftzeugnis liegt in der sog. → „Ladegeschichte“ in 1Sam 4-6 vor.

Dass zu dieser Unterquelle der → Samuelbücher auch 2Sam 6 gehört haben dürfte, kann hier außer Betracht bleiben, weil die Handlung dieses Kapitels östlich des Gebietes der vermuteten philistäischen Pentapolis spielt.

Laut 1Sam 5-6 gelangte die heilige → „Lade“, ein Kultgegenstand, genauer ein Kriegspalladium, das die Philister den israelitischen Stämmen in einer Schlacht bei → Eben-Eser (unweit von → Afek) abgenommen hatten, nacheinander in mehrere Philisterstädte, wo sie als Symbol des Triumphes vorgeführt werden sollte, angeblich aber eine unheilvolle Wirkung entfaltete. Dies deshalb, weil (nach israelitischem Glauben) auf oder über ihr der Gott Israels, Jhwh, präsent war, der nicht beabsichtigte, sich in Philistäa gefangen halten zu lassen, sondern zurück in „sein“ Land, nach Israel-Juda, strebte (wohin er laut 2Sam 6 auch gelangte). Er bewirkte, dass die Einwohner derjenigen Städte, in die er verbracht wurde, von „Geschwüren“ befallen wurden. Laut 1Sam 5 wurde das gefährliche Gerät von einer Philisterstadt in die andere weitergereicht: von → Aschdod (1Sam 5,1-7) über → Gat (1Sam 5,8-9) nach → Ekron (1Sam 5,10). Schließlich versammelten sich „alle Stadtfürsten der Philister“, um zu beratschlagen, was mit ihm weiterhin geschehen solle (1Sam 5,11). In 1Sam 6 dann schlagen philistäische Religionsfachleute vor, man solle als Sühnegaben für den offenbar gekränkten Jhwh „fünf goldene Geschwüre nach der Anzahl der Stadtfürsten der Philister“ anfertigen (1Sam 6,17) und diese zusammen mit der Lade gen Osten, Richtung Israel, spedieren. In diesem Zusammenhang (sowie, gewiss davon abhängig, in Jos 13,3) werden fünf Städte beim Namen genannt: → Aschdod, → Gaza, → Aschkelon, → Gat und → Ekron. Das also wäre die philistäische Pentapolis.

In voller Fünfzahl begegnen die Philisterstädte allerdings sehr selten. Jos 11,22 nennt als Wohnorte der sagenhaften „Enakiter“ nur drei: Aschdod, Gat und Gaza. In einigen Fremdvölkersprüchen der biblischen Prophetenbücher tauchen vier auf: Gaza, Aschdod, Aschkelon und Ekron (Jer 25,20; Am 1,6-8; Zef 2,4-7). Es gibt dort freilich auch kürzere Reihungen: Aschkelon, Gaza und Ekron in Sach 9,5, Gaza und Aschkelon in Jer 47,1-7. In Gebietslisten, angeblich aus der Landnahmezeit, finden sich zweimal leicht differierende Dreiergruppen: Ekron, Aschdod und Gaza in Jos 15,45-47, Gaza, Aschkelon und Ekron in Ri 1,18-19. Verschiedentlich werden einzelne Städte allein genannt: am häufigsten Gaza, oft als südlich(st)er Grenzort Palästinas (Gen 10,19; Dtn 2,23; Jos 10,41; Ri 6,4; 1Kön 5,4; 2Kön 18,8), dazu in den → Simson-Geschichten (v.a. in Ri 16), aber auch Ekron (Jos 19,43; 1Sam 17,52; 2Kön 1,2.3.6.16) oder Aschdod (Jes 20,1; Am 3,9).

Es fällt auf, dass in Aufzählungen außerhalb der Samuelbücher Gat zu fehlen pflegt: eine Stadt, die in den Davidüberlieferungen die Führungsposition unter den Philisterstädten innezuhaben scheint (vgl. 1Sam 21,11-16; 1Sam 27,1-3; 2Sam 1,20; auch schon 1Sam 7,14). Tatsächlich stand laut den archäologischen Grabungen in Tell eṣ-Ṣāfī, dem historischen Gat (Koordinaten: 1359.1237; N 31° 41' 58'', E 34° 50' 52''), diese Stadt in voller Blüte im 10. und 9. Jh., wurde aber um 825 v. Chr. von dem Damaszener König → Hasael belagert, erobert und zerstört (vgl. 2Kön 12,18-19) und erlangte danach nie mehr nennenswerte Bedeutung. Von da an hätte es also allenfalls noch eine philistäische „Quatropolis“ geben können. Doch firmiert eine solche, wie gezeigt, nicht als feste Größe.

2. Historischer Befund

Außerhalb der hebräischen Bibel nehmen namentlich neuassyrische Annalentexte auf Philisterstädte Bezug. Diese begegnen oft einzeln, zuweilen auch mehrere von ihnen nebeneinander – doch fällt dabei nirgends der übergeordnete Begriff „Philister“, von einer „Pentapolis“ (oder auch „Quatropolis“) ganz zu schweigen. Zudem stehen die einzelnen Städte in sehr verschiedener Beziehung zum assyrischen Reich: meist als Gegner, zuweilen auch als Verbündete.

Erwähnungen in assyrischen Quellen (vgl. Galling 1968, 56-72):

Die Beleglage erweckt insgesamt den Eindruck, dass es einen Fünferbund von Philisterstädten höchstens in einer relativ kurzen und frühen geschichtlichen Phase gegeben haben könnte: im 10., allenfalls noch im 9. Jh. v. Chr. Danach existierten nur mehr vier dieser Städte, die nach den archäologischen Befunden in Bedeutung und Größe fluktuierten, so dass einmal mehr die eine, einmal mehr die andere unter ihnen den Ton angab. Und nur vergleichsweise selten werden sie mit dem ethnischen Begriff „Philister“ in Verbindung gebracht.

Immerhin ist, abgesehen von den Samuelbüchern, in Jes 14,28-32 vom „Philisterland“ die Rede – dann aber ohne Städtenamen.

Ganz generell erscheinen die Städte jeweils als selbstständige politische Entitäten („Stadtstaaten“). Sie mögen sich manchmal zu einem Bündnis von zweien, dreien oder vieren zusammengetan haben, bildeten jedoch nie eine politisch-nationale Gesamtgröße.

Von da her gesehen ist es wohl mehr Fiktion als Faktum, dass zur Zeit der israelitischen Staatenbildung „die Philister“ und gar fünf zu einer philistäischen Pentapolis verknüpfte Städte Israel (und Juda) als Erzfeind gegenübergestanden hätten. Doch genau so wird es in den Samuelbüchern immer wieder dargestellt (vgl. z.B. 1Sam 4,7; 1Sam 13,3; 1Sam 14,47; 1Sam 17,1; 1Sam 18,27; 1Sam 23,1; 1Sam 27,1; 1Sam 29,1; 1Sam 31,1; 2Sam 5,17). Anscheinend sah man von Israel / Juda aus (und vor allem im Rückblick) die kulturell differenten Bewohnerinnen und Bewohner der Küstenstädte – mit einer relativ schmalen, aus der Ägäis zugewanderten Oberschicht über einem altkanaanitischen Unterbau – als politische Einheit und geschlossen auftretenden Gegner. Und unmöglich ist es ja nicht, dass sich zu jener Zeit die Philisterstädte (oder doch einige von ihnen) tatsächlich ungewöhnlich eng zusammenschlossen, um den im Bergland aufkommenden Nachbarn und Konkurrenten in die Schranken zu weisen und nach Möglichkeit von sich abhängig zu machen. Doch dass es je eine festgefügte, auf vertraglichen Abmachungen basierende, sich als Einheit verstehende und einheitlich handelnde „philistäische Pentapolis“ gegeben hätte, ist mehr als fraglich.

Literaturverzeichnis

  • Dietrich, Walter, 2011, Samuel. 1. Teilband: 1Sam 1-12 (BK.AT 8,1), Neukirchen-Vluyn
  • Dietrich, Walter, 2015, Samuel. 2. Teilband: 1Sam 13-26 (BK.AT 8,2), Neukirchen-Vluyn
  • Dietrich, Walter, 2019, Samuel. 3. Teilband: 1Sam 27 – 2Sam 8 (BK.AT 8,3), Göttingen
  • Dothan, Moshe, 1967, Ashdod. A City of the Philistine Pentapolis, Arch 20, 178-186
  • Dothan, Trude, 1993, Art. Tel Miqne (Ekron), in: NEAEHL 3, 1051-1059
  • Ehrlich, Carl S., 2016, Biblical Gentilics and Israelite Ethnicity, in: W. Dietrich / C. Edenburg / P. Hugo (Hgg.), The Books of Samuel. Stories – History – Reception History (BEThL 284), 413-421
  • Galling, Kurt, 1961, Art. Pentapolis, in: RGG, 3. Aufl., Bd. 5, 210-211
  • Galling, Kurt (Hg.), 1968, Textbuch zur Geschichte Israels, 2. Aufl., Tübingen
  • Katzenstein, H. Jacob / Dothan, Trude, 1992, Art. Philistines, in: ABD, Bd. 5, 326-333
  • Maeir, Aren M., 2012, Insights on the Philistine Culture and Related Issues. An Overview of 15 Years of Work at Tell eṣ-Ṣafi / Gath, in: G. Galil u.a. (Hgg.), The Ancient Near East in the 12th-10th Centuries BCE. Culture and History (AOAT 392), 345-404
  • Niemann, Hermann Michael, 2002, Nachbarn und Gegner, Konkurrenten und Verwandte Judas. Die Philister zwischen Geographie und Ökonomie, Geschichte und Theologie, in: U. Hübner / E.A. Knauf (Hgg.), Kein Land für sich allein. Studien zum Kulturkontakt in Kanaan, Israel / Juda und Ebirnâri (FS Manfred Weippert; OBO 186), Fribourg / Göttingen, 70-91
  • Niemann, Hermann Michael, 2003, Art. Pentapolis, in: RGG, 4. Aufl., Bd. 6, 1088-1089

Abbildungsverzeichnis

  • Karte zu den Philisterstädten der sog. Pentapolis. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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