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(erstellt: Januar 2020)

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1. Bezeichnungen

Die hebräische Bezeichnung für Stall ist אֻרְוָה ’urwāh. רֶפֶת ræfæt (Hab 3,17) meint einen Stall für Großvieh.

2. Bedeutung im Rahmen der Nutztierhaltung

Stall 01
Im typischen eisenzeitlichen Vierraumhaus (→ Haus) waren um einen zentralen Hof zwei Längsräume und ein Querraum angeordnet. Einer der Längsräume war offen und wurde als Stall genutzt, wo Kleinvieh wie → Schafe und → Ziegen gehalten wurden. Dieser Raum bot Platz für etwa 10 Tiere, die die Menschen mit frischer Milch versorgten. Daneben konnte auch ein → Esel als Reit- bzw. Lasttier dort untergebracht werden.

Stall 02
Separate Ställe unabhängig von Wohnräumen sind erst seit persisch-hellenistischer Zeit nachweisbar. So überliefert 2Chr 32,28 das Vorhandensein von Ställen für die verschiedenen Arten von Tieren. Wenn kein Vieh mehr in den Ställen ist (Hab 3,17), dann zeigt das, dass der durch eine feindliche Invasion ausgelöste Tag der Not (Hab 3,16) für das Volk angebrochen ist.

Dass sich die Geburt Jesu in einem Stall abspielte, ist biblisch nicht belegt, wurde aber in der späteren Tradition aus dem Vorhandensein der Krippe geschlossen. So heißt es im Pseudo-Matthäus-Evangelium: „Am dritten Tag nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus trat die seligste Maria aus der Höhle, ging in einen Stall hinein und legte ihren Knaben in eine Krippe, und Ochs und Esel beteten ihn an“ (Ps.-Matth. 14). In Joh 10,1.16 meint αὐλή aulē eher einen offenen Hof als einen Stall.

3. Ställe für Kriegspferde

Stall 03
Im Zuge von Ausgrabungen fand man Anfang des 20. Jh.s in Stratum IVa in Megiddo Pfeilerhäuser (sog. „pillard buildings“), die von den Ausgräbern zunächst als „Pferdeställe“ gedeutet und unter Hinweis auf 1Kön 9,17-19; 1Kön 10,26-29 mit Salomo in Verbindung gebracht wurden (vgl. Guy 1931). Diese Pfeilerhäuser, die dann auch an einer ganzen Reihe anderer Orte gefunden worden sind, weisen einen rechtwinkligen Grundriss auf. Sie hatten einen zentralen Mittelgang mit gepflastertem Boden und vermutlich ein erhöhtes Dach, so dass durch Fenster in den Wänden, auf denen dieses Dach ruhte, Licht eintreten konnte (vgl. die Architektur einer Basilika). Parallel zum Mittelgang verliefen Bereiche, in denen Pferde gestanden haben können. Zwischen den Pfeilern fand man Steinblöcke mit einer Kuhle, die als Tröge für Futter gedeutet wurden.

Stall 04
Diese Ansicht wurde im Laufe der weiteren Interpretation der Funde (vgl. besonders Pritchard 1970) zugunsten einer Deutung auf Vorratslager, Soldatenunterkünfte oder überdachte Marktplätze immer wieder in Frage gestellt. Dabei müssen sich beide Auffassungen grundsätzlich keineswegs widersprechen, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei den Pfeilerhäusern um Mehrzweckgebäude handelt, die je nach Ort und Notwendigkeit verschiedene Nutzungen aufweisen konnten (vgl. Weippert / Weippert 2014).

Was Megiddo Stratum IVA anbelangt, so wurde die These von Pferdeställen durch die Arbeiten von I. Finkelstein und D.O. Cantrell und den Nachweis von Spuren von Pferdeurin wieder erneuert, wobei diese Anlagen mittlerweile ins 8. Jh. datiert werden (vgl. Cantrell / Finkelstein 2006). Cantrell verweist u.a. darauf, dass die in den dortigen Gebäuden befindlichen Vorrichtungen, wie z.B. besondere Eingänge, spezielle Gangreihen, Belüftungssysteme und Versorgungseinrichtungen für Futter und Wasser in hervorragender Weise für eine Haltung von Pferden sprechen, die einen hohen fachlichen Standard widerspiegelt. Dabei ist davon auszugehen, dass dort bis zu 450 Pferde untergebracht werden konnten. Die örtlichen Gegebenheiten, vor allem die ebenfalls nachgewiesenen Innenhöfe der Anlagen, ermöglichten zudem, Streitwagenpferde speziell zu trainieren. Somit kann man davon ausgehen, dass um 800 v. Chr. Stallungen für Kriegspferde im Nordreich Israel vorhanden waren.

Dass im Rahmen dieser Anlagen keine Pferdeskelette oder Pferdeknochen gefunden wurden, widerlegt die These nicht, kann man doch davon ausgehen, dass kranke oder schwache Tiere nicht in den Stallanlagen verblieben, sondern von dort weggebracht wurden. Skelette oder Knochen wären nur dann zu erwarten, wenn die Anlagen zerstört worden wären, ohne dass die Tiere rechtzeitig aus diesen entfernt werden konnten.

Auch 1Kön 5,6 (vgl. 2Chr 9,25), wo Pferdeställe / Pferdepferche (אֻרוֹת סוּסִים ’urôt sûsîm) erwähnt werden, könnte die Existenz solcher Anlagen für Pferdehaltung im königszeitlichen Israel stützen (vgl. akkadisch urū „Umhegung / Stall“).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928-2018
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006

2. Weitere Literatur

  • Cantrell, D.O., Stable Issues, in: I. Finkelstein, / D. Ussishkin / B. Halpern (Hgg.), Megiddo IV. The 1998-2002 Seasons, II (Tel Aviv University Monograph Series 24), Tel Aviv 2006, 630-642
  • Cantrell, D.O., The Horsemen of Israel. Horses and Chariotry in Monarchic Israel (Ninth – Eighth Centuries B.C.E.) (History, Archaeology, and Culture of the Levant 1), Winona Lake 2001
  • Cantrell, D.O. / Finkelstein, I., A Kingdom for a Horse. The Megiddo Stables and Eighth Century Israel, in: I. Finkelstein, / D. Ussishkin / B. Halpern (Hgg.), Megiddo IV. The 1998-2002 Seasons, II (Tel Aviv University Monograph Series 24), Tel Aviv 2006, 643-665
  • Guy, P.L.O., New Light from Armageddon. Second Provisional Report (1927-29) on the Excavations at Megiddo in Palestine. With a Chapter on an Inscribed Scaraboid by W.E. Staples (The University of Chicago. Oriental Institute Communications 9), Chicago 1931
  • Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. VI, Gütersloh 1939, 277-287
  • Keel, O. / Küchler, M. / Uehlinger, Chr., Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, Bd. 1, Zürich u.a. 1984
  • Niemann, H.M. / Knauf, E.A., Wohl doch nicht Salomos Pferdeställe …, Ergebnisse der Kampagne 2000 in Megiddo, WUB 23 (2002), 66f
  • Pritchard, J.B., The Megiddo Stables. A Reassessment, in: J.A. Sanders (Hg.), Essays in Honor of Nelson Glueck. Near Eastern Archeology in the Twentieth Century, Garden City 1970, 268-276
  • Villeneuve, E., Salomos Pferdeställe?, WUB 86 (2017), 77-79
  • Weippert, H. / Weippert, M., Dreischiffige Pfeilerhallen in der Eisenzeit, ZDPV 130 (2014), 1-42
  • Zwickel, W., Die Welt des Alten und Neuen Testaments. Ein Sach- und Arbeitsbuch, Stuttgart 1997
  • Zwickel, W., Der Pfeilerbau: Pferdestall, Markthalle, Lagerhalle oder Baracke? Auf den Spuren eines wichtigen Gebäudetyps der Königszeit, Welt und Umwelt der Bibel 50 (2008), 72- 75
  • Zwickel, W., Leben und Arbeit in biblischer Zeit. Eine Kulturgeschichte, Stuttgart 2013

Abbildungsverzeichnis

  • Eisenzeitliches Vierraumhaus mit Stall. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Eisenzeitliches Vierraumhaus mit Stall (Sichem; um 730 v. Chr.). Aus: Keel, O. / Küchler, M. / Uehlinger, Chr., Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, Bd. 1, Zürich u.a. 1984, 709, Abb. 180 (mit Dank an © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz)
  • Pfeilerhaus auf Tell es-Seba‘ / Beerscheba (Eisenzeit II). © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2018
  • Pfeilerhaus in Megiddo (Eisenzeit II). © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2018

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